Retro-Format „Loop“

Der neue Instagram-Kanal des WDR ist nicht lustig, sondern cringe

Exklusiv für Übonnenten

Was ist eigentlich aus Fernsehrichterin Barbara Salesch geworden? Die Antwort steht auf Dutzenden Klatsch– und Promiseiten. Aber auch der WDR hat dankenswerterweise noch einmal gegoogelt recherchiert und präsentiert das Ergebnis auf einem neuen Instagram-Kanal:

„Barbara Salesch ist mittlerweile 74 und hat sich – abgesehen von einer neuen Brille – kaum verändert. Man könnte meinen, sie wäre nie weg gewesen!“

Die studierte Juristin habe sich einen Bauernhof in Ostwestfalen gekauft, sei seit 2022 aber wieder in einer Gerichts-Show zu sehen, zusammen mit Hündin Piri, heißt es dort. Hätten Sie’s gewusst? Und hätten Sie’s wissen wollen?

„Flashbacks“ in die Nullerjahre

„Loop“ heißt der WDR-Kanal, der mit dieser, ähm, Nachricht aufwartet. Er ist Anfang September online gegangen und verspricht laut Kanalbeschreibung „2000er Flashbacks, Fun Facts und ne Prise cringe“.

Das Jugendwort von 2021 soll wohl zeigen, dass der Sender gecheckt hat, was die jungen Leute von heute witzig finden. Frei übersetzt gibt es auf dem Kanal außerdem nostalgische Erinnerungen und unnützes Wissen. Man biete der Zielgruppe „einen lustigen Instagram-Kanal voller Flashbacks in die eigene Jugend” und drehe „eine Schleife (engl. ‚Loop‘) durch ihr Leben“, heißt es dazu in einem WDR-internen Newsletter.

Lustig finden die Macher zum Beispiel, dass die ehemalige Tennisspielerin Maria Sharapova auf dem Platz früher genauso laut stöhnte wie eine Boeing 707 beim Landen, nämlich 105 Dezibel. Oder dass man mit einem alten Nokia-Handy auch einen Nagel in die Wand hätte schlagen können.

Loop-Post über Maria Sharapova
Screenshots: @loop.wdr auf Instagram

Zielgruppe ist der „junge Mainstream“

Wen sollte das zum Kichern bringen? Nach Vorstellung des WDR junge Erwachsene zwischen 25 und 34. Was wiederum weitere Fragen aufwirft: Sieht so die viel gerühmte digitale Zukunft der Sender aus? Was haben „lustige“ Nostalgie-Schnipsel mit dem öffentlich-rechtlichen Programmauftrag zu tun? Und warum will der WDR partout nicht verraten, wie viel Geld er für das neue Format ausgibt?

Fragt man den WDR-Redakteur Simon Pützstück, der den Kanal im Sender mit geplant hat und verantwortet, kommt er als Erstes auf …

5 Kommentare

  1. Wie sehr oft beim ÖR: Nichts ist organisch gewachsen, nichts „bottom-up“ von jungen Menschen digital gestartet und mindestens 5 Jahre zu spät ist man auch…aber 30-seitige Pressemappen hat man mit Zielgruppenanalyse & ÖR-Gemeinschafts-Sprech

  2. Für meinen Geschmack ist das viel zu viel Text für einen weiteren qualitativ fragwürdigen Versuch, sich an „junge Leute“ ranzuwanzen – auch wenn ich die geäußerte Kritik durchaus teile.

    Was mich aber wirklich stört: Da werden solche „Fun“ „Facts“ wie die Lautstärke von Stönern beim Tennisspielen recherchiert (Wer bitte misst so einen Quatsch???). Aber dass die angebliche Kreissäge auf dem Bild ein Winkelschleifer ist, das hat keine/r gemerkt.
    Wobei, vielleicht ist das der eigentliche Witz an dem Post…

  3. Parallel laufen im WDR-Hörfunk Planungen, die Kultur- und Literatursendungen um 50% zu kürzen. Den verunsicherten Autoren dieser Sendungen wurde als Begründung gesagt: Wir wollen lieber mehr digitale Formate schaffen, für Leute, die „noch nicht den Luxus unserer Angebote kennen“. „Loop“ ist wohl ein erstes Beispiel dieser Anstrengungen… Mit „cringe“ ist meine innere Reaktion noch gelinde umschrieben. Danke für den Artikel.

  4. @Sid (#2):

    Ich habe mich gefragt, wer aus der Zielgruppe jemals (bewusst) eine 707 hat landen hören. Das Ding wird seit 1978 nicht mehr produziert und war damals schon aus der Zeit gefallen.

  5. @ #4: Das Rabbithole geht weiter: Die 707 war damals als „besonders laut“ verschrien; spätere Messungen stellten fest, dass die 707 nicht viel lauter als vergleichbare Modelle war.
    Ich finde eine Quelle, die sagt: 707 ist 106db bei einer nautischen Meile vor der Landung. (Vermute, das ist auch die Quelle für den Artikel). Eine Meile. Ich vermute, Frau Sharapova und die Kreissäge hat man nicht aus einer Meile Entfernung gemessen. Üblicherweise liegt die Messdistanz bei 1m.
    In derselben Liste steht zudem „Jet Takeoff at 25m distance“ mit 150dB.
    Auch nicht vergessen: dB ist eine logarithmische Skala – 10dB Anstieg entspricht ca. einer Verdopplung der Lautstärke (bzw. Lautheit).
    Und auch nicht vergessen, dass man kurze Impulse in hoher Lautstärke ganz anders wahrnimmt, als ein durchgehendes Geräusch. Und dass der Frequenzbereich auch extrem wichtig ist, über den man spricht – Ein Jet-Turbine, eine menschliche Stimme und eine Säge sind vom Frequenzspektrum her völlig unterschiedliche Paar Schuhe.

    Meine (unterhaltsame) Verschwörungstheorie:
    Sharapova hat Ende der Nullerjahre Werbung für Nokia gemacht, genau für das T707. Damals wurden Artikel lanciert, die die Schlagwörter 707 und Sharapova promoten sollte, so kam es zu dem ulkigen Vergleich zwischen Lautheit von Frau und Jet.
    Dann haben 20 Jahre lang Redakteure voneinander abgeschrieben und heute versteht niemand mehr, warum gerade die 707 als Vergleich genommen wurde (weil sie früher halt synonym war mit hoher Lautstärke).
    Simulacren.

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