Rechtspopulistisches Reichelt-Magazin

Wieso geben Politiker „Nius“ Interviews? Wir haben sie gefragt

Was ist „Nius“, das aufstrebende Onlineangebot des geschassten „Bild“-Chefredakteurs Julian Reichelt? Ein konservatives Nachrichtenportal, ein notwendiges Korrektiv zu einer linkslastigen Medienlandschaft, die „Stimme der Mehrheit“, wie es sich selbst nennt? Oder eine Plattform für rechte Hetze und Populismus, die sich die Wahrheit für ihre politische Agenda zurecht biegt, digitale Mobs gegen politische Gegner anstachelt und mit ihren wütenden Kampagnen jeden ernsthaften Diskurs zerstört?

Wäre letzteres der Fall, würden aber nicht namhafte Politiker vor allem aus der CDU dem Magazin Interviews und Statements geben. Oder?

Der Politikwissenschaftler Markus Linden sagte kürzlich im Gespräch mit „t-online“, „Nius“ sei ein „rechtspopulistisches Agitationsformat mit journalistischem Anstrich“. Im Deutschlandfunk erklärte Linden, er stelle eine „gewisse Radikalisierung“ fest; Julian Reichelts Sendung „Achtung, Reichelt!“ sei „ein Krawall-Format“. Wenn sich Politiker von „Nius“ interviewen ließen, würden sie das Programm „normalisieren“ und damit auch Akteure, die bei „Nius“ auftreten würden. Linden nennt zum Beispiel Eva Vlaardingerbroek, eine rechtsradikale Influencerin aus den Niederlanden, die als Kolumnistin für „Nius“ schreibt und häufiger in Reichelts Sendung zu Gast ist.

Im Einzelfall müsse man immer wieder schauen, was bei „Nius“ passiere, sagt Linden, aber „im Endeffekt ist es eine Sache der etablierten Politik, auch dem Publikum zu signalisieren, dass man in diesen Bereich nicht reingeht, dass das einfach unseriös ist“. Dem würde die Politik aber oft nicht gerecht.


Hinter „Nius“ steht der Unternehmer und Milliardär Frank Gotthardt. Er betreibt bereits regionale Fernsehsender in Rheinland-Pfalz, im Sommer 2023 kam „Nius“ hinzu. Es sei ein „Nachrichtenportal“ mit vielen Videoinhalten, demnächst gebe es Radio, irgendwann vielleicht auch Fernsehen, sagte Gotthardt kürzlich in einem Podcast. Und erklärte, „Nius“ aus einer „staatsbürgerlichen Verantwortung“ heraus gegründet zu haben. Gegen die „Übermacht der Medien, die eher links zu verorten sind“.

Was „Nius“ entgegensetzt? Maximale Lautstärke. „Nius“ biete „rechter Hetze eine Bühne“, schreibt die „taz“; vom „krawalligen Internetportal“ spricht „t-online.de“; der Journalist Jan Fleischhauer attestierte „Nius“, „zu hysterisch“ zu sein und sagte ein geplantes TV-Format bei „Nius“ wieder ab.

Auch wir haben bei Übermedien schon über einzelne Auswüchse von Reichelts Magazin berichtet: Etwa, als „Nius“ ohne jeden Beleg behauptete, die Bundesregierung habe geheime Unterlagen an den „Kontraste“-Redaktionsleiter durchgestochen. Oder als „Nius“ Ressentiments gegenüber Geflüchteten schürte, die sich in Deutschland die Zähne hätten machen lassen. Ein weiteres aktuelles Beispiel ist die Unterstellung, die Grünen würden in ihrer Parteizentrale eine eigene Polizei aufbauen, um – ganz wie im „Dritten Reich“ – gegen politische Gegner vorzugehen.


Es sind vorwiegend Abgeordnete von CDU und CSU, die „Nius“ Statements geben oder in Talkformaten auftreten, etwa „Schuler! Fragen, was ist“ mit Ralf Schuler, dem ehemaligen Leiter der „Bild“-Parlamentsredaktion. Er hatte unter anderem CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann zu Gast, NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU), Julia Klöckner (CDU), Gitta Connemann (CDU) oder Frank Schäffler (FDP). Auch der Vorsitzende der Werteunion, Hans-Georg Maaßen, war da. Von der SPD hingegen kam bisher nur ein aktiver Politiker: Ralf Stegner. Niemand von den Grünen.

Der Politikwissenschaftler Linden ist nicht der einzige, der Politiker dafür kritisiert, dass sie bei „Nius“ in Erscheinung treten. Der Journalist und „Spiegel“-Kolumnist Christian Stöcker, Professor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg, twitterte kürzlich, er habe „kein Verständnis“ dafür, dass Politiker der Union „diesem rechtsradikalen Desinformationsportal“ weiterhin Interviews gäben.


Stöckers Kritik richtete sich konkret an Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), der „Nius“ immer wieder Statements gibt – und auf diese Weise Schlagzeilen liefert, die perfekt in das Agitationsmuster von „Nius“ passen. Mitte Februar überschrieb „Nius“ einen Artikel mit einem exklusiven Kretschmer-Zitat:

„‚Diese Bundesregierung zerstört Demokratie‘: Kretschmer-Klartext zum Ampel-Angriff auf die Meinungsfreiheit“


Kretschmer hatte mit „Nius“ über „Demonstrationen gegen Rechts“, Bauernproteste und das geplante „Demokratiefördergesetz“ gesprochen und unter anderem gesagt: „Diese Bundesregierung zerstört Demokratie, weil sie die Menschen nicht ernst nimmt, nicht mit ihnen redet und nicht mit den Bürgern gemeinsam Probleme löst.“

Der Politikberater Johannes Hillje sagte bereits im August vergangenen Jahres dem „Tagesspiegel“:

„Julian Reichelts Kanäle verbreiten AfD-Narrative ohne AfD-Logo. Das neue Portal ,Nius‘ ist als Nachrichten getarnter Kulturkampf von rechts. Es wundert mich, wie bereitwillig Politiker demokratischer Parteien diese Kanäle als Interviewpartner aufwerten.“

Auch Luis Paulitsch, Referent beim Österreichischen Presserat, sagte Anfang Januar bei einer Tagung in Wien, Politiker seien „dafür verantwortlich zu schauen, mit welchem Medium sie sprechen und es damit aufwerten“.


Wir haben sechs Politiker gefragt, die bei „Nius“ in Talkformaten waren oder dort, manche häufiger, Statements abgeben: vier von der Union, einen von der FDP und einen von der SPD. Wir wollten wissen, was sie sich davon versprechen, bei „Nius“ vorzukommen. Wen sie damit erreichen wollen. Inwiefern sie „Nius“ seriös finden und wie sie zu der Kritik an Politiker-Auftritten stehen. Und ob es Medien gibt, denen sie prinzipiell keine Interviews geben.

Michael Kretschmer

Der sächsische Ministerpräsident (CDU) sagt dazu: nichts. Michael Kretschmers Regierungssprecher hat auf eine Übermedien-Anfrage per Mail und eine telefonische sowie eine schriftliche Nachfrage nicht reagiert.

Jens Spahn

Der CDU-Poltiker war Ende 2023 bei „Nius“ zu Gast, im Talkformat „Schuler! Fragen, was ist“, und er gibt dem Magazin mitunter Statements. Der Pressesprecher von Jens Spahn schickt auf fünf Fragen drei Sätze zurück:

„Die Pressefreiheit und -vielfalt ist ein hohes Gut. Herr Spahn versucht Anfragen von Medien im Rahmen der Möglichkeiten prinzipiell nachzukommen. Die Berichterstattung von Medien macht er sich dabei grundsätzlich nicht zu eigen.“

Wolfgang Kubicki

Der FDP-Politiker und Vizepräsident des Deutschen Bundestages antwortet schnell und ausführlich. Und er schreibt, wenig überraschend, dass er „überall“ für seine politische Position werbe. Er sei nicht der Auffassung, „dass wir Wählerinnen und Wähler, die nicht unbedingt immer FAZ, SZ, Übermedien oder Zeit lesen, für den demokratischen Diskurs aufgeben sollten“. Er werde von verschiedenen Medien angefragt: von „Nius“, der „taz“, „Correctiv“ oder „Jung & naiv“, mit allen spreche er:

„Suggestionen bezüglich einer ,Kontaktschuld‘ lehne ich ab. Ich richte meine politische Haltung und Kommunikation jedenfalls nicht danach aus, wer mich fragt. Ich bin im Übrigen ein glühender Verfechter der Meinungs- und Pressefreiheit.“

Und doch gibt es Medien, mit denen er nicht spricht. Dem „Spiegel“ gebe er „keine Interviews und Statements mehr“. Die Gründe habe er der Leiterin des Hauptstadtbüros, Melanie Amann, mitgeteilt. Zum Hintergrund schickt Kubicki einen Link mit, dort könne man „den Vorgang“ nachlesen.

(Kubicki fühlte sich demnach „falsch oder zu wenig zitiert“ oder „in einen falschen Zusammenhang“ gestellt. Eigentlich hätte er in Aussicht gestellt, in diesem Jahr wieder mit dem „Spiegel“ zu reden, doch nachdem das Nachrichtenmagazin kritisch über eine Luxuskreuzfahrt berichtet hatte, zu der er sich einladen ließ, habe er den Gesprächsbann verlängert.)

Außerdem gebe er „auch ,Tichys Einblick’ und der ,Jungen Freiheit’ keine Interviews (mehr)“. Weshalb, schreibt Kubicki nicht. Er weise in diesem Zusammenhang allerdings darauf hin, dass selbst ZDF-Moderatorin Dunja Hayali der „Jungen Freiheit“ für ein Interview zur Verfügung gestanden und erklärte habe: „Wenn der Dialog endet, können wir alle einpacken“.

Sharepic von "Nius" mit Wolfgang Kubicki und Lisa Paus, Überschrift: "Kubicki warnt vor Lisa Paus".
Kubicki im „Nius“-Sharepic Screenshot: nius.de

Die Frage, ob er „Nius“ für ein seriöses Medienangebot hält, könne er „nicht seriös beurteilen“, schreibt Kubicki. Er habe jedenfalls in den Berichten bei „Nius“, bei denen er zu Wort gekommen sei, „keine inhaltlichen Fehler“ entdeckt, „im Gegensatz zu manchen Berichten anderer Medien, die gemeinhin als ,seriös’ gelten“.

Und wie steht er zur Kritik, Politiker würden mit ihren Interviews das Programm von „Nius“ normalisieren? „Das ist eine interessante Frage.“ Dabei schwinge ja mit, dass die Konsumenten des Mediums „von demjenigen, der diese Kritik äußert, eigentlich nicht für mündig gehalten werden. Eine solches Bild von den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes habe ich nicht“.

Außerdem kritisiert Kubicki den Politikwissenschaftler Markus Linden und dessen Beispiel für eine „postfaktische Darstellungsweise“ bei Julian Reichelt. Linden hatte im Deutschlandfunk-Interview über die Bauernproteste an einem Fähranleger geredet, an dem Wirtschaftsminister Robert Habeck Anfang Januar anlegen wollte. Reichelt widersprach damals, dass es sich um einen „Erstürmungsversuch“ gehandelt habe. So versuche er, sagte Linden, der Politik zu unterstellen, „dass sie Lügen verbreite, dass es eine Lüge sei, dass Menschen diese Fähre stürmen wollten, obwohl man genau das sieht“.

Kubicki hält dagegen:

„Der NDR, dem Herr Linden möglicherweise nicht die journalistische Seriosität abspricht, hat aber ebenfalls genau diese Darstellung des ,Erstürmungsversuches’ zurückgewiesen. Die örtliche Polizei bestätigte dies. Wenn man schon so schwerwiegende Vorwürfe erhebt, sollte man auch genau sein. Anderenfalls wird der Eindruck verbreitet, weil ,Nius’ entsprechend berichtet, sei es falsch. Das wiederum halte ich für postfaktisch.“

Vielmehr gelte, schreibt Kubicki nach seinem „Nius“-Plädoyer noch: „Wenn die Darstellung von NDR und ,Nius’ stimmt, sollten sich eher diejenigen Medien, die dieses Narrativ der Erstürmung einfach ohne eigene journalistische Leistung übernommen haben, fragen, welche Konsequenzen dies für ihre Arbeit hat.“

Christoph Ploß

Der frühere Vorsitzende der Hamburger CDU und heutige Bundestagsabgeordnete tritt häufig bei „Nius“ in Erscheinung, er gibt Statements für Artikel und war mehrfach im Talkformat „Stimmt!“ zu Gast.


Kürzlich etwa sprach er dort über „Entgleisungen“ von Jan Böhmermann und dass er finde, das ZDF müssen den Satiriker „rausschmeißen“.

Als Abgeordneter, schreibt Christoph Ploß auf unsere Anfrage, „sehe ich mich verpflichtet, den Wählern Rechenschaft über meine politische Arbeit abzulegen, möglichst viele Menschen im Sinne einer demokratischen Debatte zu erreichen und sie für den demokratischen Diskurs zu begeistern.“

„Pressefreiheit und Medienvielfalt sind in unserer Demokratie hohe Güter, die gefährdet würden, wenn Politiker sich den Fragen von Journalisten nicht mehr stellen würden. Ich bin überzeugt, dass unserer Demokratie gerade in Zeiten, in denen Parteien an den politischen Rändern an Zustimmung gewinnen, eine starke, offene Debattenkultur braucht.“

Er bemühe sich, „Presseanfragen im Rahmen der mir zur Verfügung stehenden Ressourcen grundsätzlich zu beantworten“. Er habe auch schon Anfragen der „taz“ beantwortet oder dem Journalisten Tilo Jung ein Interview gegeben, „mit dessen politischer Meinung ich in vielen Punkten nicht einverstanden bin“. Und er habe Anfragen von Medien beantwortet, „deren größte Anteilseignerin mit der SPD eine Partei ist, die mit meiner Partei politisch konkurriert“. Die SPD ist über ihre Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft (ddvg) an verschiedenen Zeitungen, Radios und Online-Medien beteiligt, etwa an der „Neuen Westfälischen“ in Ostwestfalen-Lippe, der „Sächsischen Zeitung“ oder der „Dresdner Morgenpost“.

Auf die Frage, inwiefern er „Nius“ für ein seriöses Medienangebot halte und wie er zu der Kritik stehe, Politiker würden „Nius“ durch Auftritte „normalisieren“, schreibt Ploß:

„Als Bundestagsabgeordneter sehe ich es nicht als meine Rolle, die Seriosität einzelner Medienangebote öffentlich zu bewerten. Ich bin sehr froh, in einem Land zu leben, in dem die Presse frei ist und in dem Leser und Zuschauer selbst entscheiden können, aus welchen Medien sie sich informieren wollen.“

Auf die Frage, wo die Grenze verlaufe, an der er Anfragen ablehne, und ob es Medien gebe, denen er keine Interviews gibt, antwortet Ploß nur vage:

„Dies entscheide ich im Einzelfall.“

Ralf Stegner

Ralf Stegner antwortet nicht per Mail auf unsere Anfrage, er möchte gerne (als einziger) telefonieren – und redet dann sehr offen über seine Motivation. Stegner war ein Mal bei „Nius“ zu Gast, im Einzelgespräch bei „Schuler! Fragen, was ist“. Er wurde dort unter anderem zum Krieg in der Ukraine befragt, zur Ampel-Regierung und zu „Gender- und Woke-Debatten“.

„Wenn wir nur zum ,vorwärts’ gehen“, der SPD-Parteizeitung, sagt Stegner im Telefonat mit Übermedien, „wird das nicht erfolgreich sein“:

„Wir müssen auch zu denen, die uns nicht gefallen, um dort den ein oder anderen zu überzeugen.“

Es sei auch ein Fehler, eine öffentlich-rechtliche Talkshow zu meiden, weil dort auch ein Rechter sitze.

Stegner sagt, er suche die „harte Auseinandersetzung“, mit fast jedem, und er sage seine Meinung, fast überall. Einem russischen Regierungssender würde er keine Interviews geben, auch nicht der „Jungen Freiheit“, das habe „keinen Sinn“:

„Ich würde das nicht als Journalismus bezeichnen, das sind Propagandaorgane. Bei anderen gefallen mir manche Dinge auch überhaupt nicht, aber ich würde sie immer noch dem Journalismus zuordnen. Das ist der Unterschied.“

Und er würde sich auch beispielsweise nicht mit Straftätern oder Mitgliedern der Identitären Bewegung in eine Runde setzen. Er schaue sich die Anfragen jeweils genau an und entscheide dann.

Über „Nius“ sagt Stegner:

„Was Julian Reichelt dort macht, ist weitgehend nicht seriös und in Teilen jenseits von Gut und Böse.“

Darüber habe er im Zuge seines Auftritts auch mit Moderator Ralf Schuler geredet. Dem Publikum als Politiker aufzuzeigen, welche Medien unseriös seien, davon hält Stegner nichts: „Volkspädagogische Ansätze funktionieren nicht, sie bewirken manchmal auch das Gegenteil.“ Das heiße aber andererseits auch nicht, dass man unseriöse Medien einfach hinnehmen sollte.

Man könne einerseits die medienpolitische Kritik aufgreifen, also öffentlich darüber debattieren, wie sich die Medienlandschaft entwickle, inhaltlich und qualitativ. Oder sich auf Kritik an Medien oder deren Akteuren beziehen. Als Beispiel nennt Stegner die NDR-Sendung „Reschke Fernsehen“, jene Ausgabe, in der sich Moderatorin Anja Reschke mit den Vorwürfen des Machtmissbrauchs befasst hat, die Julian Reichelt zu seiner Zeit als „Bild“-Chefredakteur gemacht wurden. (Reichelt ist juristisch vorgegangen gegen die Sendung, sie ist nur noch in überarbeiteter Fassung abrufbar.)

In Schulers Talkshow sei er unter einer Voraussetzung gegangen, sagt Stegner: „Dass da keine Sekunde gekürzt wird, so ist es dann auch gewesen“. Wie bei „Bild TV“. Dort habe er „auch Themen mitgebracht, die denen nicht gefallen haben“, er habe etwa über die Meinungsfreiheit im Axel-Springer-Konzern und dessen Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner gesprochen. „Solange man die eigene Auffassung klar vortragen kann – und das auch tut – lohnt es sich“, findet Stegner. Und das sei die Prämisse: Er komme, sage seine Meinung, und das werde so gesendet. Bei allem, was man kürzen könne, Statements für „Nius“-Artikel etwa, da mache er nicht mit.

Dass er mit seinem Auftritt ein Magazin wie „Nius“ aufwerte oder normalisiere, sieht Stegner nicht:

„Das ist auch ein Teil Selbstüberschätzung. Worin soll die Aufwertung bestehen? Wenn man das regelmäßig macht, ja, dann vielleicht – aber nicht, wenn man mal in einem Talkformat sitzt.“

Dennoch hätten ihm viele von dem Auftritt abgeraten, er wurde dafür auch kritisiert. Deshalb wundere es ihn, sagt Stegner, dass er nicht schon früher eine Anfrage dazu bekommen habe, wieso er als etablierter Politiker bei „Nius“ auftrete.

Christoph de Vries

Der CDU-Bundestagsabgeordneten Christoph de Vries hingegen hat schon mit genau dieser Anfrage ein Problem. Er beginnt seine Antwort an uns mit den Worten:

„Ich muss Ihnen ganz offen sagen, dass ich derartige Anfragen noch nie bekommen habe und diese mich auch etwas irritiert in einem demokratischen Staat, in dem die Pressefreiheit aus gutem Grund verfassungsrechtlich geschützt ist.“

Es klingt, als hätten wir gefragt, welche Redaktion de Vries am liebsten sofort dichtmachen würde, aber darum geht es ja gar nicht.

Er habe bisher „allen Medien“ Interviews gegeben, „auch denjenigen, deren Grundausrichtung ich nicht teile“. Welche das sind, schreibt de Vries nicht. Die Grenze verlaufe „bei jeder Institution und jedem Gesprächspartner“ dort, „wo es eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz gibt“. Und nach seiner Kenntnis gebe es „keinerlei belastbare Vorwürfe in Zusammenhang mit ,Nius’“. Auf Grundlage von „unbewiesenen Behauptungen“ sehe er keinen Anlass, an seiner Haltung etwas zu ändern. Welche „unbewiesenen Behauptungen“ de Vries meint, lässt er offen.

12 Kommentare

  1. CDU…zusammen, was zusammen gehört
    Am Ende ist es wie schon die Jahre zuvor mit der Bild auch, Politiker erhoffen sich dadurch eine Art Freundelbonus, dass der liebe Julian doch mal bitte etwas weniger auf ihnen rumhackt – wenn nicht gar ein freundliches Wort über sie verliert. Dass Glöckner und Maaßen bereits zu Gast waren, ist jetzt nicht verwunderlich.

    Kretschmer, welcher zuletzt doch auch mal ein paar Punkte gegen Afd-Hetzer im offenen Dialog eingeholt hat, entsetzt mich da doch schon eher.

  2. Alle Kommentare zur Pressefreiheit zeigen halt dass die Politiker die Anfrage entweder nicht verstanden haben, nicht verstehen wollen oder nicht beantworten wollen.
    Typisch Politiker leider.

  3. Warum CDU, CSU oder FDP bei Nius mitmachen ist mE leicht durch zu durchschauen: sie mögen deren Rechtspopulismus und deren Hetze gegen ihren politischen Gegner, die Grünen; oder halt alles „woke“.

    Im Einzelnen kann es natürlich abweichende Begründungen geben oder auch Naivität, aber ich denke, es ist eher eine primitiv-emotionale Motivation, die auf unreflektiertem Freund-Feind-Denken beruht.

    Bezüglich des Artikels: Ich muss sagen, ich finde Stegners Begründung am überzeugendsten. Kubicki, naja, wirkt zurecht gebogen, aber wenigstens hat er ausführlich geantwortet und man kann ein Gefühl dafür entwickeln, wie er tickt. Die CDU Leute verstecken sich mE hinter hohlen Phrasen.

    Danke, dass ihr der Sache mal nachgeht und ich finde auch eure Fragen sehr klug! (Und spannend, wie ihnen tlw. ausgewichen wird!)

    Ich hab gesehen, dass es eine Diskussion gibt auf Twitter, bezüglich was seriöse Medien sind. Das schwingt ja hier auch als Thema mit. Ich finde ein wichtiges Thema!

    Als die ganzen Verschwörungstheorien mit Corona losgingen und in meinem Umkreis einige Freunde den Verschwörungsmythen verfielen (die meisten immer noch gefangen darin und voller Hass und Feindbilder), habe ich eine befreundete und etablierte, wissenschaftlich arbeitende, Anthropologin mal gefragt, wie man seriöse, von nicht seriösen Medien unterscheiden kann. Ich dachte, ich teile das mal hier. Das hat sie mir ad hoc geschrieben, ist also jetzt keine wissenschaftliche Abhandlung.

    Vielleicht ist es für den ein oder andere/n Leser:in hilfreich…

    „Wie man seriöse und nicht-seriöse Medien unterscheiden kann? Mir fallen dazu drei Zugänge ein:

    1) Monokausalität: Wenn Situationen mit nur einer Ursache erklärt werden, sei das finanzieller Nutzen oder Kontrollbestrebungen, ist die Situation immer schon zu sehr reduziert. Keine Situation wird nur durch eine Ursache hervorgerufen und keine Situation hat nur einen Effekt. Gute Medien berichten differenzierter über die Effekte von Entscheidungen oder Situationen.

    2) Echokammer: Wenn man etwas liest und sich freut, dass das was man liest genau das ist, was man sich selbst gedacht hat, ist man schon in der Echokammer. Dann bewertet man nur noch das als gültig, was im eigenen Wissensystem richtig ist. Dass es für andere anders und trotzdem richtig sein kann, wird nicht mehr verstanden. Gute Medien schaffen es, sowohl die eigenen Meinungen aufzugreifen, als auch diese zu erweitern. In einer Echokammer haben fremde Gedanken keinen Wert mehr. Unseriöse Medien nutzen Echokammern.

    3) Einführung in einen Diskurs, keine Meinungsbildung: Seriöse Medien führen in Diskurse ein. Sie nennen entweder Pro und Kontra eines Arguments oder veröffentlichen verschiedene Meinungen zu einem Thema, ohne entscheiden zu müssen, wer hier Recht hat.

    Und schließlich: Wahrheit ist immer eine Frage der Wahrnehmung. Sie ist immer an eine Perspektive gebunden und kann deshalb nie absolut sein. Andere Wahrheiten anzuerkennen, und stehen zu lassen, ist ein Kennzeichen seriöser Medien.“

  4. #1 Kretschmer wundert dich? Ernsthaft? Politiker wie er tragen doch Mitverantwortung für die Situation in vielen ostdeutschen Bundesländern. Ihm ist doch komplett jeder Grenze nach rechts verloren gegangen. Das er mit diesen als Journalisten getarnten Rechtsradikalen kungelt, habe ich sogar erwartet.

  5. Pressefreiheit, Pressefreiheit, Pressefreiheit – die Herren Politiker müssen doch langsam mal Plattfüße kriegen, wenn sie permanent darauf rumtreten. Aber denkste. Hat was mit Demokratie zu tun., soll das wohl heißen. Bloß was? Von Paul Sethe – ja ich weiß, nicht gerade gut beleumundet aus seiner Vergangenheit heraus – von ihm stammt der Satz: „Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu sagen.“ Was hat sich daran geändert? Es gibt mittlerweile ein paar reiche Herren mit dem Hang zur Presse(freiheit). taz, übermedien, correctiv und einige wenige andere können zwar auch ihre Meinung sagen, aber je größer die Auflage oder je lauter der Ruf, desto stärker der Wunsch und Wille, dort gehört, besprochen oder gelesen zu werden. Man denke an den Satz eines gewesenen Kanzlers, er brauche zum regieren nur Bild, BamS und Glotze…

  6. Kann man viele Kritikpunkte, die in diesem Artikel gegen Nius vorgebracht werden, nicht auch gegen die Bildzeitung vorbringen, wenn auch in teils abgeschwächter Form?
    Aber Kampagnenjournalismus, Wahrheitsverzerrung, Hetze etc. trifft bei dieser Zeitung auch zu. Ab wann genau würde der Autor des Artikels die Grenze ziehen, dem Medium ein Interview zu geben?
    Soll kein Whataboutismus sein sondern interessiert mich tatsächlich.

  7. Wenn man sich öffentlich zugängliche Daten mal anschaut (ich habe mir den Spaß mal mit Similarweb gemacht) und vergleicht, sieht man sehr schnell, dass die publizistische Relevanz von „Nius“ zumindest quantitativ nicht ganz das Versprechen „Stimme der schweigenden Mehrheit“ einlöst. Demnach wäre „Tichys Einblick“ ungefähr doppelt so erfolgreich (und demnach müssten viele der Befragten eher dort aufschlagen als bei Reichelt & Co.) und natürlich viel öfter bei der Saarbrücker Zeitung, die online mehr Menschen erreicht und nicht annähernd so umstritten ist. Was ich damit sagen will: „Nius“ wird in seiner Reichweite völlig überschätzt – anscheinend auch und gerade von Politikern. Von einer „Stimme der Mehrheit“ ist Nius jedenfalls weit entfernt. Ich würde mal schätzen, es ist die Stimme der 0,01 Prozent und man muss sich dann als Interviewgast schon fragen, wen man darüber eigentlich erreichen möchte und mit welchem Ziel. Und natürlich haben wir auch hier wieder das Dilemma: Soll man darüber überhaupt reden und dieser Journalismusimitation noch publizistische Relevanz verschaffen?

  8. Auch wer kein Anhänger der CDU ist, sollte es richtig finden, wenn sie versucht, Wähler der AFD für sich zu gewinnen. Aber dazu gehört halt auch, dass sie die Leute dort anspricht, wo sie nun einmal sind, und das ist eher Nius als Phönix. Wer der CDU vorwirft, dort aufzutreten, muss sich deshalb schon fragen lassen, ob ihm Haltungsnoten wichtiger sind als die Bekämpfung der AFD.

  9. @#8 Die AfD bekämpfen indem man deren Punkte gedankenlos nachgeifert, wie bei Kretschmer und Kubicki ja direkt im vorliegenden Bildmaterial bewiesen?

    Wie oft muss man das eigentlich noch durchexerzieren, bis auch der letzte begriffen hat, dass dies die AfD nur noch weiter stärkt. Merz der große AfD-Halbierer, hat sie durch nachplappern ihrer Sprechblasen und oft genug faktenbefreite Großangriffe auf Grüne und SPD bisher lediglich verdoppeln können. Wenn er noch ein bisschen so weitermacht mit der Bekämpfung der AfD, darf er in sechs Jahren vllt als ihr Juniorpartner in die Regierung gehen.

    Mit Haltungsnoten hat ein Boykott rechter Propagandamedien nichts zu tun, sondern mit gesundem Menschenverstand.

    So wie es im Moment aussieht, streiten sich die vorgeblichen Konservativen und die Büttelpartei der oberen Zehntausend mal wieder darum wer den Faschisten den Steigbügel halten darf. Eine gute deutsche Tradition.

  10. Wenn die etablierten Parteien stärker gegen als illegal gelesene Migranten vorgehen wollen, stärken sie also die AfD, die die Remigration der Migranten fordert. Also schwächen sie die AfD, wenn sie für mehr oder gar unbegrenzte Migration plädieren?

  11. @ Florian Blechschmied #10: Kurzfassung ja, da „illegal gelesen“ (von wem eigentlich?) nicht illegal bedeutet! Es gibt auch genügend Hinweise, dass Versuche „AfD-Positionen“ aufzugreifen zu mehr Stimmen bei eben jener Partei führen. Viele wählen dann halt gleich das „Original“. Offensichtlich kann man seine xenophoben Ansichten damit ja recht gut in die Parlamente bringen :-(
    Im übrigen bedeutet das Nicht-Aufgreifen von fremdenfeindlichen Positionen noch lange nicht ein Plädoyer für unbegrenzte Migration (mal wieder ein typischer Strohmann mit schwarz-weiß-Argumenten)

  12. zu Wolfgang Kubickis Zitat und Vergleich von und mit Dunja Hayali „Wenn der Dialog endet, können wir alle einpacken“: Dunja Hayalis Interview bei der JF kann ich durchweg in diesem Sinne wahrnehmen. Wolfgang Kubicki bei nius eben genau nicht. Geht es bei ihm wirklich um Dialoge? Ich sehe bei ihm hauptsächlich Stimmungsmache gegen den (gemeinsamen) politischen Gegner. Nius nehme ich zudem auch nicht als Debattenmedium wahr, sondern als reines Verkündungsorgan einschlägiger Botschaften.

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