Enthüllungen um Filmstar

Warum die SZ die Til-Schweiger-Story recherchierte – aber nicht veröffentlichte

"Spiegel"-Text über Til Schweiger
„Spiegel“-Text über Til Schweiger, Ausgabe vom 29.4.23 Ausriss: „Der Spiegel“

Eigentlich hätte es schon vor dem Start von „Manta Manta – Zwoter Teil“ knallen sollen. Die Geschichte darüber, dass der große deutsche Filmstar Til Schweiger angeblich am Set trinkt und aggressiv wird, hätte ursprünglich Mitte März in der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) erscheinen sollen. Also rund zweieinhalb Wochen bevor der neue Schweiger-Film am 30. März anlief. Doch daraus wurde nichts. Der Artikel erschien erst eineinhalb Monate später, Ende April. Und nicht in der SZ, sondern im „Spiegel“ – obwohl man bei der SZ bereits monatelang an dem Stück gearbeitet hatte.

Dass eine Recherche das Medium wechselt, ist ungewöhnlich. Vor allem zu einem Zeitpunkt, in dem die Betroffenen bereits mit dem Verdacht konfrontiert waren: Til Schweiger und die Filmgesellschaft Constantin Film.

Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ (FAS) berichtete zuerst über den ungewöhnlichen Umzug der Recherche von der SZ zum „Spiegel“. Doch die brisante Medienenthüllung ging fast unter in dem FAS-Artikel, in dem es hauptsächlich um einen Verhaltens-Kodex in der Kultur- und Medienbranche ging, den Staatsministerin Claudia Roth fordert – auch aufgrund der aktuellen Enthüllungen um Til Schweiger.

Was bisher geschah …

Der populäre Filmemacher, der mit romantischen Komödien wie „Keinohrhasen“ regelmäßig ein Millionenpublikum ins Kino lockt, soll also laut „Spiegel“ an Filmsets ausfällig geworden sein, Mitarbeiter schikaniert haben, in mindestens einem Fall auch handgreiflich geworden sein – und zuweilen soll er dabei betrunken gewesen sein. Der „Spiegel“ schrieb, er habe mit „mehr als fünfzig Filmschaffenden“ sowie aktuellen und ehemaligen Vertrauten gesprochen. Es ist die Rede von einem „Klima der Angst“ an Schweigers Filmsets. Schweiger widersprach den Vorwürfen über seine Anwältin.

Die Produktionsgesellschaft Constantin Film sagte dem „Spiegel“ gegenüber zunächst, die Vorwürfe gegen Schweiger seien „überwiegend unvollständig und verzerrend, teilweise auch wiederum schlicht falsch“. Kurz danach räumte der Vorstandsvorsitzende Martin Moszkowicz in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ aber ein, dass es an einem Drehtag für „Manta Manta 2“ im Juli 2022 zu einer „Auseinandersetzung“ und anschließend zu einer „Tätlichkeit“ zwischen Schweiger und einem Mitarbeiter der Constantin Film gekommen sei. Schweiger sei daraufhin abgemahnt worden; die Dreharbeiten habe man unterbrochen.

Auch Constantin wurden in dem „Spiegel“-Text Vorwürfe gemacht. Es geht zum Beispiel um „Arbeitsschutzverletzungen in Form von Überschreitung der Drehzeit oder Nichteinhaltung der Ruhetage“, was Constantin als „unzutreffend“ bezeichnete und auf „lückenlose“ Dokumentation der Arbeitszeiten hinwies. Ein weiterer Vorwurf: Constantin habe Missstände an Schweiger-Sets geduldet. Die Filmgesellschaft sagte dem „Spiegel“ dazu: „In Wirklichkeit war die allgemeine Stimmung während der Dreharbeiten ganz überwiegend überdurchschnittlich positiv.“ Inzwischen hat Moszkowicz gegenüber der SZ eingeräumt, das würde er nicht mehr so formulieren.

Warum hatte die „Süddeutsche Zeitung“ über all diese Vorwürfe nicht berichtet, obwohl sie ihr bekannt waren?

Liegt es daran, dass die Zeitung und die Produktionsfirma seit einigen Jahren zusammenarbeiten, um „aus gutem Journalismus gute Filme und Serien“ zu machen? Liegt es daran, dass sich die Zeitung im Vorfeld der geplanten Veröffentlichung von einem externen Anwalt juristisch beraten ließ, dessen Kanzlei in anderen Fällen auch Constantin vertritt? Hatte die Chefredaktion der SZ kurz vor Veröffentlichung kalte Füße bekommen und wollte teure Rechtsstreits vermeiden? Oder zog die Autorin vorschnell ihre Recherche ab, nachdem sie das Vertrauen in die SZ verloren hatte?

„Immer mehr Hinweise“

Die freie Journalistin Maike Backhaus hatte, das erzählt sie im Gespräch mit Übermedien, im Herbst 2022 von den Vorfällen rund um Til Schweiger erfahren. Sie habe begonnen, der Sache nachzugehen. Auch die SZ recherchierte zu diesem Zeitpunkt bereits dazu. Backhaus hatte schon vorher für die SZ gearbeitet, unter anderem für eine Enthüllung von Gewaltvorwürfen gegen den Fußballer Jérôme Boateng. Sie wurde von der SZ beauftragt und arbeitete gemeinsam mit einem Redakteur und einer Redakteurin an der Recherche in Sachen Til Schweiger. Der Text sollte schließlich im „Buch Zwei“ erscheinen, dem Ressort in der „SZ am Wochenende“, das Platz für lange, ausführliche Stücke hat.

„Da kamen immer und immer mehr Hinweise. Ich dachte, es würde viel schwieriger werden, Leute zu finden, die mit uns reden“, erzählt Maike Backhaus. Relativ schnell stand das geplante Veröffentlichungs-Datum fest: Samstag, 11. März in der gedruckten Ausgabe der SZ; einen Tag vorher sollte die Geschichte online gehen.

Schweiger, Constantin Film und auch Filmförderanstalten waren vorher von der SZ mit den Vorwürfen konfrontiert worden, damit sie dazu Stellung nehmen können. Die interne Rechtsabteilung der SZ hatte laut Übermedien-Informationen die Recherche und die Fragenkataloge abgesegnet. Die Antworten darauf kamen direkt von den Anwälten von Schweiger und Constantin.

Die SZ zog den Anwalt Martin Schippan als juristischen Berater hinzu. Er vertritt die Tageszeitung seit Jahren immer wieder. Eine solche Beauftragung einer externen Kanzlei ist ein normaler Vorgang. SZ-Chefredakteur Wolfgang Krach erklärt im Gespräch mit Übermedien, dass bei komplizierten oder heiklen Recherchen häufig bereits vor Erscheinen einer Geschichte neben der internen rechtlichen Beratung externer juristischer Rat eingeholt werde. Es komme im Übrigen auch regelmäßig vor, dass Antworten auf eine Konfrontation neue Fragen aufwürfen, die weitere Recherchen erforderten, und eine Geschichte deshalb verschoben werden müsse.

Information blieb offenbar stecken

Schippans Kanzlei arbeitet allerdings nicht nur für die SZ, sondern vertritt in anderen Angelegenheiten auch Constantin. Davon wusste aber offenbar niemand in der Redaktion der SZ. Im Übermedien-Gespräch erklärt Krach das so: Schippan habe, nachdem er von der Rechtsabteilung des Verlages angefragt worden sei, diese unverzüglich darauf hingewiesen, dass seine Kanzlei – nicht er persönlich – die Constantin Film AG in anderer Angelegenheit berate und er deshalb zwar bei der Textprüfung unterstützen, aber naturgemäß im Falle einer Abmahnung oder eines Prozesses für die SZ nicht gegen die Constantin Film AG agieren könne. Die Information über diesen möglichen Interessenskonflikt habe die Redaktion aus der SZ-Rechtsabteilung nicht erreicht.

Und so kam es zu zwei Terminen mit dem Anwalt und der Redaktion. Beim ersten Termin empfahl Schippan der Redaktion nach Übermedien-Informationen, den Artikel ausgewogener zu gestalten, weshalb die geplante Veröffentlichung verschoben wurde. Auch das ist nicht unüblich und bei einer Verdachtsberichterstattung wichtig: Um zu vermeiden, dass Leser ein vorverurteilendes Bild über die Person bekommen, über deren mutmaßliches Fehlverhalten berichtet wird, müssen neben den belastenden Punkten auch entlastende berücksichtigt werden. In der Version, die Ende April im „Spiegel“ erschienen ist, steht zum Beispiel, dass Schweiger am Set auch seine guten Seiten zeige: Er setze sich für seine Mitarbeiter ein, sei großzügig, auch was technische Anschaffungen angehe, bestelle auch mal den Eiswagen ans Set …

Der SZ-Text wurde also überarbeitet – dann stand ein weiterer Termin mit Schippan an, bei dem auch die Chefredakteurin Judith Wittwer dabei war. Nun waren die juristischen Bedenken offenbar noch größer als bei der ersten Besprechung. Vor allem die Darstellung Schweigers im betrunkenen Zustand soll er als juristisches Problem gesehen haben. Dass der Text den Verdacht erweckt, der Filmstar sei alkoholsüchtig, verletze die Intimsphäre, so das Argument.

Das ist ein Einwand, mit dem sich auch der „Spiegel“ auseinandersetzte. Im Text „Sie nannten ihn den Imperator“ steht ein Absatz dazu:

„Der SPIEGEL hat lange abgewogen, ob es vertretbar ist, über Schweigers mutmaßlichen Alkoholkonsum zu berichten. Suchtkranke sind ihrer Droge ausgeliefert und leiden oft unter ihrer Abhängigkeit. Doch Schweiger, so sagen es Mitarbeiter, habe auch bei der Arbeit so viel und so häufig getrunken, dass er nicht nur sich selbst gefährde. Sondern auch seine Crew.“

Ein weiterer Einwand Schippans gegen eine Veröffentlichung war nach Übermedien-Informationen, dass die Berichterstattung über eine mutmaßliche Körperverletzung durch Til Schweiger nicht zulässig sei, weil es weder eine Anklage noch eine Ermittlung gebe. Das wäre ein erstaunliches Argument. Wenn das die Voraussetzung dafür wäre, dass über einen Verdacht berichtet werden darf, könnte man zum Beispiel über die meisten #MeToo-Fälle gar nicht berichten. Backhaus ist irritiert von dem juristischen Einwand: „Unsere Arbeitshypothese war ja zu Beginn der Recherche, dass es einige Vorfälle rund um Til Schweiger gibt, gegen die sich niemand traut vorzugehen, indem man zum Beispiel Anzeige erstattet.“

Die Chefredaktion entscheidet, nicht der Jurist

Chefredakteur Wolfgang Krach sagt im Gespräch mit Übermedien, natürlich seien in einem solchen Fall die rechtlichen Hürden hoch, aber überwindbar. Die SZ habe schon „x-fach“ über Sachverhalte berichtet, bei denen es weder eine Anklage noch Ermittlungen gegeben habe. Die Entscheidung über eine Veröffentlichung liege immer bei der Chefredaktion.

Dennoch folgte die Chefredaktion in diesem Fall wieder dem Rat des Anwalts – und entschied sich gegen eine Veröffentlichung, zumindest gegen die Veröffentlichung der zu diesem Zeitpunkt aktuellen Version. An dieser Stelle gehen die Schilderungen der Vorgänge auseinander: Maike Backhaus sagt, die Geschichte sei abgesagt worden. Das steht auch in einer Mail aus der SZ-Redaktion, die Übermedien vorliegt. Chefredakteurin Judith Wittwer sagt: „Wir wollten diese Geschichte machen.“

Es sah jedenfalls mindestens vorübergehend so aus, als würde die Geschichte nicht erscheinen. Darüber seien die Quellen informiert worden, so Maike Backhaus. Dennoch gab es wenige Tage später weitere Versuche der Chefredaktion, die Geschichte bei der SZ zu halten. Doch die Autorin, bei der die Kontakte zu vielen Quellen und die Belege lagen, lehnte ab. Die Informanten, und auch sie selbst, hätten zu diesem Zeitpunkt längst das Vertrauen verloren. Zudem hatte sie offenbar Sorge, dass, wenn überhaupt, nur noch ein weichgespülter, unkritischer Text erscheint, der am Ende bestenfalls ein kontroverses Porträt ist, aber keine investigative Geschichte über den mutmaßlichen Machtmissbrauch durch einen Filmstar.

Hinzu kommt, dass Backhaus den möglichen Interessenkonflikt bei Schippans Kanzlei durch die Mandate für SZ und Constantin erst selbst herausfinden musste. Sie hatte die Chefredaktion darüber informiert. Denn die hatte, wie sie betont, aus der Rechtsabteilung nichts darüber erfahren.

Mindestens ein Beigeschmack

Nach Übermedien-Informationen vertritt die Kanzlei Lausen, bei der Schippan Partner ist, die Constantin sogar in einem Fall, der auch mit dem Schweiger-Film zu tun hat: Der Drehbuchautor von „Manta Manta 1“ aus dem Jahr 1991 soll aktuell eine Klage gegen Constantin Film vorbereiten. Es geht dabei um Urheberrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem neuen Film „Manta Manta – Zwoter Teil“.

Auch wenn der Anwalt berufsrechtlich korrekt gehandelt haben mag und man ihm nicht unterstellen muss, dass er die SZ gegen ihre Interessen beraten hat, hat die Sache dennoch einen Beigeschmack. Denn im Ergebnis half Schippans Rat vor allem Constantin: Der Artikel wurde zunächst nicht veröffentlicht. Und kurz vor Kino-Start hätte der Constantin ein Skandal mit ihrem Star besonders geschadet.

Martin Schippan teilte auf Übermedien-Anfrage mit, dass er sich aus berufsrechtlichen Gründen nicht äußern könne. Die „anklingenden Vorwürfe“ wies er „vollumfänglich“ zurück. Sie seien nicht zutreffend.

„Keinerlei Mängel“ bei der Recherche

Backhaus zog also mit ihrer Recherche samt Belegen zum „Spiegel“, wo die Geschichte sechs Wochen später erschien. Gegenüber der FAS teilte der „Spiegel“ mit:

„Die freie Autorin Maike Backhaus hat sich mit einer Recherche an den ,Spiegel‘ gewandt. ,Der Spiegel‘ hat Backhaus’ Recherche in wochenlanger Arbeit minutiös überprüft und keinerlei Mängel festgestellt. Die beiden Autorinnen fanden außerdem zusätzliche Zeugen und führten Gespräche, die Backhaus’ Recherche-Ergebnisse stützten. Aus dieser gemeinsamen Arbeit entstand schließlich der fertige ,Spiegel‘-Text.“

Auf Übermedien-Anfrage, ob die Veröffentlichung seitdem juristisch angegriffen wurde, antwortet der „Spiegel“: „Nein, weder die Anwälte von Til Schweiger noch die Anwälte von Constantin Film haben sich bislang beim SPIEGEL gemeldet.“

Das heißt nicht, dass da nichts mehr kommt. Einstweilige Verfügungen oder Unterlassungsaufforderungen flattern aber nach einer solchen Veröffentlichung in der Regel zeitnah ins Haus.

SZ-Chefredakteurin Judith Wittwer sagt: „Erste Hinweise zum Fall Schweiger gingen bei der SZ schon im vergangenen Jahr ein. Daraufhin begannen wir die Recherche und beauftragten neben einer Kollegin und einem Kollegen aus der Redaktion auch eine freie Autorin. Deshalb ist das eine SZ-Geschichte, die auch bei uns hätte publiziert werden sollen.“

Chefredakteur Wolfgang Krach nannte die Entscheidung der Autorin, mit den Ergebnissen dieser Recherche zu einem anderen Medium zu gehen, „irritierend“. Beide bedauern, dass es bei Backhaus offenbar einen Vertrauensverlust gegeben habe. Dass die Sache, vor allem kommunikativ, nicht gut gelaufen ist, räumen sie aber ein.

Schlechte Stimmung im Turm

Im SZ-Hochhaus in München herrscht gerade viel Unmut wegen der ganzen Sache. Viele Redaktionsmitglieder sind frustriert, dass ein Scoop, in den viel Zeit und Kraft geflossen ist, dann nicht im eigenen Blatt erscheint, sondern bei der Konkurrenz. Hinzu kommt Wut und Unverständnis über das Handeln der Chefredaktion; über ihre augenscheinliche Zurückhaltung oder Angst, die Geschichte zu veröffentlichen, als sie noch mehr Biss hatte. Bei der Recherche zur Ibiza-Affäre hatte es auch massive Bedenken der Juristen gegeben. Dennoch entschied sich die Chefredaktion für eine Veröffentlichung. Eine Person aus der SZ-Redaktion, die hier anonym bleiben möchte, berichtet auch von der Sorge innerhalb der Belegschaft, dass die nicht-veröffentlichte Schweiger-Recherche dem investigativem Ruf der SZ massiv geschadet hat.

Heikel ist vor allem der Umgang mit den Informanten. Denn die waren ja davon ausgegangen, dass ihre Informationen bei der SZ in guten Händen sind. Die FAS schreibt dazu:

„Für die Quellen sah es für eine Weile so aus, als hätten sie sich vergeblich vorgewagt. So ein Fragenkatalog ist sehr ausführlich. Jeder Sachverhalt wird als Frage formuliert, sodass die befragte Seite dazu Stellung beziehen kann. Nach einer Konfrontation nicht zu veröffentlichen ist ungewöhnlich, auch weil die Informanten in Schwierigkeiten geraten können. Die Constantin Film und Schweiger kannten nun die Vorwürfe und konnten sich zum Teil denken, von wem sie kamen, die Öffentlichkeit aber noch nicht.“

Auch Maike Backhaus betont, wie schwierig es gewesen sei, den Informanten die Situation zu erklären: „Es gab auch ein paar, die total gewankt haben mit ihrem Vertrauen in den Journalismus. Ich musste denen ja sagen, ich muss damit jetzt woanders hin, obwohl wir damit kurz vor der Veröffentlichung waren.“

Nach Angaben der SZ-Chefredaktion enthielten der Schippan vorgelegte Text sowie die ihm vorgelegten Konfrontationen nur ohnehin zur Veröffentlichung bestimmte Informationen. Dazu gehörten die Namen von Zeugen, die mit der Veröffentlichung ihrer Identität einverstanden waren. Weitere Belege seien ihm nicht vorgelegt worden. Die SZ sei ein Haus, „dem der Quellenschutz heilig ist“, das habe man in „unzähligen Fällen“ bewiesen. „Wenn Quellen aufgrund dieser Geschichte irritiert wurden, dann bedauern wir das sehr.“

Dennoch ist nicht auszuschließen, dass Constantin Kontakt mit Quellen der Recherche aufgenommen hat, um zu verhindern, dass sie an die Öffentlichkeit gehen. Das klingt sogar in einem SZ-Interview mit Constantin-Vorstand Moszkowicz am Freitag an. Nachdem er zugegeben hat, Fehler in der Schweiger-Sache gemacht zu haben, fragen ihn die Interviewer: „Gehört zu diesen Fehlern auch, dass Sie auf Personen eingewirkt haben, nicht mit Journalisten über Probleme mit Til Schweiger zu sprechen?“ Moszkowicz streitet das ab.

Die Kooperation

Zu der Kooperation zwischen „Süddeutscher Zeitung“ und Constantin, die weiteres Misstrauen schürte, sagt Judith Wittwer: Immer wieder hätten Produktionsfirmen bei der SZ angefragt, wenn es um die filmische Umsetzung journalistischer Stoffe gehe. Die Kooperation mit Constantin sei eine Angelegenheit des Verlages, nicht der Redaktion, und zudem nicht exklusiv. (In der Pressemitteilung zum Start vor drei Jahren war allerdings von einer „exklusiven Zusammenarbeit“ die Rede.) 

Bisher sei erst eine Dokumentation tatsächlich realisiert worden: „22. Juli – Die Schüsse von München“ über den Amoklauf im Olympia-Einkaufszentrum. Zudem seien aus SZ-Geschichten auch zwei andere Filme entstanden: „Behind the headlines“, der im Kino und im ZDF lief, sowie „Die Ibiza-Affäre“, den Sky gezeigt hat. Beide seien nicht mit der Constantin realisiert worden.

Dass die Geschichte über Til Schweiger nicht in der SZ erschien, obwohl ein Rechercheteam monatelange daran gearbeitet hat, scheint vor allem ein hausgemachtes Problem der SZ gewesen zu sein – eine Mischung aus schlechter interner Kommunikation, zögerlichen Entscheidungen und Vertrauensverlust. Offene Fragen aber bleiben: Warum wurde die Redaktion nicht darüber informiert, wer sie berät? Warum nahm der beratende Anwalt das Mandat überhaupt an? Wie konnte es sein, dass die rechtlichen Hürden trotz Überarbeitung des Textes größer und nicht kleiner wurden? Warum richtete sich die Chefredaktion so sehr nach dieser Einschätzung, wo sie doch bei anderen Recherchen eine mutigere Linie fährt?

Jetzt, nach der „Spiegel“-Veröffentlichung, berichtet auch die SZ kritisch über den Fall Schweiger. Dem Vertrauen ihrer Leser und möglicher zukünftiger Informanten würde es wahrscheinlich nicht schaden, in den Berichten transparent zu machen, dass der Verlag und Constantin kooperieren. Die Chefredaktion hält das nicht für nötig.

6 Kommentare

  1. Zitat:
    Martin Schippan teilte auf Übermedien-Anfrage mit, dass er sich aus berufsrechtlichen Gründen nicht äußern könne. Die „anklingenden Vorwürfe“ wies er „vollumfänglich“ zurück. Sie seien nicht zutreffend.

    Zumindest muss er sich den nicht abstreitbaren Vorwurf gefallen lassen, dass er das Beratungsmandat aus Befangenheit / Interessenkonflikt hätte ablehnen sollen.
    (Außerdem den der Benutzung des Unwortes „vollumfänglich“ ^^)

  2. Das ist ein sehr erhellender Artikel.
    Vor allem frage ich mich jetzt, ob es häufiger passiert, dass ein eigentlich fertiger Enthüllungsbericht wegen „Bedenken“ nicht veröffentlicht wird, weil es keine zweite Zeitung gibt, die ihn übernehmen will.
    Hier scheint das fragliche Fehlverhalten ja sogar besonders gut dokumentiert zu sein.

  3. Man kennt sich in München. Kurt Kister Urgestein der SZ und Martin Moszkowicz von der Constantin haben zeitgleich an der LMU Kommunikationswissenschaft studiert.

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