In dieser Rubrik geben wir Gastautoren die Gelegenheit, über ihr persönliches Hasswort zu schimpfen. Eine Redewendung oder Formulierung, die nervt, sinnlos ist oder gerne falsch eingesetzt wird – die man aber ständig hört oder liest, in Texten, im Radio oder im Fernsehen. Mehr Hasswörter finden Sie: hier.
abgehängt
Nicht dass ich generell etwas gegen dieses kleine Adjektiv hätte. Es kann ja nichts dafür. Bei der Deutschen Bahn oder in Galerien und Museen hätte „abgehängt“ weiterhin ein bescheidenes aber höchst ehrenwertes Dasein fristen können. Aber als Verlegenheitsbegriff im Populismusdiskurs ist es nicht nur nervig, es ist gefährlich.
Ein paar kurze Karrieredaten: Sucht man nach den Begriffen „abgehängt“ und „AfD“ in einer Zeitungsdatenbank, erhält man für 2015 gerade mal 25 Treffer. 2016 sind es 298 und in den ersten drei Monaten 2017 – Stand 26.3.2017 – bereits 95. Die Bilanz im Fernsehen dürfte kaum besser sein. Auch im Bundestag gehört der Begriff längst zu den Standardfloskeln.
Nun ist es sicher nicht falsch, dass man „nicht wegschauen darf, wenn Menschen sich in sozialer und kultureller Hinsicht abgehängt fühlen“ oder dass sich bei aller „Stärke Deutschlands […] trotzdem viele Menschen abgehängt fühlen“. Aber wir müssen uns darum kümmern, weil es um Menschen geht, nicht „weil wir ansonsten tatsächlich mehr Abgehängte produzieren.“
Den Erfolg von AfD und Co mit sozialer Benachteiligung zu erklären, ist nämlich Quatsch. Gerade erst wieder hat das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln gezeigt, dass die AfD eher eine Partei der Durchschnittsverdiener ist. Viel schlimmer aber ist, dass der Begriff ein ganzes Bündel gesellschaftlicher Probleme zu einem rein ökonomischen Problem umdeklariert. Rassismus? Fehlende Teilhabe? Mangelhafte Bildung? Alles egal, sobald der „Abgehängte“ genug Euros in der Tasche hat, wird das schon. Nix wird!
Ja, es geht nicht gerecht zu in Deutschland und da darf man auch gerne wütend werden. Aber man muss sich auch fragen, gegen wen sich diese Wut richten soll. Das aber bedeutet, sich ernsthaft mit Politik, mit Zahlen und Fakten auseinander zu setzen. Das ist die Bringschuld, die auch der wütendste Zeitgenosse in einer Demokratie hat.
Einfach nur zu jammern, dass sich keiner um einen kümmere und man deswegen den Volksverrätern da oben mal zeigen werde, was `ne Harke ist, ist kein politischer Protest sondern unreflektiertes Gebrabbel. Dieses muss man ernst nehmen, aber nicht inhaltlich, sondern als Gefahr für unsere Demokratie. Den Opfergestus zu legitimieren, indem wir undemokratische Haltung der Einfachheit halber damit erklären, dass der „Wutbürger“, der „Protestwähler“ oder der „Politikverdrossene“ ja ach so „abgehängt“ seien, ist eine Verharmlosung des Problems. Lassen wir das!
Werner Doyé produziert zusammen mit Andreas Wiemers einmal in der Woche einen satirischen zweieinhalbminütigen Kommentar zum aktuellen Zeitgeschehen: die Rubrik „Toll!“ im ZDF-Magazin „Frontal 21“. Alle zwölf Monate dürfen die beiden länger ran und auf das zuende gehende Jahr zurückblicken. Sie werden immer wieder für den Grimme-Preis nominiert.
„Auch im Bundestag gehört der Begriff längst zu den Standardfloskeln.“
Aber da sitzen doch gar keine „Abgehängten“, sondern nur die Besten!
Könnte es also sein, dass die „Abgehängten“ niemals von sich selbst als „Abgehängten“ sprechen? Dass es einfach die deutsche Übersetzung von „deplorable“ ist, was überhaupt gar nicht mehr nach Verständnis klingt? Dass in dem Begriff weniger das befürchtete Verständnis als jede Menge Hochmut steckt? Dass also gar nicht um Abgehängtes geht, sondern um Vorgeschobenes?
„2016 sind es 298“
Ui, ui, doch so viel.
Ich sehe das Problem in der „A“fD für sich. Schaut man sich die +hüstel+ „Köpfe“ dieser Partei an, ist in deren Biografien ein gemeinsamer Nenner zu finden: fast alle haben Brüche in ihrer Erwerbs- oder Verbands- bzw. Parteienkarierre hinnehmen müssen (teils selbst verschuldet, teils nicht). Den meisten dieser Leute ist eins gemein: Sie denken da wo sie sind ist vorne! Da sich dies aber bisher nicht mit der Realität in Einklang bringen ließ, musste gleich auch eine neue Realität her – das spricht natürlich Leute an, denen es ähnlich geht.
Es gib Menschen in diesem Land, die sind arm.
Es gibt Menschen in diesem Land, die überlegen jeden Tag,
wie sie es irgendwie hinbekommen, sich und ihre Familie durch die Woche zu bringen.
Es gibt Kinder und Jugendliche, von denen man mit fast 100-prozentiger Gewissheit, sagen kann, dass sie niemals eine realistische Chance haben werden, sich aus
den Verhältnissen, in denen sie leben, zu befreien – von Wundern und besonders glücklichen Fügungen mal abgesehen.
Es gibt Menschen in diesem Land, die aufgrund ihrer Armut
ausgegrenzt
abgehängt
alleingelassen
im Stich gelassen
benachteiligt
herabgewürdigt
usw.
sind und in brutalen prekären Verhältnissen leben.
Ja, Begriffe sollten hinterfragt werden. Das ist immer klug.
Aber ich hoffe, lieber Herr Doyé, dass sie den Armen, die vielleicht auch so ihre Wut gegen „die da oben“ haben, nicht ein „unreflektiertes Gebrabbel“ vorwerfen.
Diesen Menschen steht nicht – um es wohlgesetzt auszudrücken – der Sinn nach einer sprachlich ausgefeilten Diskussion. Sie kämpfen jeden Tag um ihre Existenz.
@3
ich denke hier wird deutlich das „abgehängt sein“ auch bei Ihnen davon abhängt, was die Definition von vorne und hinten oder oben und unten ist. Die oben angesprochene Schieflage entsteht m.E. auch durch eine Erwartungshaltung, die unser derzeitiger Gesellschaftsentwurf nicht erfüllen kann- mich regen zum Beispiel Leute auf, die vor der Tafel interviewt werden und über den sie vernachlässigenden Staat lamentieren und dabei mit ihrem iPhone und der Schachtel Markenzigaretten in der Hand vor der Kamera herumfuchteln und dabei vom Verhungern ihrer Kinder faseln. Mir stinkt auch gewaltig, das Arbeitnehmer Kitagebühren zahlen müssen, während Hartz 4 Empfänger nichts zahlen, und dann zu Hause rumhängen anstatt ihre Kinder selbst zu erziehen – und ich bin ein linksgrün versiffter Ökoheini. Übrigens der erste in seiner Familie, der Abitur gemacht hat. Meine Eltern waren ganz normale Arbeiter mit Volksschulbildung, jetzt Rentner – die mit Ihrer Rente gut auskommen – wenn man manchen Medien glauben kann sind es die beiden einzigen in Deutschland.
Lieber Thomas Anders,
um gleich auf den Punkt zu kommen:
Ich finde Ihre Aussagen ganz schlimm.
Warum?
In Ihren Aussagen kommt eine Grundhaltung zum Vorschein, die in Teilen dieser Gesellschaft immer wieder sich dann ihren Weg bahnt, wenn es darum geht, den Armen zu helfen.
Konkret:
Sie schreiben:
„….mich regen zum Beispiel Leute auf, die vor der Tafel interviewt werden und über den sie vernachlässigenden Staat lamentieren und dabei mit ihrem iPhone und der Schachtel Markenzigaretten in der Hand vor der Kamera herumfuchteln und dabei vom Verhungern ihrer Kinder faseln.“
Tun Sie mir bitte einen Gefallen: Gehen Sie mal in sich. Ehrlich und aufrichtig. Und denken Sie einmal darüber nach, wie Sie erstens: Zu dieser Wahrnehmung kommen (warum nehmen Sie gerade das war?) und zweitens: Warum Sie das stört?
Frage: Warum soll ein ein armer Mensch nicht auch etwas besitzen, was (augenscheinlich) einen Wert hat?
Wie soll denn bitteschön ein Armer aussehen, so dass Sie ihm zugestehen, dass er (augenscheinlich) tatsächlich arm ist?
Soll er in einem Kartoffelsack da stehen? Mit Krätze im Gesicht und ohne Schuhe?
Was wissen Sie schon davon, woher derjenige, der bei der Tafel steht, vlt. sein Iphone oder seine Schachtel Markenzigaretten hat?
Um es abzukürzen:
Ihre Aussage ist deshalb so schlimm, weil in ihr zum Vorschein kommt, dass manche sogar noch neidisch auf das sind, was die Armen vlt. noch an „wertvollen“ Gegenständen besitzen.
(ein Armer mag mit einer Markenjacke vor ihnen stehen; ob er diese aus der Altkleidersammlung hat oder sie sich vlt. selbst gekauft hat – möglicherweise von seinem letzten Geld, weil sie ihm ein Stück Selbstachtung bietet, wissen Sie nicht).
Die reale Armut, die in diesem Land existiert, hat nichts mit „Erwartungshaltung“ zu tun, sondern mit einer Politik, die nicht bereit ist, sich der Armut entgegenzustellen.
Wie gesagt, denken Sie einmal darüber nach.
Nichts für ungut.
Lieber Jack,
ich sehe es halt anders an Sie – bedenken Sie, es geht hier um den Kontext „Wutbürger“, sich abgehängt fühlen etc.
Ich neide keinem sein iPhone -mich regt es auf, das es hier sehr viele Leute gibt, die offensichtlich nicht verstanden haben, das es in Deutschland in unserem aktuellen System auch so etwas wie Eigenverantwortung gibt – der Staat ist nicht für jede Misere verantwortlich. Das kann, muss man nicht alles gutheißen, das tue ich auch nicht – nehmen Sie mich zum Beispiel: Wie gesagt Kind aus klassischer Arbeiterfamilie – Realschule (mittelmäßig abgeschlossen), Fachabi (mit Mathe 5!) – dann Zivildienst, Ausbildung in einem mittelständigen Betrieb, mit Zeitvertrag eingestellt, deutlich schlechter bezahlt als andere, dann über die Jahre aus eigenen Antrieb „hochgearbeitet“ mittlerweile in einem Bereich der eine Weiterqualifizierung (Studium , Meister etc.) voraussetzt, ohne diese gemacht zuhaben. Ich haben nie auch nur einen Cent staatliche Förderung in Anspruch genommen. Und ich halte mich nicht für etwas Besonderes.
Ich denke meine Biografie ist relativ normal, in meinem Umfeld ist das keine Ausnahme – eher die Norm, auch im Freundeskreis. Deswegen kann ich das Szenario, das Sie hier weiter oben entwerfen nicht mit meinem Umfeld in Einklang bringen, sorry.
Es gibt genug Möglichkeiten, 2.,3.,4. Chancen, die jedem in unserer Gesellschaft offenstehen, dafür geben wir jedes Jahr hunderte von Milliarden aus. Die Leute in diesem Land haben mehrheitlich einen anderen Weg gewählt als Sie sich wünschen – auch im September wird sich dieser Weg wieder durchsetzen (egal was Herr Chultz da von sozialer Gerechtigkeit erzählt). Auch ich kann mir bessere Wege für eine gerechtere Gesellschaft vorstellen. Arme Leute in einen Verdrängungswettbewerb mit Ausländern und Flüchtlingen zu treiben, indem man ihnen verspricht, das ohne diese alle Zuwendung den Armen zufällt ist aber die größere Lüge als die, die unsere jetzige Regierung uns auftischt (um mal bei der „A“fD zu bleiben). Wir haben es gerade geschafft, uns halbwegs aus einer der größten ökonomischen und sozialen Herausforderungen, der je ein Land gegenüber stand herauszustrampeln – der deutschen Wiedervereinigung. Wir haben es geschafft, innerhalb von 25 Jahren die Übernahme und Neugestaltung eines völlig heruntergekommenen Phantasiegebildes namens DDR zu stemmen, dazu noch Millionen von Aussiedlern und Flüchtlingen aufzunehmen und (mehr oder weniger gut) zu integrieren – und das ohne einen unserer Nachbarn zu überfallen oder in einem Bürgerkrieg zu versinken – denken Sie mal drüber nach.
Vielen Dank für Ihre offene Antwort, lieber Anderer Thomas.
Ich verstehe gut, wie Sie denken und warum Sie so denken, wie Sie denken.
Sie haben in zwei Antworten nun kleine Stücke aus Ihrer persönlichen Biographie bzw. aus Ihren Lebenshintergründen angesprochen.
Ich denke, das ist der Knackpunkt.
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ja, selbstverständlich gibt es in diesem Land die Möglichkeit für Menschen, aufzusteigen. Ja, natürlich kann man mit einem eisernen Willen und viel Kraft auch mächtige Widerstände überwinden.
Dass Sie sozusagen zu den „Aufsteigern“ gehören, ist sicherlich etwas, worauf Sie stolz sein können oder worüber Sie sich zumindest freuen dürfen.
Das Problem ist nur: Immer wieder kann beobachtet werden, dass Menschen den Fehler machen, ihre eigene Biographie und ihre eigenen biographischen Hintergründe zu generalisieren. Bis zu einem gewissen Punkt, ist das legitim. Nur: Sie als „Anderer Thomas“ sind eben „Anderer Thomas“. Sie sind nicht „Anderer Michael“, „Andere Sandra“ usw.
Was ich damit sagen will ist: Leben, menschliche Lebenswege und Hintergründe sind oft sehr verschieden. Ich weiß nicht, wie Ihr Leben aussehen würde, wenn man die ein oder andere Variable in Ihrem Leben verändert hätte (früher Verlust der Eltern, schwere Krankheit, Unfall usw. usf).
Vlt. hätten Sie es auch dann „geschafft“. Das will ich Ihnen nicht in Abrede stellen. Aber es ist wichtig zu verstehen, dass es auch Menschen gibt, die aus einer Vielzahl von Gründen keine Chance haben (um es stark vereinfacht auszudrücken).
Glauben Sie mir: Es gibt in den prekären Milieus schlimme, teilweise furchtbare Lebenssituationen. Danken Sie dem Herrn da oben, dass Sie eine relativ normale Sozialisation erfahren durften.
Ich hoffe, Sie gehen nicht wirklich davon aus, dass all die Menschen (oder zumindest viele), die auf Transferleistungen angewiesen sind, deshalb Sozialleistungen erhalten, weil sie zu faul, zu blöd usw. sind.
Da würden uns schnell auf der Ebene von rassistischen Stereotypen und Vorurteilen bewegen.
Noch ein Wort zu dem Begriff Eigenverantwortung: Dieser Begriff wurde auf eine hochgradig manipulative Weise von Schröder und Co eingesetzt, um den Rückbau des Sozialstaates und der Durchsetzung der neoliberalen „Reformen“ Vorschub zu leisten.
Eigenverantwortung ist sicherlich wichtig, aber der Begriff ist in unserer Zeit zu einem Maniuplationsinstrument erster Güteklasse geworden.
Recht haben Sie sicherlich darin, dass „der Staat“ nicht für jede Misere Verantwortlich ist.
Aber er täte gut daran, sich selbst als Sozialstaat dringend neu zu denken, um die schweren Missstände, die existieren, anzugehen.
Servus und gute Nacht.
Wie ein anderer Kommentator bereits schrieb, sind es ja nicht die „Abgehängten“, die sich selbst als solche bezeichnen; und auch, daß AfD-Wähler nicht eben zu den Armen der Gesellschaft zählen, wie im Artikel angemerkt, ist nicht neu. Es handelt sich wohl eher um durchaus gutgestellte Bürger, die fürchten, irgendwann demnächst zu denen zu zählen, die sie jetzt noch verachten – den Hungerleidern nämlich. Oder eben einfach um Rassisten und verstockte Konservative, die alles davonschwimmen sehen, was ihnen Halt gibt (Naturgesetze: die Frau gehört an den Herd, Homosexuelle sind krank, etc., und jetzt wollen die auch noch heiraten, verdammt, die Welt steht Kopf).
Die Rede von den ökonomisch(!) „Abgehängten“ ist dabei besonders perfide, weil sie
a) eine Bevölkerungsgruppe verleumdet, die nicht zwingend rechtspopulistisch denkt
b) damit die eigentlichen Ursachen solchen Denkens verschleiert
b) sich als verständnisvoll gibt, aber eigentlich verächtlich ist – die wirtschaftlichen „Verlierer“ der Gesellschaft haben eben nur was zu meckern, weil sie Versager sind (früher redete man von „ewig zu kurz gekommenen“).
Es sollen also die ökonomischen Verlierer sein, die dann rechts wählen. Es handelt sich dabei letztlich um einen eingeschliffenen bürgerlichen Erzähltopos. Arme Leute werden zu Rechten, das ist eine Sache des Mobs, andere Ursachen? Ach was! Die Naziherrschaft rührte nicht daher, daß Antisemitismus und Rassismus von breiten Bevölkerungsschichten – auch dem gebildeten Bürgertum – getragen wurden, sondern daß dieser Hitler da eine Flasche war, die es zu nichts gebracht hat. Die Legende wird angesichts der „Neuen Rechten“ wieder aufgefrischt.
@Anderer Thomas: Gerade ärmere Leute benötigen teils dringend ein Handy, weil sie z.B. in Niedriglohnjobs arbeiten müssen, die verlangen, ständig auf Abruf bereitzustehen. Bei der Jobagentur würde man denen was erzählen, wenn damit kämen, sie könnten sich keins leisten. Ich verstehe Sie so, daß diese Leute aber kein Handy haben dürften (schon gar kein iPhone), um sich das Recht zu verdienen, von Ihnen als arm angesehen zu werden. Ich kenne die Lebensumstände solcher Betroffener nicht (habe aber im Bereich schlecht bezahlter, gering geachteter Tätigkeiten einiges erlebt) und würde mir nicht anmaßen, darüber zu richten, was die haben müssen/dürfen.
Hallo Jack,
jetzt liest sich das ganze schon anders – ja Sie haben Recht, Armut hat viele Ursachen. Ich möchte aber nicht umhin kommen, das ihre Kommentare trotzdem ein viel dunkleres Bild zeichnen als es m.E. tatsächlich in unserem Land der Fall ist.
Ich halte meine Biografie für völlig durchschnittlich – d.h. ich denke, die Mehrheit hat eine ganz ähnliche. Ich will hier keine Missstände marginalisieren, oder behaupten es herrscht hier absolute Chancengleichheit. Es gibt aber eine derzeit steigende Zahl von Krakeelern, die hier eine Apokalypse herbeischreien wollen, und dafür gibt es m. E. einfach keinen Anlass.
Ich habe diese ständige negative Einstellung sogenannter „abgehängter“ Wutbürger (nicht Arme oder Benachteiligte im allgemeinen – das kam leider anders rüber – sorry. ) satt, die immer allen anderen die Schuld geben, das wollte ich ausdrücken.
Beim derzeitig hohen Tempo, mit dem immer neue Handy-Generationen auf den Markt kommen, verlieren ältere Modelle schnell ihren Wert.
Ein „gutes Gebrauchtes“ ist auch für die sehr weit unten liegenden „Einkommensklassen“ erschwinglich. Und manche Leute geben ihr Geld tatsächlich lieber für ein Handy aus, das sie sich eigentlich besser nicht kaufen sollten, und sparen dann woanders.
Aber ich sehe das so ähnlich: „abgehängt“ sollte man nicht als „ökonomisch abgehängt“ verstehen, sonst ergibt das keinen rechten Sinn.
Gibt es eine allgemeine Definition von abgehängt in diesem Zusammenhang? Wenn der Autor dies materiell definiert, ist es vielleicht sein Defizit. Genauso wie es sich die Parteien einfach machen, mit ihrem abgehängt, denn die materielle Lösung ist die einfachste. “ Mehr Geld her“ trifft aber den Kern nicht.
Menschen, die gegen Lügenpresse schreien, sind mental verletzt und fühlen sich im weitesten Sinn demokratisch abgehängt. Oder sind sie verrückt?
Ich meine, die Symptome deuten auf Mißbrauch. Wer sich so hysterisch gebärdet, fühlt sich ausgenutzt. Abgehängt im Sinn von stehen gelassen, in die Ecke gestellt, nicht beachtet, entfremdet und benutzt. Gesellschaft findet offensichtlich ohne sie statt.
Das ist mit Geld gar nicht zu beantworten. Und wer eine Paranoia mit „Zahlen und Fakten“ verhindern will, hat das Wesen einer Paranoia nicht verstanden.
Von daher ist das Wort richtig, aber die Interpretation falsch.
Wie hat denn zb so ein notorischer Linker diese Gruppe genannt, in den 30gern, bevor der Aufstieg der Nazis so richtig Fahrt aufnahm?
Die im Dunkeln, die man nicht sieht, nicht sehen will. Die man lieber ignoriert, diffamiert und ausplündert, solange man auf der hellen Seite steht. Deren Lage nicht vereinbar ist mit der selbst gestrickten Mär von der egalitären Chancengesellschaft.
Auch die NSDAP wurde nicht vor allem von Arbeitslosen gewählt, sondern von den einfachen Leuten, die als erste dran sind, wenn abgehängt wird, von Massen von Menschen die praktisch zu spüren bekamen, wie schnell man überflüssiger Ballast wird.
Wer das nicht als Lehre der Vergangenheit verinnerlicht hat, kann das inzwischen nur noch auf Bezeichnungsebene bekämpfen. Und hat damit bereits verloren. Der Begriff der „Abgehängten“ wird nur noch pejorativ verwendet, wenn er je anders gemeint war.
Und wer die Realität von Kurierfahrern, Schlachthofmitarbeitern, Leiharbeitsfliessband-Abrufkräften und von der Dienstleistungsfreizügigkeit bedrohten Handwerkern nicht kapieren will, kann keine Auseinandersetzung um deren Köpfe gewinnen.
Und in einer Hinsicht haben die Recht: Ihre Interessen werden nicht vertreten im staatstragenden Teil der Politik und Medien. Im Gegenteil. Und wenn der Mob erst mal zur Mistgabel greift, lässt er sich von pikierter Stilkritik der Lobby-Salondemokraten bestimmt nicht aufhalten.
Die „Abgehängt“-Rhetorik und die damit verbundene, herablassende Häme bestärken sie eher noch darin, denn sie bestätigen Vorsatz und legitimieren Entrechtung.
Hat, wer das aktuell nicht zu erkennen bereit ist, die Ursachen des Aufstiegs der Nazis im Schulunterricht nicht kapiert oder bloß keinen Bock darauf, es zu kapieren, weil das so uncool retro ist und im Gegensatz zu den neoliberalen Dogmen keiner dafür bezahlt, diesen Teil Dunkeldeutschlands journalistisch auszuleuchten?
Genauso schlimm wie „abgehängt“ ist“jemand abholen in der Situation“…
Wurde von ner nachttalkenden Psychologin beim SWR in Umlauf gebracht!
Das Problem mancher Benachteiligten ist das reflexartige Verhalten „Ausländer raus“ zu rufen anstatt die wahre Ursache der der Misere zur ergründen.