Hasswort (48)

Gratismut

Die Regenbogenfahne wurde in den 1970er Jahren zum Symbol für die Lesben- und Schwulenbewegung. Sie steht für Vielfalt, Stolz und Toleranz. Aber für einige ist sie in den vergangenen Jahren auch zu einem Symbol für etwas ganz anderes geworden: für „Gratismut“.

Wann immer Organisationen, Unternehmen oder Prominente das Regenbogensymbol zeigen, müssen sie sich vorwerfen lassen, dass das nur eine leere Geste sei. Eine öffentliche Demonstration, auf der richtigen Seite zu stehen, zu den Guten zu gehören, eine beifallheischende Anbiederung in einer Umgebung, in der die Akzeptanz von LGBT eh längst zum guten Ton gehört.

Der Begriff „Gratismut“ kritisiert genau das: dass jemand so tut, als würde er oder sie in einer kontroversen Frage Haltung bekennen und dabei etwas riskieren, dabei aber nur eine billige moralische Pose einnimmt.

Am ehesten hat der Begriff seine Berechtigung bei offensichtlichen doppelten Standards. Wenn globale Unternehmen etwa im Pride-Monat ihre Logos in den sozialen Medien in den westlichen Ländern symbolisch in Regenbogenfarben leuchten lassen – und in konservativen oder islamischen Regionen der Welt davon Abstand nehmen. Wenn das Bekenntnis zu Toleranz und sexueller Vielfalt also dort endet, wo es mit tatsächlichen Problemen oder Nachteilen verbunden sein könnte.

„Versucht das mal im Islam!“

Es ist richtig, das zu kritisieren, aber die Art, wie das passiert, erweckt bei mir häufig den Eindruck, dass die Kritiker den fehlenden Mut nur als Vorwand nutzen, um ein Bekenntnis angreifen zu können, das sie ohnehin ablehnen. Sie rufen Unternehmen zu: „Versucht erst mal in islamischen Ländern, euch für die Rechte von Schwulen und Lesben einzusetzen“, weil es sie ärgert, dass sie sich hierzulande für die Rechte von Schwulen und Lesben einsetzen.

„Versucht das mal im Islam“ ist ein klassischer Move der „Gratismut“-Rufer. Als der „Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt glaubte, dass bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris das letzte Abendmahl von Jesus Christus durch Drag Queens nachgestellt wurde, twitterte er:

„wirklich aufregend wäre gewesen den propheten mohammed hier mal heiter zu verhöhnen. aber im elfenbeinturm wird nur gratismut serviert, kein wirklicher mut.“

Er hatte, wie viele andere Beobachter vor allem aus rechten Kreisen, die Szene missverstanden, die nicht das Abendmahl verhöhnte, sondern offenkundig eine Feier mit Bacchus zeigte, dem Gott der Gelage. Aber Poschardts scheinbare Forderung, bei einer solchen Eröffnungsfeier etwas wirklich Aufregendes, etwas wirklich Mutiges zu tun, ist nur ein rhetorischer Trick. In Wahrheit ärgert er sich nicht, dass Mohammed nicht verhöhnt wurde, sondern dass (seiner Meinung nach) Jesus Christus verhöhnt wurde.

Zu feige, sich vor der Tür zu prügeln

2022 hatte Poschardt in einem Interview mit der „Zeit“ Twitter als „Gratismut in Potenz“ bezeichnet. Es sei „moralisches Luschentum für die, die zu feige sind, sich vor der Tür zu prügeln, wenn sie ein Problem mit Leuten haben“. Wenn man zu seinen Gunsten davon ausgeht, dass der „Welt“-Chefredakteur sich nicht ernsthaft wünscht, dass mehr Leute mutig genug sind, Meinungsverschiedenheiten mit körperlichen Auseinandersetzungen zu klären, wünscht Poschardt sich also in Wahrheit, dass Leute, die sich nicht trauen, sich mit ihm zu prügeln, ihn wenigstens auch nicht auf Twitter beschimpfen.

(Poschardt hatte damals Twitter gerade öffentlichkeitswirksam verlassen. Es sei eine „national-moralistische Zauberbude voller Spießer, die mit aller Bitterkeit gegen Leute vorgehen, die anders auf die Welt schauen als sie selbst“, sagte er. Ich bin mir sicher, er selbst hätte sich selbst wegen seines öffentlich zelebrierten Abschieds von der Plattform „Gratismut“ attestiert. Inzwischen ist er wieder zurück und geht mit aller Bitterkeit gegen Leute vor, die anders auf die Welt schauen als er selbst.)

Ulf-Poschardt-Tweet: gratismut ist die kardinaltugend im elfenbeinturm.

Die Unterstellung, dass etwas mutig sein soll

Hinter der Unterstellung, dass etwas „Gratismut“ ist, steckt regelmäßig eigentlich die Meinung, dass etwas falsch ist. Die meisten Kritiker von Regenbogenflaggen in Deutschland wollen nicht, dass auch in Saudi-Arabien Regenbogenflaggen wehen – sie wollen, dass sie gar nicht wehen. Aber sie haben einen Trick gefunden, ihre Intoleranz als Kampf gegen die Intoleranz anderer auszugeben: den Vorwurf des „Gratismuts“.

Dabei sind regelmäßig beide Bestandteile des Wortes falsch. Zum einen die Behauptung, dass es überhaupt darum geht, als „mutig“ dazustehen oder wahrgenommen zu werden. Es ist die Unterstellung einer Motivation, die gar nicht vorhanden sein muss. Was, wenn die Künstler in Paris sich gar nicht als „mutig“ empfanden, sondern einfach in einer modernen, Vielfalt feiernden Art Lebensfreude und Genuss zelebrieren wollten? Was, wenn es jemandem, der sich eine Regenbogenflagge ins Schaufenster oder ins Social-Media-Profil hängt, gar nicht darum geht, für seinen Mut gelobt zu werden – sondern einfach um ein ehrlich gemeintes, als notwendig oder sinnvoll empfundenes Symbol dafür, dass queere Menschen hier willkommen sind? Die Betonung des „Mutes“ unterstellt einfach, dass es ihm um sich geht, und nicht um die anderen.

Paradoxerweise kommt hinzu, dass auch von „gratis“ oft keine Rede sein kann. Formel-1-Fahrer Sebastian Vettel musste sich „Gratismut“ vorwerfen lassen, weil er beim Grand Prix in Ungarn vor drei Jahren aus Protest gegen Anti-LGBTQ-Gesetze die Regenbogenflagge zeigte – obwohl er damit eine Strafe riskierte. Man kann seine Geste, die er als „kleines Zeichen der Unterstützung“ bezeichnete, aus diversen Gründen ablehnen oder kritisieren, und das Risiko, das er damit einging, macht ihn nicht zu einem Menschenrechtsaktivisten, der sein Leben riskiert – aber dass es „gratis“ im Sinne von folgenlos war, stand keineswegs fest. (Am Ende wurde Vettel nur verwarnt.)

Unternehmen, die sich zum Beispiel für Transmenschen einsetzen, die mit queeren Persönlichkeiten für sich werben, müssen Anfeindungen fürchten, wütende Proteste, Boykottaufrufe. Die Supermarktkette Edeka löste mit einer Anti-AfD-Werbung einen Shitstorm aus und sah sich gezwungen zurückzurudern. Man mag solche Aktionen und die konkrete Umsetzung finden, wie man will – „gratis“ war auch der „Mut“ zu dieser Werbung nicht.

Die Besinnungslosigkeit, mit der der Begriff in bestimmten Kreisen gebraucht wird, zeigt der damalige NZZ- und heutige „Nius“-Autor Alexander Kissler, der zum Edeka-Fall twitterte: „Gratismut tut selten gut.“

Einmal Selbstverständlichkeit und zurück

Ich muss zugeben, dass es immer noch etwas in mir auslöst, wenn ich die Regenbogenflagge vor meinem Supermarkt in Berlin-Friedrichshain wehen sehe. Ich glaube nicht, dass irgendjemand sich mutig fühlt, der sie aufzieht oder beschlossen hat, dass sie da hängen soll. Es ist, im Gegenteil, vermutlich eher eine Selbstverständlichkeit – aber ich bin mir sehr bewusst, dass sie das nur in einem sehr engen Raum- und Zeitfenster ist, und deshalb zeugt es für mich nicht von „Gratismut“, das sie dort hängt, sondern ist, im Gegenteil, eine Vergewisserung. Auch aus der Erfahrung, wie brüchig das ist, wie schnell nicht nur aus einem mutigen Bekenntnis zur LGBTQ-Bewegung eine Selbstverständlichkeit wurde, sondern auch wie schnell aus dieser Selbstverständlichkeit wieder ein mutiges Bekenntnis zur LGBTQ-Bewegung wird.

In der Stadt Neubrandenburg in Mecklenburg-Vorpommern wurde mit Unterstützung von AfD und BSW verboten, die Regenbogenflagge an stadteigenen Masten auf dem Bahnhofsplatz zu hissen, nachdem sie mehrfach von Unbekannten entwendet und durch eine Hakenkreuzfahne ersetzt wurde. In manchen Städten in Ostdeutschland können Pride-Paraden nur noch unter Polizeischutz stattfinden. Es erfordert tatsächlich immer noch und immer wieder Mut, in bestimmten Regionen, Gegenden oder Stadtteilen eine Regenbogenflagge zu zeigen oder als männliches Paar Hand in Hand zu gehen.

Und da müssen sich Menschen, Organisationen, Firmen, die sich öffentlich auf die Seite von queeren Menschen stellen, als Moraldarsteller verunglimpfen und des „Gratismuts“ bezichtigen lassen?

Von Enzensberger diagnostizierte Berufskrankheiten

Wo kommt das Wort überhaupt her? Ich hatte angenommen, dass es eine rechte Erfindung ist, aber tatsächlich hat es der Publizist Hans-Magnus Enzensberger geprägt: in einem 1961 in der „Zeit“ veröffentlichten medienkritischen Essay. Er kritisiert darin „zwei heilbare Berufskrankheiten unserer Zeitungen und unserer Rundfunkstationen“: „Gratisangst“ und „Gratismut“.

Als „Gratisangst“ bezeichnete er die vorauseilende Sorge von Verantwortlichen in Redaktionen vor kontroversen Inhalten. Sie äußern Bedenken, die nicht mal ihre eigenen Bedenken seien, sondern die antizipierten Bedenken anderer: „Ob die Spanische Botschaft gegen den geplanten Film nicht protestieren wird? Und der Rektor der Universität? Die Bundeswehr? Der Dachverband deutscher Ofensetzer? Die Industrie- und Handelskammer?“ Indem die „gepflegten Herren am runden Tisch jeden denkbaren Einwand gegen die Äußerung, die ihnen vorliegt, von sich aus vorwegnehmen, jede mögliche Folge taktisch einkalkulieren“, brächten sie das Publikum um das Recht, sich ein eigenes Urteil zu bilden.

Dabei sei ihre Angst nur eine „Gratisangst“, „weil sie völlig unbegründet ist“. Die Verfassung garantiere, dass eine Zensur nicht stattfinde; jenseits irgendwelcher Beschwerden oder empörten Telefonanrufe habe niemand ernsthaft etwas zu befürchten.

Der Begriff der „Gratisangst“ ist weitgehend in Vergessenheit geraten, vielleicht auch, weil viele Leute Enzensbergers Vertrauen in Verfassung und Demokratie nicht mehr folgen würden und eine allmächtige „Cancel Culture“ am Werk sehen. Allerdings könnte man genau in dieser Furcht vor einem vermeintlichen Gecanceltwerden, das oft nur aus Widerspruch und Unannehmlichkeiten besteht, eine solche „Gratisangst“ sehen, die Enzensberger beschrieb.

Der Karnevalsorden des Nonkonformisten

Dafür hat sich deren „Geschwisterkind“, wie er es nennt, umso mehr im Sprachgebrauch durchgesetzt, der „Gratismut“:

So wie die grundlose Angst den Redakteuren über die Schulter schaut, so sitzt den Publizisten ein ebenso unmotivierter Mut im Nacken. Ist es ihnen geglückt, ein kritisch Wörtlein über die Runden zu bringen, dort wo es hingehört, in die Spalten der Zeitung, über den Sender, auf den Bildschirm oder die Leinwand, dann ist die Stunde jenes grotesken Mannesmutes gekommen. Er wird zum Kriterium gemacht für Lob und Tadel. Jede kritische Analyse wird zum „Angriff“ stilisiert.

Enzensberger kritisiert diese Attitüde. Er kritisiert Leute, die sich darin gefallen, etwas zu publizieren, was nur eine Minderheitenmeinung ist, und dass ihnen der „idiotische Titel eines Nonkonformisten verliehen“ wird. Wer sich selbst „gratismutig“ „den Karnevalsorden des Nonkonformisten an die Brust steckt (…) der ist verloren“:

Er wird jedes Stück Eisen danach einschätzen, wie heiß es ist – als gäbe der Hitzegrad darüber Aufschluß, ob es zu brauchen ist. Er macht es seinen Anhängern und Gegnern leicht. Niemand fragt sich mehr, ob der Mann recht hat. Die einen applaudieren unbesehen einem leeren Heroismus, die andern versuchen ihn loszuwerden, indem sie von „koketter Provokation“ sprechen.

Enzensberger hält schon die Frage für falsch, ob ein Leitartikel oder ein Film von Mut zeugt: „Nur in einer Diktatur ist Todesmut erforderlich, um etwas Richtiges zu sagen“, schreibt er. Man riskiere mit dem, was man schreibt, bei einflussreichen Leuten in Ungnade zu fallen, aber das sei das Berufsrisiko. Wer unbotmäßige Reden halte oder publiziere, „fliegt höchstens aus seiner Zeitung, kriegt ein paar anonyme Briefe ins Haus und muß von Zeit zu Zeit einmal umziehen. Das ist kein allzuhoher Preis für den Spaß, den sein Beruf ihm machen kann.“

Enzensbergers Essay ist ein Plädoyer gegen Angsthasen und Selbstheroisierer. Aber der Vorwurf des „Gratismuts“ basiert ja, wie dargestellt, in den meisten Fällen darauf, eine solche Selbstheroisierung nur zu unterstellen, um sie dann als lächerlich zu entlarven. Enzensbergers Wort wird so als Waffe gegen Unschuldige missbraucht.

Heroismus als Beruf

Trotzdem ist seine Kritik daran, „den Heroismus als Beruf auszuüben“ immer noch aktuell. Den Hang, einen Nonkonformismus auszuleben oder in freien Gesellschaften den vermeintlichen „Mut“, eine bestimmte Meinung zu äußern, für eine Qualität zu halten, gibt es immer noch.

Enzensberger schrieb vor gut 60 Jahren:

(…) ich lehne es ab, den Heroismus als Beruf auszuüben. Mein Bedarf an einer Tugend, die so gern mit Schwachsinn und Unfreiheit Hand in Hand daherkommt, ist gedeckt. Gratisangst und Gratismut, Hühner- und Heldenbrust – sie öden mich beide an. Sie sind nicht nur lächerlich, sie sind überflüssig. Es hat sich nur noch nicht herumgesprochen.

Auch nicht bei der „Berliner Zeitung“, die sich aktuell als besonders „mutig“ gibt und deren Chefredakteur Tomasz Kurianowicz sich in einer Kampagne neben seiner „Mut“-Definition („Dafür einstehen, woran man glaubt, auch wenn es harten Gegenwind gibt“) über den Dächern Berlins zeigt, mit, natürlich, zerzaustem Haar. Als „mutig“ gilt der Redaktion auch Sahra Wagenknecht mit ihrer Haltung zu Russland – oder dass die Zeitung ihr „zuhört“, ganz eindeutig ist das nicht.

„Für die Mutigen“ ist das Motto der Werbekampagne, in der die „Berliner Zeitung“ sich selbst als „mutiges Blatt“ bezeichnet, „das von mutigen Menschen gelesen wird“. Das ist exakt der „Gratismut“, wie ihn Enzensberger kritisiert hat, nur dass auch der einen Preis hat: Lächerlichkeit.

PS: Es gibt übrigens sogar eine Seite, die ganz dem „Gratismut“ und vielen angeblichen Beispielen dafür gewidmet ist: gratismut.de. Ihr vorangestellt ist ein angebliches Zitat von Enzensberger mit der Definition von Gratismut, das sich auch an verschiedenen anderen Stellen findet. Auf meine Nachfrage nach einer Quelle dafür schrieb mir der Verantwortliche der Seite, er könne mir da nicht weiterhelfen, er habe das auch nur übernommen. Ich nehme an, es ist nicht von Enzensberger selbst. Seine Definition steht in dem oben genannten „Zeit“-Artikel, der 1962 auch in der Sammlung „Einzelheiten“ veröffentlicht wurde.

14 Kommentare

  1. Ich hatte eine unterhaltsame Polemik erwartet. Und bekam einen tiefsinnigen, nachdenklich stimmenden Text mit überraschendem Ausflug zu Enzensberger. Vielen Dank für diesen großartigen Artikel!

  2. Dabei sind regelmäßig beide Bestandteile des Wortes falsch. Zum einen die Behauptung, dass es überhaupt darum geht, als „mutig“ dazustehen oder wahrgenommen zu werden. Es ist die Unterstellung einer Motivation, die gar nicht vorhanden sein muss.

    Ich glaube nicht, dass die Motivation Mut unterstellt wird. Die überangepassten Feiglinge sind nicht mutig.
    Die Feststellung des Gratismuts bezieht sich auf die Selbstdarstellung der sich selbst als couragiert gebenden Gratismutigen.

    Das erste Mal ist mir diese Verlogenheit vor 15 (oder so) Jahren aufgefallen, als sich alle Fernseh- und Rundfunksender, alle Zeitungen und Zeitschriften, alle A-, B- und C-Promis aus Politik und Showbusiness dem islamophoben Mainstream in den Weg gestellt haben. Hallo?

    Heute kämpft dieselbe Meute gegen Homo-, Trans- und wasweisichnochso-Phobien.
    Couragiert selbstverständlich. Aber nicht mutig?

  3. Das ist ein guter, einleuchtender Artikel.
    Ich finde „Gratismut“ immer dann einen treffenden Begriff, wenn Menschen in der großartigen Meinungsfreiheit hier anderen Menschen moralisch aufgeladen erklären, dass sie sich jetzt in den sozialen Medien öffentlich sofort von zB Putin oder Kopftuch oder Antisemitismus distanzieren müssen, einfach weil sie aus Russland oder islamischen Ländern kommen. Oder auch für Menschen hier, die ganz ergriffen davon sind, dass sie risikolos irgendeine Resolution unterschrieben haben und sich dabei mutig und edel fühlen. Es sind so viele Sach- und Meinungsfragen jetzt moralisch von einigen aufgeladen, dafür mochte ich das Wort ganz gerne.
    Aber es ist klug wie das im Artikel dargestellt ist. Scheint dann in der gleichen Weise verräterisch, wie Leute, die ungefragt immer wieder erklären, dass sie es natürlich total ok finden, dass jemand zB queer, trans oder homosexuell ist, aber sie das halt so überhaupt gar nicht interessiert. Oder die betonen, wie tolerant sie sind, nur Pride Parade muss nicht sein, weil es angeblich Werbung für diese Lebensweise macht.

  4. Dafür liebe ich Übermedien! Es ist eine bemerkenswerte Synchronizität. Die Themen kommen in den Momenten hier zur Sprache, wenn sie mich selbst umtreiben.
    Ich kann mit den beiden Begriffen überhaupt nichts anfangen, bin stets irritiert, was in Foren als mutig bezeichnet wird und rätsle über die Veränderung der Bedeutung „Mut“ im Sprachgebrauch. So richtig in Fahrt gekommen scheint es mir zu Corona Zeiten, als Hinz und Kunz irgendwas in die Welt hinausblökten. Und wenn dem Blödsinn nur laut genug öffentlich widersprochen wurde, waren vergleichbare blödsinnige Aussagen dann später mit dem Attribut „mutig“ versehen.

    Dass das aber schon H.M. Enzensberger anfang der neunzehnsechziger Jahre , einer Zeit, in der die Nachrichten eine weitaus kleinere Verbreitungsgeschwindigkeit hatten, auf dem Schirm hatte, finde ich bemerkenswert und vor allem beruhigend.

  5. @FrankD:

    Da diejenigen, die sich bspw. gegen Islamophobie äußern, das eben nicht tun, um „mutig“ zu erscheinen, ist die Behauptung, sie zeigten „Gratismut“, ein typisches Strohmannargument, welches nur deshalb angeführt wird, weil man die Antwort darauf schon parat hat, wohingegen der geäußerten Kritik an der Islamophobie, nichts Essentielles entgegenzusetzen wäre.

    Setzen Sie ein beliebiges Ihrer Feindbilder für Islamophobie ein.

    Übrigens muss man schon reichlich verirrt sein, um eine Phobie als etwas im Grunde positives zu framen. Und sei es, weil angeblich eine Mehrheit diese Phobie teilen würde.

    Nur so am Rande.

  6. Das ist mir schon klar, Frank Gemein, dass Sie keine Möglichkeit sehen, Ihr Weltbild mit rationalen Argumenten zu begründen. Deshalb bleibt nichts weiter übrig, als alle Normaldenkenden zu diffamieren, als Nazis, Erdscheibler, Leugner. Und natürlich Phobiker.
    Das klappt natürlich nur in der Echokammer. Und die Echokammerdynamik führt dazu, dass die Verwerfungen immer größer werden.
    Vor ein paar Tagen wurde ich im Parallelstrang belehrt, dass über dreißig Messerangriffe jeden Tag Bullshit sind. Eine Petitesse sind, über die zu reden den heimlichen Nazi entlarvt.

    Messerangriffe sind nämlich kein Problem – angebliche Phobien schon.

    Nun ja

  7. @FrankD: Ambiguitätstoleranz heißt nicht, dass man „Sie diffamieren mich“ und „Sie können halt keine rationalen Argumente bringen“ bzw „Sie haben eine Echokammer“ und „ich bin Normaldenkender“ in aufeinanderfolgenden Sätzen schreiben kann, ohne, dass einem das selber komisch vorkommt.

  8. @FrankD:
    Würden Sie mir bitte die Stelle nennen, an der ich mein „Weltbild“ begründet habe?
    Ich habe nur versucht, Ihnen zu helfen, wo Sie doch so offensichtliche Verständnisprobleme haben. Den Artikel haben Sie zum Beispiel gar nicht verstanden oder (was wahrscheinlicher ist), gar nicht erst gelesen.
    Sie schreiben etwas vom „islamophoben Mainstream“.
    Ich habe Sie nur darauf hingewiesen, dass das bei Ihren Intentionen rhetorisch extrem ungeschickt ist.

  9. @FrankD: Im Unterschied zu Ihrem Post habe ich bei Ihrem gemeinen Namensvetter schon ein paar Argumente entdecken können. Das imho zentrale hier nochmal für Sie extrahiert:

    Wer Regenbogenflaggen aufhängt oder sich gegen Islamfeindlichkeit einsetzt, macht das nicht, um Mut oder Courage zu zeigen, sondern weil es richtig ist und weil ein Land oder eine Welt, in der jeder unbehelligt lieben und glauben kann, was er/sie will, eine bessere wäre. Darum geht der seltsame Vorwurf „Gratismut“ ins Leere.

    Bei Ihnen hingegen lese ich nichts als stumpfsinnige Polemik. Nichts gegen Polemik, aber sie sollte erstens treffen und zweitens einigermaßen originell und unterhaltsam sein. Ihre ist leider nichts davon, sondern nur zum Fremdschämen. („Normaldenker“, oGottoGottoGott. Sie und normal, naja, aber Sie und denken? Im Lebe net!)

  10. Achja, @Stefan Niggemeier: Danke für den Kommentar, spricht mir aus dem Herzen. Ich freue mich auch über Regenbogenflaggen und möchte nicht, dass es Mut dafür braucht, sie zu zeigen.

    Was ist das eigentlich für ein Gratismut, mit dem Leute allerorts in Deutschland (!) Deutschlandfahnen aufhängen? Das sollten sie mal in Auslandistan machen! Darum sollten sich Poschardt und Co. mal kümmern! Tun sie nicht? Weil sie nichts gegen Deutschlandfahnen haben? Aber gegen Regenbogenflaggen haben sie doch angeblich auch nichts, oder?

  11. Der Gratismut-Vorwurf trifft sicher sehr oft ins Leere, aber ein Sportler, der für eine Regenbogenbinde tatsächlich Ärger riskiert, ist objektiv mutiger als ein Supermarkt, der die Regenbogenflaggen nicht „gratis“ hisst, sondern das möglicherweise als einnahmensteigernde Werbung sieht.
    So zynisch bin ich inzwischen, sorry.

  12. @12:
    Mut oder Nichtmut ist aber doch nicht das einzige Kriterium, nach dem ich Handlungen und Äußerungen bewerten darf? So richtig ganz persönlich ist mir eine Welt, ein Land, eine Stadt lieber, in der ein Supermarkt einfach nur zur einfachen Steigerung seines Umsatzes die Regenbogenflagge raushängt, als eine, wo staatliche (Gefängnis) oder gesellschaftliche (Überfall) Repression drohen, wenn man sich einen solchen Aufnäher auf den Rucksack macht.

  13. @13:
    In dem Staat lebe ich gerne, und man kann es begrüßen, dass LGBT-Flaggen hier inzwischen mehr Vorteile als Nachteile bedeuten, aber dadurch klafft eben ein größerer Unterschied zwischen dem Sportler mit der Regenbogenbinde (sein Mut kann ihn was kosten) und den Supermarkt mit den Fahnen (sein „Mut“ bringt ihm Geld).

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