Lustige Frage: „Hätten Sie prinzipiell Interesse an einem TV-Duell zwischen Alice Weidel (AfD) und Sahra Wagenknecht (BSW)?“ Das wollte „Welt TV“ am Dienstag von seinem Publikum wissen, es war die „Frage des Tages“, und lustig war sie, weil sie so zaghaft klang. Als wollte man mal vorsichtig vorfühlen, ob das eine gute Idee wäre. Dabei stand ja längst fest, dass Weidel und Wagenknecht einen Tag später im „Welt“-Studio sein würden, um sich ein Stündchen zu beharken.
Lustig war die Frage auch, weil rätselhaft ist, wieso dieses „prinzipiell“ da rumstand und was es bedeutet. Im Sinne von: „Prinzipiell, joah, muss aber auch nicht“? Oder im Sinne von: „Prinzipiell, na sicher, aber am Mittwochabend bin ich leider beim Yoga“?
Vielleicht hätte „Welt“ die Frage früher stellen sollen, dann hätte sie früher erfahren, dass es gar nicht so eindeutig viel prinzipielles Interesse gibt: 47 Prozent (von wie vielen Befragten?) antworteten, sie hätten Interesse, 46 Prozent nicht, 7 Prozent waren unentschieden. Aber gut, dass es zu allem immer auch eine Civey-Umfrage gibt, was würden wir bloß ohne machen?
Mittwochabend ließen sich Weidel und Wagenknecht dann also von „Welt TV“-Chefredakteur Jan Philipp Burgard einvernehmen. Völlig anlasslos. Denn eigentlich gibt es solche „Duelle“ ja vor irgendwelchen Wahlen, aber die stehen gerade nicht an. „Welt“ hat die beiden einfach mal so zum Streitgespräch gebeten und das Ganze zum mehrteiligen Event aufgeblasen. Am Sendetag und auch schon zuvor streute der Sender großzügig Ankündigungsfilmchen, Interviews, Schalten und so genannte Kollegen-Gespräche über sein Dauernachrichtenwerbeprogramm.
Ein Politikwissenschaftler wurde befragt, im Studio saß ein Redakteur von „Welt” und ordnete ein, eine Reporterin war sogar vors Brandenburger Tor in Berlin geschlappt, zur Straßenumfrage, wo sie dann von herumlaufenden Sightseeing-Menschen vernommen haben wollte, dass diese (anscheinend ausnahmslos) „schon sehr gespannt“ seien und „diese Paarung äußerst interessant“ fänden und „ganz klar einschalten“ würden, weil es sie ja „wahnsinnig interessiere“, also so ganz prinzipiell wahrscheinlich.
Auf’s Gesicht achten
Und natürlich durfte auch ein Psychologe nicht fehlen, der im Vorfeld schon mal verraten sollte, was „die Körpersprache der Kontrahentinnen verrät“, die er für die „stärksten Rhetorikerinnen Deutschlands“ hält, denen „keine andere Frau“ in der Politik „das Wasser reichen“ könne. Auch wenn es dann weniger um die Körpersprache ging, als um ihre Art (zu reden), hatte „Welt“ Fotos von Weidel und Wagenknecht rausgekramt, darunter auch dieses mehr als unvorteilhafte der AfD-Anführerin; es wurde eingeblendet, als der Psychologe erklärte: „Wir sollten darauf achten, welches Gesicht Alice Weidel zeigt.“
Es war alles großes Labertheater. „Sie, blond, 45 Jahre, sucht möglichen Koalitionspartner für gemeinsame Zukunft“, knarzte der Off-Sprecher in einem Ankündigungsfilm über Weidel, um dann auf Wagenknecht umzuschwenken: „Könnte sie etwa die eine sein“, die an einer „Romanze“ Interesse hätte? „Schwarzes Haar, 55, mit, sagen wir: politischer Links-Rechts-Schwäche“.
Haarfarbe matters bei „Welt TV“, Groschenroman-Metaphorik auch: Bei den Äußerungen der beiden Politikerinnen habe man im Vorfeld meinen können, es handle sich um „eine Kuppelshow“, erklärte die Off-Stimme und sprach von „verbotener Liebe“ und einer möglichen „politischen Heirat“. Das ganze Herzblattvokabular im dünnen Mäntelchen vermeintliche seriöser Politikberichterstattung. Falls sich irgendwer fragt, wie man Populismus romantisiert, normalisiert, mit so einem Gesäusel geht’s ganz gut.
Es ist alles so sinnlos. Da lud „Welt TV“ nicht nur Alice Weidel ein, sondern einen Tag vorher auch schon mal Bernd Baumann, den ersten parlamentarischen Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Bundestag, um ihn eingangs zu fragen, ob sich „die Damen“ im Duell wohl überhaupt „richtig streiten“ würden. Und um dann, huch, festzustellen: Da sitzt ja Bernd Baumann! Angezündet wie immer, blaffend wie immer, und wie immer unbeeindruckt davon, was er so gefragt wird. Da kann man noch so spitz Fragen stellen oder über das deutsche Rechtssystem belehren, Baumann spult sein Antwortprogramm ab, wie er es auch in jeder öffentlich-rechtlichen Elefantenrunde nach Wahlen macht.
Ähnlich bei Weidel. Wie sie da stand, mal überheblich grinsend, mal unangenehm glucksend, und auswich. Minutenlang schlängelte sie etwa um Fragen nach ihrer Haltung zum AfD-Rechtsextremisten Björn Höcke herum – Wagenknecht hatte sie fortwährend mit dessen Äußerungen konfrontiert. Doch: Keine Chance. Ist Weidel egal. Lächelnd nimmt sie zur Kenntnis und erklärt als Pseudo-Antwort, in der AfD hätten Extremisten keinen Platz, dafür fänden sich in der Regierung welche. Um abschließend, noch mal nach Höcke gefragt, zu bescheiden, sie stehe ja im Studio, nicht der.
Und wenn Weidel gerade nicht ignoriert, ablenkt oder strauchelt, nutzt sie Gelegenheiten, die AfD-Strategie der „Selbstverharmlosung“ zu fahren, um beim bürgerlichen Publikum zu punkten, denn vor allem deswegen gehen AfD-Leute in solche Talkshows. Weidel inszenierte sich etwa als Empathie-Wesen, als es darum ging, ob sie zum Jahrestag des Angriffs der Hamas auf Israel irgendwie Solidarität gezeigt habe, öffentlich zum Beispiel, bei einer Gedenkveranstaltung. Antwort: Nein. Denn: „Ich bin mit meinen jüdischen Freunden in mich gegangen.“ Fast so ein guter Moment wie damals, im Frühjahr, als Björn Höcke im „Welt”-TV-Duell erklärte, Hass sei ihm vollkommen fremd.
Nicht brisant, sondern bekannt
„Wir verstehen uns als Nachrichtensender und als Medium für brisante Debatten“, hatte „Welt-TV“-Chefredakteur Burgard vor dem Duell gesagt. Man wolle den Zuschauern „ermöglichen, sich über die beiden derzeit umstrittensten und gleichzeitig erfolgreichsten Politikerinnen Deutschlands eine eigene Meinung zu bilden“. Was natürlich schlichtweg Marketing-Sprech ist. Sich eine Meinung bilden: Als könnte man das nur oder am besten, wenn man Weidel und Wagenknecht dabei zusieht, wie sie vor laufenden Kameras versuchen, sich möglichst zu unterscheiden. (Oder, im Falle Weidels, auch eine halbe Umarmung ausprobieren.)
Ihre Positionen sind ja bekannt, auch dass sie sich in manchem ähneln, etwa wenn es um den Krieg Russlands gegen die Ukraine geht oder um Fragen der (Re)Migration. Und gerade um sich eine Meinung über Sahra Wagenknecht zu bilden, braucht es wirklich kein (anlassloses) Duell. Wagenknecht ist so oft in Talkshows, um sich darzustellen, sie könnte Fernsehstudios als Zweitwohnsitz anmelden. Und Weidel, wenngleich sie das in der AfD-Opfer-Logik bestreiten würde, mangelt es ebenfalls nicht an (medialer) Präsenz.
Einem Sender wie „Welt“ geht es nicht in erster Linie um politische Bildung, sondern um Aufmerksamkeits-Gehuber, an dessen Ende Burgard die Kontrahentinnen bat, auf einer Skala von 1 bis 10 zu bewerten, wie „rechts“ die andere sei. So ein TV-Duell bei „Welt“ ist immer auch ein bisschen „Brigitte“-Persönlichkeitstest. Immerhin ist nun bekannt, dass Wagenknecht Frau Weidel auf der Skala bei 6 einordnet: „konservativ“. Man muss ja auch was zu lachen haben.
Der Erkenntniswert der ganzen Aufführung war so schmal wie die Ritze im Doppelbett einer politischen Zwangsehe. (Hust.) Genutzt hat die Show allenfalls der „Welt“, und wie schon beim Duell mit Björn Höcke, das der Springer-Sender (begleitet von prinzipieller Kritik) ausgestrahlt hatte, findet sich auch dieses Mal der „Faktencheck“ zu den Parolen in der Sendung am nächsten Tag auf welt.de – hinter der Paywall. Sich im Fernsehen anhören, was Populisten behaupten, darf man gerne gratis; wer wissen will, was davon alles Unsinn war, muss zahlen.
Der Autor
Boris Rosenkranz ist Gründer von Übermedien. Er hat an der Ruhr-Universität Bochum studiert, war „taz“-Redakteur und Volontär beim Norddeutschen Rundfunk. Anschließend arbeitete er dort für verschiedene Redaktionen, insbesondere für das Medienmagazin „Zapp“. Seit einigen Jahren ist er freier Autor des NDR-Satiremagazins „Extra 3“.
4 Kommentare
„Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen. (…) Wenn die Demokratie so dumm ist, uns für diesen Bärendienst Freikarten und Diäten zu geben, so ist das ihre eigene Sache.“
– Josef Goebbels
Mir missfällt es, dass (Re)Migration als Begriff so eilfertig Einzug in solche Artikel gefunden hat. Könnt ihr nicht „Deportation“ schreiben?
Das Weidel-Foto: Heinz Becker.
Mein Beileid an den Journalisten der sich der sich die ganze Shitshow geben musste.
„Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen. (…) Wenn die Demokratie so dumm ist, uns für diesen Bärendienst Freikarten und Diäten zu geben, so ist das ihre eigene Sache.“
– Josef Goebbels
Mir missfällt es, dass (Re)Migration als Begriff so eilfertig Einzug in solche Artikel gefunden hat. Könnt ihr nicht „Deportation“ schreiben?
Das Weidel-Foto: Heinz Becker.
Mein Beileid an den Journalisten der sich der sich die ganze Shitshow geben musste.