Spendenfinanzierte Medien-Start-ups

Gemeinnützigkeit ist kein Qualitätssiegel für Journalismus

Ausschnitt aus der Abgabenordnung, Paragraph 52

Der Bundestag arbeitet gerade an einem „Steuerfortentwicklungsgesetz“, und auf den ersten Blick hat das wenig mit Journalismus zu tun. Allerdings haben für das Steuerpaket mehrere Medienorganisationen einen Gesetzentwurf vorgelegt. Sie fordern darin, dass in Zukunft nicht nur Karnevalsgesellschaften und Schachvereine als gemeinnützig gelten, sondern auch journalistische Recherchen – ein Ziel, das sie schon seit Jahren verfolgen.

Geschrieben hat den Gesetzentwurf das Forum Gemeinnütziger Journalismus, in dem sich journalistische Projekte wie Correctiv, Netzpolitik.org, „Katapult“ und „Finanztip“ zusammengeschlossen haben, aber auch Stiftungen und Journalistenverbände. Die Initiatoren wollen laut Entwurf nicht weniger als die „Medienvielfalt in Deutschland“ bewahren, die von einem „Marktversagen“ betroffen sei. Besonders im ländlichen Raum brächten Abos, Zeitungsverkauf und Anzeigen nicht mehr genug, um „angemessenen Journalismus vor Ort“ zu ermöglichen.

Gemeinnützige Medien haben die Möglichkeit, auf mehr Einnahmequellen zuzugreifen als klassische Medienhäuser, vor allem auf Stiftungsgelder und Spenden. Außerdem genießen sie Steuervorteile, dürfen aber keine Gewinne machen.

Die Angst vor den Nachrichtenwüsten

In einem Begleitartikel von Correctiv heißt es, gemeinnütziger Journalismus sei „eine Antwort auf die mediale Strukturkrise auch der lokalen Berichterstattung“, schließlich entstünden in immer mehr Landkreisen „Presse- und Nachrichtenwüsten“. Der dju-Vorsitzende ließ in einer Pressemitteilung verlauten, dass ohne gemeinnützige Lokaljournalismus-Projekte „ganze Regionen ohne kritische Informationen dastehen“ würden.

Das ist zwar gute und nachvollziehbare PR, hat mit der Realität aber wenig zu tun: Nachrichtenwüsten, also Regionen ganz ohne Lokaljournalismus, gibt es in Deutschland bisher nicht. Und selbst wenn man argumentiert, dass in einigen Gebieten nicht mehr ausreichend über Lokales berichtet wird: Bisher hat noch kein einziges gemeinnütziges Projekt bewiesen, dass es die schrumpfende Lokalberichterstattung langfristig ersetzen kann. Immer wieder suggerieren die Befürworter hingegen, gemeinnütziger Journalismus sei einfacher zu finanzieren und gleichzeitig qualitativ hochwertiger. Dabei ist beides irreführend.

Bisher unsichere Rechtslage

Zunächst einmal: Es spricht viel dafür und wenig dagegen, Journalismus als gemeinnützig anzuerkennen. Gute Berichterstattung trägt offensichtlich mindestens so viel zum Gemeinwohl bei wie gemeinnützige Trachtenclubs oder Amateurfunker. Schon heute sind einzelne Medienhäuser als gemeinnützig anerkannt, weil die Redaktionen auch Bildungsangebote machen oder sich laut Satzung für Völkerverständigung oder Verbraucherschutz engagieren. Und etwas Glück beim zuständigen Finanzamt gehört wohl auch dazu.

Für diese Redaktionen geht es vor allem darum, endlich Rechtssicherheit zu haben. Das zeigt der Fall des „Volksverpetzers“, dem die Gemeinnützigkeit im Frühjahr dieses Jahres entzogen wurde. Die Ampel hatte diese Rechtssicherheit in ihrem Koalitionsvertrag bereits angekündigt. Anfang September hatte sie versucht, das Thema mit einem schlichten Anwendungserlass an die Finanzämter zu regeln, der Journalismus als einen Unterpunkt von „Volksbildung“ definiert hätte. Das Vorhaben scheiterte aber an der Zustimmung der Länderfinanzbehörden – deswegen nun die Forderung, das Ganze gesetzlich festzuschreiben.

Rechtssicherheit heißt allerdings nicht automatisch auch finanzielle Sicherheit. Nur weil in Zukunft mehr Redaktionen Geld von Stiftungen und aus Privatspenden einwerben dürfen, heißt nicht, dass ihnen das auch gelingt. Viele Menschen leisten sich schon jetzt kein Zeitungsabo mehr – wie groß ist die Chance, dass sie stattdessen gegen Spendenquittung Geld überweisen? Und auch das Geld von Stiftungen ist in der Regel an Bedingungen geknüpft.

Die Schöpflin-Stiftung zum Beispiel steckt sehr viel Geld in Journalismus, letztes Jahr gingen allein 286.000 Euro an Correctiv. „Stiftungen können vor allem Anschubfinanzierungen leisten“, sagt Tim Göbel, Geschäftsführender Vorstand der Stiftung. „Irgendwann sollten neue Initiativen oder Organisationen an einen Punkt kommen, wo es dann mehrere Einkommensquellen gibt.“ Der Bundesverband Deutscher Stiftungen betonte gemeinsam mit dem Deutschen Journalistenverband schon 2016, es sei „nicht die Aufgabe von Stiftungen, die Erosion bisheriger Geschäfts- und Vertriebsmodelle für journalistische Angebote aufzufangen“.

Finanzierung bleibt schwierig

Heißt: Auch gemeinnützige Medien brauchen ein tragfähiges wirtschaftliches Konzept, müssen Abos verkaufen oder Werbekunden finden. Auf überregionaler Ebene zeigt Correctiv, wie das funktionieren kann: Das Geld für die Rechercheplattform kommt von Privatspenden, aus eigenen Einnahmen, etwa durch Bücherverkäufe, und durch institutionelle Förderung, unter anderem von Google, aus Bundesmitteln und von Stiftungen. Auch andere überregionale Angebote finanzieren sich zum Teil aus Spenden.

Im Lokalen sieht es anders aus. Hier kämpfen gemeinnützige Projekte mit den gleichen Problemen wie kommerzielle Lokalzeitungen. Das zeigt der Fall von „Karla“ in Konstanz. Das gemeinnützige Modellprojekt scheiterte trotz Stiftungsfinanzierung: Die Idee, dass Menschen aus der Region mit ihren Abos Lokaljournalismus finanzieren, hat das Team vorerst aufgegeben. Inzwischen bekommt es Gelder aus der Deutschen Postcode Lotterie und macht in kleinerem Rahmen weiter.

Solche Gründungen können die Medienszene unbestritten bereichern. Dafür ist Gemeinnützigkeit aber gar keine Voraussetzung: Das Lokalmagazin „RUMS“ in Münster versucht etwas ähnliches wie „Karla“, ohne gemeinnützig zu sein. Die Redaktionsarbeit mit acht Angestellten auf vier Vollzeitstellen finanziert sich durch rund 2.000 Abos, Werbung, Darlehen und Geld von Investoren. Bisher schreibt „RUMS“ rote Zahlen, bis 2026 soll sich das Projekt finanziell selbst tragen, so das Ziel.

Die Gemeinnützigkeit habe Vor- und Nachteile, findet Geschäftsführer Götz Grommek im Gespräch mit Übermedien. An die 25 Gesellschafter, die Kapital investiert hätten, dürften später nur dann Gewinne ausgeschüttet werden, wenn RUMS nicht gemeinnützig sei. Außerdem erschien den Gründern eine normale GmbH in der Außenwirkung politisch neutraler als eine gemeinnützige GmbH oder Genossenschaft. Aber Grommek sagt auch: Es brauche immer einen großen Kapitaleinsatz, um Lokaljournalismus zu etablieren, und gerade in ländlichen Regionen könnten Stiftungen dabei eine Rolle spielen.

CDU-nahe Stiftung fördert Lokalmagazin

Dann würde es so laufen wie im rheinland-pfälzischen Pirmasens. Dort baut die Union Stiftung gerade das Lokalportal „PSST!“ auf, das gemeinnützig ist, weil es als Forschungsprojekt mit der Uni Düsseldorf angelegt ist. Auch hier ist die Idee, dass sich das Projekt irgendwann mit Abos teilfinanziert. Ob das klappt, ist völlig offen. Interessant ist allerdings: Die Union Stiftung gilt als CDU-nah, die Finanzierung kommt also von einer parteinahen Stiftung (die indirekt auch Anteile an der „Saarbrücker Zeitung“ hält). Ein Redaktionsbeirat soll sicherstellen, dass die Berichterstattung unabhängig ist.

Tim Göbel von der Schöpflin-Stiftung zufolge ist die Gesetzesänderung zwar ein wichtiger Schritt, auch weil er von anderen Stiftungen immer wieder höre, die Förderung von Journalismus sei ihnen rechtlich zu unsicher. Die Anpassung sei aber nur ein Baustein. In Zukunft brauche es vor allem mehr Modellprojekte, um zu zeigen, wie stiftungsfinanzierter und gemeinnütziger Journalismus aussehen kann. Er glaubt zwar, dass es viele lokale Stiftungen gibt, die Journalismus grundsätzlich fördern könnten: „Ob und in welchem Umfang sich Stiftungen dann auch dafür entscheiden, ist ein Blick in die Glaskugel. Der Ball liegt dann klar bei uns allen, von den Möglichkeiten Gebrauch zu machen.“

Es ist also eine mindestens gewagte Annahme, dass gemeinnütziger Journalismus irgendetwas Flächendeckendes zur deutschen Lokalmedienlandschaft beitragen könnte. Im Gespräch mit Übermedien sagt Christoph Schurian, Geschäftsführer des Forums denn auch, man sehe sich selbst als Nische zwischen Öffentlich-Rechtlichen und privatwirtschaftlichen Verlegern. Auch Christopher Buschow, Professor für digitalen Journalismus in Hamburg, hat gemeinnützige Medien gegenüber Übermedien schon als „ganz kleine Nische“ bezeichnet.

Finanzamt prüft keine Qualität

Ärgerlicher ist eine weitere falsche Annahme, die in der Lobby-Arbeit immer wieder durchschimmert: dass gemeinnütziger Journalismus automatisch der bessere Journalismus sei. Der Status der Gemeinnützigkeit habe „die öffentlichkeitswirksame Bedeutung eines Qualitätssiegels“, schreibt das Lobby-Forum in seinem Gesetzentwurf. Aber was guter Journalismus ist, das entscheidet bisher aus gutem Grund kein Finanzamt und keine Behörde.

Das Forum hat eigene Leitlinien entwickelt, was es selbst unter gemeinnützigem Journalismus versteht, orientiert unter anderem am Pressekodex. Im Gesetzesvorschlag steht allerdings nun, im Sinne der Pressefreiheit müsse der Status unabhängig von Tendenz, Nutzerkreis oder Qualität gewährt werden, eine „justiziable Unterscheidung von Qualitäts- und Trivialjournalismus“ sei „nicht möglich“ – der Entwurf widerspricht sich also selbst in der Frage, was Qualität und Gemeinnützigkeit miteinander zu tun haben.

Die AfD-nahe „Junge Freiheit“ sieht bereits die Pressefreiheit schwinden, wenn „mit Steuermilliarden primär ein Biotop linker Projekte querfinanziert“ werden könnte, weil gemeinnützige Projekte weniger Steuern zahlen. Dabei birgt die Vermarktung der Gemeinnützigkeit als „Qualitätssiegel“ vielmehr die Gefahr, dass auch antidemokratische oder fern des Pressekodex agierende Projekte versuchen könnten, sich das Label „gemeinnützig“ zu sichern.

Der Gesetzentwurf lobbyiert für einen „parteipolitisch neutralen“ Journalismus, denn durch die Gemeinnützigkeit könnten „Unabhängigkeit und Staatsferne“ bewahrt werden. Aber warum sollte die Finanzierung durch eine Stiftung oder durch Abos neutraler sein als die durch Investoren?

Das Forum Gemeinnütziger Journalismus hat für mehr Rechtssicherheit auch eine Petition gestartet. In deren Text geht es zu Abwechslung nicht um „Nachrichtenwüsten“ und um mediale „Strukturkrisen“. Stattdessen heißt es sehr viel bescheidener, gemeinnützige Medien könnten „neue Chancen“ und „Impulse für Demokratie und Öffentlichkeit“ bieten – und genau deswegen ist es richtig und wichtig, dass die Koalition ihr Vorhaben bald umsetzt. 53.000 Menschen haben schon unterschrieben.


Hinweis: Übermedien ist eine GmbH und nicht gemeinnützig. Unsere Arbeit finanzieren wir ausschließlich über unsere Abonnenten. Wir verkaufen keine Werbung und bekommen kein Geld von Parteien, Stiftungen, dem Staat oder Unternehmen wie Google.

8 Kommentare

  1. Wo steht Übermedien eigentlich? Klar, kann ich nachschlagen, aber eine direkte Einordnung hätte dem Text sicher nicht geschadet, zumal Übermedien ja gerne in einem Atemzug wie Netzpolitik.org genannt wird.

  2. Viele Menschen leisten sich schon jetzt kein Zeitungsabo mehr – wie groß ist die Chance, dass sie stattdessen gegen Spendenquittung Geld überweisen?

    Die Chance ist sehr groß. Es läuft doch schon ganz gut.
    Correctiv kriegt kein Geld von der Regierung, sondern lebt ausschließlich von Spenden. Desgleichen der Volksverpetzer.
    Nicht meine Meinung, sondern die Feststellung des gemeinwohlorientierten Medienhauses Correctiv und des Intelligenzportals Volksverpetzer. Deshalb glaube ich das auch 😉

  3. Rums hat nach eigenen Angaben auf der Website 6000 Abonnent:innen, nicht 2000. Welche Zahl stimmt denn? Bei 6000 sollten da ja grob überschlagen mehr als 30.000 Euro monatlich über Abos reinkommen – also womöglich auch nach anderen Kostenfaktoren genug für vier Vollzeitstellen.

    Ich glaube, die Gemeinnützigkeit ist eine weitere Möglichkeit für Journalismus, aber wenn man sich die bestehenden Projekte anschaut, muss man auch sagen: Da werden eher keine Lücken im ländlichen Raum geschlossen. Der Ruf nach Gemeinnützigkeit geht ja auch oft einher mit einer Ablehnung von Werbung oder Abos, aber ich habe auch nicht den Eindruck, dass das eine automatisch zu besserem oder unabhängigerem Journalismus führt als das andere.

  4. Zu #4
    Lieber Moritz Clauß,

    aktuell hat RUMS nach eigenen Eingaben Einnahmen von gut 2.000 Abos. Ich habe noch einmal nachgefragt, warum die Redaktion gleichzeitig auf der Homepage mit einer „Community von über 6.000 Münsteraner:innen“ wirbt.

    RUMS hat mir geantwortet: „Wir haben aber noch unseren Kurzbrief, der einfach eine abgespeckte Version des RUMS-Briefes ist, für unsere Ex-Kund:innen. Der ist in die Zahl 6.000 eingerechnet. (Der Kurzbrief finanziert uns auch ein bisschen über die auch dort geschalteten Anzeigen.)“

    Herzliche Grüße
    Annika Schneider

  5. Ein gemeinnütziger Vermieter darf auch Mieten verlangen, insofern dürfte eine gemeinnützige Zeitung Abos verkaufen.
    Die Forderung ist, dass man keine _Gewinne_ macht, nicht keine Einnahmen.

    Insofern steht bei der Gestaltung eines solchen Projektes mMn schon ein gewisser Spielraum offen, um nicht komplett von Werbung abhängig zu sein.

  6. Ich bin da bei der Autorin. Gemeinnützig vs. gewinnorientiert ist kein Qualitäts(unterscheidungs)merkmal. Auch ist die Abhängigkeit von Spender:innen und Stifter:innen nicht per se (un)problematischer, als jene von gewinnorientierten Eigentümer:innen. Die hohe Transparenz kann zu besserem Vertrauen führen. Aber auch hier: das geht mitunter auch in anderen Unternehmensformen.

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