Journalist und Model

Nach Interessenkonflikten: „Spiegel“ plant nicht mehr mit seinem Autor

Andreas Haslauer in Meindl-Tracht bei Instagram: "Auf geht's!" zur "Wiesn 2023"!
Screenshot: Instagram / Andreas Haslauer

Der Journalist Andreas Haslauer schlägt gerne zwei Fliegen mit einer Klappe. Bereits Ende September hatten wir darüber berichtet, dass der freie Autor den Chef des Modeunternehmens Meindl für den „Spiegel“ interviewt hat – und gleichzeitig auf professionellen Fotos in dessen Luxus-Lederhosen posierte. Denn Haslauer ist nicht nur freier Journalist, sondern auch Männermodel.

Er habe „keinen einzigen Euro für das Meindl-Shooting erhalten“, schrieb Haslauer damals auf Übermedien-Anfrage. Deshalb sehe er da auch keinen Interessenkonflikt. Die Fotos habe er gemacht, weil er neue Trachtenfotos für seine Sedcard gebraucht habe. Er trenne immer alles „pedantisch, akribisch“, betonte er.

Das Meindl-Interview war nicht der einzige „Spiegel“-Text, bei dem die Grenze zwischen Model Haslauer und Journalist Haslauer verschwamm. So ist Haslauer zum Beispiel auf Werbefotos eines Reeders zu sehen, der damit Segelurlaub in Kroatien bewirbt. Der „Spiegel“ verwendete eines dieser Fotos auch als Aufmacher für Haslauers Artikel über einen Segeltörn. Das Magazin teilte uns damals mit, man werde weitere Beiträge des Autors überprüfen.

Links: Foto auf der Website des Unternehmens "Mali Havana". Rechts: dasselbe Foto zur "Spiegel"-Reportage über einen Segeltörn in Kroatien.
Screenshots: Mali Havana / Spiegel

Wir haben nachgefragt, was bei dieser Prüfung herausgekommen ist. Die Pressestelle erklärte daraufhin, dass die Redaktion bei sechs Reiseberichten von Haslauer einen fehlenden Transparenzhinweis ergänzt habe.

Dazu zählen der erwähnte Artikel über einen Segeltörn in Kroatien, ein Artikel über Skitouren in Norwegen, ein Artikel über den Skiort Ischgl nach der Corona-Katastrophe, ein Artikel über den Ort Alta Badia in den Dolomiten und die Auswirkungen der Klimakrise, ein Artikel über eine Rennrad-Veranstaltung durch deutsche Weinregionen und ein Artikel über ein Skirennen in St. Anton am Arlberg.

Dem „Spiegel“ sei nicht bekannt gewesen, „dass die Reisen von Tourismusverbänden oder Unternehmen unterstützt wurden“. Was nun offenbar Konsequenzen hat: „Derzeit ist keine weitere Berichterstattung von Andreas Haslauer für den SPIEGEL geplant“, schreibt die Pressestelle.

Fehlende journalistische Distanz

Nach unserem Artikel über die fragwürdige Doppelrolle von Andreas Haslauer hatten uns weitere Hinweise erreicht. Dabei ging es nicht um Haslauer als modelnden Autor, sondern um Unternehmen, die Kosten für seine Recherchereisen übernommen hätten und um Haslauers fehlende journalistische Distanz.

Ein Hinweis betraf den oben erwähnten Artikel über Ischgl nach der Corona-Katastrophe. Der Skiort in Tirol war im Winter 2020 einer der Hotspots der Pandemie; viele Urlauber steckten sich damals offenbar bei Après-Ski-Partys in Ischgl mit dem Virus an. Haslauer reiste 2023 nach Ischgl, um dort mit Verantwortlichen und Tourismusmanagern zu sprechen. Es ging in dem Text um die Frage, warum der „PR-Supergau“ dem „Erfolgsmodell“ Ischgl nichts anhaben konnte. Dass Haslauers Unterkunft vom Tourismusverband Paznaun-Ischgl bezahlt wurde, wurde zuerst nicht erwähnt. Das sei dem „Spiegel“ nicht bekannt gewesen, schreibt uns dieser auf Nachfrage.

Ein weiterer Hinweis kam von einem „Spiegel“-Leser, der das Magazin bereits im Januar mit Kritik an Haslauers Texten konfrontiert hatte. Dabei geht es um zwei Interviews mit dem Extrembergsteiger und Unternehmer Benedikt Böhm, sie erschienen am 5. und 6. Januar. Zwei Interviews in so kurzer Zeit – weshalb hat sich der „Spiegel“ dazu entschieden?

Die Pressestelle schreibt auf unser Anfrage:

„Im vorliegenden Fall hat sich die Redaktion entschlossen, ein längeres Interview in zwei Teile zu untergliedern, die sich unterschiedlichen Themen widmen. Das ist nicht ungewöhnlich.“

„Sexy“ Skitouren

In einem der Interviews geht es um den Trend Skitourengehen. Böhm sagt darin unter anderem, dass der Sport „sexy“ sei, und dass man zum Einstieg die „richtige Hardware und Bekleidung, aber auch Beratung und Hilfe von Profis“ brauche. Dass Böhm auch Geschäftsführer des Skitourenausrüsters Dynafit ist, legt der Text nicht explizit offen. Der „Spiegel“ schreibt uns dazu:

„Im sogenannten Personenkasten weisen wir ausdrücklich darauf hin, dass Benedikt Böhm beruflich für eine große Outdoor-Marke tätig ist. Wir haben den Markennamen bewusst nicht genannt, um eben keine Werbung zu machen. Dass der Interviewte als ehemaliger Skibergsteigerprofi und damit als Experte auf die richtige Ausrüstung und Vorbereitung hinweist, schien uns sachlich richtig und angemessen.“

"Spiegel"-Autor Andreas Haslauer und Extrembergsteiger Benedikt Böhm
„Spiegel“-Autor Andreas Haslauer (r.) und Bergsteiger Benedikt Böhm Screenshot: Instagram / Andreas Haslauer

In dem zweiten Interview geht es um Böhms Engagement für den Umweltschutz in den Bergen. Es wird auch das „Helping Band” erwähnt, ein Armband, das Böhm verkauft. In einem Instagram-Post posiert Haslauer Faust an Faust mit Böhm und trägt dessen Armband. Er schreibt dazu, Böhm sei Deutschlands „sportlichster und nachhaltigster Manager” und kündigt das Interview im „Spiegel” an. Sollten Autoren des Magazins nicht distanzierter sein zu den Personen, über die sie berichten?

Der „Spiegel“ antwortet:

„Die SPIEGEL-Redaktion wahrt professionelle journalistische Distanz zu Personen, die sie interviewt. Das erwarten wir auch von freien Mitarbeitenden.“

Tatsächlich habe ein Leser den „Spiegel“ wegen des Interviews mit Benedikt Böhm zweimal kontaktiert und den Text in verschiedenen Punkten kritisiert, räumt die Pressestelle ein. „Dass wir dem Hinweis auf Gefälligkeitsjournalismus nicht sofort nachgegangen sind, bedauern wir sehr.“ Man habe den „Workflow zur Bearbeitung von Leserhinweisen“ in den vergangenen Monaten umgestellt und hoffe, in Zukunft solche Fehler vermeiden zu können.

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