Compact

„Wie wollen Sie die Meinungsfreiheit retten?“

12 Kommentare

  1. Den Artikel fand ich gut, an dem Interview-Video reib ich mich ein bisschen. Irgendwie entspricht der Ton, in dem Boris Rosenkranz seine Fragen stellt, zu sehr dem Ton der derzeit in Mode zu sein scheint, wenn man „Interviews“ mit Neurechten/Rassisten/Reichsbürgern führt. Dieser Ton ist mir einfach zu ironisch und belächelnd gefärbt. Aus ihm spricht schon – ganz unabhängig von der Fragestellung: Ich kann dich eh nicht ernst nehmen, aber frag‘ dich trotzdem.
    Aber, warum man sich denn überhaupt die Mühe, die Leute auf diese Art zu befragen, wenn man nicht die heute-show ist? Ich glaube nicht, dass der Anspruch von ÜberMedien ist, so wie die heute-show zu sein. Zumindest spricht der Artikel einen ganz anderen Ton (eher ernsthaft und trotzdem klar einordnend) als der Video-Beitrag.

    Ja, es ist dolle müßig, sich mit diesen Menschen zu „unterhalten“. Gerade weil sie oft sehr viel Stuss erzählen, der einfach keinen Sinn ergibt und an den Haaren herbei gezogen bzw. wild konstruiert ist.
    Ich finde aber, dass der Anspruch eines „zur Rede stellens“ dieser Menschen substantieller sein sollte – auch wenn von diesen Menschen dann nichts Substantielles kommt.
    Doch, ich finde, man sollte sie trotzdem oder gerade deswegen >ernsthaft< fragen. Sie werden sich ja in fünfundneunzig Prozent der Fällen dann mit dem was sie sagen, selbst die Beine stellen oder sich selbst entlarven Und, wenn sie gerade ihr krudes und/oder ekliges Zeug erzählen, dann kann man nochmal schick gezielt nachfragen, sodass sie sich in/mit ihrem hässlichen Weltbild selbst entlarven.

    Wenn man sie allerdings nicht ernsthaft fragt, nimmt man im Grunde als Interviewer die Pointe vorweg, da man sie im Grunde als sicher vorausnimmt. Ohne den Leuten die Chance zu geben, sich im Ernsten ganz ernsthaft selbst lächerlich zu machen. Doch das sollten sie. Sie sollten sich selbst lächerlich machen.
    Ich finde, es ist ansonsten nichts erreicht und niemandem geholfen.

    (Andererseits war es vielleicht aber auch einfach so von euch gewollt. Also so halb satirisch/lustig. Und, es ist natürlich auch nicht ganz einfach, diese Leute ernsthaft zu befragen – und es dann auch noch zu schaffen, dass sie sich selbst Beine stellen. Hach.)

    Was denkt ihr dazu?

  2. Zugegeben, Mitläufer der Neuen Rechten dazu zu bringen, sich und ihren teils eklatanten Mangel an Bildung und/oder Wissen öffentlich selbst vorzuführen, ist aus vielerlei Gründen verlockend und im Rahmen einer öffentlich geführten Diskussion unter bestimmten Umständen auch wirksam und sinnvoll.
    Ob dies journalistisch legitim ist, vermag ich nicht so recht zu beurteilen, aber mir erscheint es im Rahmen journalistischer Berichterstattung dann doch kontraproduktiv, dass dieses der Lächerlichkeit Preisgeben von Unwissenheit den Eindruck erzeugt, als wären die zweifelsohne oft diffusen, aber mit Blick auf politische und auch wirtschaftliche Veränderungen nicht gänzlich unbegründeten Ängste ebenso lächerlich. Denn den Solidarisierungseffekt des „kleinen Mannes von der Straße“, der von „denen da oben“ ständig vorgeführt und wie ein unmündiges Kind behandelt wird, sollte man nicht unterschätzen – zumal die AfD die bildungsfernen Schichten, als größte Nichtwählergruppe und definitiven Verlierer neoliberaler Wirtschaftspolitik, erst in der zweiten Hälfte ihrer bisherigen Existenz zu erschließen begonnen hat und dabei ironischerweise Weise Profit aus den Flüchtlingen schlägt, die aufgrund der vorangegangenen Sozialpolitik von der Unterschicht latent (Angst vor weiteren sozialen Einschnitten) und konkret (Wohnungs- und Arbeitsmarkt, Gesundheitswesen) als Konkurrenz gefürchtet werden. Das Potential in diesem Bereich der Gesellschaft, in dem Bürger nicht ganz zu Unrecht das Gefühl haben weder in der Politik noch in den Medien eine Stimme verliehen zu bekommen, ist für die AfD also noch recht groß und sie gibt sich alle Mühe, sich (trotz ihres Parteiprogramms) als Bürgerpartei mit Gehör für den „kleinen Mann“ zu verkaufen.

    Statt mit Fragen kleine Leuchten vorzuführen, wäre es meiner Einschätzung nach dann doch ein gutes Stück sinnvoller, die Antworten der Fackelträger zu entzaubern, die dieses unkalkulierbare politische Lauffeuer anführen – im optimalen Fall vor laufender Kamera in einem Interview mit einem gut vorbereiteten Journalisten.
    „Compact“ und Lügenpresse-Rufen könnte Medien zudem auch dadurch begegnen, dass seriöse Medienkritik nicht nur in Fachpublikationen unter Fachleuten diskutiert wird, sondern von Leitmedien aufgegriffen und die Mechanismen hinter mittlerweile auch wissenschaftlich nachgewiesener tendenziöser Berichterstattung journalistisch thematisiert und so transparenter gemacht wird.
    Da „Übermedien“ beides verständlicherweise in der Form nicht leisten kann, hätte Herr Rosenkranz den Mann von der Identitären Bewegung mit gezielteren Fragen entlarven können. Anders als bei dem mit Medien unerfahrenen Mitläufern, wirkt die pseudoharmlose Ironie der Fragen nicht entlarvend, sondern bietet dem geschulten Rechten eine Bühne ohne Widerspruch.
    Außenwirkung: Der nette Mann setzt sich mit gemäßigten Formulierungen für jene ein, die von einem Journalisten verarscht werden, weil sie sich vom Journalismus verarscht fühlen.

  3. Ich denke ähnlich, wie #1.
    Die Interviewperspektive in diesem Video von BR hat für mich den Unterton: „Intelligenz sieht nur von unten aus wie Arroganz.“
    Ich meine jedoch auch, dass man die rechten Spinner nicht immer ernst nehmen muss.
    Gratwanderung, undankbar.

    Dunja Hayali hatte im MoMa (woanders auch?) vor ein paar Monaten eine Interviewreihe mit verschiedenen neurechten Gruppen und hat das m. E. sehr gut gemacht. Es kam so rüber, als hätte sie echtes Interesse daran zu verstehen, was diese Leute antreibt. Und diese Leute reden ja nur dann offen, wenn sie sich erstgenommen fühlen.

    Lutz von der Horst kennt mittlerweile auch so gut wie jeder Politiker, da erwartet man keine Überraschungen mehr.
    Irgendwann nutzt sich auch Ironie als stilmittel ab – Erst recht wenn es ganz unironisch um neurechte Ideen geht.
    Ich fragte mich in letzter Zeit auch häufiger: „Das können die doch nicht ernst meinen … Meinen die das ernst? Oh shit, die meinen das ernst.“
    Und genau da ist Ironie m. E. kontraproduktiv.

  4. Gibt es unter den Zeitschriften, die Boris Rosenkranz im Arm hält, eine, die Trump als besser geeignet ansieht, als Clinton? Wenn es nicht so ist, stellt sich mir die Frage, warum unsere Medien eine so einheitliche Meinung vertreten in einer Frage, in der das amerikanische Volk ziemlich gespalten ist.
    Ist es tatsächlich so, dass die Hälfte der Amerikaner (wie auch der Briten) so dumm oder unwissend sind, dass ihre Meinung keine Resonanz in unseren Medien findet? Oder was ist sonst die Erklärung?

  5. Der Versuch, Besucher zu befragen, war wohl eher ein Versuch, diese Menschen vorzuführen. M.E. wares es vor allem Menschen, die – wie ich – unzufrieden sind mit unseren Medien, von A wie ARD bis Z wie Die Zeit, die mit Verschweigen, Verharmlosen und Lügen ( wie am 19.10.16 bei Kakadu (Deutschlandfunk )- das Putin 2 Kriege führen würde ) die Kriege des Westen seit 1945, den Terror des Westen (von Taliban bis derzeit IS) und die Völkerrechtsbrüche des Westen in Schutz nehmen, anstatt über die Verursacher, die Hintermänner und die geostrategischen Ziele objektiv und wahrheitsgemäß zu berichten und, da deutsche Medien- auch dt. Christen ( CDU, CSU ) gezielt zu fragen, warum sie immer für Krieg und Terror sind. Sicher ist das Wort Lügenpresse nicht korrekt, weil ja beim Wetter und den Wasserstandsmeldungen und Unfallmeldungen durchaus die ganze Wahrheit mitgeteilt wird, aber im Kern ist es zutreffend. Warum wird bei uns der Terror der israelischen Regierung gegen die Palästinenser noch unterstützt ( mit U-Boot-Geschenken u.a.), anstatt die permanente Verletzung des Völkerrechts durch Israel – oder auch die Türkei (‚Einmarsch in Syrien und Irak )- mit Sanktionen zu beantworten ? Diese Medien stellen sich schützend vor Kinderkopfabschneider, dann darf man sie doch mindestens als Lügenmedien bezeichnen. Meinungsfreiheit und Pressefreiheit gibt es bei uns, aber eine Stimme haben nur die Kriegstreiber und Nazifreunde (Ukraine) und Russlandgegner – bar jeglicher Geschichtskenntnis.

  6. 5:

    Ja, die sind so dumm. Das wollten Sie doch hören, oder?

    Erwarten Sie von einem aufgeklärten Menschen, dass er wider besseres Wissen Positionen vertritt, nur weil auf der anderen Seite vom Teich ein Blender Erfolg hat? Aber gewiss, ihre Anregung ist ja bedenkenswert und ließe sich fortsetzen:

    – positive Berichte über Erdogan, weil so viele Türken hinter ihm stehen

    – wohlwollende Artikel in griechischen Zeitungen über Schäuble, weil so viele Deutsche ihn mögen

    – unterstützende Kommentare in den russischen Medien zur Politik Obamas, weil er schließlich mehr als die Hälfte der US-Wähler hinter sich gebracht hat

    – und last not least Komplimente zur Politik der Bundesregierung bei Kopp-Medien, Tichy etc., denn immerhin steht die Mehrheit der Bevölkerung ja hinter ihr

  7. Ich sehe es ähnlich wie die Kommentatoren Nummer 1 und 2.
    Der Ton der Interviews gefällt mir nicht. Er liegt wirklich auf dem Niveau der heute-Show und das finde ich für ein Medium wie Übermedien unpassend. Wenn man etwas neutral dokumentieren will, dann sollte man sich zusammenreißen und nicht diesen süffisant-überlegenen Unterton aufsetzen. Oder war das gar nicht das Ziel? Ansonsten: Für „Satirebeiträge“ habe ich kein Übermedien.de-Abo abgeschlossen… Den immer gleichen Quatsch hat man schon oft genug gesehen.
    Insgesamt liegt der Informationswert dieses Beitrages leider bei fast null, weil ja auch jegliche Gespräche auf ein, zwei Sätze reduziert bzw gekürzt wurden. Schade.

  8. @5:
    Ich wundere mich schon darüber, wenn *alle* als seriös geltenden deutschen Medien Trump verurteilen. Ich habe dafür nur zwei Erklärungen, die ich beide nicht akzeptieren will: Entweder die Hälfte der Amerikaner ist offensichtlich durchgeknallt oder die deutschen Medien sind gleichgeschaltet.

  9. @9 – KEIN TRUMPWÄHLER:

    Letztlich gibt es, wie so oft bei komplexen Themen, nicht die einfachen Antworten, die viele Menschen gerne hätten – was Rechtspopulisten derzeit derzeit ja sehr erfolgreich für sich nutzen.
    Ich persönlich würde auch nicht von einer einheitlichen Verurteilung Trumps durch die deutschen Medien sprechen wollen, sondern denke, dass man zwischen Meinungsäußerungen (wie Kolumnen) und Berichten unterscheiden muss, die einfach nur wiedergeben, was Trump in seiner Laufbahn als Geschäftsmann getan hat, was er im Rahmen seines Wahlkampfs gesagt hat und wo sich wiederum Widersprüche zwischen eigenen Handlungen und Wahlkampfaussagen auftun.
    Dass über Trump zahlreicher negativ berichtet wurde als über Clinton, hat meiner Meinung nach etwas mit dem Zusammenspiel der Mechanismen des (seriösen) Journalismus, der Aufmerksamkeitsökonomie und auch der Kostenloskultur des Internets zu tun.
    Trump sorgte im Wahlkampf letztlich für die bedeutenderen Nachrichten, die der Journalismus natürlich aufgreift und aufgreifen muss. Zudem steigert Empörung Auflage und Klickzahlen, weshalb plötzlich selbst Computermagazine bemüht waren, Trump-News zu bringen (die dann auch in den Ranglisten der meistgeklickten Artikeln weit oben standen).
    Dass Trump (auch in den USA) überwiegend negative Schlagzeilen bekommen hat, war allerdings auch Teil seiner Wahlkampfstrategie, die klar darauf abzielte, sich mit allen erdenklichen Mitteln gegen das Establishment zu positionieren. Eine perfide aber nicht unkluge Strategie, die ihm viel Aufmerksamkeit brachte und sowohl Radikale als auch Unzufriedene dazu bewog, sich mit ihm, der ja die ganze etablierten Medien gegen sich hatte, zu solidarisieren.
    Da nicht zu berichten keine Option ist und Trump nun auch nicht so wahnsinnig viel geboten hat, dass man mit Blick auf die demokratischen Grundwerte loben könnten, würde ich den Medien bei den Trump-Berichten (von Einzelfällen abgesehen) kein Versagen vorwerfen wollen. Wohl aber, dass sie schon lange zuvor demokratisch legitime Gegenpositionen, wie z.B. Kapitalismus- und Globalisierungskritik, aufgegeben haben und diese Themen nun erfolgreich von einer internationalen rechten Bewegung besetzt wurden.

  10. @10: SCHREIBKRAFT

    Ich stimme Ihnen zu: bei ben häufig benutzten, groben Argumentationsklötzen, geraten wichtige Überlegungen aus dem Blick. Auch Ihre Unterscheidung zwischen Nachricht und Kommentar ist sehr wichtig.

    Aber: Ich habe in der letzten Zeit viele Kommentare gelesen und nie einen Pro-Trump-Kommentar gefunden (in deutschen Medien). Natürlich habe ich bei weitem nicht alle Medien umfassend verfolgt, aber gab es irgendwo in ARD, ZDF, FAZ, Süddeutsche, Zeit, Handelsblatt, etc. einen Kommentar, der zu dem Schluss kam, Trump könnte die bessere Wahl sein als Clinton? Lassen Sie es mich wissen, wenn es so ist! Und schon mal vorab vielen Dank dafür.

  11. Auch hier wieder eine Differenzierung meinerseits: Es gab und gibt diverse Pro-Trump Kommentare und auch Berichte in diversen rechten Medien, weshalb von einer Gleichschaltung nicht die Rede sein kann. In den etablierten Medien habe ich hingegen keine Kommentare gelesen, die sich klar für Trump aussprachen, wohl aber Clinton als problematische Alternative darstellten.
    Auch hierzu meine ganz persönliche Interpretationsweise, die natürlich nicht richtig sein muss:
    Trumps Positionen waren in vielen Bereichen derart radikal, dass sie nicht mit bürgerlichen Werten, oftmals nicht einmal mit demokratischen Grundwerten zu vereinbaren sind. Selbst wenn man in seiner Meinung legitime Schnittpunkte zu einigen von Trumps (zudem unberechenbaren) Positionen findet, werden diese von der Vielzahl der gänzlich indiskutablen Wahlkampfäußerungen überlagert, weshalb es (glücklicherweise) nicht nur für Journalisten unvorstellbar ist, Pro-Trump zu kommentieren oder zu argumentieren.
    Das Versagen der Medien (und natürlich Politiker) besteht meiner Meinung nach darin, dass sie über Jahrzehnte völlig legitime, kritische Standpunkte dem neoliberalen Zeitgeist untergeordnet haben und die Ängste vieler Bürger so den politischen Bauernfängern preisgegeben wurden. Die sogenannte Neue Unterschicht wurde zu Leistungsverweigerern, Sozialstaatlichkeit zur Dekadenz, TTIP-Gegner zu Fortschrittsverweigerern und die linke taz schafft es sogar, einen Artikel über Zukunftsängste zu veröffentlichen, in dem nicht einmal Hartz IV Erwähnung findet (das muss man als Journalist und/oder Linker erst mal hinbekommen).
    Diese mediale Einseitigkeit, die nun rechtspopulistische Sündenbock-Rhetorik beflügelt, würde ich persönlich mit einem Problem erklären wollen, an dem unsere Gesellschaft auf vielen Ebenen krank: Die Undurchlässigkeit zwischen den sozialen Schichten. Der Weg von der Unterschicht in eine Redaktion oder gar in die Position des Chefredakteurs, ist ein gutes Stück schwerer, als für Angehörige der Mittel- und Oberschicht, die dann als Kommentatoren im Durchschnitt eine andere Sichtweise auf neoliberale Politik haben, als jemand, dessen Sozialisation von Existenzängsten oder der sogenannten relativen Armut geprägt war.
    Meiner Meinung nach eine problematische, gesellschaftlichen als auch wirtschaftlichen Mechanismen folgende Entwicklung, aber eben keine Gleichschaltung, da diese einen gezielten Eingriff einer übergeordneten Instanz voraussetzt.

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