Zentralabitur

Bitte schreiben Sie ab, wie toll Zeitungen sind

So, Smartphones aus, Rucksack weg, und auf Ihrem Tisch liegen bitte nur das Wörterbuch und die Arbeitsblätter – sonst nichts! Alles klar?

Gut, dann können wir ja loslegen mit der schriftlichen Abiturprüfung im Fach Englisch. Tausende Schüler mussten da schließlich auch durch, Ende April, als sie zur Zentralabitur-Klausur antraten. Die Aufgabe, die sie – in mehreren Bundesländern einheitlich – gestellt bekamen, ist durchaus interessant. Die Frage ist bloß: Ist sie so, wie sie dort gestellt wurde, auch sinnvoll?

Deckblatt der Aufgabe im Zentralabitur

Punkt 9 Uhr ging es los, an einem Dienstag, und von da an hatten die Schüler 60 Minuten lang Zeit, einen „englischsprachigen Beitrag“ für ein Blog zu verfassen. Das Szenario, das dafür in der Aufgabe entworfen wurde, lautete:

Ihre Schule führt gemeinsam mit Ihrer amerikanischen Partnerschule ein Projekt zum Thema „Young people and the media“ durch. In dessen Rahmen beschäftigen Sie sich mit der Rolle gedruckter Zeitungen im Leben von Jugendlichen in Deutschland.

Spannend, oder? Über die „Rolle gedruckter Zeitungen im Leben von Jugendlichen in Deutschland“ könnte man ja, insbesondere als ein in Deutschland lebender Jugendlicher, viel nachdenken und schreiben. Nur ging es hier gar nicht darum, selbständig darüber zu reflektieren.

Als Grundlage für ihren fiktiven Blog-Eintrag erhielten die Schüler einen Text, der vor drei Jahren in der „Braunschweiger Zeitung“ veröffentlicht wurde: ein Interview mit dem Journalismusforscher Michael Haller. Der Aufgabe folgend sollten die Schüler lediglich „darstellen“, was Haller

zum Nutzungsverhalten und zur Einstellung junger Leute gedruckten Zeitungen gegenüber sagt und warum er die Lektüre gedruckter Zeitungen auch heute noch empfiehlt.

Herr Lehrer, eine Frage!

Hätte man sich das ganze Brimborium der Textaufgabe – also: Partnerschule, Projekt, Blogeintrag – nicht demnach auch schenken können? Und einfach die Schüler anweisen: „Hier, übersetzt die Thesen dieses deutschen Interviews freihändig ins Englische. Bitte. Eine Stunde Zeit – und los!“

Ja, hätte man. Das meint auch jener Englisch-Lehrer, der uns die Aufgabe zur Verfügung gestellt hat:

Den armen SchülerInnen blieb in 60 Minuten Bearbeitungszeit kaum etwas anderes übrig, als die aufgestellten Thesen unkritisch aufzunehmen und wiederzugeben.

Dass die Abiturienten diesen einen Text bekamen, ist obendrein komisch, weil es ein Interview ist, das anlässlich der Kampagne „Zukunft Bilden“ erschien, die vor einigen Jahren vom BZV Medienhaus und der Braunschweigischen Landessparkasse initiiert wurde. Die Kampagne soll, so der Verlag, „möglichst viele Auszubildende in der Region an einen mündigen Umgang mit Medien“ heranführen. Das ist ehrenwert, aber: Dieser Text? In einer Abituraufgabe?

Das Interview im Original
Das Interview im Original Screenshot: braunschweiger-zeitung.de

Auch wenn in dem Interview Michael Haller spricht, ein renommierter Forscher, ist es ein Gespräch, das für Zeitungen wirbt – und für Ausbildungsstellen. Ganz im Sinne des Verlages. Die ursprüngliche Überschrift lautete: „Ihre Zeitung vermittelt Azubis Bildung“. Wenn so etwas ein Wissenschaftler über die eigene Zeitung sagt, druckt man das als Verleger doch gerne.

In der Abituraufgabe nun wurde das Interview ein wenig eingekürzt, vor allem um jene Stellen, an denen es vornehmlich um die Ausbildung bei einer Zeitung geht. Und das Abi-Interview trägt eine neue Überschrift: „Lesen junge Leute noch Zeitung?“

Auszug aus dem Interview im Zentralabitur
Auszug aus dem Interview im Zentralabitur

Über manches, was Haller sagt, zum Beispiel über die Vorzüge der Zeitung, kann man streiten oder zumindest nachdenken. So betont Haller zum Beispiel, dass Zeitungen die Bildung der Leser fördern, aber nur „wenn es sich um eine journalistisch gut gemachte Tageszeitung“ handelt. Was heißt das? Und welche Zeitungen, vor allem Regionalzeitungen, die Haller als wichtig hervorhebt, erfüllen diesen Anspruch noch? Einige Verlage dampfen seit Jahren ihre Blätter ein und legen Redaktionen zusammen.

Und wie steht es um digitale Informationsquellen? Für Haller sind Smartphones, so sagt er das im Interview: „diese kleinen Wunderdinger“, über die sich Jugendliche „austauschen, präsentieren, suchen“ können und auf denen sie „spielen“ oder „einander ärgern“. Dass man sich in diesem Internet auch prima informieren kann, davon ist keine Rede. Dafür aber von der „größtmöglichen Nutzungsfreiheit“ einer Zeitung:

Man kann die Texte beliebig oft lesen, wo man will. Sie braucht keinen Akku, keine App und keine Passwörter. Und das Lesen wird auch von keinem Geheimdienst kontrolliert.

Wenn das mal nicht gleich mehrere stechende Argumente sind. Oder so.

Viele junge Leute, sagt Haller, bekämen ihre Nachrichten nur noch „über Themen, für die sie sich sowieso interessieren, nach dem Motto: Mehr vom immer selben! Ohne Suchwort bleibt Google leer!“ Das mag stimmen. Eine Zeitung hält alle möglichen Nachrichten vor, quer durch die Bank. Und ohne Filterblase. Aber: Wollen das Jugendliche so überhaupt noch? Eher nicht, das sagt Haller auch. Immer weniger Menschen lesen Zeitung.

Wie gesagt: Über all das zu reflektieren, statt es nur zu übertragen, darum ging es in der Aufgabe nicht. Keine Kritik, keine eigenen Gedanken.

Auf die Frage, wer sich die Aufgaben im Zentralabitur ausdenkt und nach welchen Kriterien Texte für die Aufgaben ausgesucht werden, verweist die Kultusministerkonferenz an das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen, kurz IQB. Dort überlegt man sich sowas.

Das IQB antwortet, für die Prüfungsaufgaben seien von den Ländern eingerichtete Kommissionen zuständig:

Teilweise erhalten diese Kommissionen Aufgabenvorschläge (inklusive der Texte) von Lehrkräften des Landes, die sie dann weiterentwickeln, teilweise suchen sie selbst die Texte. Die Auswahl erfolgt also durch erfahrene Lehrkräfte im Rahmen einer gezielten Recherche zu gängigen Themen der gymnasialen Oberstufe (vgl. Lehrpläne der Länder), zu Schwerpunktthemen (vgl. Prüfungshinweise der Länder) oder einer konkreten Aufgabenidee.

Die Kriterien für die Textauswahl seien vielfältig: „Das Anspruchsniveau des Textes spielt eine Rolle, es ist aber in Bezug auf die konkrete Aufgabenstellung zu sehen und kann daher variieren.“ In jedem Fall müsse es dem Niveau der gymnasialen Oberstufe entsprechen, also „thematisch und im Hinblick auf die Kompetenzen, die die Prüflinge anhand der Aufgabe in der Prüfungssituation zeigen können“.

Es ist offenbar kompliziert, und ohne nun nochmal die Prüfungsordnungen im Einzelnen studiert zu haben: Wäre es nicht spannender, auch einleuchtender, wenn man so ein Interview auswählt, ihm einen konträren Text gegenüberzustellen? Einen Text, der eher gegen Zeitungen und fürs Digitale plädiert? Dann hätten die Abiturienten tatsächlich argumentieren müssen in ihrem „Blog-Eintrag“. Verbunden mit der Frage, wie sie das denn alles so sehen, die jugendlichen Mediennutzer, die gerade Abitur machen.

In der jetzigen Form müssen die Schüler beweisen, dass sie einen deutschen Text auf Englisch zusammenfassen können. So steht es auch in den Unterlagen für Lehrerinnen und Lehrer zur Aufgabe:

Die Schülerinnen und Schüler verfassen einen kohärenten Text, der […] die zentralen Informationen des Interviews aufgabenbezogen zusammenfassend wiedergibt.

Mag sein, dass das dem einen oder der anderen schon viel abfordert. Den Schülern aber zwei Texte und mehr Zeit zu geben, gäbe ihnen auch die Freiheit, sich einen eigenen Kopp zu machen, eine Haltung zu entwickeln. Das wäre eine echte Qualifikation. Aus Texten anderer einen eigenen zu stricken, qualifiziert eher für einen Job bei der „Huffington Post“.

Nachtrag 25.5.2016. In den Kommentaren kam die Frage auf, welche Aufgaben die Schüler denn noch nach dieser hier lösen mussten. Ich habe das in den Kommentaren beantwortet.

18 Kommentare

  1. „Mediation“ ist ein ganz konkreter Aufgabentyp. Einerseits geht es darum, Inhalte aus Sprache 1 in Sprache 2 zu übertragen. Andererseits ist es keine reine Übersetzung – je nach Szenario sind andere Aspekte wichtig. Daher das „Brimborium“ – es liefert Kontext, den man braucht, um zu entscheiden, welche Inhalte übertragen werden sollen. Kann man doof finden – ist aber eine recht normale Art von Aufgabe. Die Werbebroschüren für Sprachreisen oder Geschichten über verloren gegangene Musikinstrumente, die man sonst so findet, sind auch nicht viel besser…

  2. „Eine Zeitung hält alle möglichen Nachrichten vor, quer durch die Bank. Und ohne Filterblase.“
    Äh. Wenn ich den Textverlauf richtig deute, ist das doch nicht mehr Wiedergabe, sondern eigene Meinung.
    Und doch aber nicht ganz richtig, oder? Weil natürlich steht eine Zeitung auch in einer Filterblase (oder bildet eine, oder ist Teil von einer, oder so), je nach Zeitung sogar sehr. Oder meint ihr nicht?

  3. @2 Muriel: Ja, da ist was dran. Natürlich wählen Zeitungen auch aus, was sie berichten – und wie. Dennoch glaube ich, dass das was anderes ist als eine Filterblase bei, zum Beispiel, Facebook, die nur Themen durchlässt, die dem Leser mutmaßlich gefallen werden oder die er kommentieren wird. Eine journalistische Redaktion wählt nach anderen Kriterien aus.

  4. Da hat sich im Englisch-Abi in den letzten 10 Jahren also nichts geändert. Bei uns war es damals auch ein reines Zusammenfassen/Übersetzen von ausgewählten, nicht sonderlich ausgewogenen Texten und die übliche Buchbesprechung. Für das Argumentative/Kreative war dann das Deutsch-Abi da. Schade eigentlich, aber von den grundsätzlichen Erwägungen her kann ich den Gedanken, im Englisch-Abi ausschließlich die Sprachfähigkeit zu überprüfen, schon nachvollziehen.

  5. Ich bin noch skeptisch.
    Welche Abiturprüfung dauert nur 1 Stunde? Wie Judith B-K im ersten Kommentar schon schreibt, ist Mediation ein elementarer Bestandteil jeder Klausur. Allerdings niemals der einzige.
    Hat Ihnen die Quelle (der im Text erwähnte Englisch-Lehrer) auch noch den Rest der Klausuraufgaben genannt? Ich lehne mich mal etwas aus dem Fenster: ich denke, der Vorwurf wird unter der Kenntnis dieser Aufgaben gegenstandslos. Nicht ausgeschlossen, dass ich mich irre.

  6. „Früher“ hatte man in Zeitungen auch schon Filterblasen; man wusste, welche Zeitung welchem politischen Lager näher stand, und abonnierte die, die dem eigenen Lager am besten entsprach. Echte Auseinandersetzung mit dem Standpunkt anderer Leute ist das ja nicht gerade. Der Unterschied zum Heutigen ist ein gradueller, nämlich, dass man die Blase heute (von hoch motivierten Suchalgorythmen) auch in maßgeschneidert bekommt, und „dammalls“ nur von der Stange.

    Aber bevor man die Leute ins Erwachsensein und Filtergebabbel entlässt sollte man ihnen vllt. einmal gezeigt haben, wie es auch gehen kann.

  7. Ich kann Judith und Alex nur zustimmen. Mediation (also Sprachmittlung) ist in jeder (Fremdsprachen-)Abiturprüfung immer nur eine Teilaufgabe von vielen. Da es hier nicht um ein 1:1-Übersetzen von Texten in die Fremdsprache geht, ist ein Kontext schon wichtig. Kritisieren lassen sich Prüfungsaufgabenstellungen stets, allerdings sehe ich hier grundsätzlich erst mal kein Problem, was die (fach)didaktische und pädagogische Seite des Ganzen angeht. Ich gebe aber zu, für Menschen, die mit Schule erst mal nichts zu tun haben, wirkt das Ganze u.U. vielleicht zunächst merkwürdig.

  8. @Boris: Nein, Zeitungen haben genauso eine Filterblase wie Facebook. Sie wird einerseits geprägt durch die Meinung von Journalisten, dass die ganze Welt aussieht wie ihr Umfeld – andererseits durch die Ausrichtung der Zeitung.

    Tatsächlich halte ich diese Filterblase für erheblicher als den Facebook-Algorithmus. Denn auf Facebook gibt es eben auch Menschen aus anderen Umfeldern, mit denen der Nutzer nur lose Verbindungen pflegt, beispielsweise Kollegen, Eltern von Mitschülern der Kinder oder alte Schulfreunde. Diese bewegen sich in anderen Umfeldern und posten andere Inhalte. Somit liegt die Wahrscheinlichkeit höher, mit anderen Inhalten konfrontiert zu werden, als wenn man die FAZ oder die taz abonniert – denn bei ihr determiniert schon die politische Haltung einen undurchdringbaren Filter.

  9. @5 Alex Strippel: Klar, es gibt im Anschluss noch einen weiteren Teil, der länger ist und in den Bundesländern unterschiedlich. Aber die Mediation, die länderübergreifend ist, steht für sich und wird zunächst unabhängig vom Rest bewertet. Deshalb kann man sie auch losgelöst betrachten.

  10. @8 Boris Rosenkranz
    Betrachten meinetwegen, aber werten? Der Vorwurf lautet doch, dass die Aufgabe keine Reflexion oder eigene Gedanken zum Thema zulässt oder gar Kritik fordert. Dieser Vorwurf trifft auf die Aufgab selbst zu, was in ihrer Natur liegt (Mediation). Ihn auszuweiten auf die ganze Abiturprüfung geht mE nur dann, wenn man die übrigen Aufgaben dazu kennt (ja, dann wohl aus allen Bundesländern). Ob nämlich im Abitur nur gesagt werden soll, wie toll gedruckte Zeitung doch sein sollen, wird erst dann ersichtlich, wenn man sieht was die Kommissionen der einzelnen Länder dann für weitere Aufgaben gestellt haben.

  11. @9 Alex Strippel: Und Sie finden, man darf eine abgeschlossene Aufgabe, die für sich genommen bewertet wird, nicht separat betrachten? Okay, dann sind wir unterschiedlicher Auffassung. Und: „Vorwurf“, naja. Ich würde sagen, ich habe laut nachgedacht. Gefragt. Und es geht ja nicht nur um die Aufgabenstellung, sondern auch um den Text, der zugrunde liegt.

  12. @11 Boris Rosenkranz: Ich sagte ja, ich sei skeptisch.
    „Über die „Rolle gedruckter Zeitungen im Leben von Jugendlichen in Deutschland“ könnte man ja, insbesondere als ein in Deutschland lebender Jugendlicher, viel nachdenken und schreiben. Nur ging es hier gar nicht darum, selbständig darüber zu reflektieren.“
    Damit beantworten Sie Ihre eingangs gestellte Frage, ob die Aufgabenstellung sinnvoll ist. ‚Abituraufgaben‘ plus ’sinnlos‘. Kein Vorwurf?

    Ihr eigener Vorschlag:
    „Den Schülern aber zwei Texte und mehr Zeit zu geben, gäbe ihnen auch die Freiheit, sich einen eigenen Kopp zu machen, eine Haltung zu entwickeln. Das wäre eine echte Qualifikation.“

    Mein Einwand: Solange wir nicht wissen, wie die anderen Aufgaben der unterschiedlichen Klausuren in den Ländern lauteten, können wir auch nicht entscheiden, ob die Abiturklausuren sinnlos waren. Vielleicht hat Niedersachsen ja eine ganz tolle Klausur mit einem weiteren kritischen Text gestellt, aber NRW eine sehr miserable.
    Eine Aufgabe nur für sich betrachten (natürlich wird sie gesondert gewertet, anschließend mit den anderen Ergebnissen zu einer Note verbunden), würde es auch legitim erscheinen lassen nur eine Reflexionsaufgabe anzusehen und sich darüber aufzuregen, dass man da ins blaue ohne konkreten Anlass drauflos reflektieren soll. Es ist doch nicht irrelevant, was für Aufgaben folgten bzw. vorausgingen!?

    Nicht falsch verstehen. Ich verteidige nicht blindlings einfach die Kommissionen. Es ist durchaus möglich, dass die ländereigenen Kommissionen eine Abituraufgabe gestellt haben, die blöd ist und den kritischen Aspekt und die Reflexion völlig außen vor lässt.
    Das kann sein.
    Es kann aber auch immer noch das Gegenteil der Fall sein. Dass nämlich die Kommissionen gewissenhaft gearbeitet und Abituraufgaben gestellt haben, die Ihren, von mir geteilten Ansprüchen entsprechen. Das müsste man dann halt noch recherchieren, oder?
    Wobei ich mir vorstellen kann, dass man sich damit aus der Thematik von Übermedien entfernt.

  13. @Boris Rosenkranz
    Sie haben nur gefragt? Sie meinen wie Johannes B. Kerner in seinen Talkshows?
    Zunächst mal haben sie einen Teil der Prüfungsaufgabe aus dem Kontext und Zusammenhang der Gesamtaufgabe gerissen und kritisiert ohne den Leser über den Inhalt der ganzen Prüfung aufzuklären, wobei vielleicht ein ganz anderer Eindruck entstanden wäre. Mit der Arbeitsweise könnten Sie bei „Bild“ anfangen!

  14. Es ist ja vor allem die Mischung -Aufgabenstellung mit diesem Text- die den etwas merkwürdigen Eindruck vermittelt.
    Wenn Mediation aber eine Standard-Teilaufgabe ist, für die diesmal eben dieser Text gewählt wurde, hätte ich mir zwar einen spannenderen Text vorstellen können…der hier gewählte liegt aber auch im Normalspektrum.
    Obwohl ich in der von mir so erlebten, allzu homogenen Filterblase deutscher Medien bei vielen Themen, eine bedenkliche Verarmung der reichweitenstark veröffentlichten Meinungsvielfalt sehe:
    Dass da irgendeine Proporzkommission bei der Auswahl einer Zentralabi-Aufgabe keinen wirklich tief in die Kontroverse einsteigenden Text auswählt … lieber so als was von Ulfkotte. Auch wenn das sprachlich und mediativ sicher kniffliger und spannender wäre…

  15. @12 Alex Strippel: So, ich habe nochmal nachgesehen, was im Anschluss an die Mediations-Aufgabe auf dem Klausur-Plan stand. Ich habe das nun nicht für alle Bundesländer recherchiert, auch weil das, wie Sie richtig schreiben, ein bisschen von unserem Kernthema hier (Medien) wegführen würde. Aber die Aufgaben, die in Hamburg zur Wahl standen, liegen mir vor. Und da geht es dann gar nicht mehr explizit um Zeitungen.

    Die erste Aufgabe ist am Rande medial. Überschrift: „Culture Wars – Tearing Apart the US?“. Die Schüler bekamen einen Text des „Guardian“, in dem „My parents open carry“ kritisiert wird, ein Kinderbuch, das offenbar die Verharmlosung von Waffenbesitz zum Ziel hat. Der Artikel sollte zusammengefasst und das Thema Waffenbesitz in den USA analysiert und entsprechend kommentiert werden.

    Oder die Schüler wählten die zweite Aufgabe: „Crime and Punishment“. Grundlage: die Kurzgeschichte „Tetanus“ von Joyce Carol Oates, in der ein Sozialarbeiter einen elfjährigen Jungen interviewt, der bereits straffällig geworden ist. Aufgabe war, die kriminelle Laufbahn des Jungen zu skizzieren, die Gefühle des Sozialarbeiters zu beschreiben und in einem Kommentar darzulegen, wie man mit jungen Straftätern verfahren sollte.

    Wie gesagt: Ich weiß nicht, welche Aufgaben in den anderen Ländern zur Wahl standen, aber in Hamburg waren es diese. Die Mediations-Aufgabe steht also völlig alleine da, ohne Bezug. Ich glaube deshalb weiterhin, dass man sie in ihrer Form und den Text, der ihr zugrunde gelegt wurde, durchaus hinterfragen kann. Was meinen Sie – vor diesem Hintergrund?

    @13 Frank Reichelt: Sie sind sehr aufgebracht, ne?

  16. Vielen Dank für den Nachtrag, Herr Rosenkranz. Ich sehe hier jetzt auch zwei Probleme.
    Zum einen natürlich die Aufgabenstellungen (in Hamburg). Ich habe es selbst in den letzten Tagen versäumt die Fremdsprachenkollegen anzusprechen oder mal nach der Klausur von NRW zu fragen. Ich kann von meinen Fächern her bloß sagen, dass die einzelnen Aufgabenteile sich natürlich auf einander beziehen müssen. Spätestens in der letzten Aufgabe müssen die Fäden zusammenlaufen, der Faden der ersten wird aber scheinbar gar nicht aufgegriffen. Wie es hier zu sein scheint, muss man diese länderübergreifende Aufgabe tatsächlich isoliert betrachten. Das finde ich merkwürdig.
    Zum anderen würde es mich interessieren, wie diese länderübergreifende Aufgabe zustande gekommen ist. Es ist vielleicht etwas paranoid, aber ausgeschlossen ist nicht, dass auf ein Format (Abiturprüfung) mit so großer Reichweite (länderübergreifend) Einfluss von außen (Verlag?) genommen wird. Ich bin selbst im System Schule noch recht neu, allerdings ist allgemeiner Tenor, dass in Sachen Transparenz das Bildungssystem so vorbildlich ist wie Aserbaidschan in Sachen Menschenrechte. Versuchen Sie mal eine Begründung für ihre Note in der Abschlussprüfung vom Referendariat zu bekommen. Blackbox!
    Aber diese zweite Frage beschäftigt wohl eher einen Watchblog für Schule.

  17. Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich als Gymnasialschüler regelmäßig mit dem Thema „Killerspiele“ konfrontiert wurde.

    Das Thema wurde mehrfach breit ausdiskutiert und die meisten meiner Mitschüler waren sehr wohl in der Lage, die oft einseitig aufgestellten Thesen bei zu bearbeiteten Texten zu hinterfragen und einen Diskurs zu führen, selbst wenn der Diskurs nicht in der Unterrichtsstunde eingeplant war.

    Schon damals konnte man nur den Kopf schütteln, was für Texte einem als Schüler vorgelegt wurden und nicht immer bot sich die Möglichkeit, kritisch mit der Aufgabe umzugehen. Das heißt aber nicht, dass Schüler, insb. mit höherem Bildungsniveau, nicht in der Lage sind, ein solches Spiel zu durchschauen.

    PS: Mein persönliches Highlight war eine Religionslehrerin, die eigenständige Gedanken in einer Klassenarbeit explizit einforderte und anschließend mit „Deine Meinung ist falsch“ kommentierte.

  18. Natürlich wählen Zeitungen auch aus, was sie berichten – und wie. Dennoch glaube ich, dass das was anderes ist als eine Filterblase bei, zum Beispiel, Facebook,Twitter die nur Themen durchlässt, die dem Leser mutmaßlich gefallen werden oder die er kommentieren wird.
    Eine journalistische Redaktion wählt nach anderen Kriterien aus.

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