Frauendiskriminierung im ZDF? Das Vor-Urteil ist schon gefällt
Bis das Gericht entschieden hat, wollte Christine Dankbar mit ihrem Urteil nicht warten. Anfang Dezember war die stellvertretende Lokalchefin der „Berliner Zeitung“ bei einem Termin im örtlichen Arbeitsgericht, weil die Reporterin eines ZDF-Magazins ihren Arbeitgeber verklagte. Sie verdiene weniger als ihre männlichen Kollegen, weil sie eine Frau sei, lautete der Vorwurf. Nach über drei Stunden endete die Verhandlung ohne Ergebnis.
Für Dankbar hingegen war die Sache eindeutig: „Reporterin verklagt ZDF, weil sie weniger verdient als männliche Kollegen“, titelte am Tag darauf ihre Zeitung. Auf einen Konjunktiv oder ein „verdienen soll“ wurde lässig verzichtet. In der Bildunterschrift heißt es unmissverständlich: „Das ZDF bezahlt Frauen anders als Männer.“
Aus der „Berliner Zeitung“ verbreitete sich die Nachricht rasch: Das ZDF, der alte Männerladen, beutet seine Mitarbeiterinnen aus! Das haben wir doch schon immer gewusst! Eine Unschuldsvermutung wurde dem ZDF nicht zugestanden. Das Online-Magazin „Edition F“ erklärte die Klägerin zur „Heldin“ des Tages und nahm die behauptete Diskriminierung als Tatsache. Ebenso die „taz“, die die Frau zum „Mitarbeiter der Woche“ kürte und offene Solidaritätsaktionen forderte.
Als Evelyn Roll das Thema Anfang des Jahres in der „Süddeutschen Zeitung“ noch einmal aufgriff, formierten sich sogar erste Ansätze einer „Ich-bin“-Kampagne. Endlich traut sich jemand, aufzubegehren! Endlich mal wieder Schwarz gegen Weiß, Gerechte gegen Ungerechte! Der Frust der Frauen über eine männlich dominierte Medienwelt fand da ein Ventil. Dass das Urteil noch aussteht und der Vorwurf daher bislang nicht mehr ist als das, spielte keine Rolle.
Als jemand, die die Verhandlung vor Ort verfolgt hat, erscheint mir der Fall weit weniger klar.
Ungleiche Bezahlung ist ein Deutschland ein großes Problem. Laut Statistischem Bundesamt verdienen Frauen 21 Prozent weniger als Männer – weniger Spitzenpositionen und mehr Arbeit im Niedriglohnsektor sind daran mit schuld. Doch auch bei gleicher Position und Arbeitserfahrung bleiben sieben Prozent Unterschied. Sich dagegen zu wehren, traut sich kaum jemand.
Zum einen müsste man dafür erst einmal in Erfahrung bringen, wie viel die Kollegen verdienen. Dies soll nach einem gerade vom Kabinett verabschiedeten Gesetzesentwurf bei Firmen mit über 200 Mitarbeitern leicht zu erfragen sein. Zum anderen müsste man mit diesem Wissen jedoch auch bereit sein, den aktuellen Arbeitgeber zu verklagen. Das zu wagen, verdient Beachtung und Respekt. Automatisch recht hat man mit so einem Vorwurf aber nicht.
Denn auch wenn die Statistik systematische Diskriminierung belegt: Im Einzelfall ist diese genau zu beweisen. Macht der Kollege genau die gleiche Arbeit wie ich? Hat er genauso viel Erfahrung? Und haben wir eigentlich den gleichen Status? Ein Job-to-Job-Vergleich soll das klären.
Das wurde auch in der Verhandlung gegen das ZDF besprochen. Doch die „Berliner Zeitung“ mag es nicht unnötig kompliziert. „Im Gespräch mit einem mittlerweile pensionierten Kollegen stellte sich heraus, dass er netto mehr erhält als sie brutto.“ Für sie ist die Diskriminierung durch das ZDF damit erwiesen. Dabei ist ein Grund für den Gehaltsunterschied damit schon genannt.
Denn der Kollege, mit dem sich die Klägerin vergleicht, ist nicht nur pensioniert, sondern auch etwa 20 Jahre älter. Laut den Anwälten des ZDF war der Mann zuletzt in einer höheren Gehaltsstufe einsortiert und zudem seit 1993 beim Sender beschäftigt. Die Klägerin ist hingegen erst seit 2007 dabei. Mit zunehmendem Alter und Betriebszugehörigkeit steigen halt auch beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Gehälter. So schreiben es die Tarifverträge vor.
Hinzu kommt, dass er eine Festanstellung besetzte, während sie den speziellen Status einer festen Freien innehat. In der späteren Berichterstattung findet das keine Erwähnung, dabei hatte die Reporterin das selbst als problematisch erkannt. Gemeinsam mit der Klage wegen Diskriminierung hatte sie daher eine Überprüfung ihres Arbeitsverhältnisses beantragt. Die Hälfte der Verhandlung wurde über regelmäßige Wochenendarbeit, Social-Media-Dienst nach Feierabend und Vertretungsdienst für den Chef vom Dienst diskutiert. Damit versuchte sie, zu belegen, dass das ZDF sie wie eine Festangestellte behandele und demnach als solche anstellen müsse. „Ich tendiere dazu, dass sie keine feste Arbeitnehmerin sind“, meinte der Richter zum Abschluss. Die endgültige Entscheidung steht noch aus.
Warum sie sich trotz dieser Widrigkeiten auf den Fall eingelassen hat, erklärte die Klägerin vor Gericht wie folgt: „Sehr viele Männer verdienen mehr als ich. Die Begründungen dafür waren nicht ersichtlich. Der einzige Weg für mich war die Klage. Und der einzige Weg war der über den pensionierten Kollegen.“
Der Pensionär hat vom ZDF nichts zu befürchten. Er konnte Daten angeben, die für diesen Fall eine wichtige Rolle spielen. Die einzigen Vergleichsmöglichkeiten bieten sie jedoch nicht. Es finden sich in der Klageschrift Angaben von weiteren ZDF-Mitarbeitern. „Alle aufgeführten Männer verdienen besser. Es wird problematisch, wenn das so ist, weil sie Männer sind“, sagte der Richter. Doch keiner von ihnen schien sich für einen direkten Vergleich gut zu eignen: Manche sind schon länger dabei, andere festangestellt, andere ganz frei. Auch davon steht in der „Berliner Zeitung“ nichts.
Die Verhandlung endete mit einem Vergleichsangebot des ZDF. „Es ist die Frage, ob es angesichts der aufgeheizten Lage nicht das Beste wäre, das Rechtsverhältnis aufzulösen. Wenn das für sie in Betracht kommt, können wir ihnen ein Angebot machen“, erklärte der Anwalt des Senders der Redakteurin.
In 90 Prozent der Rechtsstreitigkeiten vor einem Arbeitsgericht endet mit diesen auch das Arbeitsverhältnis – selbst wenn der Kläger Recht bekommt. Das Angebot des ZDF war demnach ein üblicher Vorgang. In der Zeitung landete es als unmoralischer Versuch, sich eine renitente Mitarbeiterin vom Hals zu schaffen.
Falls es zu keiner Einigung kommt, verkündet das Gericht am 1. Februar das Urteil. Für den Fall einer Abweisung haben sich die Klägerin und ihr Anwalt auf einen Marsch durch die Instanzen eingestellt.
Die Entscheidung in einer anderen Sache ist hingegen längst gefallen. Eine Google-Suche nach ihrem Namen liefert unter den ersten Treffern keine Hinweise mehr auf ihre journalistische Arbeit oder die Preise, die sie dafür erhalten hat. Dafür dominieren dort Artikel über ihren Gang vor Gericht.
In der Gerichtsberichterstattung sollen Journalisten mit persönlichen Angaben zurückhaltend umgehen. Wer schon einmal seinen Arbeitgeber verklagt hat, kann es bei der Suche eines neuen schwer haben. Doch Galionsfiguren brauchen Namen. Daher nahmen die „Berliner Zeitung“ – und nach ihr andere Medien wie die „Süddeutsche Zeitung“, „taz“ oder „Edition F“ – darauf keine Rücksicht.
Sie selbst scheint diese Aufmerksamkeit nicht zu suchen. Sich öffentlich geäußert hat sie bislang nicht. Eine Anfrage von Übermedien ließ sie unbeantwortet.
Ein klugscheissender Anwalt regt folgende Berichtigungen an: es handelt sich um eine Klageschrift und nicht um eine Anklage ! Letzteres gibt es nur beim Strafgericht. Eine Klage wird auch nicht abgelehnt sondern abgewiesen. So viel Zeit muss sein !!
Danke fürs Klugscheißen, ist korrigiert.
Wo wir gerade beim Klugscheißen sind:
Diese Aussage kann schon deshalb kaum stimmen, weil vor dem Arbeitsgericht längst nicht alle Verfahren Kündigungsschutzprozesse sind. Dass wie hier bei einer Klage auf (Mehr-)Entgelt ein Beendigungsvergleich steht, wäre wohl eher ungewöhnlich. In Entgelt-/Urlaubs-/Mitbestimmungsverfahren usw. ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls nicht der Regelfall. Ich kenne Zahlen wie 90 % auch nur im Zusammenhang mit Vergleichen, die sich allein auf Kündigungsschutzprozesse beziehen.
Auch der im Artikel verwendete Begriff „Unschuldsvermutung“ ist für einen Arbeitsgerichtprozess eher deplatziert.
Was für ein Unsinn. Ich kenne mehrere Leute, die anders als offensichtlich die Verfasserin Wiedemeier in der Verhandlung waren. Alle wären voller Empörung über einen Richter, der all das gesagt hat, was in Berliner Zeitung und Spiegel stand. Der durfte auch auf das Kündigungsangebot des ZDF nicht eingehen, weil dieses schon rechtswidrig war. Solche „Kündigungsangebote“ verstoßen gegen das Viktimisierungsverbot, von dem die Autorin aber bestimmt noch nichts gehört hat. Denn Recherchieren gehört anscheinend nicht zu ihrem Handwerkszeug, sondern eher Rücksprachen mit Leuten, die an einem anderen Ausgang des Verfahrens interessiert sind als viele deutsche Frauen und die genau wissen, was Frau M[…] gemeint hat. Und von denen man ahnt, wo sie ihren Schreibtisch haben.
@Lisa Blümel: So viele gehässige Unterstellungen unter (mutmaßlich) ausgedachtem Namen? Nur so viel: Juliane Wiedemeier war, wie auch im Text steht, bei der Verhandlung.
„Alle wären voller Empörung über einen Richter, der all das gesagt hat, was in Berliner Zeitung und Spiegel stand.“
Und wie wir alle wissen: Empörung ist die Währung des Rechts und der Wahrheit.
Ich freue mich, dass Frau Wiedemeier, anders als leider immer noch viele Kollegen, die einzig diskutierbare Zahl von destatis nennt (7%). Ich würde auch da allerdings noch anmerken, dass das Statistische Bundesamt selbst ein ums andere Mal auch zu dieser Zahl sagt, dass sie nicht als abschließend zu verstehen ist, weil nicht zu allen Punkten, die für Gehaltsunterschiede relevant sind, Daten vorliegen (z.B. Überstunden). Der tatsächliche Durchschnittsunterschied bei gleicher Arbeit liegt also auf jeden Fall noch niedriger.
Als Erklärung für diese <7% fallen zB auch alle tarifgebundenen Beschäftigungsverhältnisse weg. Denn dort gibt es qua definitionem keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Wie Frau Wiedemeier richtig ausführt, kann es schon sein, dass eine Frau beim ZDF weniger verdient als ein Mann, aber das erklärt sich eben aus Faktoren wie der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Das kann man falsch finden, hat aber mit dem Geschlecht nichts zu tun. Zum Vorwurf der Diskriminierung kann man nur über den Umweg kommen, dass Frauen, denen Berufserfahrung und Arbeitsjahre wegen Kinderwünschen fehlen, nachher deshalb schlechter dastehen und das unfair sei. Da könnte man aber durchaus erwidern, dass es andererseits gerechtfertigt sei, für mehr Erfahrung mehr Geld zu bekommen, und gerade die Auflösung dieses Prinzips unfair sei. Welches Argument dann besser ist, darüber kann man ja debattieren, aber man soll doch bitte nicht so tun, als sei die Debatte mit dem Schlagwort Diskriminierung bereits beendet.
Zu einem sauberen Artikel hätte für mich gehört, daß auch beim unbereinigten GPG auf Folgendes hingewiesen worden wäre:
„Hier muss berücksichtigt werden, dass der ermittelte Wert eine Obergrenze ist. Er wäre geringer ausgefallen, wenn weitere Informationen über lohnrelevante Einflussfaktoren für die Analysen zur Verfügung gestanden hätten, wie vor allem Angaben zu Erwerbsunterbrechungen.“
https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2016/03/PD16_097_621.html
Die 7%, die Sie in Ihrem Artikel angeben, sind also das Ergebnis einer Berechnung, bei der gar nicht alle Variablen einbezogen worden sind, sie ist unvollständig und nicht aussagekräftig.
Also ist Ihre Recherche zu diesem Thema genauso müllig und tendenziös, wie man es in den sonstigen Medien finden kann. Irgendwie enttäuschend.
@mich selbst
Es muss natürlich heißen:
„Zu einem sauberen Artikel hätte für mich gehört, daß auch beim bereinigten GPG auf Folgendes hingewiesen worden wäre:“
Tschuldigung.
#8 Focusturnier:
Ich denke nicht, dass man das gleich „müllig“ nennen muss. Dass überhaupt mal auf die 7% und nicht auf die völlig unbrauchbaren 21-23% abgestellt wird ist ja schon mal ein Fortschritt. Und auch sonst hält sich der Artikel mit Diskriminierungsaussagen eher zurück. Bleiben Sie sachlich.
Ergänzung zu meinem Kommentar #3:
Ich finde es tatsächlich nicht so ganz irrelevant, dass im Text weiterhin unkorrigiert mit der Aussage „90 % aller Verfahren enden am Arbeitsgericht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ operiert wird. Denn es soll ja die Stoßrichtung des Artikels bekräftigen, dass das in vergleichbaren Verfahren der absolute Normalfall ist. Ein vergleichbares Verfahren wäre aber wohl nur ein Kündigungsschutzverfahren, wo tatsächlich enorm viele Verfahren durch Beendigungsvergleiche mit Abfindungszahlung abgeschlossen werden. Bei (reinen) Klagen auf Entgelt ist das aber sicher nicht der Fall. Insofern ist es schon bemerkenswert, dass ein Arbeitgeber ein solches Abfindungsangebot macht, gerade auch weil in Großunternehmen – wie dem ZDF – die „Belastung“ des Vertragsverhältnisses sowieso weniger zum Tragen kommt. Es gibt also durchaus Anlass über die Motive des Arbeitgebers zu spekulieren – auch wenn ein Vergleichsangebot natürlich legitim ist. Aber mit solchen Vergleichen kann eben auch die Signalwirkung eines möglichen Urteils vermieden werden.
Und wenn von einem „Arbeitsverhältnis“ die Rede ist, ist das irreführend, weil die Arbeitnehmereigenschaft der Mitarbeiterin vom Richter ja wohl selbst in Zweifel gezogen wurde. Das könnte allerdings in der Tat ein Hinweis auf die „Attraktivität“ des Abfindungsangebots sein. Denn von freien Mitarbeitern kann man sich im Zweifel natürlich leichter lösen als von Arbeitnehmern.
@4: „Solche ‚Kündigungsangebote‘ verstoßen gegen das Viktimisierungsverbot, von dem die Autorin aber bestimmt noch nichts gehört hat.“
Im Zusammenhang mit arbeitsrechtlichen Verfahren habe ich davon – als Anwalt – auch noch nichts gehört (gemeint vielleicht: Maßregelungsverbot, §§ 16 AGG, 612a BGB?). Ein Vergleichsangebot, das die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einschließt, ist angesichts des Gegenstandes des Prozesses vielleicht ungewöhnlich oder unüblich (vgl. Hanno, Nr. 3), verstößt als solches aber nicht gegen ein gesetzliches Verbot: Die Gegenpartei ist ja frei darin, auf ein solches Angebot nicht einzugehen.
Bei dem Termin, über den berichtet wurde, handelte es sich um den Gütetermin? Der Fall wird in erster Instanz am Arbeitsgericht in Berlin verhandelt, warum Berlin? Zwei Fragezeichen, die mich begleiten, seit ich den Fall verfolge…
@Luc
Doch, in diesem Punkt ist es müllig. Ich halte den Rest des Artikels für sehr gut, weil er sich mit Sachverhalten auseinandersetzt, die in den Medien nicht thematisiert werden. Aber die Einschränkungen hinsichtlich des bereinigten GPG werden von destatis offen kommuniziert (vom BMFSFJ natürlich nicht) und sollten dann auch so an die Leser weitergegeben werden. Sowas erweckt dann immer den Eindruck, als ob auf „Teufel komm raus“ eine Diskriminierung konstruiert werden muss.
„Hinzu kommt, dass er eine Festanstellung besetzte, während sie den speziellen Status einer festen Freien innehat.“
Juristisch mag das alles in Ordnung sein. Aber dennoch die Frage: sollte es nicht eigentlich sinnvollerweise genau umgekehrt sein, also dass bei etwa gleicher Tätigkeit das Monatseinkommen einer relativ ungesicherten Beschäftigten höher sein sollte als bei einem, der quasi unkündbar ist?
@TH
Siehe Zeitarbeiter, die paradoxerweise weniger verdienen als die Festangestellten.
Mir will nicht in den Kopf, worauf die Klage stützt.
Tarife sind – grundgesetzlich geregelt – geschlechtsneutral. Unbestritten unterschiedliche Einkommen ergeben sich aus frei ausgehandelten AT-Zulagen. Diese Verhandlungen sind – ebenso wie ihr Ausgang – in strikt vertraulich.
Welchen rechtlichen Hebel will die Klägerin einsetzen?
@18: Nee. Tarifverträge gelten keineswegs zwingend in allen Arbeitsverhältnissen (wobei hier ja wohl schon die Arbeitnehmereigenschaft zweifelhaft ist).
Das ist in einigen Branchen sogar mittlerweile eher die Ausnahme. Auch die vertragliche Bezugnahme auf tarifliche Regelungen fehlt oft. Die gesamte Vergütung und nicht nur Zulagen kann also Verhandlungssache sein. Und das eigene Gehalt offenzulegen, ist regelmäßig nicht verboten. Gerade weil Quervergleiche im Grundsatz legitim sind. Wenn es solche Verschwiegenheitsklauseln gibt, sind die meist unwirksam. Bei Führungspositionen, wo Wettbewerbsregeln greifen, ist das vielleicht mal anders.
Ob es einen solchen Anspruch auf gleiche Bezahlung gibt, steht natürlich auf einem anderen Blatt.
@Hanno #19 – du hast Recht, meine Aufzählung war unvollständig: es gibt auch außertariflich-beschäftigte.
Zu Verschwiegenheitsklauseln kann ich mangels Durchblick nichts sagen. Von Gesetzesregelung kann aber keine Rede sein – in beide Richtungen nicht.
„Ob es einen solchen Anspruch auf gleiche Bezahlung gibt, steht natürlich auf einem anderen Blatt“ – ausdrücklich: zu Anspruch über Tarif hinaus sage ich nichts aus. Aber es gibt grundgesetzlich Anspruch auf Vertragsfreiheit.
Abseits davon. Wir reden hier über Gehälter weit oberhalb der Lebens-Grundbedürfnisse! Ausgerechnet in diesem Einkommenssegment ist eine – behauptete oder reale – Benachteiligung des weiblichen Geschlechts aber so was von Wurscht!
Die wahren – und tatsächlich geschlechtsspezifisch diskriminierenden – Einkommensunterschiede spielen sich ganz woanders ab: die weiblich dominierten Berufe haben skandalös niedrige Tarife! Emmely an der Discounterkasse ist mit schöner Regelmäßigkeit eine 450€-Arbeitskraft; die Bäckereifachverkäuferin in der Bäckereifiliale dito!
Die ganze Geschichte mit den Quotenweibern bei Spitzenjobs ist – ebenso wie die vorliegende Klage beim ZDF – Schattenboxen. Augenwischerei. Symbolpolitik. Capis?
Womit ich der ZDF-Redakteurin keineswegs die Berechtigung abspreche; ich kenne die Details nicht und halte mich da sachlich raus.
Worum es mir geht, ist der Medienrumme am FALSCHEN Objekt, anstelle sich um die WAHRE Benachteiligung zu kümmern.
@Wolf-Dieter Busch:
Ich weiß jetzt nicht, was mit „Gesetzesregelung“ gemeint ist. Ich schrieb ja, dass es keine allgemeine (und damit auch keine gesetzliche) Verschwiegenheitspflicht für das eigene Gehalt gibt.
Ansonsten würde ich ganz sicher nicht bestreiten, dass in den unteren Einkommensgruppen Gehaltsunterschiede – seien sie geschlechtsspezifisch oder nicht – für die Betroffenen viel dramatischere Auswirkungen haben, als bei Besserverdienenden. Dass das dort deswegen gleich „wurscht“ sein soll, halte ich aber für eine verwegene Schlussfolgerung. Es ist wahrscheinlich solange wurscht, wie man (*hust*) nicht selbst davon betroffen ist.
Davon ab würde ich eigentlich vermuten, dass beim ZDF Tarifverträge greifen – ggf. sogar ein Haustarifvertrag besteht. Die Formulierung im Artikel, dass der pensionierte Kollege in einer „höheren Gehaltsstufe einsortiert“ war, deutet auch darauf hin. Einzelvertragliche „Zulagen“ wären natürlich trotzdem denkbar. Allerdings verstehe ich nicht, wie man überhaupt vom Gehalt eines einzelnen Mannes im Vergleich zu einer einzelnen Frau zwingend auf eine geschlechtsspezifische Diskriminierung schließen will. Es kann ja Männer in vergleichbaren Positionen eines Unternehmens geben die weniger, oder Frauen, die mehr verdienen.
Das hatte ich im Artikel überlesen. Damit wird meine Vermutung bzgl. der Geltung von TV beim ZDF zur Gewissheit. :-)
@Hanno #21:
Du schriebst in #19:
Ich habe das als gesetzlich unwirksam aufgefasst. Stimmt so nicht. Vereinbarungen, z. B. Vertraulichkeit, können mit Vertragsstrafen abgesichert werden. Kein Gesetz, statt dessen die Grundregel: pacta sunt servanda.
(Ich bin nicht betroffen. Also habe ich die neutrale Außensicht.) Beim gegenwärtigen Gender Mainstream geht es um nicht weniger als Gerechtigkeit für die Geschlechter. Entscheide selbst, in welcher Reihenfolge die Segmente „obere 500“ gegen „untere 20 Millionen“ abgearbeitet werden soll.
Meinen Standpunkt über diese Reihenfolge habe ich mit dem Kürzel „Wurscht“ auf einen Begriff gebracht. Wenn du mich jetzt unsachlich oder frech findest: bitte sehr.
@Wolf-Dieter Busch:
Ich möchte, dass hier jetzt eigentlich nicht endgültig in ein Arbeitsrecht-Seminar abdriften lassen. Nur so viel:
Ich bleibe bei meiner Aussage, dass derartige Verschwiegenheitsklauseln meist unwirksam sein dürften. Auch solche Arbeitsvertragsklauseln unterliegen der gesetzlichen Inhaltskontrolle des AGB-Rechts (§§ 305 BGB ff.). Das heißt also gerade, dass der Grundsatz des „pacta sunt servanda“ eingeschränkt wird. Und solche Klauseln dürften Arbeitnehmer „unangemessen benachteiligen“. Das dürfte dann auch für daran anknüpfende Vertragsstrafen gelten. Beim individuellen Aushandeln von Vertragsbedingungen – also ohne Verwendung von Klauseln in Standardverträgen – mag das ggf. anders zu beurteilen sein. Aber Vertragsformulare, die dem AGB-Recht unterliegen, sind eben im Arbeitsleben der absolute Regelfall. Und wie bereits gesagt: Auch beim Greifen von Wettbewerbsregeln kann das ggf. anders sein.
Man kann ja gerade bei Rechtsfragen über fast alles unterschiedlicher Meinung sein und vielleicht gibt es sogar ein Gericht, dass das anders sieht, aber vielleicht glauben Sie ja einem Landesarbeitsgericht oder einem Arbeitsrechtler, der in der „Zeit“ dazu geschrieben hat.
Zum nicht-juristischen Rest Ihrer Ausführungen sage ich jetzt mal nichts weiter. Sie haben Ihre politische Verortung mit Begriffen wie „Gender Mainstream“ und „Quotenweibern“ ja hinreichend deutlich gemacht.
Nur zu nochmaligen Klarstellung:
Natürlich gibt es Vertraulichkeitsklauseln in Arbeitsverträgen, die sich auf andere Bereiche beziehen (Geschäftsgeheimnisse etc.), die ohne weiteres wirksam sein können. Ich habe mich aber wohl schon deutlich genug auf die Gehaltshöhe bezogen.
@Hanno — im Arbeitsrecht magst du bewanderter sein als ich.
Wenn Frauen im Vergleich zu Männern für die gleiche Arbeit grundsätzlich schlechter bezahlt werden, müssten die Arbeitgeber (hier das ZDF) dann nicht (gerade in der heutigen Zeit, in der Kostenersparnis solch eine große Rolle spielt) nur noch Frauen einstellen? Warum sollten sie die teueren Männer einstellen, wenn sie doch die gleiche Leistung von billigeren Frauen haben könnten? Ein Unternehmer der dies erkannt hätte, könnte seine Waren/Dienstleistungen billiger anbieten, hätte mehr Gewinn und der Vorsprung vor der Konkurrenz wäre enorm.Die Unternehmer sind auf dem Gebiet der Gewinnmaximierung entweder plötzlich vollkommen blind, oder die Situation der Lohndiskriminierung besteht nicht.
Außerdem:
Wie viele Personen werden mit dem Einkommen eines Mannes gegenüber dem Einkommen einer Frau unterhalten?
„Doch auch bei gleicher Position und Arbeitserfahrung bleiben sieben Prozent Unterschied.“
Und genau das steht nirgends in den Quellen!
In den zugrunde liegenden statistischen Werten wurde z.B. die Berufserfahrung (also tatsächliche Arbeitszeit im Beruf) einfach mit „Alter minus Ausbildungjahre minus 6“ berechnet.
Zu finden in der Grundlage für das „Lohngleichheitsgesetz“ – Eine Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes mit dem Titel „Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen“, dort auf Seite 7, Tabelle 2 . [1]
Da finden die tatsächliche Arbeitsjahre/Arbeitserfahrung und damit ein erheblicher Anteil bei den Unterschieden in den Löhnen keine Berücksichtigung.
[1] https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/VerdiensteArbeitskosten/Verdienstunterschiede/VerdienstunterschiedeMannFrau5621001069004.pdf?__blob=publicationFile