Die Kontrollfunktion des Journalismus in einer freiheitlichen Demokratie ist ein hohes Gut. Im Vordergrund sollten deshalb immer belegbare Fakten stehen, möglichst sachlich vorgetragen, und nicht eine laute Skandalisierung. Denn damit verspielen manche Medien ihren in Teilen der Bevölkerung ohnehin schwindenden Kredit – und in letzter Zeit auffällig unnötig.
So dokumentierte das „Handelsblatt“ vergangene Woche anschaulich, wie man der Funktion der Vierten Gewalt eher nicht gerecht wird: In einer fünf Absätze langen „Klarstellung“ zog die Zeitung erhebliche Teile ihrer Vorwürfe gegen einen Beamten des Bundesverkehrsministeriums zurück. Es ging um Vetternwirtschaft: Seit Ende Juli hatte das „Handelsblatt“ berichtet, der Leiter der Grundsatzabteilung, Klaus Bonhoff, sei eng befreundet mit einem Unternehmer und einem Verbandschef, die von Fördermitteln des Ministeriums profitiert hätten. Die Rede war von insgesamt rund 28 Millionen Euro.
Nun räumt das „Handelsblatt“ ein, dass Bonhoff mit dem Unternehmer „weder befreundet noch in einen gemeinsamen (Ski-)Urlaub gefahren sei“. An dem von der Zeitung verbreiteten „Verdacht, dass die Vergabe von Fördermitteln auf Freundschaften und gemeinsame Urlaube von Herrn Prof. Dr.-Ing. Bonhoff zu diesem Unternehmer zurückzuführen“ sei, halte man nicht fest.
Das „Handelsblatt“ hatte auch als fragwürdig kritisiert, wie Bonhoff auf eine Honorarprofessur an der Technischen Universität Hamburg berufen wurde. Doch auch diese Darstellung sei falsch gewesen, heißt es jetzt: Das Verfahren sei nicht ungewöhnlich knapp erfolgt, sondern nach jahrelanger Lehrtätigkeit. Auch sei Bonhoff kein, wie berichtet, „Professor ohne Publikationen“; der Berufungskommission habe eine Publikationsliste vorgelegen.
Der Frankfurter Korrespondent der „Financial Times“ (und ehemalige „Handelsblatt“-Journalist“) Olaf Storbeck kommentierte den Vorgang auf X (Ex-Twitter) angemessen pointiert mit:
„Alter Verwalter, was ist dem Handelsblatt denn da passiert?“
Nun könnte man meinen, hier wäre einfach nur voneinander „abgeschrieben“ worden, statt selbst zu recherchieren. Doch das stimmt nicht ganz. Auch das Verkehrsministerium hatte ein Prüfverfahren eingeleitet, zudem gab es eine Kleine Anfrage der CDU-Fraktion im Bundestag – mit 41 Fragen, deren Antworten dem ARD-Hauptstadtstudio vorab exklusiv vorlagen. Es gab also durchaus eigene Rechercheansätze, und auch jenseits der Vorwürfe, die das „Handelsblatt“ erhob, Anlass zur Berichterstattung.
Dennoch stellte der Landespolitik-Chefs des Berliner „Tagesspiegel“, Julius Betschka, im Zuge des „Handelsblatt“-Dementis auf X die Frage, ob es angesichts verschiedener überzogener oder sogar falscher Berichte in letzter Zeit nicht „Zeit zur Selbstreflektion [sic!] für Journalisten“ sei. Unter seinem Post pflichteten ihm einige Kolleginnen und Kollegen bei.
Doch was ist damit genau gemeint? Und schüttet man eventuell das Kind mit dem Bade aus, wenn man zu viele verschiedene Dinge zusammenrührt, um „Falschberichterstattung“ und „Reflexion“ rufen zu können? Denn die Fälle, um die es geht, sind sehr unterschiedlich gelagert.
Betschka bezieht sich in seinem Posting auch auf die Vorwürfe gegen Arne Schönbohm, den früheren Chef des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Der Satiriker Jan Böhmermann hatte Schönbohm im „ZDF Magazin Royale“ unter anderem eine gefährliche Nähe zu russischen Geheimdienstkreisen unterstellt, weil Schönbohm einen Verein gegründet und geleitet hatte, in dem eine russische IT-Firma Mitglied war. Diese habe eindeutige Verbindungen zu russischen Geheimdiensten gehabt und Sicherheitssoftware an deutsche Behörden und Unternehmen verteilt.
Böhmermanns Sendung lief im Oktober 2022 – und führte zur inzwischen umstrittenen Ablösung Schönbohms durch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Schönbohm geht nun sowohl juristisch gegen das Ministerium vor, wegen Mobbings, als auch gegen das ZDF, von dem er stattliche 100.000 Euro Schmerzensgeld verlangt.
Der Sender und die Redaktion bleiben jedoch bei ihrer Darstellung und halten an der Berichterstattung fest. Böhmermann schrieb am Wochenende im Netzwerk Mastodon, die Schönbohm-Ausgabe sei bisher „weder inhaltlich widerlegt worden noch juristisch angefochten noch presserechtlich zu beanstanden“. Schönbohms Anwalt Markus Hennig wiederum erklärte am Montag gegenüber der „Bild“-Zeitung, das ZDF habe „eine Löschungs- und Schadenersatzforderung von Herrn Schönbohm über mich erhalten“.
Inwieweit sich die Sendung wirklich presserechtlich beanstanden und juristisch angreifen lässt, vor allem so lange Zeit nach der Ausstrahlung, ist fraglich. Das juristische Online-Magazin „Legal Tribune Online“, dem Schönbohms Abmahnung vorliegt, bezweifelt das jedenfalls, auch wenn die Sendung „aufgrund ihrer Einseitigkeit und Selektivität kein Ruhmesblatt für den ‚journalistischen Arm‘ des ‚ZDF-Magazin Royals‘“ sei. Der in der Sendung mehr als nur insinuierte Hauptvorwurf der russischen Infiltration an sensibler Stelle erscheint in der Tat weitgehend substanzlos.
Auch das Ministerium hatte im Anschluss kein Disziplinarverfahren gegen Schönbohm eröffnet – ihn aber abberufen. Nach Medienberichten nahm das Ministerium in einem Schreiben an Schönbohm „explizit Bezug auf Vorwürfe, die nach der Ausstrahlung der ZDF-Sendung (…) verbreitet wurden“, und es schrieb weiter zur Begründung der Entlassung: „Hinzu kommt eine Vielzahl von Vorkommnissen in Zusammenhang mit der fachlichen sowie der personellen Führung des Amtes, die auch das Vertrauen von Frau Ministerin in Ihre Amtsführung irreparabel gestört haben.“
Die politische Kontroverse um das Handeln von Faesers Ministerium dauert weiter an. Die Ministerin, die derzeit im hessischen Landtagswahlkampf als SPD-Spitzenkandidatin antritt, verweigerte wiederholt, vor dem Innenausschuss des Bundestages zur Sache Stellung zu nehmen. Die Opposition sieht dadurch die Rechte des Parlaments missachtet.
Aufklärung oder Kampagne?
Wer Berichterstattung für aufgeblasenen hält, eine Kampagne womöglich, hängt immer auch davon ab, wer grundsätzlich mit welcher Seite sympathisiert. Das spielt eine nicht unerhebliche Rolle. Je nach persönlicher Überzeugung werden auch der Fall Hubert Aiwanger oder die Berichte über die Vorwürfe gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann als Beispiele für Medienskandale ohne Grundlage angeführt – und natürlich auch jene über den ehemaligen Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Patrick Graichen.
Graichen wurde in den einstweiligen Ruhestand versetzt, nachdem Medien wochenlang Befangenheits- und Interessenkonflikte aufdeckten. Nicht nur die Grünen sahen darin lange Zeit vor allem eine Kampagne, vor allem von rechts. Letztlich hatten die Vorwürfe gegen Graichen aber Substanz.
Und wenn Julius Betschka schreibt, das „Handelsblatt“ ziehe „große Teile eines Berichts und die Vorwürfe der Vetternwirtschaft gegen einen Abteilungsleiter von Wissing zurück“, dann ist das bei näherer Betrachtung auch nicht ganz richtig: Das „Handelsblatt“ rudert zwar hinsichtlich des bayerischen Unternehmers und der vermeintlich dubiosen Honorarprofessur zurück – damit sind aber nicht alle Vorwürfe sämtlich ausgeräumt, wie Malte Kreutzfeldt bei „Table.Media“ zusammenfasst:
„Zumindest in einem Fall hat das Ministerium die vom Handelsblatt berichteten Fakten aber explizit bestätigt: Es sei zutreffend, dass der Abteilungsleiter mit dem Vorstandsvorsitzenden des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellenverbands (DWV) privat befreundet ist und mit ihm gemeinsame Urlaube verbracht habe, schreibt das Ministerium in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die Table.Media vorliegt. Und es bestätigt auch, dass der Vorstandsvorsitzende im April 2021 ‚Unterlagen zu einem möglichen Innovationscluster zu Wasserstoff in der Mobilität‘ persönlich an den befreundeten Abteilungsleiter geschickt habe.“
Daraus ergab sich am Ende eine Förderung von 1,44 Millionen Euro für das Vorhaben des DWV. Das Ministerium hält den Vorgang trotzdem für unproblematisch, weil sich Bonhoff in die Prüfung des Antrags nicht direkt eingemischt habe. Böse Zungen könnten sagen, Bonhoff habe sich halt geschickter angestellt als Graichen. Die Prüfung des gesamten Vorgangs ist aber laut Ministerium noch nicht abgeschlossen. Auch die Union ist mit den Antworten und insbesondere der Nicht-Veröffentlichung des Berichts unzufrieden.
Aiwangers Werk und der „Süddeutschen“ Beitrag
Im Fall Aiwanger ist das Ergebnis ebenfalls nicht so eindeutig, wie manche Kritiker:innen es gerne hätten. Ja, die „Süddeutsche Zeitung“ hat sich und der Geschichte mit dem Zeitpunkt und dem Stil der Veröffentlichung, der von Anfang an kampagnenhaft wirkte, alles andere als einen Gefallen getan, um es vorsichtig zu formulieren. Auch dem „Spiegel“ hatte das Flugblatt vorgelegen, das sich einst in Aiwangers Schultasche befunden hatte. Der „Spiegel“ hatte sich aber entschieden, aufgrund der schwierigen Beweislage nicht zu berichten. Womit er womöglich journalistisch klüger agierte als die SZ.
Natürlich ist man im Nachhinein immer schlauer, aber ich glaube, dass diese SZ-Publikation in dieser Form geschadet hat, auf verschiedenen Ebenen: Aiwanger konnte die Urheberschaft letztlich nicht nachgewiesen werden. Er musste nicht zurücktreten. Und seine Partei, die Freien Wähler, konnten in Umfragen zulegen. Zynisch ausgedrückt, könnte man sagen: Möglicherweise Nazi-Verbrechen gefeiert und den Wunsch geäußert zu haben, diese mögen sich wiederholen, wie es im Flugblatt zum Ausdruck kam, lohnt sich in Deutschland wieder – was am Zustand des politischen und medialen Diskurses liegt. Oder glaubt irgendjemand, ein stellvertretender Ministerpräsident hätte vor zehn Jahren bei einem derartigen Verdacht nicht zurücktreten müssen, wenn er die Vorwürfe nicht klipp und klar hätte ausräumen können?
Die SZ hätte genau dieses polarisierte, ja schlichtweg vergiftete Klima in ihrer Berichterstattung berücksichtigen müssen. Wenn man nicht beweisen kann, dass ein damals 17-Jähriger der Urheber eines Pamphlets war, das man nach mehr als drei Jahrzehnten an die Öffentlichkeit zerrt, sollte man nicht einfach darauf hoffen, ein Rechtsausleger wie Aiwanger werde unter der Last der Vorwürfe schon kapitulieren.
Hätte man mehr Belege für Aiwangers damalige Gesinnung zusammengetragen, hätte man mehr offen auftretende Zeugen gehabt, wäre es Aiwanger schwerer gefallen, plötzlich seinen Bruder als Verfasser des Flugblatts ins Spiel zu bringen. So aber wurde die recht plumpe Erklärung, damals wie heute den eigenen Bruder nicht verpfeifen zu wollen, für seine Anhänger:innen zur Wahrheit – mit allen Folgen für die weiter erodierende politische Kultur.
Dabei kann sein Bruder nicht für alles geradestehen. Seit der SZ-Veröffentlichung sind weitere Vorwürfe aufgetaucht, auf die Aiwanger allenfalls ausweichend oder gleich gar nicht reagiert: Vorige Woche etwa trat im ARD-Politmagazin „Kontraste“ ein ehemaliger Schülersprecher von Aiwangers Gymnasium auf, der berichtete, Aiwanger habe auch Hakenkreuze-Schmierereien vom Schulklo entfernen müssen, die ihm eindeutig und unwidersprochen zugerechnet worden seien. Schon zuvor war bekannt geworden, dass Aiwanger und seine Gefolgsleute bereits einige Jahre früher in Sachen Flugblatt aktiv geworden waren – und offenbar zu verhindern versuchten, dass dieses mit Aiwanger in Verbindung gebracht wird. Was nicht für seine Unschuld spricht. Leider fällte die SZ ihr Urteil ohne diese Kenntnis.
Ob sich die „Süddeutsche Zeitung“ presserechtlich etwas hat zuschulden kommen lassen, steht auf einem anderen Blatt und würde letztlich einer gerichtlichen Klärung bedürfen. Allerdings ist offen, ob Aiwanger überhaupt gegen die SZ vorgehen wird. Vor Gericht könnte er sich vermutlich nicht mehr mit Erinnerungslücken durchmogeln. Das von ihm gezeichnete Bild der verfolgten Unschuld könnte so Risse bekommen, und daran dürfte Aiwanger nicht im Geringsten interessiert sein. Ohne juristische Klärung lässt sich eine angebliche Kampagne und mediale Hetzjagd viel einfacher behaupten.
Gerade die Recherchen im Nachhinein sind es, die Aiwanger nun nützen: Zwar ist es nicht unüblich, dass eine Erstveröffentlichung eines Mediums weitere Recherchen und Berichte anderer Medien nach sich zieht – doch jetzt erwecken die zusätzlichen Vorwürfe tatsächlich den Eindruck einer Kampagne. Für Aiwangers Anhänger:innen handeln die medialen Kläger nach dem Motto: Weil wir den Hauptvorwurf nicht beweisen konnten, werfen wir jetzt mit umso mehr Dreck – irgendwas wird schon hängenbleiben. Dass es sich um die Verfehlungen eines Minderjährigen handelt, die derart lange zurückliegen, verstärkt das Geschmäckle zusätzlich.
Der von Aiwanger schamlos erzeugte Eindruck einer Kampagne ist trotzdem haltlos, wie es auch der Fraktionsvorsitzende der FDP im Bayerischen Landtag, Martin Hagen, kürzlich in einer Landtagsdebatte herausstellte:
„Wenn es tatsächlich eine Medienkampagne sein sollte, dann haben sich offenbar alle Journalisten dieses Landes, von links bis rechts, gegen sie, Herr Aiwanger, verschworen – glauben Sie das eigentlich wirklich?“
„Fakten sind heilig“
Es mag keine „objektive Wahrheit” geben, aber bei allen unterschiedlichen Haltungen und politischen Differenzen gibt es eben doch die „bestmöglich erreichbare Version der Wahrheit“, wie es die amerikanische Journalisten-Legende Carl Bernstein formuliert. Auch an der Maxime des epochalen „Guardian“-Redakteurs C.P. Scott, „Comment is free but facts are sacred” („Die Meinung ist frei, aber Fakten sind heilig“), hat sich in den gut hundert Jahren seit deren Ausspruch wenig geändert. Es gibt Fakten, die Erde ist rund, Schwerkraft existiert, das Leben ist endlich.
Was sich jedoch geändert hat, wie Carl Bernstein ebenfalls bemerkt, ist die Bereitschaft, Fakten zu akzeptieren, auch wenn sie nicht ins eigene Weltbild passen. Die John Maynard Keynes fälschlich zugeschriebene Sentenz „When the facts change, I change my mind. What do you do, sir?” („Wenn sich die Fakten ändern, ändere ich meine Meinung. Was machen Sie, Sir?“) hat an Bedeutung verloren. Stattdessen suchen viele Medienkosument:innen nur noch Bestätigung für das, was sie ohnehin glauben. Und es gibt Medien, die ihnen genau das liefern – aus monetären wie ideologischen Gründen.
Der Qualitätsjournalismus tut sich daher mit eiligen Veröffentlichungen, zumal wenn sie dann handwerkliche Mängel aufweisen, keinen Gefallen. Aber gerade wenn Fakten leider eine immer geringere Rolle spielen, wäre es umso wichtiger, dass diese stimmen – und auch belegbar sind. Und es nützt nichts, Journalist:innen anhand sehr unterschiedlich gelagerter Fälle zur allgemeinen Einkehr aufzurufen. Sorgfalt in der Sache selbst ist genauso wichtig wie sorgfältige Kritik. Die Gemengelage ist kompliziert genug.
Nachtrag, 13.9.2023. Wir haben zwei Stellen in Bezug auf den Fall Aiwanger präzisiert.
Der Autor
Andrej Reisin ist freier Journalist, derzeit vor allem als Chef vom Dienst für „funk“, das junge Content-Netzwerk von ARD und ZDF. Daneben ist er u.a. für Übermedien, „Medium Magazin“ und „11 Freunde“ tätig, zuvor lange für den NDR („Tagesschau“, „Panorama“, „Zapp“). Er gewann zusammen mit der Redaktion den Grimme-Preis für die „Panorama“-Berichterstattung zum Hamburger G20-Gipfel.
6 Kommentare
Bleibt allein die Frage, wie man denn skandalöse Fakten berichten soll, ohne dabei schlicht berechtigtes Skandalgetöse auszulösen? Das kommt in Zeiten von Social Media ganz automatisch auf, ebenso wie die Frontenbildung zwischen Anhängern und Gegnern.
Aiwangers Pamphlet war und ist skandalös. Die Ausrede ist, wie beschrieben, plump und geradezu lachhaft unglaubwürdig. Allein, dass die Lehrer bei hunderten von Schülern ausgerechnet bei ihm in der Tasche gesucht haben, spricht doch schon Bände. Dass man die Urheberschaft nicht mehr beweisen kann, ist klar. Aber sollte man deswegen denn nicht mehr darüber berichten? Wie hätte die SZ denn besser handeln können? Der Vorwurf einer vermeintlichen Kampagne wäre von Aiwanger und seinen Getreuen und Wählern ja trotzdem in jedem Fall erhoben worden, auch wenn man die Sache mit den Hakenkreuzschmiererei noch hinzugefügt hätte.
Ich glaube nicht, dass sich am Ergebnis des Ganzen etwas geändert hätte. Söder hätte machtpolitisch kein Stück anders entschieden und Aiwangers Anhänger leben ohnehin im postfaktischen Zeitalter. Dort wird nur geglaubt, was genehm ist.
Das mit dem weniger Skandalgetöse glaube ich auch, auch wenn es sicher nie „kein“ Getöse geben wird.
Im Fall mit der SZ glaube ich aber, dass sie tatsächlich nichts falsch gemacht hat, es reichte bloß nicht für die geschlossene Beweiskette; ob es nun der Bruder war oder nicht, die SZ hatte hinreichende Gründe, Hubert A. zu verdächtigen.
„Allerdings ist offen, ob Aiwanger überhaupt gegen die SZ vorgehen wird.“ Abgesehen davon, dass das für ihn keine erkennbaren negativen Konsequenzen hatte, was wäre denn sein juristischer Vorwurf? Die Zeugenaussagen und Dokumente, die der SZ vorlagen, waren wohl alle wahrheitsgemäß und echt, es gab umgekehrt wohl niemanden, der den Bruder beschuldigte, und auch sonst keine wesentlichen entlastende Beiträge, die die SZ verschwiegen hätte.
Berichten ja, es kommt drauf an wie. Der Seite-3-Beitrag der SZ war keine journalistische Glanzleistung. Auf mich hat es gewirkt wie eine Mischung aus Fakten, Vermutungen, Wünschen, gepaart mit einer spürbaren sprachlichen Selbstverliebtheit der Verfasser. Etwas weniger von dieser sprachlichen Selbstverliebtheit und etwas mehr Ergebnisoffenheit hätten dem Artikel und damit auch der Sache gut getan.
Fantastisch differenzierter Artikel! Vielen Dank dafür. Dafür lohnt sich mein Abo und ich bin dankbar!
@1,2 bezüglich der handwerklichen Fehler der SZ: es lohnt sich, den Artikel hier auf, Übermedien zu lesen, der die Fehler des Artikels kritisiert! Der SZ Artikel lässt sich sehr wohl als Kampagnen-Artikel lesen, schon allein durch die Formulierungen, die sie dort verwenden.
@Michael:
den Beitrag mit der SZ und dem Anschein einer Kampagne habe ich gelesen, und ich finde auch nicht, dass sich die SZ da so richtig mit Ruhm bekleckert hat.
Dennoch halte ich den Verdacht, von dem die SZ schrieb, für nicht unbegründet, also wäre es höchstens „üble Nachrede“ statt „Verleumdung“, und selbst dann hielte ich es für unverhältnismäßig, aber ich bin kein Jurist.
Bleibt allein die Frage, wie man denn skandalöse Fakten berichten soll, ohne dabei schlicht berechtigtes Skandalgetöse auszulösen? Das kommt in Zeiten von Social Media ganz automatisch auf, ebenso wie die Frontenbildung zwischen Anhängern und Gegnern.
Aiwangers Pamphlet war und ist skandalös. Die Ausrede ist, wie beschrieben, plump und geradezu lachhaft unglaubwürdig. Allein, dass die Lehrer bei hunderten von Schülern ausgerechnet bei ihm in der Tasche gesucht haben, spricht doch schon Bände. Dass man die Urheberschaft nicht mehr beweisen kann, ist klar. Aber sollte man deswegen denn nicht mehr darüber berichten? Wie hätte die SZ denn besser handeln können? Der Vorwurf einer vermeintlichen Kampagne wäre von Aiwanger und seinen Getreuen und Wählern ja trotzdem in jedem Fall erhoben worden, auch wenn man die Sache mit den Hakenkreuzschmiererei noch hinzugefügt hätte.
Ich glaube nicht, dass sich am Ergebnis des Ganzen etwas geändert hätte. Söder hätte machtpolitisch kein Stück anders entschieden und Aiwangers Anhänger leben ohnehin im postfaktischen Zeitalter. Dort wird nur geglaubt, was genehm ist.
Das mit dem weniger Skandalgetöse glaube ich auch, auch wenn es sicher nie „kein“ Getöse geben wird.
Im Fall mit der SZ glaube ich aber, dass sie tatsächlich nichts falsch gemacht hat, es reichte bloß nicht für die geschlossene Beweiskette; ob es nun der Bruder war oder nicht, die SZ hatte hinreichende Gründe, Hubert A. zu verdächtigen.
„Allerdings ist offen, ob Aiwanger überhaupt gegen die SZ vorgehen wird.“ Abgesehen davon, dass das für ihn keine erkennbaren negativen Konsequenzen hatte, was wäre denn sein juristischer Vorwurf? Die Zeugenaussagen und Dokumente, die der SZ vorlagen, waren wohl alle wahrheitsgemäß und echt, es gab umgekehrt wohl niemanden, der den Bruder beschuldigte, und auch sonst keine wesentlichen entlastende Beiträge, die die SZ verschwiegen hätte.
Berichten ja, es kommt drauf an wie. Der Seite-3-Beitrag der SZ war keine journalistische Glanzleistung. Auf mich hat es gewirkt wie eine Mischung aus Fakten, Vermutungen, Wünschen, gepaart mit einer spürbaren sprachlichen Selbstverliebtheit der Verfasser. Etwas weniger von dieser sprachlichen Selbstverliebtheit und etwas mehr Ergebnisoffenheit hätten dem Artikel und damit auch der Sache gut getan.
Fantastisch differenzierter Artikel! Vielen Dank dafür. Dafür lohnt sich mein Abo und ich bin dankbar!
@1,2 bezüglich der handwerklichen Fehler der SZ: es lohnt sich, den Artikel hier auf, Übermedien zu lesen, der die Fehler des Artikels kritisiert! Der SZ Artikel lässt sich sehr wohl als Kampagnen-Artikel lesen, schon allein durch die Formulierungen, die sie dort verwenden.
@Michael:
den Beitrag mit der SZ und dem Anschein einer Kampagne habe ich gelesen, und ich finde auch nicht, dass sich die SZ da so richtig mit Ruhm bekleckert hat.
Dennoch halte ich den Verdacht, von dem die SZ schrieb, für nicht unbegründet, also wäre es höchstens „üble Nachrede“ statt „Verleumdung“, und selbst dann hielte ich es für unverhältnismäßig, aber ich bin kein Jurist.