Propaganda

Deutschlands Werk und Russlands Beitrag

putin_hp
Screenshot: „Huffington Post“

Hysterie macht sich breit in Deutschland. Putin ante Portas, heißt es. Fragen werden aufgeworfen, die den Bundesbürger unruhig auf seinem Stuhl hin- und herrutschen lassen. Alles scheint plötzlich möglich, nichts mehr ist sicher.

meedia_wickert
Screenshot: „Meedia“

Hat der russische Geheimdienst den Begriff der „Lügenpresse“ lanciert, fragt sich Ex-Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert.

Waren die Migranten auf der Domplatte an Silvester in Wirklichkeit von Putin entsandte „als syrische Flüchtlinge getarnte Anhänger seines Verbündeten Assad“, fragt sich das „Flensburger Tageblatt.

Und ein Bundestagsabgeordneter gibt t-online.de ein verschwörerisches Interview über Putins Einfluss – anonym, weil er „Hasswellen“ und „unangenehme Diskussionen in der eigenen Fraktion“ fürchtet.

Die um sich greifende Hysterie nahm ihren Anfang mit dem Fall „Lisa“: Ein dreizehnjähriges Mädchen war am 11. Januar für 30 Stunden verschwunden und hatte ihren Eltern nach dem Wiederauftauchen berichtet, sie sei von drei Migranten vergewaltigt worden. Die NPD bekam Wind von der Sache und organisierte eine fremdenfeindliche Demo in Berlin-Marzahn. Das russische Fernsehen blies den Fall zur Übergröße auf, bundesweit gingen daraufhin in Dutzenden Städten an die 10.000 Russlanddeutschen auf die Straße. Am Ende musste das Thema auf der Ebene der Außenminister beigelegt werden.

Wer sich den Bericht des russischen „1. Kanals“ anschaut, der findet einen sehr reißerischen Stil. In einigen Punkten hält sich der Journalist Iwan Blagoj zwar an journalistische Regeln: Er interviewt den Onkel und die Tante des Mädchens, die ihm von der Vergewaltigung erzählen – so wie sie es offenbar aus der Familie gehört hatten. Das Mädchen hatte seinen Eltern tatsächlich erzählt, dass es von Migranten vergewaltigt worden sei. Zum Zeitpunkt des Beitrags war auch nichts anderes bekannt.

Dass Blagoj die Position der Polizei zu dem Fall nicht zitiert, sondern nur kolportiert, „angeblich eröffnete die Polizei kein Strafverfahren“, ist ein Vorwurf, den er sich gefallen lassen muss. Zudem hängte er an seinen Beitrag über den Fall „Lisa“ ein Video mit einem Geständnis von Vergewaltigern an. Auch wenn er kommentiert, man wisse „nicht, wann und wo dieses Video aufgenommen wurde, ob diese Erzählung nur eine fürchterliche Erfindung von jemandem ist“, ist das Ziel klar: den Zuschauer noch stärker emotional aufzuwühlen. Nach der Anzeige eines Konstanzer Anwalts ermittelt nun die Staatsanwaltschaft gegen Blagoj.

Die Behauptung, die Tante des Mädchens sei „eine gekaufte Darstellerin aus Hannover, die für 500 Euro den russischen Medien bereitwillig alles erzählt, was diese hören wollen“, wie etwa die Grünen-Abgeordnete Marie-Luise Beck schreibt, ist Quatsch. Als Beleg führt sie einen Bericht eines russischen Investigativmagazins an, der von einer „gekauften“ Protagonistin in einem Beitrag erzählt. Von Lisas Tante ist dort keine Rede.

Hinter den Behauptungen der Dreizehnjährigen steht freilich eine tragische Vorgeschichte: Laut dem Anwalt der Familie hatte Lisa Ende 2015 tatsächlich sexuellen Kontakt mit zwei Männern mit Migrationshintergrund. Gegen diese beiden Männer ermittelt die Polizei momentan auch.

Nicht erst seit dieser Eskalation, aber ganz besonders seitdem, stellen unsere Medien verschiedene Thesen über die Einflussnahme Russlands in den Raum.

These 1: Russland benutzt die Russlanddeutschen, um Deutschland zu destabilisieren.

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich ab dem 19. Januar auf Foren, in sozialen Netzwerken und auf What’s App ein Aufruf, der mit den (russischen) Worten „Achtung, das ist Krieg!“ beginnt, und der zu Demonstrationen am folgenden Sonntag aufrief.

Zwar gingen daraufhin tatsächlich an die 10.000 Russlanddeutschen in vielen deutschen Städten auf die Straße, aber die restlichen 2,5 Millionen blieben zu Hause. Diskussionen im Internet spiegeln das wider: Viele Nutzer wollen mit den Demonstrationen nichts zu tun haben. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass der Fall „Lisa“ doch inzwischen aufgeklärt sei und es keine Vergewaltigung gegeben habe.

Aber stand hinter dem Auslöser wirklich ein Geheimdienst? „Misstrauen gegenüber Polizei und Medien“ hat Jannis Panagiotidis, Juniorprofessor für Russlanddeutsche Migration und Integration an der Universität Osnabrück, auch unter den Spätaussiedlern festgestellt, erkennt darin aber kein spezifisches Problem dieser Volksgruppe.  In Zeiten von What’s App sei es ein Leichtes, „eine Community auch dezentral bundesweit zu organisieren und zu mobilisieren“.

Tatsächlich gibt es in der Russlanddeutschen-Community (ebenso wie unter Nichtrussland-Deutschen) eine große Zahl an Wirrköpfen, etwa Wjatscheslaw Seewald, der eine Demonstration im bayerischen Deggendorf anmeldete.

Möglicherweise war es auch die NPD, welche die Gunst der Stunde erkannte? Sie war es zumindest, die die erste Demonstration am Einkaufszentrum „Eastgate“ in Berlin-Marzahn organisierte. Wenig später postete sie ein Werbeplakat, mit dem sie sich offenbar bei den Russlanddeutschen einschmeicheln wollte: „Gleiche Rechte für alle Landsleute“, steht da und: „Russlanddeutsche, willkommen zu Hause!“

These 2: Die russische Propaganda ist auf die Russlanddeutschen in Deutschland gerichtet.

Das Bayerische Fernsehen behauptet:

Der russische Propagandakrieg hat vor allem die rund vier Millionen Russlanddeutschen im Visier, die in Deutschland leben. Viele von ihnen schauen noch immer russisches Fernsehen. Es ist ihre erste Informationsquelle, und ihre glaubwürdigste.

Keine Frage: Spätestens seit dem Ukraine-Konflikt bauschen die russischen Fernsehsender jede Krise der EU und des Westens bis zur Unkenntlichkeit auf. Sie tun das aber in erster Linie für die eigenen Zuschauer. Der Russe zuhause, der mit Unruhe verfolgt, wie Ölpreis und Rubelkurs fallen, soll überzeugt werden, dass Russland sich auf dem richtigen Weg befindet und ein sicherer Hafen im wild tosenden Meer der weltweiten Krisen ist.

Aber wer sagt eigentlich, dass russisches Fernsehen für die Russlanddeutschen „ihre erste Informationsquelle, und ihre glaubwürdigste“ ist, wie der BR behauptet? Eine Studie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) von 2013 zeigt, dass die Integration der Volksgruppe der Russlanddeutschen nach anfänglichen Problemen eine Erfolgsgeschichte wurde.

Eine Studie zur Mediennutzung von 2007 fand heraus, dass Russlanddeutsche (Spätaussiedler), anders als etwa türkischstämmige Migranten, vor allem deutsches Fernsehen konsumieren: 61 Prozent schauen nur deutsches Fernsehen, 19 Prozent deutsches und russisches und fünf Prozent nur russisches Fernsehen.

Ein paar Worte noch zu den Russlanddeutschen: Aus Dankbarkeit dafür, dass Helmut Kohl sie Anfang der neunziger Jahre „heim ins Reich“ holte, waren die meisten Russlanddeutschen lange Jahre treue CDU-Wähler.

Sie wählten die Christdemokraten aber auch deshalb, weil diese am ehesten ihrer wertkonservativen Weltsicht entsprachen. Seit die CDU jedoch immer mehr in die Mitte rückt, machen sich die Russlanddeutschen auf die Suche nach Alternativen. Das wiederum ist eine Tendenz, die die deutsche Gesellschaft in Zeiten der GroKo momentan insgesamt durchläuft – siehe Alternative für Deutschland.

These 3: Putins fünfte Kolonne gefährdet die EU.

Steht so zum Beispiel in der „Welt“.

Zunächst einmal: Wer ist die fünfte Kolonne?

fuenftekolonne
Ausriss: „Der Spiegel“

Der „Spiegel“ hat eine Liste aus vier „Kolonnisten“ parat. Da ist etwa Heinrich Groth vom Internationalen Konvent der Russlanddeutschen. In Russlanddeutschen-Kreisen gilt Groth als absolute Randfigur, marginalisiert schon seit Anfang der neunziger Jahre. Ob sein 2003 in Berlin gegründeter „Internationaler Konvent der Russlanddeutschen“ wirklich 2000 Mitglieder hat, wie im „Spiegel“ beschrieben, ist fraglich. Der wichtigste Russlanddeutschen-Verband in Deutschland hat sich von den Demonstrationen jedenfalls klar distanziert.

Die übrigen Mitglieder der fünften Kolonne: Alexander Gauland, AfD-Vize, weil er Ende 2014 die russische Botschaft besuchte, wo diese ihm Kooperation angeboten hätten. Udo Voigt, NPD-Vorsitzender, der im März 2015 auf Einladung der russisch-nationalen Vaterlandspartei nach St. Petersburg reiste. Jürgen Elsässer, „Compact“-Chefredakteur, weil er auf einer Konferenz in Berlin die These vertrat, nicht Moskau, sondern Brüssel sei die Hauptstadt der „neuen UdSSR“.

Die „Welt“ warf in ihrem Artikel über die „fünfte Kolonne“ den SPD-Politiker Matthias Platzeck und den Princetoner Geschichtsprofessor Stephen F. Cohen mit dem Rechtspopulisten Geert Wilders in einen Topf:

Die Kreml-Darstellung des Aufstands in der Ukraine als faschistischer Staatsstreich sowie der Annexion der Krim und der Unterstützung der ukrainischen Separatisten als defensive Maßnahmen werden von einem dichten Netz von Putin-Unterstützern (…) wiederholt.

Dass der russlandfreundliche Platzeck und der Sowjethistoriker Cohen in der Debatte eine russlandfreundliche Position einnahmen, ist unbestreitbar. Dass sie den Aufstand in der Ukraine „als faschistischen Staatsstreich“ bezeichnet haben, ist eine Falschbehauptung, aufgrund derer sie eine Gegendarstellung erwirken könnten, wenn sie die „Welt“ denn als beachtenswertes Medium betrachten würden.

Zum Begriff der „fünften Kolonne“ Folgendes: Wer leichtfertig mit solchen Begriffen hantiert, der ist näher an Russland, als er denkt. 2012 brachte der populäre russische Sender NTV eine Enthüllung über die „Heutige fünfte Kolonne Russlands – Verräter der Heimat“. In die fünfte Kolonne wurden all jene aufgenommen, die zu Konferenzen in den Westen fuhren, Stipendien erhielten oder bei Unterredungen mit dem amerikanischen Botschafter gesichtet wurden.

Die AfD, die NPD und Compact sind deutsche Phänomene, ihre Vertreter sind deutsche Staatsbürger, und sie stehen für deutsche Probleme. Die Rede von „Putins fünfter Kolonne“ verschiebt die Verantwortung für die Spaltung unserer bisher so kuscheligen Konsensgesellschaft auf Putin.

These 4: Russland führt einen hybriden Krieg.

Der „Spiegel“ schreibt:

Das zeitweise Verschwinden eines Mädchens wird zum internationalen Politikum. Russland schlachtet den Fall für seine Propaganda aus. Mit seiner Strategie will Moskau den Westen destabilisieren und Europa auseinandertreiben: der hybride Krieg.

Die „Bild“-Zeitung holte sich Schützenhilfe vom ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, der im Interview sagte:

„Jetzt hat Putin den Informationskrieg auch gegen Deutschland eröffnet. Das ist Russlands hybrider Krieg. Und wir müssen alle gemeinsam dagegen kämpfen, denn die Wahrheit steht auf unserer Seite.“

Ist das, was Russland hier treibt, Krieg, hybrid oder nicht-hybrid? Vielleicht sollten wir auf dem Boden der Tatsachen bleiben.

Im „Spiegel“ stehen wir schon kurz vor der Invasion: „Dazu gehören Cyberangriffe wie der auf den Bundestag im vergangenen Jahr, ‚grüne Männchen‘, Kämpfer ohne Hoheitsabzeichen, wie Moskau sie auf der Krim einsetzte, und eben Propaganda.“

Punkt 1: Der Cyberangriff auf den Bundestag. Dahinter soll, so meldete der „Spiegel“ im Januar, ein russischer Militärgeheimdienst stecken. Was ist dazu zu sagen? In erster Linie wohl, dass der deutsche Bundestag offenbar ein Sicherheitsproblem hat. Wie wir in den vergangenen Jahren erfahren mussten, sind nicht nur russische Geheimdienste, sondern auch die Geheimdienste befreundeter Staaten gerne bereit, Daten zu sammeln und Telefone abzuhören, auch von Kanzlerinnen, so man sie denn lässt. Das ist das Geschäft von Geheimdiensten. Hybrider Krieg ist das nicht.

Punkt 2: Die „grünen Männchen“. Tatsächlich setzte Russland bei der Annexion der Krim als „Selbstschutzeinheiten“ getarnte russische Soldaten ein. Auch im Osten der Ukraine sind im Verbund mit Separatisten russische Militäreinheiten aktiv, gegen die sich die ukrainische Armee zur Wehr setzt. Aber was hat das noch mit dem Fall „Lisa“ zu tun? Wie gerne interessierte Kreise aus Militär und Sicherheitsapparat in seinem Land mit Invasionsszenarien Panik verbreiten, beschrieb kürzlich der litauische Journalist Vytautas Bruveris.

Punkt 3: Ganz richtig führt der „Spiegel“ den Kremlsender RT an: „Allein der deutsche Kanal hat inzwischen mehr als 170.000 Likes auf Facebook, die englische Version sogar 3,3 Millionen.“ Die Posts von „RT deutsch“ ernten mal 100, mal 400 Likes, geteilt werden sie seltener. Soll das wirklich eine Gefahr darstellen? RT in Englisch, Spanisch und Arabisch ist ein professionelles Vollprogramm. In den USA konnte RT sogar Talk-Legende Larry King verpflichten. Der deutsche Ableger ist, mit Verlaub, ein Witz. Wollte Russland mit RT einen hybriden (medialen) Krieg gegen Deutschland führen, müsste das anders aussehen. Auf ähnlichem Reichweitenniveau bewegt sich im übrigen „Sputnik“, der deutsche Ableger des staatlichen Propagandakonzerns „Rossija Segodnya“.

putin_rt
Foto: Russische Präsidialverwaltung

These 5: AfD, Pegida oder sonstige rechte Gruppen in Deutschland werden von Russland finanziert.

Zentraler Punkt in Putins Übernahme-Strategie: Goldgeschäfte, mit denen sich die AfD u.a. finanziert. Der Kreml könnte Gold über die AfD kaufen lassen oder die Partei günstig an Gold kommen lassen. Mit den Deals solle die AfD gestützt und abhängig gemacht werden, heißt es in einer Auswertung der Putin-Pläne.

Das stammt aus einem Artikel in der „Bild“-Zeitung von Ende 2014.

Belege lieferte das Blatt damals nicht. Weiter hieß es:

Außerdem sollen Banken aus dem Geheimdienst-Umfeld der AfD Darlehen anbieten. Wie in Frankreich: Dort hat die Moskauer First Czech-Russian Bank dem ultra-rechten Front National (FN) Darlehen über 9 Mio. Euro gewährt.

Tatsächlich ist die bislang einzige bekannte Finanzierung rechtsradikaler Parteien in Europa jener Neun-Millionen-Euro-Kredit, den der Front National 2014 im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen bei der „First Czech-Russian Bank“ aufnahm. Übrigens deshalb, weil keine andere Bank in Frankreich dem FN ein Darlehen gewähren wollte.

Kein deutsches Medium hat Belege für eine Finanzierung von AfD, Pegida oder Querfrontmedien wie dem Magazin „Compact“ gefunden. Stattdessen gibt es Behauptungen, so etwa jüngst vom CDU-Obmann im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, Roderich Kiesewetter, immerhin im Deutschlandfunk.

Deutschlandfunk: Der nächste Punkt, was Sie angedeutet haben, klar formuliert haben, Herr Kiesewetter, noch einmal hier auch die Nachfrage: Für sie auch ganz klar ausgemachte Sache, Wladimir Putin unterstützt die AfD?

Kiesewetter: Aus meiner Sicht ja. Er unterstützt rechtsradikale Netzwerke.

Deutschlandfunk: Wie macht er das?

Kiesewetter: Mit Finanzen, aber eben auch, indem er sie unterstützt durch Öffentlichkeitsarbeit, durch klare Bekenntnisse, und Sie sehen es ja auch, dass in der AfD zunehmend Stimmen laut werden, die sagen, Deutschland solle sich von der transatlantischen Partnerschaft trennen, von der Freundschaft mit Amerika und enger mit Russland kooperieren. Das ist der Preis der Nähe zu Putin durch die AfD.

Deutschlandfunk: Bekommt die AfD Geld von Wladimir Putin?

Kiesewetter: Sie bekommt Geld von Netzwerken, die mit Russland im Zusammenhang stehen. Putin ist sicherlich sehr gut beraten, seine Finger dort nicht irgendwo mit Fingerabdrücken zu hinterlassen.

Deutschlandfunk: Aber Sie sind davon überzeugt, dass er dahinter steckt?

Kiesewetter: Ja.

Kiesewetter zieht hier aus der Tatsache, dass die AfD für eine sehr russlandfreundliche Politik eintritt, den Schluss, dass sie von Putin bezahlt wird.

Schlussbemerkung

Der russische Präsident Wladimir Putin ist kein Freund des Westens mehr, und auch kein Freund der Europäischen Union. Wo sich Risse in der Einigkeit bilden, wird er versuchen, einen Keil hineinzutreiben. Aber Wladimir Putin ist der Präsident eines Landes mit 145 Millionen Einwohnern und einer wankenden Volkswirtschaft. Wladimir Putin ist nicht allmächtig.

Die tatsächliche Gefahr für unsere Gesellschaft besteht darin, dass wir den festen Boden der Tatsachen verlassen und uns auf jenes dünne Eis begeben, das aus Behauptungen, Spekulationen und Anschuldigungen ohne Belege besteht. Mit Argumentationen wie der des Bundestagsabgeordneten Kiesewetter spielen wir das gleiche Spiel wie die Verschwörungstheoretiker, etwa wenn diese die Existenz der Atlantikbrücke als Beweis dafür verwenden, dass die deutschen Medien von den USA gesteuert werden.

Ein Tiefpunkt ist zweifellos das „anonyme“ Interview eines Abgeordneten auf t-online, in dem dieser unter anderem behaupten darf, die Putin-freundliche Journalistin Gabriele Krone-Schmalz stünde auf der „Payroll Putins“. Es gibt eine Reihe von prominenten russlandkritischen Abgeordneten, die offen ihre Meinung kundtun, ob über Putin, Ramsan Kadyrow oder auch den hybriden Krieg. Wer Angst vor „Hasswellen“ hat und „unangenehme Diskussionen in der Fraktion“ fürchtet, hat offenbar den falschen Job.

Wachsamkeit ist geboten, der Paranoia sollten wir nicht verfallen. Ulrich Wickert kann sich vorstellen, der Begriff der „Lügenpresse“ sei von Russland lanciert worden. Ja, Herr Wickert, vorstellbar ist alles. Vorstellbar ist auch, dass die Gewalttäter in der Silvesternacht von Putin geschickte syrische Agenten waren. Recherche jedoch hat noch niemandem geschadet. Dann würde man herausfinden, dass die Verdächtigen in Köln vor allem aus Algerien und Marokko stammten.

Und würde Herr Wickert sich nicht nur Dinge vorstellen, könnte er erfahren, dass „Lügenpresse – auf die Fresse“ schon 2012 regelmäßig von Dynamo-Dresden-Fans gerufen wurde. Und die gehören zum harten Kern der Pegida-Demonstranten.

Deutschland hat ein Problem. Und das heißt nicht Putin. Der ist nur Trittbrettfahrer.

Nachtrag/Korrektur, 11. Februar. Ich habe die beiden Absätze über Iwan Blagoj und seinen Fernsehbericht über den Fall geändert. Die ursprüngliche Formulierung war nicht richtig – er hat journalistische Prinzipien verletzt. Spätere Berichten im russischen Fernsehen, etwa auf dem Sender „Zvezda“, wo Protagonisten erfunden wurden, oder dem „Fünften Kanal“, der vor der „Eroberung Europas“ warnt waren allerdings ungleich schlimmer.

44 Kommentare

  1. Grundsätzlich finde ich es begrüßenswert, dass Sie antirussische Hetze kritisieren, auch wenn sie in diesem Fall nur von der lächerlichen Postille Huffington Post oder anderen Nebendarstellern der veröffentlichten Meinung kommt.

    Noch schöner wäre es, wenn Sie es auch dann täten, wenn bei den „Qualitätsmedien“ mal wieder die Propagandadrähte heiß laufen. Nicht erst seit Russlands Eingreifen in den syrischen „Bürgerkrieg“ werden von eben jenen Medien mehr oder weniger täglich Verzerrungen und „Recherchefehler“ veröffentlicht, die sich durch zwei Sekunden Nachdenken oder 5 Minuten googeln widerlegen lassen. Da haben Sie für diesen Artikel aufwändiger recherchiert.

    Trotzdem Hut ab, ein Schritt in die richtige Richtung.

  2. @ 3: Na ja, so alt ist die Plattform hier noch nicht. Die gibt es erst seit einigen Tagen, insofern ist die Anmerkung ein wenig wohlfeil ;-)

  3. @Stefan Niggemeier
    Oh stimmt, den Spiegel hatte ich übersehen. Bitter, was aus diesem Maganzin geworden ist.

    Sie wissen glaube ich trotzdem, was ich meine. Atlantikbrücke & Co lassen grüßen ;)

  4. Schöner Artikel,

    aktuell kann man bei Spon auch wieder schön die Hetze gegen Russland beobachten (Aleppo Region Bombardement).

    Erschreckend wie überall in den Deutschen Medien nur von „gemäßigten Rebellen“ gesprochen wird. Einzige Lichtblick ist hier Telepolis die die Beteiligten benennen und wenn man diese erstmal kennt will sich bei mir nicht so recht die von der Presse gewünschte Empörung einstellen.

  5. In dem Artikel werden u.a. die „Welt“, das Bayerische Fernsehen und der DLF zitiert, die Huffington Post ist nur Illustration.

  6. Die Quellenkritik von Herrn Gathmann ist sehr aufschlussreich. Allerdings muss er sich den Vorwurf gefallen lassen, mit zweierlei Maß zu messen. Der Bericht des 1. Kanals hat sich eben nicht an journalistische Regeln gehalten, da in dem Beitrag Aufnahmen schwedischer Polizisten und ein Youtube-Video hineinmontiert worden sind, in dem sich die angeblichen Vergewaltiger mit ihrer Tat brüsten. Dass Moritz Gathmann in diesem Zusammenhang die Interventionen des russischen Außenministers nicht erwähnt und sich für die Mediennutzung von Spätaussiedlern auf eine Studie aus dem Jahre 2007 beruft, macht mich auch stutzig und lässt seine Gegenthesen in Teilen ebenso schwach erscheinen wie die zusammengeschluderten Artikel von der HuffPost etc.

  7. @Johannes #9:
    Vermutlich ist die zitierte Studie die aktuellste (oder gar die einzige) verfügbare. Haben Sie eine bessere? Ansonsten erscheint Ihre Kritik in grossen Teilen sogar noch schwächer als der zusammengeschluderte Verschwörungsquark der BR-Aluhüte.

  8. Zusätzlich zu den von Johannes unter 9. genannten Punkten, die den Beitrag mE recht stark entwerten, muss eine Rede des russischen Generalstabschefs Walerij Gerassimow Ende Januar 2013 über die Kriegsführung der Zukunft beachtet werden. Diese ist veröffentlicht, die FAZ berichtete 2014 darüber (http://m.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/putin-hat-invasion-der-ukraine-seit-2013-geplant-13139313.html)
    In dem Artikel finden sich auch weitere Hinweise auf die Umsetzung der neuen Doktrin durch Russland.

    „Politische Ziele seien nicht mehr allein mit konventioneller Feuerkraft zu erreichen, sondern durch den „breit gestreuten Einsatz von Desinformationen, von politischen, ökonomischen, humanitären und anderen nichtmilitärischen Maßnahmen, die in Verbindung mit dem Protestpotential der Bevölkerung zum Einsatz kommen“. Kurz gesagt, plädiert Gerassimow dafür, dass die imperiale Macht Russland sich Methoden von Guerrillakämpfern aneignet. “

    Es gibt sicher auch einiges an der Russlandberichterstattung zu kritisieren, aber es ist gewiss nicht, dass der Blick sich langsam in Richtung der Interessen Russlands und der uns überrumpelnden Art ihrer Durchsetzung wendet. Die Berichterstattung über Russland lässt sich kaum sinnvoll kritisieren, wenn man die beschriebene Art hybrider Kriegsführung schon zu Beginn ins Reich der Märchen abschiebt.

  9. Einige Kritik bekomme ich für die Einordnung von Iwan Blagojs erstem Beitrag vom 16. Januar über Lisa, nachzusehen hier http://www.1tv.ru/news/world/300073

    1. Im Mittelpunkt meines Textes steht nicht Blagojs Beitrag, sondern die Reaktionen in Deutschland, die er damit in Gang gebracht hat. Wie die russischen Medien sich in der Folge von Blagoj auf den Fall gestürzt haben, ist an anderer Stelle ausreichend beschrieben, etwa hier http://www.fr-online.de/medien/russland-die-verrohung-des-russischen-fernsehens,1473342,33700186.html

    2. Was meine ich mit „journalistische Prinzipien“?
    Damit meine ich, dass Blagoj sich mit seinen Behauptungen in dem Beitrag auf Quellen stützt, darunter die Tante des Mädchens. Sehr reißerisch ist sicher die „vox populi“, die er zu Wort kommen lässt, und natürlich das Youtube-Video von 2009, das sich an die Erzählung aus Marzahn anschließt. Blagoj sagt aber dazu im Beitrag „Wir wissen nicht, wann und wo dieses Video aufgenommen wurde, ob diese Erzählung nur eine fürchterliche Erfindung von jemandem ist.“ Aber einverstanden: Dass er dieses unklare Video in diesem Zusammenhang eingebaut hat, ist schon eine Sünde.
    Dass er die Position der Polizei nicht einholte (weil er die Pressestelle am Samstag nicht erreichte, wie er sagt), sondern nur behauptet, „angeblich eröffnete die Polizei kein Strafverfahren“, steht in meinem Text als Kritik drin.
    Die zwei letzten Kritikpunkte, die aufkamen:
    – Mit der Anmoderation hatte Blagoj nichts zu tun.
    – Die zwei Sekunden „schwedische Polizisten“, die dort reingerutscht sind – okay, Fehler. Aber spielen hier keine Rolle.

  10. Marco Herack wirft mir vor (http://denktagebuch.de/2016/02/russlands-werk-und-uebermediens-beitrag/), mit einem Text wie gestern „der Gegenseite“ zu helfen. „Und in diesem Fall trägt der Journalist Gathmann und das Medienkritikportal Übermedien dazu bei, dass es für die Gegenseite etwas leichter wird. Alle Medien lügen. Nichts ist mehr wahr.“
    Ich hatte mich zu dieser Frage schon gestern in einem eigenen FB-Post geäußert, weil auch ich das Problem sehe. Ich bin damit nicht einverstanden. Inhaltliche Kritik (die es in diesem Beitrag auch gibt) nehme ich gerne an. Aber die Diskussion darüber, mit Beiträgen über die „eigene“ Seite uns selbst zu schwächen, erinnert mich schon stark an die von ukrainischen Journalisten beschriebenen Probleme, für Berichte über Missetaten der Ukrainer beschimpft zu werden, weil man damit dem Feind helfe, nachzulesen etwa bei Katja Sergatskova hier: https://krautreporter.de/1197–mehr-objektivitat-bitte
    Ich will ja gerade nicht, dass am Ende der Eindruck bleibt „Alle Medien lügen.“ Ich trete ein für einen Journalismus, der nicht mit Begriffen wie „5. Kolonne“ und „hybrider Krieg“ um sich wirft, um beim Rezipienten Panikattacken hervorzurufen, sondern der nüchtern und auf Basis von Tatsachen berichtet.

  11. Ergänzend sei zu bemerken, dass Marieluise Beck ihre falsche Aussage bereits vor der Veröffentlichung des Artikels korrigiert hat (siehe ihr Facebook-Post). Widersprüchlich erscheint auch, dass sich der Autor mit den aktuellen Entwicklungen in den deutschen Medien seit dem Januar 2016 beschäftigt, unter Punkt 3 neben einem aktuellen Artikel des Spiegels aber einen Gastbeitrag aus der Welt vom Februar 2015 zitiert, der also mit den aktuellen Entwicklungen nur bedingt in einem Zusammenhang steht.

  12. Im Artikel wird gesagt, dass das russische Fernsehen nur genauso so reißerisch berichtet, wie das Deutsche Privatfernsehen. Nur ist das russische Fernsehen vom Staat finanziert, während das Privatfernsehen die Quote braucht, um zu überleben. Für mich ist das ein großer Unterschied, auch deswegen, weil die medialen Angebote in Russland nicht so vielfältig sind.

  13. Das Thema, die Bearbeitung und die Kommentare gefallen mir gut und ich bin fast überzeugt, zu abonnieren.

  14. @Moritz Gathmann

    ich bin mit Ihrer Antwort ebenfalls nicht einverstanden, da Sie etwas behaupten was nicht wahr ist. Meine inhaltliche Kritik an Ihren Ausführungen war klar verbunden mit dem Hinweis, dass diese Form der Kritik es der Propaganda leicht macht. Denn Sie kritisieren nicht eine Fehlinformation an sich, das habe ich auf der inhaltlichen Ebene dargelegt, sondern zeichnen ein Bild von einem vermeintlich falschen deutschen Medienverhalten, das war die analytische Ebene.

    Nirgends habe ich gefordert im Sinne der Sache Zurückhaltung zu üben. Ich fordere viel mehr eine westlich bessere Kritik, die die sich der Sacr in Dr Tiefe annimmt. Sie sollten das korrigieren.

    Ansonsten gibt es an den deutschen Medien sicher einiges zu kritisieren, gerade bei dem Thema und das habe ich an anderer Stelle zu anderen Zeitpunkten auch gemacht. Aber zu sagen, das eine sei boulevardesk aber journalistisch ok und das andere nicht, ist das Messen mit zweierlei Maß zu Gunsten offensichtlicher Propaganda.

    Es ist erstaunlich, wieviel Sie auf der inhaltlichen Ebene Dinge zurücknehmen mussten und trotzdem auf der Grundbehauptung verharren können.

    MfG
    mh

  15. @Moritz Gathmann: Mit Leuten zu diskutieren, die sich sicher sind, dass sie zumindest auf „Unsererseite“ richtig stehen, macht offensichtlich wenig Sinn. Ohne den Text von Marco Herack gelesen zu haben. Bei Ihrem kam ich aus bekannten Gründen nur bis zum 4. Punkt…
    Meine Beobachtung war schon während Berichterstattung zur Ukraine von taz über ARD bis Welt: Man ist sich sicher auf welcher Seite „unsere Guten“ zu finden sind – Klitschko, weil das ein Deutschland bekannter Sportler ist. Aber auch die Oligarchen um Poroschenko, welche grad mit Janukowytsch etc. unzufrieden sind und deshalb die Opposition unterstützten? Menschen in der Ukraine, die für bürgerliche Freiheiten und wirtschaftliche Entwicklung demonstrieren. Aber dies zusammen mit gewaltbereiten, rechten Nationalisten tun, denen die AfD in Deutschland wahrscheinlich viel zu sehr nach links gerückt wäre?
    Alles in allem für ein komplexes Thema eine bedenkliche Eindeutigkeit (Natürlich gab es auch andere Stimmen, ausnahmsweise in den genannten Medien, aber vor allem in Blogs, Internetmagazinen etc.)

    @Kasimir: geht mir ebenso, muss ich jetzt bloß mal umsetzen…

    und btw. @StefanNiggemeier und deshalb leider etwas offtopic: Seit ich – ursprünglich über einen Kommentar von Ihrem privaten Blog. Das kann man doch auffälliger lösen? Ahh, sehe grad mittlerweile ergänzt – also seit ich hier die Artikle verfolge, fiel mir auf, dass ich bei mehreren Autoren von übermedien dachte „schön/interessant wieder etwas von Der/Demjenigen zu lesen. Wohl ein Zeichen von Sozialisation bei der Mediennutzung u.a. durch ihre Arbeit. Dürfen Sie gerne als Kompliment betrachten! Auch wenn es sich möglicherweise komisch anhört?

  16. „@Moritz Gathmann: Mit Leuten zu diskutieren, die sich sicher sind, dass sie zumindest auf „Unsererseite“ richtig stehen, macht offensichtlich wenig Sinn. Ohne den Text von Marco Herack gelesen zu haben.“

    Genau. Man liest es nicht, aber man hat eben diese Meinung und das passt ja ganz gut dazu. Denn es steht längst die Behauptung im Fokus und nicht mehr die Realität dessen, was geschah oder geschrieben wurde.

    mfg
    mh

  17. Ich habe im Wesentlichen ein Problem mit diesem Beitrag:
    Es werden 5 Thesen zu Russland genannt, die in Medien aufgetaucht sind. Es werden sodann Beiträge in einigen wenigen Medien angeführt, in denen diese Thesen verbreitet wurden. Danach wird darauf hingewiesen, dass die Beweisführung dieser Medien bisweilen nicht vorhanden war und es werden dann Gründe genannt, was gegen diese Thesen spricht.

    Das Problem daran ist, dass diese Thesen nicht nur in den in diesem Beitrag genannten Beiträgen verbreitet wurden, sondern auch in einer Vielzahl anderer Medien. Ich habe in meinem Beitrag oben auf den mE äußerst fundierten, weil auch nachprüfbaren, Artikel in der FAZ zur vom russischen Generalstabschef vorgetragenen neuen Militärdoktrin der hybriden Kriegsführung hingewiesen. Im – ich glaube – vorletzten Cicero ging es in weiten Teilen um Putin und sein vermeintliches Kalkül. Auch darin wurde zum Teil sehr detailliert auf die Zusammenhänge eingegangen. Mir stößt deshalb die Pars-pro-toto-Argumentation dieses Beitrags auf. Die Thesen lassen sich nicht anhand schlechter journalistischer Einzelleistungen widerlegen. Um sie zu widerlegen oder zumindest substantiiert Zweifel zu begründen, hätte nach meinem Dafürhalten eine deutlich breitere Auswertung von Veröffentlichungen stattfinden müssen.

    Der Artikel vermischt deshalb mE in unzulässiger Weise Medienkritik und inhaltliche Wertung.

  18. Die Überschrift macht mich ratlos. Ist Deutschland Gott? Und Russland der Teufel? Hm. Oder hat das doch nichts mit John Irvings Buch zu tun? Dann wäre der Aggressor Putin eine deutsche Erfindung? Und die russische Regierung hat nur verpennt, diesen Eindruck zu korrigieren? Aber das ist so nicht. Vladimir Putin ist einer, der im Jahr 2014 mit militärischen Mitteln Grenzen in Europa verschiebt. Erstaunlich, wie wenig das in Deutschland seiner Street Credibility schadet.

  19. Ach, und wo Sie schon dabei sind, Überschriften zu korrigieren (denn das tun Sie jetzt ja sicherlich): Ergänzen Sie doch auch bitte die Zwischenüberschrift „These 4: Russland führt einen hybriden Krieg“ um ein „in Deutschland“. Im Moment sieht es aus, als wäre die hybride Kriegsführung Russlands auf der Krim (die Putin ja selbst eingeräumt hat) der gleiche Quatsch wie der einer fünften Kolonne mit Matthias Platzeck an der Spitze.

  20. Interessant, den Fall Lisa mal etwas umfassender dargestellt zu bekommen. Aber für die bizarre Rolle von Außenminister Lawrow bei der Eskalation des Themas war dann doch kein Platz?

  21. Toller Artikel, schön recherchiert!
    Zum Kiesewetter Interview lässt sich noch anmerken, dass das Bild dieses Mannes konkreter wird, wenn man bedenkt, dass er mit militärisch-industriellen transatlantischen Think-Tanks bestens vernetzt ist (http://www.heise.de/tp/artikel/47/47353/1.html).

    Die Beschwörung Putins zum Erzfeind des Westens ging ja leider schon so weit, dass diejenigen, die versuchen sein Handeln zu verstehen, als Putin-Versteher stigmatisiert werden. Im Kontext solch hitziger Debatten ist so ein unaufgeregter Artikel sein Geld wert. Weiter so!

  22. Wie Tobias oben schon anmerkt: Der Satz „Am Ende musste das Thema auf der Ebene der Außenminister beigelegt werden“ ist etwas arg knapp und unterschlägt das unwesentliche Detail, dass das Thema von Lawrow überhaupt erst auf die Ebene der internationalen Beziehungen gehievt worden ist.
    Bei der Korrektur der Absätze über Blagoj und den Fernsehbericht im russischen Ersten Kanal hätte ich mir gewünscht, dass nicht nur in einem Nachtrag darauf hingewiesen wird, sondern die ursprüngliche Formulierung auch dokumentiert wird. Dort war sinngemäß davon die Rede, dass der Bericht eigentlich dem entspräche, was wir vom deutschen Privatfernsehen her auch kennen. Es war aber kein Beitrag in einem reißerischen Boulevardmagazin. Es war ein Beitrag in einer Hauptnachrichtensendung des ersten russischen Fernsehprogramms, der dann auch vom russischen Außenminister aufgegriffen wurde. Wenn man das mit dem deutschen Privatfernsehen vergleichen will, müsste man „RTL aktuell“ oder die „SAT1 Nachrichten“ als Maßstab nehmen. Bei allem, was sich an diesen Sendungen kritisieren lässt: Ein Beitrag wie dieser wäre darin undenkbar.

  23. @20 Marco Herack
    Die einzige Ebene, auf der Sie etwas dargelegt haben, ist die Luftschloss-Ebene, die auf den von Ihnen verwendeten Nicht-Quellen aufbaut.

    Alice Bota identifiziert Propaganda (anderer)?
    Golineh Atai berichtet als Kriegsteilnehmerin über den Informationskrieg?
    Die Querfront „Studie“…

    Fehlt nur noch Boris Reitschuster, der Putin als den Antichrist „identifiziert“.

    Dann kritisieren Sie die Antwort von Moritz Gathmann mit einem Gerede, das intellektuell klingen soll und merken genau deshalb nicht, wie Sie sich selbst widersprechen und Ihre eigenen „Quellen“ diskreditieren:

    „[…] sondern zeichnen ein Bild von einem vermeintlich falschen deutschen Medienverhalten, das war die analytische Ebene.“

    „Ansonsten gibt es an den deutschen Medien sicher einiges zu kritisieren, gerade bei dem Thema […]“

    Hier habe ich noch eine super Quelle für Sie: http://www.stern.de/politik/andreas-petzold/wladimir-putin-ist-ein-selbstgerechter-aggressor-6688766.html

  24. @30

    Ich würde Ihnen gerne Antworten, finde aber leider nur die Klassiker, nach denen solche Diskussionen aus dem Ruder laufen. Wenn Sie mehr als nur Behauptungen aufstellen mögen, werde ich darauf eingehen.

    Mir ist nicht klar wo ich mich bei Ihren Zitaten widersprechen soll. Das eine bezieht sich auf den konkreten Fall, „unsere russische Lisa“, das andere hat einen Bezug zur Thematik der Berichterstattung über Russland „im Allgemeinen“, mit Vergangenheitsbezug.

    Aber ein gutes Beispiel dafür, wie ohne Kontextialisierung eine Realität behauptet wird, die nicht da ist.

    Oder in Ihrem Duktus: Sind Sie von den komplexen Zusammenhängen überfordert?

    Ansonsten bleibt die Frage an Moritz Gathmann bestehen, wie man soviel inhaltlich einsehen und zurücknehmen kann ohne dabei den eigenen, niedergeschriebenen Inhalt korrigieren zu müssen. Die Frage bezieht sich auf seine eigenen „Einsichten im Zuge der Diskussion“, die er inhaltlich immer wieder betont und annimmt..

    mfg
    mh

  25. @31
    Genau genommen haben Sie mir geantwortet. Dass sich Ihre Aussagen auf unterschiedliche Dinge beziehen, von mir aus. Dennoch sagen Sie, dass es an „den deutschen Medien sicher einiges zu kritisieren [gibt], gerade bei dem Thema“ und verwenden aber hauptsächlich eben jene Medien als Quellen. Gerade bei dem Thema. Finden Sie das nicht wenigstens ein ganz kleines bisschen widersprüchlich?

    Unabhängig davon würde mich Ihre Meinung zu dem von mir verlinkten Artikel interessieren.

  26. @32 Götz:

    ich habe die quellen in meinem text jetzt für sie gezählt.

    9 links auf deutsche artikel/studien/tweets
    11 links auf englische artikel/studien
    1 link auf eine schweizer seite, die auf deutsch berichtet

    daran sieht man ganz gut, welche mischung ich fahre, wobei ich im regelfall noch mehr englische quellen verwende.

    im fall infokrieg um lisa, um den es hier ja geht, hätte das qualitativ auch alles besser sein können. mehr analyse, weniger aufgeregtheit. aber inhaltlich war es deswegen nicht falsch. es ist eben doch ein unterschied, ob man informationen im stile des boulevard aufbereitet oder gezielt manipuliert. das ist auch der kern der kritik hier, die diesen unterschied nicht mehr zieht, sondern trotz der kenntnisse der manipulation bei den russen, behauptet das wäre nur boulevard und journalistisch korrekt.

    ich warte immer noch auf die richtigstellung dieses blödsinns.

    zum link: ich lese diese emotionalisierenden kommentare nicht, da sie für mich keinen inhaltlichen mehrwert bieten. sie taugen mir auch nicht als beweis für irgendwas. eine meinung hat jeder.

  27. @ Tobias: (26-28):

    Ist das „Verschieben von Grenzen“ durch die Russen denn schlimmer als der Massenmord der (pro-amerikanischen) Ukrainer an ihren eigenen Landsleuten auf dem Maidan, in Odessa oder im Donbass?

    Lawrow wurde auf seiner Jahrespressekonferenz von Reportern auf den Fall Lisa angesprochen. Hätte er die Frage ignorieren sollen?

  28. @H.L.
    Im Gegensatz zum von Ihnen angenommenen Massenmord im Donbass durch „proamerikanische Ukrainer“ ist die Annektion der Krim durch russische Soldaten bewiesen, denn sie wurde von Putin selbst bestätigt.

    Lawrow hat in seiner Antwort auf der Pressekonferenz von einer durch nichts zu belegenden Vertuschung des Falls durch die deutschen Behörden gesprochen.

  29. Ich finde es immer wieder beeindruckend, wie sowohl die Kremlpropagandamediengeschädigten genauso wie die Nato-Propagandamedienfresser sich jeweils gegenseitig angiften ob der schändlichen Manipukations-Methoden, die sie anwenden.

    Leute wie ich sitzen zwischendrin wie im Schützengraben und lauschen den vorbeipfeifenden wahrnehmungsverengten Agitpropgranaten.

    Kommt einer auf die Idee, mal die Geräuschkulisse zu beschreiben und die Frage zu stellen, wohin das führen soll….

    …wird er in Russland als Westfinanzierter NGO-Unterwanderer diskreditiert.
    …wird er von den Heracks in Deutschland als vom Kreml finanzierte 5. Unterwanderungs-Kolonne geschmäht.

    Mal ein paar Fakten darzustellen wird zur Feindunterstützung. Dieses Herack`sche „Feindunterstützungs-Argument“ spricht in seiner doktrinären Binnenlogik für sich selbst und es derart Glaubensbasiert zu missbrauchen hilft so auch gerade den „Lügenpresse“-Kreischern.

    Diese Büchsenspanner machen überall einen sachlichen Diskurs völlig unmöglich. Vergleiche das resignierte Verstummen zivil-liberaler Kräfte in Palästina zwischen den Extremismen von Hisbollah und Likud.

    Kein Wunder, dass die einen verstummen und die anderen den Extremisten zulaufen.

    Weil er sich so beschwerte, habe ich es mir angetan, Herack’s Replik zu lesen. Beeindruckendes Einzelbeispiel für die Notwendigkeit von Whataboutismus. Die unbeirrte Hartnäckigkeit, mit der er Beurteilungskriterien, Beweisführungen und Maßstäbe AUSSCHLIESSLICH am „Feind“ anwendet ohne nur im geringsten auf die Idee zu kommen, sich selbst und seine Denke mal daran zu prüfen, ist exemplarisch. Man könnte gar nicht anders, als im Whatabout?-Modus zu antworten.

    Das ist genau die oben erwähnte Art von Feindbild-Meinungsgekreische, die einen müde macht und verstummen lässt.

    Also, lieber M. Gathmann, würde ich empfehlen, den zu ignorieren. Sich mit intelligenter, fundierter und vor allem aufrichtiger Kritik auseinanderzusetzen ist völlig ausreichend, der Rest ist Zeitverschwendung…

  30. @ Symboltroll

    auch wenn sie ein echter Troll zu sein scheinen, fürs Protokoll:

    Ich sprach von „Gegenseite“, nicht von „Feindunterstützungs-Argument“. Das Wort Gegenseite ist in der deutschen Sprache recht vielseitig verwendbar. Man kann es, wie Gathmann es mir unterstellt, als gegnerisch betrachten oder eben, wie ich es anwendete, als gegenüberliegende Meinung. Dass zwei Meinungen, die sich einander widersprechen, gegenseitig sind, auf die Idee wollte man partout nicht kommen. Es zeigt ganz gut, wie Gathmann arbeitet.

    Ansonsten spricht Russland offiziell von einem Informationskrieg. Medienrezipienten müssen also davon ausgehen, seitens Russland mit Propaganda versorgt zu werden. Oder wie Sie das ausdrücken:

    „Beeindruckendes Einzelbeispiel für die Notwendigkeit von Whataboutismus.“

    Für themenfremde Leserinnen: https://de.wikipedia.org/wiki/Whataboutism

    Plastisches Beispiel: Wir sollen uns hier im Westen nicht um die über 150 Krankenhäuser scheren, die in Syrien seit Beginn des Krieges von Assad und Russland niedergebombt wurden, denn wir haben selbst ein paar auf dem Gewissen.

    Ja so kann man denken. Und in Deutschland denken viele so. Der Punkt ist, die Verfehlungen des Westens rechtfertigen nicht die Verfehlungen von Russland. Deswegen sind die Menschenrechte ja auch universell und jeder Täter ist ein Täter.

    Ansonsten vielen Dank für dieses beispielhaften Beitrag.

    mfg
    mh

  31. „Ich sprach von „Gegenseite“, nicht von „Feindunterstützungs-Argument“.“

    aus Ihrem Blog…

    „Willkommen in Russland. Willkommen bei Übermedien?“
    „Russlands Werk und Übermediens Beitrag“

    Fehlt nur noch:
    „Übermedien: Russlands 5. Kolonne oder Putin’s langer Arm?“

    „Der Punkt ist, die Verfehlungen des Westens rechtfertigen nicht die Verfehlungen von Russland. “

    Das Aufrechnen von Verfehlungen wäre klassischer Whataboutism. Etwas anderes ist, wenn Sie aus bizarr selektiver Betrachtung von Einzelaspekten einseitig drastische Schlussfolgerungen ableiten, ohne denselben Maßstab auch in der anderen Richtung anzulegen. Dafür nur ein Beispiel:

    „Dass der Bundestag nebenbei auch noch von russischen Sicherheitsdiensten angezapft worden sein soll … ist ein Angriff. Dieser Vorgang hat eine gewichtige Bedeutung in der Kategorisierung dessen, was man sich von einem anderen Staat gefallen lässt“

    Whatabout Merkel-Regierungsabhöre durch NSA/5-eyes? Sind Sie also der Ansicht, das sei ein „Angriff“ durch die USA? Und wie gewichtig ist die Bedeutung dieses Vorgangs für Sie?

    Was mich betrifft: Das gleich in dramatischem Tremolo als „Angriff“ zu bezeichnen, erschiene mir massiv überzogen. Aber als Agitprop russischer Medien oder von Reichsbürgern würde es passen. Bei Ihnen passt es auch, vorausgesetzt man ersetzt „Russland“ nicht durch „USA“. Sie hätten auch „Achtung, das ist Krieg“ schreiben können, so wie die russischen Agitatoren dem Bericht zufolge im Fall Lisa.

    Das meine ich mit den Agitpropgranaten, die die beiden Lager des Guten über meinen Kopf hinweg austauschen. Man hofft einfach nur noch, dass das irgendwann mal wieder aufhört, weiss aber, dass das auch auf unserer Seite eine Entwicklung ist, die nicht irgendwann einfach wieder so verschwinden wird. Ermüdend.

    Übrigens: Ja, wir befinden uns in einem hybriden Informationskrieg. Ihnen ist hoffentlich klar, dass „wir“ da genauso aktiv sind? Man merkt es Ihrer Argumentation nicht an. Im Bedarfsfall einfach mal im Spiegel nachlesen:

    http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/us-cyber-krieg-ueber-facebook-und-co-angriff-der-sockenpuppen-a-751567.html

  32. @39:

    Ich habe mich bei der FAZ ca. ein Jahr lang über die NSA ausgelassen. Es dürfte Ihnen schwer fallen, zu behaupten, dass dieses Thema bei mir mir oder auch in den deutschen Medien nicht behandelt wurde. Und es ging dann nahtlos zur Rolle über, die US-Internetkonzerne in Europa spielen.

    Diese Fragen wurden alle gestellt. Während das besprochen wurde, hat fast niemand nach der Rolle Chinas oder Russlands gefragt. Vor lauter NSA hat niemand dahingeschaut. Mittlerweile ist sichtbar, dass diese Länder nicht weniger aktiv sind. Darüber wird nun eben auch gesprochen. Und nein, man muss dabei nicht jedesmal erwähnen, wer sonst noch alles böse ist. Sie beweisen mit Ihren Ausführungen ja u.a. auch, dass Sie in der Lage sind, sich solcherlei zu merken.

    Sie könnten sich auch fragen, warum ich die Tat als Angriff definiere und trotzdem nur von Gegenseite spreche und nicht von Gegner. Darin liegt bereits das Wägen.

    mfg
    mh

  33. Der Westen mit seinen gerade einmal 10% der Weltbevölkerung, leben in einer Welt welcher voller Lebenslügen steckt. Nur leider glauben immer noch die meisten im Westen, dank der medialen Indoktrinierung, „wir seien die Guten“ tatsächlich sind große Teile des Westens, nur durch Kriege, Kolonialismus , Ausbeutung und Ressourcenverschwendung „reich geworden. „Der Westen EIN IMPERIUM DER SCHANDE“ wie es Jean Ziegler in seinem Buch sehr treffend beschreibt.

    Solange aber nach Lesart des Westens, die Krim durch Russland annektiert wurde, was ja nachweislich nicht stimmt, wer das nicht glaubt, (der sollte unter Wikipedia nachlesen, was eine Annexion bedeutet) Es war soweit mir bekannt, durch ein Referendum zum Anschluss der Krim an Russland durch die Mehrheit beschlossen worden.

  34. Oha. Viele Kommentare hier sind echt schlecht gealtert. Armer, armer Putin. Georgien, Tschetschenien, Syrien, jetzt die Ukraine: überall muss der arme Mann entnazifizieren. Am besten, indem Wohn- und Krankenhäuser plattgebombt werden.

Einen Kommentar schreiben

Mit dem Absenden stimmen Sie zu, dass Ihre Angaben gemäß unseren Datenschutzhinweisen gespeichert werden. Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.