Günther Lachmann

Die „Welt“ entlässt Redakteur, der für AfD „Manifest“ skizziert haben soll

Der Journalist Günther Lachmann kann sich nun ganz auf sein privat betriebenes Politik-Magazin konzentrieren: Sein Arbeitgeber, die „Welt“, hat ihn entlassen. Zu den Gründen wollte sich der Verlag nicht äußern, aber es ist auch so klar, worum es geht: Vor drei Wochen hatte der AfD-Politiker Marcus Pretzell behauptet, Lachmann habe die AfD beraten wollen, nebenbei und gegen Geld. Lachmann bestritt dies, wehrte sich zuletzt sogar juristisch. Aber die Belege, die AfD-Mann Pretzell nun nachreicht, sind erdrückend.

Noch hat Lachmann ein Autorenprofil bei der "Welt". Screenshot: welt.de

Bis heute hatte Marcus Pretzell nur behauptet, Lachmann habe sich als Berater ins Spiel gebracht, Beweise dafür lieferte er nicht. Nachfragen verschiedener Medien – auch unsere – ließ er unbeantwortet. Nun hat er sich, was nicht verwundert, der rechtskonservativen „Jungen Freiheit“ anvertraut. Die Zeitung schreibt, ihr liege der Brief vor, den Pretzells Anwalt Ralf Höcker an Lachmanns Anwalt gerichtet habe. Darin enthalten: Auszüge aus E-Mails, die Lachmann an Pretzells Pressesprecherin gesendet haben soll.

So soll Lachmann unter anderem im Juli 2015 geschrieben haben:

Wir sprachen gestern darüber, wie die AfD ihr national-konservatives Stigma los wird. Dazu kam mir eine Idee, die ich schnell mal aufgeschrieben habe.

Und Ideen hatte der Redakteur offenbar viele. Angeblich schlug er Pretzells Pressesprecherin vor, die AfD zu einer „Partei der verantwortungsbewussten Demokratie“ zu entwickeln. Er soll ein „Konzept für ein Manifest der Verantwortungsdemokratie“ geschickt haben, da die AfD „dringend einen ideologisch-weltanschaulichen Überbau“ brauche. Und er soll Pretzell per Mail Unterstützung angeboten haben. Anlässlich eines Artikels, in dem es um die Pfändung des AfD-Kontos in Nordrhein-Westfalen ging, wird Lachmann mit den Worten zitiert: „Wollen wir da nicht dagegenhalten?“

Ein Politik-Journalist einer großen Tageszeitung, der sich einer Partei als inoffizieller Berater andient? Der ihr Manifeste schreibt? Sie von ihrem „Stigma“ befreien will? Bevor Pretzell diese Dokumente anbrachte, hatte Lachmann der „Welt“ noch eidesstattlich versichert, an den Vorwürfen sei nichts dran. Was mutig war. Und eigenartig. Hatte er vergessen, was in seinen Mails stand? Und wem er Manifeste schreibt, während er, als so genannter Journalist, über eben diese Partei berichtet? Kurios.

Auch auf die „Welt“ wirft die Sache ein schlechtes Licht. Lachmanns Nähe zur AfD war augenfällig, auch ohne Berater-Vertrag. Vor einer Woche hatten wir hier über Lachmanns Politik-Magazin „Geolitico“ berichtet, einer Heimat vorwiegend für Publizisten der neuen Rechten. Lachmann war dort bis vor kurzem noch Herausgeber, und er zweitverwertet dort auch seine „Welt“-Artikel. Der „Welt“ war das offenbar egal. Und auch, wem ihr Redakteur da eine publizitische Heimat im Netz eingerichtet hat. Auf dem Autoren-Profil Lachmanns verlinkt die Zeitung die Seite sogar.

Hatte sich die „Welt“ oder deren Chefredakteur Stefan Aust jemals angesehen, wohin sie da verlinken? Und was das für eine Seite ist, die ihr Politik-Redakteur, der hauptsächlich über die AfD berichtet, da betreibt? Und dass da zum Beispiel ein AfD-Bürgermeister und der ehemalige AfD-Sprecher Konrad Adam schreiben? Offenbar nicht. Sonst hätte irgendjemand im Verlag auf die Idee kommen müssen, dass das vielleicht keine gute Idee ist. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen viele Leute per se annehmen, dass Journalisten mit der Politik paktieren. Oder ihr zu nahe stehen.

Auch auf unsere Anfrage, wie der Verlag zu dieser Nebentätigkeit steht, antwortete dieser eher drucksend. Lachmann dürfe die Texte dort zweitverwerten, das sei so abgesprochen, hieß es. Inhaltlich wollte sich „WeltN24“ damals aber nicht äußern. Und auch jetzt – immer noch – gibt sich der Verlag zugeknöpft. Auch der „WeltN24“-Chefredakteur veröffentlichte bisher nur dies:

Nachtrag, 19:08 Uhr. Gegenüber „Spiegel Online“ hat Aust nun gesagt: „Solange wir Mitarbeitern kein unredliches Verhalten nachweisen können, stehen wir hinter ihnen, wenn es andere Informationen gibt, trennen wir uns von ihnen.“

Nachtrag, 14.2.2016. Stefan Aust hat inzwischen der dpa erklärt, Lachmann habe bestätigt, dass die Mails echt und von ihm sind. „Aus den Mails geht klar hervor, dass Lachmann der AfD eine Art Konzeptvorschlag für eine Neuausrichtung der Partei geschrieben hat“, sagte Aust. Das sei mit einer journalistischen Tätigkeit für die „Welt“ nicht zu vereinbaren.

Nachtrag, 15.2.2016. Nun also hat Stefan Aust auf „Welt Online“ einige Zeilen zum Fall Lachmann veröffentlicht. Er schreibt unter anderem: „Wir können […] nichts anderes tun als den Fall lückenlos aufzuklären und die Vorgänge so offenzulegen wie es arbeitsrechtlich irgend möglich ist.“ Dazu gehöre auch, die Berichterstattung Lachmanns über die AfD „nachträglich kritisch zu hinterfragen“.

9 Kommentare

  1. Intrigante und indiskrete AfD-Führer brechen einen Lachmann-Skandal vom Zaun, ausgerechnet gegen einen der fairsten und freundlichsten Autoren über die AfD, und Aust vollstreckt ihren Willen.

    Wie kann es Aust zulassen, dass Journalisten in seinem Hause erpressbar gemacht werden? Wieso muss neben Günther auch noch der Rest der Familie bei WELTN24 gehen? Sippenhaft?

    Wovon sind die Leute bei der AfD eigentlich geritten, wenn sie AfD kritische Insiderjournalisten mit Indiskretionen so beruflich exekutieren können? Was erfüllt das für einen strategischen Zweck? Es ist an der Zeit für AfD-Mitglieder zu erkennen, dass bestimmte Leute bei ihnen mit charakterlich unstatthaften Methoden gegen Konkurrenz vorgehen. Schon aus Prinzip hätte Aust die Lachmanns nicht abschießen dürfen.

  2. Großes Lob an uebermedien! Ich hatte den Eindruck, dass erst die Nachforschungen von euch den Stein ins Rollen gebracht haben, denn die Facebooknachricht von Pretzell liegt schon einige Tage zurück und verhallte weitgehend unbeachtet. Dieser Vorfall hat mehrere Dimension. Aber er zeigt vor allem eines deutlich, den offensichtlich recht sorglosen Umgang von „Leitmedien“ mit ihrem Personal. Herr Lachmann konnte offenbar schalten und walten wie er wollte, was im Ergebnis zu Gesinnungsjournalismus statt objektiv reflektierende Berichterstattung geführt hat. Aufgefallen sind seine pro-AfD Artikel schon lange, nicht nur der AfD. Umso bemerkenswerter dann sein plötzlicher Schwenk in die Gegenrichtung mit einem recht merkwürdigen Artikel gegen Frau Petry. Auch das, Wasser auf die Mühlen der Lügenpresse Rufer.
    Ich denke der Rauswurf von Herrn Lachmann bedeutet auch das Ende seiner journalistischen Karriere in Deutschland. Und das ist richtig so!

  3. Oh ja, grooooße Überraschung: Das Springer-Neoliberalenblatt WELT beschäftigt Redakteure, die dem rechtskonservativ-neoliberalen Denken nahestehen. Ich bin eher darüber schockiert, dass solche Blätter in Deutschland sog. Leitmedien sind.

  4. Warum wundert einen das nicht? Durch Uthoff & Friends sensibilisiert, haben wir doch sowieso schon genauer auf die Verbindungen der Journaille geschaut. Lachmann reiht sich jetzt offiziell ein bei Joffe und Konsorten. Lachmann hat es vielleicht ein wenig dilettantisch angefangen, aber sonst? Nichts anderes habe ich erwartet. Ich kann auch diesen spektakulären Rettungsakt von Aust nicht ganz nachvollziehen. Welchen Ruf will er noch retten? Bei Springer!

  5. Eine politische Nähe darf man ja haben. Nichts spricht dagegen, dass sich Journalisten auch (partei-)politisch engagieren, meinethalben sogar bei der AfD. Allerdings verträgt sich das nicht mit der Aufgabe der (kritischen) Berichterstattung über diese Partei. Diese Nähe ist einem Aust schon lange vorher aufgefallen, wenn er nicht völlig blöd ist. Es störte ihn nicht. Eine AfD-positive Ausrichtung war wohl gewollt.

    L. berichtet nun aber negativ über Pretzel/Petry als Rache für abgelehnte Beratertätigkeit (vllt. in Absprache mit Petry-Konkurrenten), Pretzel lässt daraufhin L. auffliegen (was er bei weiter freundlicher Berichterstattung L.s sicher nicht getan hätte). Insgesamt also ein ziemlich trübes Becken und interessant, was sich L. so als „Verantwortungsdemokratie“ vorstellt. Ich glaube, wir werden noch viel Spaß mit dieser Partei haben, mit dem A.-Springer-Verlag ohnehin.

  6. Der konkrete Vorwurf lautete allerdings, dass Lachmann der AfD eine Beratertätigkeit anbot, die er monatlich vergütet haben wollte und als man dort dieses Angebot ausschlug, mit negativer Berichterstattung begann.
    Unangebrachtes Engagement, dass die Neutralität des Journalisten beeinträchtigt, ist das Eine. Käuflichkeit das Andere.
    Die Käuflichkeit ist auch mit der jetzigen Faktenlage nicht bewiesen, oder?
    Bin gespannt, ob das bereits das Ende dieser Geschichte ist.

  7. Ehrlich gesagt würde mich genau im Fall Lachmann als Vergleich interessieren, wie mit Journalisten und Redakteuren umgegangen wird, die für andere Parteien Konzepte und Ideen aufschreiben oder in Thinktanks aktiv mitagieren ?

    Erfolgte also die Kündigung Lachmanns aufgrund der nicht mehr gewahrten Neutralität oder aufgrund der Unterstützung einer bestimmten Partei.
    Ich vermute eher Zweites, weil ich noch nie gelesen habe, dass ein Journalist aufgrund seiner aktiven Tätigkeit für bspw. die SPD oder CDU aus irgendeiner Zeitung ausgeschlossen wurde.

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