Praktischer Populismus

CSU und Funk: Alles eine Frage der Einstellung

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Stefan Müller, der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, ist erstaunlich schwer zu erreichen. Auf eine E-Mail-Anfrage an seine Pressestelle am Montag kommt keine Antwort, auf eine Nachfrage am Dienstag auch nicht. Diverse Anrufe am Mittwoch unter verschiedenen Büro- und Pressesprecher-Nummern führen ins Nichts; einmal kann ich immerhin eine Nachricht auf einer Mailbox hinterlassen.

Dabei hatte ich doch nur ein paar, wie ich fand, naheliegende Nachfragen zu seiner Forderung, den öffentlich-rechtlichen Jugendkanal Funk einzustellen. Die hatte er am vergangenen Sonntag über die „Bild“-Zeitung öffentlich gemacht. „Die sich ständig wiederholenden Entgleisungen des ARD/ZDF-Angebots ‚funk‘ müssen endlich Konsequenzen nach sich ziehen“, hatte er gesagt. „Da keine Besserung der journalistischen Standards in Sicht ist, muss ‚funk‘ eingestellt werden! Formate für linke politische Agitation dürfen nicht von Zwangsgebühren finanziert werden. Wenn ARD und ZDF hier nicht selbst handeln, muss ein neuer Medienstaatsvertrag das regeln.“

CSU will Jugendsender von ARD und ZDF schließen
Screenshot: „Bild“

Auslöser war eine Instagram-Story des Funk-Formats „Die da oben“, in dem es hieß: „Björn Höcke, Alice Weidel, Friedrich Merz und Markus Söder haben was gemeinsam: Sie sind rechts“. Sie warb für ein Video, das die sehr unterschiedlichen Formen irgendwie „rechter“ Politik diskutierte.

Der Insta-Post löste größte Empörung aus. Die ARD bat mehrmals um Entschuldigung.

Aber CSU-Mann Stefan Müller will Funk deshalb jetzt komplett einstellen, und dazu hatte ich ihm fünf Fragen geschickt:

  1. Welche konkreten Schritte wird Herr Müller ergreifen, um eine Änderung des Medienstaatsvertrags in die Wege zu leiten?
  2. Welche konkreten Änderungen im Medienstaatsvertrag möchte Herr Müller vornehmen?
  3. Bislang ist darin in §33 ein gemeinsames öffentlich-rechtliches Jugendangebot vorgesehen: „Das Jugendangebot soll inhaltlich die Lebenswirklichkeit und die Interessen junger Menschen als Zielgruppe in den Mittelpunkt stellen und dadurch einen besonderen Beitrag zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags nach § 26 leisten.“ Will Herr Müller das streichen?
  4. Wenn die Programmgrundsätze des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verletzt werden, gibt es dagegen das Mittel einer Programmbeschwerde. Hat Herr Müller eine solche Programmbeschwerde gegen „Funk“ eingereicht?
  5. Inwiefern ist es mit dem Prinzip der Staatsferne zu vereinbaren, dass Politiker mit der Einstellung eines ganzen Programms drohen, weil sie mit bestimmten einzelnen Inhalten nicht einverstanden sind?

Müller hatte es, wie gesagt, sehr sehr uneilig, mir darauf Antworten zu geben. Am Donnerstag schließlich erhielt ich immerhin doch noch eine Mail vom Pressesprecher der CSU im Bundestag. Er teilte mir mit, dass ich Stefan Müller auf meine Fragen wie folgt zitieren könne:

„Ich werde mich bei den Medienpolitikern der Länder dafür einsetzen, Funk abzuschaffen. Dafür muss der Medienstaatsvertrag geändert werden, der momentan noch die Grundlage für Funk ist. Eine Besserung der journalistischen Standards ist nicht absehbar, womit die Einstellung der Funk-Formate unumgänglich ist.“

Das ZDF ist keine Hilfe

Auf konkrete Fragen mit einem Statement zu reagieren, das sie nicht beantwortet, ist eine Unsitte, die wir bei unserer Arbeit fast jeden Tag erleben, gerne auch von Pressestellen der öffentlich-rechtlichen Sender. Das ZDF zum Beispiel war nicht willens oder in der Lage, Auskunft zu geben zur Aufstockung des Personals bei Funk.

Wir hatten gefragt:

In der „Bild“-Zeitung wird berichtet, ZDF-Intendant Norbert Himmler habe „am Freitag in der Sitzung des ZDF-Fernsehrats in Schwerin“ gesagt, „funk“ solle mehr Personal bekommen, „journalistische Kompetenz zu stärken“. „Eine entsprechende Vereinbarung habe er mit dem SWR-Intendanten Kai Gniffke (62), der die ARD-Seite vertritt und ‚funk‘-Gesamtverantwortlicher ist, getroffen“, so „Bild“ weiter.

  1. Trifft diese Berichterstattung zu? Wenn nein, was ist stattdessen richtig?
  2. Wenn ja, mit wie vielen und was für Stellen bei welchen Formaten oder bei funk selbst soll diese Kompetenzstärkung erreicht werden?
  3. „Bild“ erweckt den Eindruck, die Entscheidung stehe in Zusammenhang mit der jüngsten Aufregung um eine Folge bzw. die Social-Media-Begleitung des Formats „DIE DA OBEN!“ Trifft dies zu?

Anstelle einer Antwort schrieb uns die ZDF-Pressestelle:

„Das Budget von funk wurde für 2023 erhöht. Damit werden auch zusätzliche Arbeitsplätze in der funk-Zentrale geschaffen. Diese sollen auch zur Verstärkung der redaktionellen Aufgaben eingesetzt werden.“

Aha. Nachfrage von uns:

„Wenn Sie schreiben, ‚das Budget von funk wurde für 2023 erhöht‘.
War diese Steigerung schon zu Beginn der Beitragsperiode so vorgesehen oder woher stammen die zusätzlichen Mittel?“

Erwiderung des ZDF:

„Seit Gründung von funk im Jahr 2015 war das Gesamtbudget gedeckelt. Zum Wirtschaftsplan 2023 wurde von ARD und ZDF gemeinsam erstmalig ein Mehrbedarf gegenüber der mittelfristigen Finanzvorschau von knapp 750.000€ beschlossen und durch die zuständigen Gremien genehmigt.“

Tja. Na dann.

Hauptsache Schlagzeile

Beim ZDF hat man kein Interesse daran, die Öffentlichkeit (und damit die Beitragszahler) vernünftig und transparent zu informieren. Und der CSU-Bundestagsfraktion geht es nicht ernsthaft um eine Debatte um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den Umgang mit angeblichen unverbesserlichen Problemen. Es geht ihr um eine markige Schlagzeile in der „Bild“-Zeitung, es geht ihr darum, mit einer populistischen Forderung billige Punkte bei Wählern zu machen.

Sie findet dafür natürlich immer wieder private Medien, nicht zuletzt die von Axel Springer, die sich dafür gern als Verstärker zur Verfügung stellen, ohne eine einzige kritische Nachfrage zu stellen.

Dass sich die CSU nicht einmal die Mühe machte, sich wenigstens irgendeine Laberantwort auszudenken, wie sich ihre Einmischung mit dem Prinzip der Staatsferne vereinbaren lässt, spricht Bände.


Im aktuellen Übermedien-Newsletter geht es auch um die absurde Geschichte, wie Günther Jauch sich beklagte, was Medien für einen Unsinn über ihn schreiben, was zur Folge hatte, dass zahlreiche Medien anderen Unsinn über ihn schrieben.

8 Kommentare

  1. Das Prinzip der Staatsferne bedeutet nicht, dass nur die linke Weltanschauung, nicht aber die rechte Sicht verbreitet wird. Die CSU müsste also nicht die Schließung des grün-roten Kanals fordern, sondern eine Erweiterung um einen schwarzen Kanal.

  2. Der inkriminierte Instagram-Post ist mir nicht bekannt, das Video von „diedaoben“ ist aber weiterhin verfügbar. Und insoweit gilt: Man kann sicherlich über einzelne Einordnungen streiten; so leuchtet die Zuordnung einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftspolitik zu „rechten“ Positionen gerade mit Blick auf die obrigkeitsstaatlich-freiheitsfeindliche Konnotation von „rechts“ nicht unbedingt ein. Aber grundsätzlich ist der Beitrag (1.) differenziert, denn es werden gerade nicht die Repräsentant*innen unterschiedlicher Parteien unterschiedslos und einheitlich als Vertreter*innen identischer „rechter“ Positionen qualifiziert; (2.) erkennbar fachwissenschaftlich unterlegt.

    Vor diesem Hintergrund ist unbeschadet der Möglichkeit von Kontroversen über einzelne Ein- oder Zuordnungen die Kritik von Herrn Müller in der Form erkennbar überzogen und in der Sache fragwürdig. Darüber hinaus irritiert, dass Repräsentanten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sogleich zu umfangreichen Entschuldigungen ausgeholt haben, kaum dass ihnen ein Lüftchen des Widerstands oder der Kritik entgegenweht. So wird ARD-Chef Gniffke im „Tagesspiegel“ (04.07.) mit den Worten zitiert, es handele sich bei dem Beitrag „um einen schweren Fehler“, der im Widerspruch zu der Art von Journalismus stehe, für den er jeden Tag arbeite. Und Funk-Geschäftsführer Schild erklärte ausweislich eines RND-Berichts (28.06.), die Darstellung sei „problematisch“, weil sie konservative demokratische Parteien mit extremistischen Haltungen auf eine Ebene stelle, wofür er sich „aufrichtig“ entschuldigen wolle. Diese Eil- und Bußfertigkeit war zumindest vor dem Hintergrund des Inhalts des Videos – der Instagram-Post ist offenbar gelöscht und nicht mehr nachvollziehbar – aber kaum angezeigt. So ist nicht ohne Weiteres erkennbar, inwiefern demokratische Parteien mit extremistischen Haltungen „auf eine Ebene gestellt“ werden. Die Ausführungen von Herr Gniffke lassen demgemäß auch nicht erkennen, unter welchem Aspekt der Beitrag im Widerspruch zu dem von ihm gewollten Journalismus steht. Es wäre vor diesem Hintergrund wünschenswert (und zu erwarten) gewesen, wenn sich die verantwortlichen Personen hinter den Beitrag gestellt hätten, um eine sachliche Diskussion zu ermöglichen.

  3. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man nicht mal darüber lachen. Danke, dass du trotzdem am Thema geblieben bist – das ist der Grund, weshalb ich euch gern im Abo habe. Schade, dass sich diese Art von Journalismus nicht flächendeckend durchsetzen kann.

  4. „Da keine Besserung der journalistischen Standards in Sicht ist, muß […] eingestellt werden“ beklagt er sich in der „Bild“.
    Genau mein Humor…

  5. Ich gehe jede Wette ein, dass keiner der empörten CxU-Politiker das Video überhaupt gesehen hat. Anhand des gallespuckenden Verhaltens gehe ich davon aus, dass sich nur das Titelbild über die CDU-WhatsApp-Gruppe verbreitet hat.

  6. PS:
    Funk hat das gleiche auch mit „Links“ gemacht. Aufgeregt hat sich aber nur die rechte Bubble (die ausgerechnet Springer als Brandbeschleuniger dafür nutzt, anderen Journalistische Qualitäten abzusprechen).

  7. Inwiefern ist es mit dem Prinzip der Staatsferne zu vereinbaren, dass Politiker mit der Einstellung eines ganzen Programms drohen, weil sie mit bestimmten einzelnen Inhalten nicht einverstanden sind?

    Nun ja, so ganz staatsfern ist die ins Spiel gebrachte Änderung des Medienstaatsvertrages ja eigentlich auch nicht. Der Staat hat genau die immer wieder kritisierte Vielzahl von Sendern bestellt.
    Nichtsdestotrotz bleibt es ein Trauerspiel, wie immer wieder die BILD als Maßstab von Medienwirkung herhält.

  8. Der Kotau der Verantwortlichen von Funk gegenüber der Politik zeigt ja gerade, dass es mit der Staatsferne nicht weit her ist. Anstatt den Machern den Rücken zu stärken…siehe 1. Satz.

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