Gefeiertes Interview

Schlimmer als die Nazis

Der Holocaust ist das singuläre Verbrechen in der deutschen Geschichte. Die Generation meiner Urgroßeltern hat Millionen Jüdinnen und Juden umgebracht, in einer Mischung aus Herrenmenschendünkel, Niedertracht und Sadismus. Dass die Nazis grausam waren, auf eine Art und in einem Maßstab, der bis heute unvergleichlich geblieben ist: Darauf können sich die meisten Menschen hierzulande noch einigen.

Es sei denn, ein britischer Rechtsaußen behauptet etwas anderes. Dann ist es vielleicht gar nicht so kontrovers, wenn einer sagt: Schlimm, aber irgendwie haben die Nazis ja auch unter ihren eigenen Taten gelitten. Und wenigstens waren sie nicht so barbarisch wie diese Horden, die man jetzt sieht!

Das war die Kernaussage eines Videoclips, der vor wenigen Tagen in Deutschland viral ging. Der Schnipsel stammt aus einem Fernsehinterview, das der britische Journalist Piers Morgan vergangene Woche mit dem Publizisten Douglas Murray geführt hat. Murray steht in diesem Video an der Grenze zum Gazastreifen, in einer schusssicheren Weste, auf der in großen Lettern „PRESS“ steht. Er redet über das Massaker, das die Hamas am 7. Oktober begangen hat, über die grauenerregenden Bilder, die er gesehen habe, und darüber, dass die israelische Armee jetzt alles Recht habe, gegen diese Terrororganisation vorzugehen.

So weit, so wenig kontrovers. Doch dann nimmt das Interview die entscheidende Wendung. Er wolle hier noch etwas sehr, sehr wichtiges loswerden, sagt Murray gegen Ende des Gesprächs. Die Geschichte werde ja oft für schiefe Vergleich missbraucht, sagt er. Doch diesen einen Vergleich will er sich anscheinend nicht nehmen lassen. Er wisse eines mit absoluter Sicherheit, sagt Murray: „Der Vergleich zwischen der Hamas und den Nazis ist unzureichend.“

Massenmörder wider Willen

Folgt man Murray, gibt es einen entscheidenden Unterschied. Hamas-Kämpfer töten gerne. Die Nazis mussten sich dagegen regelrecht zwingen, den Abzug zu drücken:

„Sogar die Nazis haben sich für das geschämt, was sie getan haben. SS-Kampfverbände, die ihren Alltag damit verbrachten, Juden in den Hinterkopf zu schießen und sie in Gräben zu schubsen, mussten sich abends sehr, sehr stark betrinken, um ihre Taten zu vergessen. Das Nazi-Oberkommando hatte bekanntermaßen Probleme mit der Kampfmoral, weil die Soldaten ja wussten: Das war nicht gerade das Leben, das sie sich vorgestellt hatten.“

Die Nazis hatten laut Murray also wenigstens ein Gewissen, das sie im Suff ertränken mussten. Die Männer, die im Oktober rund 1200 Jüdinnen und Juden getötet haben, wiesen dagegen nicht einmal das auf, sondern hätten vor Freunden und Familienmitgliedern noch mit ihren Taten geprahlt. Auf den Videos der Hamas-Terroristen sei darum etwas zu sehen,

„…das mindestens so barbarisch ist wie das, was die Nazis getan haben. Mit einem Unterschied. Sie taten es mit Freude. Sie waren voller Stolz.“

Man muss fairerweise erwähnen, dass Murray noch andere Dinge sagt. Er redet auch darüber, dass Europäer Israelis keine Vorschriften darin machen sollten, wie man am besten mit dem Terror umgeht; dass man besser vor der eigenen Tür kehren, dem Antisemitismus zu Hause entgegentreten solle, und dass Europa – damit ist Murray dann bei seinem Herzensthema – deshalb die Migrationspolitik drastisch verschärfen müsse.

„Das ist großartig“

Kern des Interviewausschnitts bleibt aber die Passage über Nazis, die sich einen Rest Menschlichkeit bewahrt hätten, anders als die Terroristen der Hamas. Es ist ein Vergleich, über den man zumindest stolpern könnte.

Und anscheinend genau der Take, hinter dem sich Teile der deutschen Öffentlichkeit versammeln können.

Den Anfang machte Jan Fleischhauer, Kolumnist beim Kulturkampf-Portal „Nius“ „Focus“. Er teilte den Acht-Minuten-Schnipsel mit der Gegen-die-Hamas-waren-die-Nazis-gar-nix-Passage auf X (vormals Twitter) und schrieb dazu:

„Das ist großartig. Von beiden Seiten. So etwas wäre im deutschen TV undenkbar. Die ganze Erziehung von Fernsehjournalisten zielt bei uns darauf ab, solche glasklaren Fragen zu vermeiden – und solche glasklaren Antworten.“

Mit dieser Einschätzung war Fleischhauer nicht allein. Zahlreiche Menschen haben seinen Post seither geteilt, darunter führende Politiker:innen und Wissenschaftler:innen. „Ansehen und Zuhören“, kommentierte etwa Karin Prien, Bildungsministerin in Schleswig-Holstein und Sprecherin des Jüdischen Forums der CDU. „Wirklich großartig. Lohnt sich, komplett anzuschauen, aus so vielen Gründen“ schrieb Veronika Grimm, die die Bundesregierung als sogenannte Wirtschaftsweise berät. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach schrieb immerhin, dass Murray die Taten der Nazis verharmlose, man müsse „nicht jeden Punkt teilen“, der in dem Interview aufgeführt werde.

Und teilte das Video dann ebenfalls.

Volkstod reloaded

Man hätte natürlich nachsehen können, wer dieser Mann aus dem Internet mit den originellen Thesen eigentlich ist. Dann wäre man darauf gestoßen, dass Douglas Murray trotz „Press“-Weste kein Reporter ist, der irgendwelchen journalistischen Gütekriterien genügen würde. Murray ist Publizist, Autor und Thinktank-Gründer mit einer zentralen Botschaft: Muslime wollen „unsere“ Zivilisation vernichten.

„Der Selbstmord Europas“ heißt einer seiner Bestseller, was nicht von ungefähr nach „Volkstod“ klingt. In dem Buch, dessen deutsche Übersetzung bei „Tichys Einblick“ erschienen ist, schreibt Murray, dass muslimische Einwanderer die westliche Kultur zerstören würden, sollte die autochthone Bevölkerung nicht schnellstens etwas dagegen unternehmen. Doch die Mächtigen hätten sich leider „klar dafür entschieden, das Volk aufzulösen und sich ein anderes zu wählen“, zitiert Murray allen Ernstes aus einem Gedicht Bertolt Brechts, der sich ob dieser Instrumentalisierung vermutlich im Grabe umdreht. An anderer Stelle hat Murray schon den Islam mit einer infektiösen Krankheit verglichen, er verteidigte Pegida als liberale Protestbewegung mit einem legitimen Anliegen und kam auf Konferenzen mit Größen der internationalen Rechten wie Steve Bannon zusammen. Hätten gestandene Sozialdemokraten ein Interview mit dem deutschen Neurechten Götz Kubitschek gepriesen, es wäre nicht weniger seltsam gewesen.

Nun schießen im Internet auch solche Leute zu schnell, die es eigentlich besser wissen müssten. Murray ist in Deutschland außerdem kaum bekannt. Und schließlich findet auch ein blindes Huhn mal ein Korn. Vielleicht, ganz vielleicht, verbreitet Murray ja ausnahmsweise keinen Stuss?

„Ein schöner, kurzer Tod“

Auftritt Walter Mattner, Polizist im NS-Reich, aus dessen Briefverkehr die Historikerin und Publizistin Annika Brockschmidt anlässlich der deutschen Murray-Begeisterung zitiert. Im Oktober 1941 berichtet Mattner seiner Ehefrau per Postkarte von den Massenhinrichtungen, an denen er mitgewirkt hat:

„Bei den ersten Wagen hat mir etwas die Hand gezittert, als ich geschossen habe, aber man gewöhnt [sich an] das. Beim zehnten Wagen zielte ich schon ruhig und schoß sicher auf die vielen Frauen, Kinder und Säuglinge […] Eingedenk dessen, dass ich auch 2 Säuglinge daheim habe, mit denen es diese Horden genauso, wenn nicht zehnmal ärger machen würden. Der Tod, den wir ihnen gaben war ein schöner, kurzer Tod […] Säuglinge flogen in großem Bogen durch die Luft und wir knallten sie schon im Fliegen ab, bevor sie in die Grube und ins Wasser flogen.“

Aber ja, das war sicher alles nicht einfach für ihn.

Auch anderswo scheinen die Nazis einen guten Weg gefunden zu haben, mit ihrem Kummer umzugehen. Die Historikerin Mirjam Zadoff teilte etwa das Foto einer SS-Mannschaft, die ausgelassen in der Nähe von Auschwitz feiert, ein Mann spielt sogar Akkordeon – naja, Musik hilft immer, weiß man ja.

Um es kurz zu machen: Die Mär, dass die Nazis den Holocaust mit gemischten Gefühlen verrichtet hätten, ist – Überraschung – eine Erfindung von Geschichtsrevisionist:innen. Im Gegenteil: Wie der Historiker und Holocaust-Forscher Waitman Beorn am Tag nach dem deutschen Murray-Fieber akribisch darlegte, beglückwünschte man sich gegenseitig zum Massenmord. Die Mörder verschickten Grußkarten mit Fotos der Internierten und den neuesten Hochrechnungen davon, wieviele Menschen zuletzt umgekommen waren. Ja, auch unter den Nazis machten sich posttraumatische Belastungsstörungen breit – vermutlich braucht auch der abgebrühteste Herrenmensch mal eine Pause vom Schlachten. Und einige wenige schienen tatsächlich mit ihrem Gewissen zu hadern. Doch die überwältigende Mehrheit war überzeugt von ihrem Tun und brüstete sich mit ihren Taten.

Um auf Fleischhauer zurückzukommen: Ich weiß nicht, ob die ganze Erziehung von Fernsehjournalisten bei uns darauf abzielt, diese Verbrechen nicht leichtfertig zu relativieren. Es schiene mir nicht das schlechteste.

Gentleman-Faschisten gegen Wüsten-Barbaren

Dass Murrays Aussagen nicht ganz unproblematisch sind, dämmerte irgendwann auch der deutschen Öffentlichkeit. Nach massiver Kritik in den sozialen Netzen löschte Karl Lauterbach seinen Post kommentarlos. Jan Fleischhauer, Karin Prien sowie Veronika Grimm distanzierten sich von Murray und veröffentlichten Rechtfertigungen, in denen sie sich gegen jede Relativierung des Holocaust verwahrten. Es sind verstockte, wurstige Nonpologies, in denen man die Worte „Entschuldigung“, „Tut mir Leid“ oder „Ich hätte das nicht teilen sollen“ auch mit der Lupe nicht findet; in denen Murray aus halbgarer Distanz als „polarisierend“ bezeichnet wird (Grimm) sowie als jemand, der zwar „undifferenzierte Islamkritik“ von sich gibt, ansonsten aber für „Freiheit und Bürgerrechte“ eintritt (Prien), und in denen Kritiker:innen unterstellt wird, ein „Ablenkungsmanöver“ zu lancieren, um sich „mit den Tatsachen nicht konfrontieren zu müssen“ (wieder Grimm). Wirklich gemein wollte sich aber keiner mehr mit dem Interview machen, das man kurz zuvor noch hochgelobt hatte.

Womit die Frage bleibt: Was hat Murray eigentlich gesagt, dass man darüber seinen haltlosen Revisionismus übersehen konnte?

Vielleicht ist es weniger der Inhalt als die Form des Gesagten, die solchen Zuspruch ausgelöst hat. Murrays Worte hätten ein „Bedürfnis nach moralischer Klarheit und mitreißendem Wahrsprechen“ bedient, schreibt „Zeit Online“-Redakteur Nils Markwardt. In einer Zeit, in der viele den Terror der Hamas nur verdruckst als solchen benennen, in der an deutschen Hauseingängen wieder Davidsterne prangen und auf deutsche Synagogen Molotowcocktails fliegen: In dieser Zeit tritt einer vor die Kamera und spricht scheinbar Klartext. Der smarte, eloquente Murray, der so kultiviert und gar nicht rechts wirkt, hätte demnach der latenten Entrüstung vieler Leute eine redegewandte Stimme gegeben.

Vielleicht erklärt sich die Resonanz aber auch durch die personelle Vereindeutigung, die Murray betreibt. Der Hass auf Juden sei keineswegs nur in den Köpfen der Hamas-Kämpfer, sondern in weiten Teilen Gazas präsent, sagt er. Schließlich hätten sich im Oktober auch normale Palästinenser zusammengerottet und den Leichnam der deutschen Jüdin Shani Louk geschändet. Und die Hamas sei letzten Endes die gewählte Regierung Gazas, die Zivilbevölkerung darum zumindest mitverantwortlich für das Massaker.

Die Kollektivstrafe an sich

Nun hätte man einwenden können (was Piers Morgan in dem Interview auch tut), dass man einen wütenden Mob nicht pauschal mit zwei Millionen Menschen gleichsetzen darf, dass die letzten Wahlen im Gazastreifen 17 Jahre zurückliegen und dass die Mehrheit der Bevölkerung, die fast zur Hälfte minderjährig ist, nie ihre Stimme abgeben konnte. In Anbetracht der Gräueltaten erscheint es aber zumindest verständlich, wenn man umgekehrt auch keine Persilscheine aushändigen will – zumal als Deutscher, dessen Vorfahren sich von jeder Schuld reinzuwaschen wussten.

Doch hört man genau hin – und allzu sehr muss man dazu nicht die Ohren spitzen –, dann wird klar, dass Murray nicht nur von Verantwortung oder Schuld spricht. „Ich bin nicht gegen die Kollektivstrafe an sich“, sagt er an einer Stelle, um dann wortreich auszuführen, warum das Militär die palästinensische Zivilbevökerung vielleicht doch nicht zu schonen braucht. Denn haben sich diese Leute nicht mit Terroristen gemein gemacht? Haben sich nicht einige Palästinenser an dem Terror beteiligt? Und hätten nicht viel mehr mitgemacht, wenn sie nur die Chance bekommen hätten?

Folgt man Murrays suggestiver Darstellung, dann sind die Menschen im Gazastreifen alle irgendwie Hamas. Und wenn alle Hamas sind, dann muss man auf keinen mehr Rücksicht nehmen. Das aber wäre ein Kriegsverbrechen. Das Völkerrecht, das auch aus den Lehren der Nazi-Zeit erwachsen ist, hat klare Regeln: Nichtkombattanten sind kein legitimes Angriffsziel. Murray ist dagegen nur gegen Kriegsverbrechen „an sich“, mit viel Spielraum nach unten.

Das ist der perfide Pitch, der sich in dieser Rhetorik verbirgt. Die Rechtsextremismus-Expertin Natascha Strobl hat es auf den Punkt gebracht: „Gentleman-Faschisten gegen Wüsten-Barbaren“ – darauf läuft Murrays unhaltbarer Nazivergleich letzten Endes hinaus. Das hat wenig mit Geschichte und viel damit zu tun, Gewalt zu rechtfertigen und Hass auf Muslime zu schüren, wie der Holocaust Forscher Beorn schreibt. In seinen Worten:

„Die Geschichte des Holocaust auf diese Art zu instrumentalisieren (und zu missbrauchen) ist wahrhaft abstoßend und das muss man aufzeigen, wo immer es passiert.“

Man würde meinen, dass die Erinnerungskultur zumindest so weit reicht.

15 Kommentare

  1. Die Hamas ist also _nicht_ schlimmer als die Nazis. Toll.

    Der Vergleich hinkt auf beiden Beinen – die Nazis, die ihr Gewissen ertränken mussten, kamen eher nicht in die erste Reihe, was Hinrichtungen und Massenmord betrifft, umgekehrt würden Hamasaktivisten, die ihr Gewissen ertränken müssten, wohl auch nicht ausgewählt werden, um Israelis zu massakrieren.

    Es ist auf beiden Seiten also kein repräsentativer Querschnitt – sicher hätte es auch Wehrmachtssoldaten gegeben, die mit dem Handy Selfies vor Leichenbergen gemacht hätten, wenn sie Handys gehabt hätten (und das nicht die Geheimhaltung verletzte), sicher würden manche Hamasmitglieder Alkohol trinken, wenn sie welchen hätten (und ihre Kollegen nicht gegen Alkohol wären).

    Die Nazis hatten aber nicht Filmaufnahmen von grausam getöteten Zivilisten ins verfeindete Ausland geschickt, um Propaganda zu betreiben, aber zumindest bei einigen Bildern und Filmen der Hamas scheint genau das die Absicht zu sein. Was natürlich mehr über die jeweils angepeilte Zielgruppe aussagt…

    Außerdem hatten die Nazis eine Industrienation und die Hamas lebt im Grunde von Entwicklungshilfe; schon deshalb kann ihre Gefährlichkeit nicht vergleichbar sein.

  2. @1: Einige absurde Überlegungen: Damals gab es keine Handys, o.k. – und? Spekulation über ‚Hamas und Alkohol’ … was soll damit ausgesagt werden? Am Ende: Die „Gefährlichkeit“ nach „Industrienation“ oder „lebt von Entwicklungshilfe“… also die Hamas war am 7. Oktober ‚gefährlich genug‘, um das bekannte Massaker anzurichten – ist das jetzt eine Verharmlosung der Terrororganisation oder soll ganz im Gegenteil ein weiterer „Beweis“ dafür erbracht werden, dass die Hamas eher ‚schlimmer‘ ist (schließlich standen der Terrororganisation ja weitaus weniger Mittel zur Verfügung. Haben sich die Deutschen damals also letztlich am Ende noch „„zurückgehalten““ ? (weil sie mit ihrer hochentwickelten Technologie noch ganz Anderes hätten anrichten können? Bzw. könnte nach der Argumentation auch noch der Faktor Zeit als ‚Argument‘ benutzt werden – 1933 bis 45 waren ja immerhin zwölf Jahre, wohingegegen … usw.). Das läuft für mich ziemlich auf Relativierung der NS-Zeit hinaus.
    Dann natürlich noch der Anfang: Wer bitte hat es als „toll“ bezeichnet, dass…?!? Wie wäre es einfach damit, die Aussagen des Artikels stehen zu lassen, dass Herr Douglas Murray in einigen Aussagen (bewusst) schrecklich danebenliegt, dass in Deutschland einige Leute schnell darauf angesprungen sind (um vielleicht mal wieder ein Stück weiter etwas ‚reinzuwaschen‘ (bzw. dies zu versuchen; wenn‘s nicht klappt, Kommentar löschen, für dieses Mal war‘s nichts)?). Warum sollte von Herrn J.F. (nein, nicht junge freiheit) letztlich auch etwas Anderes zu erwarten sein, als an den Haaren herbeigezogene, schäbige Geschichtsklittereien und die ewige Leier, dass ja eigentlich ‚die Linken‘ letztlich… (langsam ausblenden)

  3. Vergleiche mit den Nazis gehen eigentlich immer irgendwann in die Irre.

    Können wir bitte – ganz ohne historische Vergleiche – feststellen, das die Dschihadisten der Hamas so viele Juden töten wollen, wie sie können? Zum Glück können sie nicht alle Juden Israels auslöschen. Aber sie würden, wenn sie könnten. Und sie wären stolz darauf. Darauf läuft es doch hinaus, was der Interviewte ausdrücken möchte.

    Hamas sagt, was es tut. Hamas tut, was es sagt.

    Bitte, bitte nicht in Geschichtsdeutungen verrennen! Das hilft nicht weiter. Bitte schaut auf die Gegenwart!

    Das ist alles, was ich dazu zu sagen habe.

  4. @1 / Mycroft:
    „Die Nazis hatten aber nicht Filmaufnahmen von grausam getöteten Zivilisten ins verfeindete Ausland geschickt, um Propaganda zu betreiben, aber zumindest bei einigen Bildern und Filmen der Hamas scheint genau das die Absicht zu sein.“

    Diesen – Pardon – Unfug habe ich grade vorhin bei Thomas Schmid auch gelesen, etwas ausführlicher formuliert:

    In seinem zweibändigen Werk „Aktion 1005“ zeigt der Historiker Andrej Angrick anhand einer Fülle von Quellen minutiös auf, wie die NS-Täter schon seit 1942, als sich Deutschlands Niederlage noch gar nicht abzeichnete, in groß angelegten Aktionen bemüht waren, ihre Vernichtungsverbrechen zu vertuschen, die Spuren zu vernichten. Denn bei allem Fanatismus und aller Kaltblütigkeit wussten oder ahnten sie wohl doch, dass sie ungeheure Verbrechen begingen. Sie versuchten, diese vor der Nachwelt zu verbergen, weil sie in deren Augen nicht als reine Schurken und Monster dastehen wollten.

    Nicht so die Hamas. Schon in ihrer Gründungscharta von 1987 sagt sie unmissverständlich, ihr Ziel sei es, die Judenheit zu vernichten. Nicht nur bekämpfen, sondern vom Erdboden zu tilgen. Dabei blieb es. Das Massaker, das sie am 7. Oktober anrichtete, geschah auch deshalb nicht heimlich, im Dunkel der Nacht. Die Täter dokumentierten es mit Bodycams und Helmkameras. Und jauchzten und feixten, während sie ihre toten Opfer umherschleiften und schändeten. Während sie ein Ungeborenes aus dem aufgeschlitzten Leib der Mutter rissen und es erstachen. Über die „sozialen“ Medien sorgten die Täter stolz für die größtmögliche Verbreitung der Schreckensbilder. Die Hamas wollte ausdrücklich die Welt als Zuschauer ihrer Mordtaten um sich versammeln.

    https://schmid.welt.de/2023/11/15/israel-muss-siegreich-sein-um-grosszuegig-werden-zu-koennen/

    Tatsächlich haben die Nazis, solange sie im Pogrom-Modus agierten, also vor allem bei der „Reichskristallnacht“, ihre Verbrechen auch sehr öffentlich gemacht und propagandistisch verwertet, mit den damaligen Mitteln. Als sie 1941/42 zur systematischen Judenvernichtung übergingen, haben sie das eher verdeckt durchgeführt. Das würde die Hamas vielleicht auch gern machen, aber daran hindert sie ja die böse israelische Armee. Also agiert sie gezwungenermaßen im Terrormodus, wie man das heute so macht (siehe IS, al-Qaida, Breivik, Christchurch). Daraus zu folgern „Hamas ist ja noch schlimmer als die Nazis!“ (mit der Folgelogik „die Nazis waren nicht ganz so schlimm wie Hamas“), das ist halt Quatsch.

  5. @3/Chateaudur

    bitte nicht in Geschichtsdeutungen verrennen!

    Herr Murray scheint diesen Vergleich angefangen zu haben, verschiedene deutschsprachige Menschen haben ihn verbreitet und erstmal positiv gestützt. Ich finde es gut, wenn Übermedien darüber aufklärt, was an diesem Vergleich falsch ist und wie Historiker die Gräueltaten der Nazi einschätzen.

    Wen fordern Sie auf sich nicht zu verrennen? Herrn Murray, die Verbreiter:innen des Interview, Übermedien oder die Kommentor:innen hier?

    Mir fällt dazu auch ein: Wer sich seiner Vergangenheit nicht erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen. von https://de.wikiquote.org/wiki/George_Santayana und deshalb freut es mich mehr darüber zu erfahren, wie die Geschichtswissenschaft das einschätzt. Danke also für den Übermedien-Artikel!

  6. @Earl Offa:
    War Ihnen „toll“ nicht sarkastisch genug? Wie wäre es mit „großartig“?
    Mir scheint die Diskussion (mal wieder) das Aufeinandertreffen zweier Tabus zu sein:
    Wenn jemand sagt „Hamas schlimmer als Nazis“ heißt es: „Du willst ja nur die Nazis verharmlosen (und bist vermutlich selber einer)!“
    Wenn jemand sagt „Nazis schlimmer als Hamas“ wäre eigentlich alles in Ordnung, aber es gab uneigentlich in letzter Zeit Diskussionen über den Krieg gegen die Hamas, dessen Rechtfertigung und Verhältnismäßigkeit, die man über den Krieg gegen Nazideutschland eher nicht führen würde. (Oder nur mit den ganz komischen Leuten…)
    Also muss man, will man das Vorgehen Israels rechtfertigen, aber trotzdem nicht als Nazi gelten, die Hamas als exakt so schlimm bezeichnen wie die Nazis. Der Grat zwischen „pro-Israel“ und „pro-Nazi“ – jetzt bemerken Sie hoffentlich meinen Sarkasmus – ist schmaler als Ockhams Rasiermesser und kann tiefe Wunden reißen.

    @Earendil: Achwas? MWn hatten sich die Nazis von der Reichsprogromnacht dahingehend „distanziert“, dass sie sie als ein „Aufflammen des Volkszorns“ bezeichneten; die _Partei_ hätte da gar nix für gekonnt, aber das „gesunde“ „Volksempfinden“ halt, da könnte man nichts machen… (Ich _weiß_, dass das gelogen war, aber DAS war die Propaganda.)
    Und Bilder wie das von Shani Louk auf der Ablagefläche fand man in der Nazipropaganda auch eher nicht, aber das spricht natürlich nur für die Hamasvertreter, die sind nicht so verlogen wie die Nazis.
    Augenroll…

  7. @Bernhard Reiter

    Um Ihre Frage zu beantworten: Ich fordere ausnahmslos alle auf, Geschichte aus der Politik zu lassen. Ich bin selbst (ehemaliger) Historiker und liebe die Geschichtswissenschaft. Aber die Geschichte sagt uns nicht – okay: wenig – über die Verhältnisse der Gegenwart.

    Murray sagt: Hamas sogar schlimmer als Nazis!
    Will sagt: Aber SS-Männer haben Akkordeon in Auschwitz gespielt!

    Das führt alles zu überhaupt gar nix. Weder die anfängliche noch die Replik.

    Nichts davon hilft, einen klaren Blick zu bekommen. Im Gegenteil lenkt es ab und kostet sinnlos diskursive Kräfte.

    Bitte einfach lassen. Es ist auch ohne Geschichte schon kompliziert genug.

  8. Autor hier. Ich kann nur nochmal den Thread des Holocaust-Forschers Waitman Beorn empfehlen. Dort sagt er wörtlich:

    „I usually am fairly liberal when it comes to comparing the Holocaust to other historical events for the purpose of better understanding both. That is to say, I don’t think the Holocaust is some untouchable event beyond comprehension.“

    Wäre ja auch traurig, aus der Geschichte keine Lehren ziehen zu können. Lehren und Instrumentalisierung sind aber zwei verschiedene Paar Schuhe. Es müsste ja möglich sein, den Terror der Hamas zu benennen, ohne Unwahrheiten über die Nazis zu verbreiten und den Holocaust zu relativieren.

  9. Einer zumindest hat erreicht, was er wollte, und es war mal wieder der rechtsextreme Populist. Und, das schaffen diese Typen nicht, weil sie so unglaublich intelligent agierten, sondern weil sich deren „Echokammer“ nicht mal mehr ausschliesslich aus Gleichgesinnten zusammensetzen, sondern regelmäßig auch aus allzu seichten Gelegenheitsdenkern des Mainstreams, die, von ein paar geschickt gesetzten Triggern aufs Eis gelockt, den Wolf schon nicht mehr erkennen, wenn er nicht gerade Goebbels oder Höcke heisst.

    Es gibt einen Grund, weshalb wir bei der Shoa von einer Singularität in der Geschichte sprechen.
    Schon Ernst Nolde wollte im Historikerstreit damals daraus eine quasi Notwehrreaktion auf die „bolschewistische Bedrohung“ basteln, die quasi nur durch zeitliche Nähe zur Industrialisierung in der Moderne etwas gründlich als sonst ausfiel.
    Oder, wie es Habermas soviel besser ausdrückte:
    „Die Nazi-Verbrechen verlieren ihre Singularität dadurch, daß sie als Antwort auf (heute fortdauernde) bolschewistische Vernichtungsdrohungen mindestens verständlich gemacht werden. Auschwitz schrumpft auf das Format einer technischen Innovation und erklärt sich aus der ›asiatischen‹ Bedrohung durch einen Feind, der immer noch vor unseren Toren steht.“

    Und nun sollen es halt die Muslime gewesen sein, die eigentlichen Antisemiten.
    Selbst Aiwanger schwafelt vom importierten Antisemitismus.

    Schon wieder ein Punktsieg für die Faschisten.

    Von einigen Naziprominenten wird überliefert, dass sie dem damals noch jungen Radio beträchtlichen Anteil an ihrem Erfolg zuschrieben.
    Die Geschwindigkeit der neuen Medien insgesamt scheint Volksvertreter und Journalisten extrem zu überfordern.

  10. Ich finde den Text gelungen, zumal er auch zeigt warum Propgandisten wie Fleischauer keine Journalisten sind, sondern rechte Hetzer. Der Text lässt mich aber einen Wunsch an Übermedien heran tragen. Es könnte ein Thema für Holger sein: Wie können deutsche Medien über die Aktionen der israelischen Armee berichten. Dabei aber die deutsche Grschichte im Blick behalten. Das Existenzrecht Israels selbstverständlich nicht in Frage stellen und den Agressor Hamas klar benennen. Die möglichen Völkerrechtsverletzungen der Israelis in diesem Krieg zu verschweigen oder nur verdruckst anzusprechen, kann doch keine Lösung sein. Ich finde das ein wichtiges journalistisches Thema und Problem.

  11. Wie schnell und bereitwillig Leute in Deutschland auf derlei Vergleiche anspringen (bzw. auch drauf), sagt viel über deren Absichten aus. Es geht halt wieder um den Komplex „Erinnerung/Aufarbeitung/Bewältigung“ der Vergangenheit hier. Wie schrecklich wenig da substanziell passiert ist… ganz im Gegenteil: Adenauersche Restauration und das Fortwirken der Täter nach 1945. Angesichts dessen sind immer wieder mal auftauchende Versuche einer „Neueinordnung“ another brick in the wall. Insbesondere ein Medium der Firma Springer sucht ja seit Jahrzehnten eifrigst nach „Hitler“ – natürlich stets woanders auf der Welt: Chomeini, Schirinowski, Saddam Hussein, Milosevic … sie alle schienen für Vergleiche angemessen zu sein. Ich glaube nicht, dass so etwas von den 99% der Weltbevölkerung, die keine Deutschen sind, als realistisch oder redlich gesehen wird. Und die Sicht auf die monströsen Verbrechen von damals obliegt nicht Leuten im Land der Täter. Schon gar nicht, wenn diese daraus noch einen Vorteil für die ‚eigene‘ „Nation“ (was soll das eigentlich sein?) zu ziehen versuchen.

  12. °Wie schnell und bereitwillig Leute in Deutschland auf derlei Vergleiche anspringen (bzw. auch drauf), sagt viel über deren Absichten aus.°
    Weil alle Leute in D. dieselben Absichten haben?
    Wer pro-Israel ist, so behaupten manche, der habe ja nur Angst, für einen Nazi gehalten zu werden, oder sei ein Rassist, oder tatsächlich Antisemit, der seinen Antisemitismus verschleiern will.
    Wer pro-Hamas ist, das wäre der Umkehrschluss, hätte demnach nur Angst, für rassistisch gehalten zu werden, oder verschleiert seinen tatsächlichen Rassismus, oder ist einfach nur ein Antisemit, der dies als Humanismus tarnen will.

    Die Tatsache, dass beide Aussagen auf irgendwelche Personen zutreffen, ersetzt ja keine Argumente.
    Also im konkreten Fall: man kann die Aussage: „Hamas ist harmloser als Nationalsozialismus“, oder auch: „Konkrete Hamasmitglieder sind auch nicht schlimmer als konkrete Nazis“ ja empirisch belegen und das obige Interview einfach faktisch widerlegen ohne mutmaßen zu müssen, ob jemand lügt oder sich irrt.

  13. O.k.; allerdings habe ich nicht „alle (Leute in Deutschland)“ geschrieben, sondern eben „Leute in Deutschland“.

  14. Schon, aber wenn 1. meinetwegen der Springer-Verlag die Vergangenheit nicht aufgearbeitet hat oder Adenauer, ist das sicher schlecht, aber nicht meine Schuld oder die von irgendwem anderes als den Leuten im Springerverlag bzw. von Adenauer, und 2. kann jemand, der die Hamasaktivisten mit Nazis vergleicht, mehrere mögliche Absichten haben, also auch die, die sich den Vergleich zueigen machen, insofern nervt mich die generelle Argumentationslinie.
    Hier bei diesem Beispiel finde ich den Vergleich ja auch schief, aber Judith Butler behauptet bspw., dass Deutsche gegen die Hamas seien, weil sie Angst hätten, für Antisemiten gehalten zu werden, und nicht etwa, weil es irgendwelche Argumente gäbe, die gegen die Hamas sprächen…

  15. Also wo liegt denn wohl schon der Kardinalfehler ( wie bei anderen Vergleichen übrigens so oft auch ):

    Ich kann sicher einen SS Mann finden, der eher ungern Menschen von der Rampe in Auschwitz selektierte und ins Gas geschickt hat.
    Einer, der ein Restgewissen konservierte, indem er es abends in Alkohol einlegte.
    Vielleicht gibt es auch Hamas Terroristen, die alten Menschen die Einkaufstüten nachhause tragen.

    Wenn jemand solche Anekdoten heranzieht, um einen Vergleich zu erstellen, dann ist das immer mit dem Vorsatz, Menschen hinters Licht zu führen!
    Ja, der christliche Europäer, er mordet nur ungern und leidet danach.

    „Hippokrates in der Hölle: Die Verbrechen der KZ-Ärzte“ sollte schon ausreichend „Anekdoten“ liefern, um das noch einmal zu überdenken? Lagerkommandanten und ihre Hunde wären auch ein passendes Thema. All das sind Ereignisse voller unvorstellbarer Grausamkeit. Aber auch „nur“ Anekdoten.
    Die Singularität aber, die entsteht durch den Willen zur industriellen Massenvernichtung. 24/7 mit deutscher Gründlichkeit zur Ausrottung aller, derer man habhaft werden konnte. Stets bemüht die Methoden noch weiter zu entwickeln, um noch mehr töten zu können.

    Und weil das alles so ist, ist jeder versuch der nachträglichen Relativierung, mindestens schon einmal so unerträglich schäbig.

    Hannah Arend hat treffend analysiert, warum die katholische Kirche und Papst Pius so bemüht waren, Nazis zur Flucht zu verhelfen. Ungehorsam ist für diese alte Institution das schlimmere Verbrechen, das eigentliche Böse.

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