15. Dezember

Annika Schneider empfiehlt öffentlich-rechtliche Formate, die sich was trauen

Übermedien-Adventskalender Türchen 15
Illustration: Ralf Nietmann

Welche Medienhäuser sind besonders überraschend, experimentierfreudig, hip? Zugegeben, auf die Öffentlich-Rechtlichen kommt man da nicht sofort. Sehr viel Programm von ARD, ZDF und Deutschlandfunk läuft nach der Devise: „Das haben wir halt schon immer so gemacht.“

Zum Glück wird auch viel ausprobiert, und das geht manchmal schief, manchmal aber erstaunlich gut. Drei Tipps für öffentlich-rechtliche Formate, die sich was trauen, von Übermedien-Redakteurin Annika Schneider:

„too many tabs“

Wöchentlicher Podcast des NDR

Caro Worbs und Miguel Robitzky gehören zum Team von Böhmermanns „ZDF Magazin Royale“, haben aber auch einen eigenen Podcast. In „too many tabs“ stellen sie sich immer mittwochs gegenseitig ihre „Rabbit Holes“ vor – also die absurd-nischigen Themen, zu denen sie sich im Netz festgelesen haben, ob es nun um die Europa-Meisterschaft im Tram-Fahren, eine komplett bei Ikea gedrehte YouTube-Serie oder per Post verschickte Kinder geht. Das ist lustig, lehrreich und besonders wohltuend, wenn man gerade keine Lust auf zentnerschwer-bedrückende Nachrichtenpodcasts hat. Und auch wenn sich die Hosts gerne darüber lustig machen, dass ihre Blödeleien ausgerechnet in der ARD-Mediathek zu finden ist: In ihrem Anspruch, Quellen zu prüfen und keinen Quatsch zu erzählen, sind die beiden dann doch ziemlich öffentlich-rechtlich. Insofern tut „too many tabs“ auch was für mehr Medienkompetenz – ganz ohne die Erklär-Vibes medienpädagogischer Schulprojekte.

 

„Bosetti Late Night“

Satire-Talkshow bei 3sat

Als dieses Jahr die Abschaffung von 3sat im Raum stand, war kaum die Rede davon, dass damit auch ein großartiges Experiment verschwinden könnte: „Bosetti Late Night“. Mediatheken-Nutzende kennen die Kabarettistin Sarah Bosetti und ihre fein-ironische Art vor allem aus ihrer wöchentlichen Politsatire beim ZDF. In ihrem längeren Format bei 3sat zeigt sie, dass sie auch Debatte kann – und zwar auf eine neugierige und kluge Art, die großen Polit-Talkshows oft fehlt. Ihre Gäste sucht sie sorgsam aus, die Themen sind relevant und das Studiopublikum darf nicht nur reinquatschen, sondern auch mit einem „Bullshit-Button“ einschreiten, wenn zu viel Unsinn geredet wird. Dass Bosetti es mit dem Diskurs ernst meint, beweist sie auch dadurch, dass sie bei ihren Sendungen explizit an ihre „Hater“ ein Freikarten-Kontingent vergibt. (Tipp: Wer zum ersten Mal reinschaut, sollte nicht mit der jüngsten Ausgabe zum „unterdrückten Mann“ anfangen, weil die vom Format her etwas aus dem Rahmen fällt.)

 

„migra_toechter“

Instagram-Kanal des SWR

Fünf Mädels sitzen auf einer Bank und rufen einem Mann hinterher: „Schöne Augen!“, „Knackiger Hintern!“ und „Gib mal Nummer!“ – dazu machen sie anzügliche Kussgeräusche. „Wenn wir mal so rufen würden“, steht über dem Kurzvideo, mit dem sich das Team der „Migratöchter“ über das Verhalten mancher Männer lustig macht. Auf dem Kanal finden sich viele solcher Sketche, die die Eigenheiten migrantischer Gruppen aufs Korn nehmen – aber auch diejenigen der deutschen Aufnahmegesellschaft. Für Menschen mit Einwanderungsgeschichte bietet der Kanal einen Ort für Austausch und Empowerment. Für alle anderen viel zu lachen und interessante Einblicke ins Leben in Deutschland als „Migra“.

 

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