Zweitverwertung von Texten

Follow the Money: Wie kommt das VG-Wort-Geld zu mir?

Tweet von Julius Betschka: "Hurra! VGWort ist da" mit Zigarettenemoji und einem Foto einer Bifi-Verpackung und einer Capri-Sun-Getränketüte
Screenshot: Twitter/JuliusBetschka

Wenn Sie dieser Tage ein leicht seliges Grinsen auf den Gesichtern von prekär lebenden Journalist:innen, unterbezahlten Volontär:innen und gebeutelten Freien wahrnehmen, liegt das womöglich an Geld, genauer: an der Ausschüttung der VG Wort.

VG what? Die „Verwertungsgesellschaft Wort“ sollte allen, die beruflich schreiben, ein Begriff sein. Trotzdem bleiben die Mechanismen dahinter für Laien und Einsteiger:innen, aber auch für (nicht wenige) etablierte Journalist:innen oft ein Rätsel: Wie kommt diese Ausschüttung überhaupt zustande? Wen vertritt die Verwertungsgesellschaft – und wie komme ich da rein? Was sind nochmal Tantiemen? Und was genau hat dieses unsichtbare Zählpixel (→ ←) mit alldem zu tun? Na, dann wollen wir mal:

Was ist die VG Wort?

Die Verwertungsgesellschaft Wort, 1958 gegründet, ist ein Wirtschaftsverein, der die Nutzungsrechte und Vergütungsansprüche von Autor:innen und Verlagen vertritt. Damit ist ihre Rolle etwa vergleichbar mit jener der GEMA in der Musikbranche. Heißt: Sie treibt die Tantiemen ein, die anfallen, wenn Texte vervielfältigt oder zweitverwertet werden. Also etwa dann, wenn ein Text kopiert, in Pressespiegeln übernommen oder in Bibliotheken verliehen wird. Passiert das, sollte dessen Urheber:in Geld bekommen – und dafür sorgt die VG Wort.

Wer kann mitmachen?

Die VG Wort vertritt Schreibende aller Art: Journalist:innen, Blogger:innen und Autor:innen ebenso wie Wissenschaftler:innen, Übersetzer:innen und Verleger:innen. Dazu muss man kein Mitglied werden; es reicht aus, einen einfachen Wahrnehmungsvertrag abzuschließen. Laut Geschäftsbericht des vergangenen Jahres zählt die VG Wort insgesamt 320.500 Urheber:innen und Verlage, die einen solchen Vertrag unterzeichnet haben.

Dabei ist es erstmal egal, ob deren Texte für Print-Medien, Hörfunk oder TV geschrieben wurden. Auch um Internet-Publikationen – also Nachrichtenportale, Online-Magazine (huhu!) und Blogs – kümmert sich die VG Wort. Deren Anteil steigt übrigens stetig: Allein bei der Auswertung im vergangenen Jahr wurden 25,5 Millionen Texte im Internet einbezogen. Und dabei werden Formate wie Podcasts oder Streams von der Verwaltungsgemeinschaft bisher nicht einmal erfasst.

Woher kommt das ganze Geld?

„Tantiemen und Zweitverwertungsrechte“ klingen vielleicht zunächst unspektakulär, das täuscht aber. Die Summen sind beachtlich: So wurden im vergangenen Jahr mehr als 236 Millionen Euro ausgeschüttet, verteilt auf rund 177.000 Empfänger:innen.

Das Geld, das die VG Wort verteilt, kommt aus verschiedenen Quellen. Der größte Anteil stammt aus der sogenannten Geräteabgabe; im vergangenen Jahr sorgte diese für rund 45 Prozent der Gesamteinnahmen. Mit jedem Kauf eines Druckers, Laptops oder USB-Sticks zahlt man in einen Topf ein, der letztendlich an Autor:innen und Verlage ausgeschüttet wird. Denn Hersteller und Händler von Kopiergeräten und Speichermedien zahlen einen Ausgleich dafür, dass man damit private Kopien von urheberrechtlich geschützten Werken anfertigen kann.

Deshalb sind auch Bildungseinrichtungen mit Intranet (macht 7,7 Prozent aus), Bibliotheken (6 Prozent) und Copyshops (2,8 Prozent) zu einer pauschalen Abgabe an die Verwertungsgesellschaft verpflichtet. Dazu kommen viele weitere Einnahmequellen, etwa Lesezirkel, Kabelbetreiber oder Verleger von Schul- und Kirchenbüchern. Grundlage hierfür bilden festgelegte Tarife, welche die VG Wort mit den Vergütungspflichtigen oder ihren Verbänden aushandelt.

Wie setzt sich der Betrag zusammen?

Die Ausschüttung richtet sich nach jährlich neu festgelegten Quoten, die von zwei Faktoren bestimmt sind: die Einnahmen der Verwertungsgesellschaft und die Anzahl der teilnehmenden Autor:innen und Verlage. Im Print-Bereich von Zeitungen und Zeitschriften werden etwa Texte berücksichtigt, sobald sie mehr als 900 Zeichen umfassen. Der Ausschüttungsbetrag ist dann wiederum abhängig von der Zeichenanzahl und der Auflage der Medien, in denen der Beitrag veröffentlicht bzw. aufgegriffen wurde. Heißt: Längere Texte für reichweitenstarke Blätter zahlen sich in der Regel mehr aus als kurze Meldungen für Lokalzeitungen.

Bei Texten, die ausschließlich im Internet erschienen sind, läuft es anders. Diese können gemeldet werden, wenn sie mehr als 1.800 Zeichen umfassen und mindestens 1.500 Mal innerhalb eines Kalenderjahres aufgerufen wurden; hat der Text mehr als 10.000 Zeichen, reichen bereits 750 Zugriffe. Sobald dieser Schwellenwert überschritten ist, wird pro Artikel ein Pauschalbetrag ausgezahlt. Im vergangenen Jahr lag dieser bei 45 Euro.

Wer zählt das?

Voraussetzung ist, dass die Aufrufe mithilfe eines Zählpixels erfasst werden, verbaut im HTML-Code der Website. Autor:innen mit eigenen Blogs müssen diese unsichtbare Wanze selbst setzen, in Medienunternehmen übernimmt das in der Regel die Redaktion. Diese Zählmarken sind im Online-Portal von VG Wort verfügbar; jede kann nur einmalig verwendet werden, ist also mit einem ausgewählten Text verknüpft.

Werden keine Zählmarken gesetzt, werden die Texte stattdessen bei einer Sonderausschüttung berücksichtigt, deren Quoten fallen aber deutlich niedriger aus. Wie der Berufsverband Freischreiber kritisiert, geben etwa die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihre Online-Zugriffszahlen bislang nicht an die VG Wort weiter, was Autor:innen bei der Ausschüttung benachteiligt.

Wann kommt das Geld?

Um teilzunehmen, müssen die Texte des Vorjahres fristgerecht an die VG Wort gemeldet werden, und zwar im TOM-Portal beziehungsweise im dortigen METIS-System (nur für Texte im Internet). Nicht erschrecken: Die Website ist auf den ersten Blick wenig übersichtlich, die Handhabung ist aber relativ simpel.

Artikel für Printmedien sowie Online-Portale ohne Zählpixel müssen bis 31. Januar gemeldet werden. Schreibende geben hier an, in welchem Umfang sie für welche Medien tätig waren; die Verlage ihrerseits geben die Auflagezahlen an die VG Wort weiter.

Werden die Aufrufe dagegen mit Zählmarken erfasst, ist der Ablauf ein anderer: Verlage melden die Online-Artikel bis zum 1. Juni an die VG Wort, jeweils den entsprechenden Autor:innen und Zählpixeln zugeordnet.

Urheber:innen haben bis zum 1. Juli Zeit, ihrerseits zu überprüfen, ob alle ihre ausschüttungsrelevanten Texte auch im System erfasst wurden. Bis zu diesem Stichtag müssen auch jene Autor:innen, die etwa einen eigenen Blog oder eine eigene Website mit Zählpixeln betreiben, ihre Texte melden.

Die Hauptausschüttung findet dann regulär Anfang Juli statt; die Vergütung für Online-Texte erfolgt dagegen erst im Herbst.

In diesem Jahr wartet allerdings eine Besonderheit, denn die Ausschüttung ist wegen einer Reform gewissermaßen zweigeteilt. Für alle Texte, die vor dem 7. Juni 2021 erschienen sind, konnten die Autor:innen selbst bestimmen, ob sie mit einer Beteiligung des Verlags einverstanden sind. Geld für Meldungen aus diesem Zeitraum wird ab dem 2. Juli 2022 ausgeschüttet. Für alle Texte, die danach erschienen sind, gilt ein neues Gesetz, wonach die Verlage pauschal etwas vom Geld abbekommen. Deshalb wird es gegen Ende September eine zweite Ausschüttung für Texte aus diesem Zeitraum geben.

Die VG Wort hat dementsprechend bereits vorab darauf hingewiesen, dass die Quoten bei der aktuellen Hauptausschüttung niedriger ausfallen als im Vorjahr; erst nach der Zweitausschüttung im Herbst wird sich ein Gesamtbild ergeben, das mit jenem von 2021 vergleichbar ist.

Wie(so) wird der Betrag aufgeteilt?

Um diese Frage kreist innerhalb der letzten Jahre eine erbitterte Debatte.

    1. Ursprünglich teilte die VG Wort die Ausschüttung pauschal auf, 30 bis 50 Prozent der Ausschüttung gingen dabei an die Verlage. Nach einem langen Rechtsstreit stufte der Bundesgerichtshof dies im April 2016 als rechtswidrig ein: Verlage haben demnach keinen Anspruch auf Anteile an den Zweitverwertungsrechten, diese stehen ausschließlich den Urheber:innen zu.
    2. Dementsprechend stellte die VG Wort wenig später Forderungen von insgesamt 85 Millionen Euro an die Verlage, um die unrechtmäßig ausgeschütteten Beteiligungen für die Jahre 2012 bis 2015 zurückzuzahlen. Es folgte ein Aufschrei in der Branche, einige prophezeiten den finanziellen Einbruch der Presselandschaft; der Verband deutscher Zeitschriftenverleger wollte Autor:innen sogar dazu drängen, auf ihre Ansprüche zu verzichten.
    3. Im April 2019 wurde all dies wiederum durch eine wegweisende Richtlinie des EU-Parlaments gekippt, die eine Beteiligung der Verlage an den Tantiemen vorsieht. Im Mai 2021 zog der deutsche Bundestag mit dem „Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes“ nach. Mit seinem Inkrafttreten am 7. Juni 2021 steht den Verlagen also einmal mehr eine Berücksichtigung bei der Ausschüttung zu.

Daran zeigen sich auch die Grenzen des Modells der VG Wort. Während die Verwertungsgesellschaft nach dem Urteil von 2016 etwa millionenschwere Forderungen an die Verlage stellen musste, war sie zugleich darauf bedacht, die tatsächlichen Rückzahlungen so gering wie möglich zu halten. Schließlich vertritt sie sowohl Urheber:innen als auch Verlage, selbst wenn deren Interessen sich widersprechen – eine ungleiche Zwangsehe.

Was jetzt?

Unser Tipp: Besser jetzt starten, als sich später zu ärgern. Denn ist die Meldefrist verstrichen, lassen sich Tantiemen nicht immer rückwirkend ausschütten. Urheber:innen entgeht so Geld, das ihnen zusteht.

Auch wenn die VG Wort wie ein Buch mit sieben Siegeln wirken mag, sollten Schreibende von ihr Gebrauch machen. Der allererste und entscheidende Schritt hierfür bleibt, sich bei der Verwertungsgesellschaft als Autor:in zu registrieren. Denn am Anfang steht zwar das geschriebene Wort – direkt danach kommt aber der Wahrnehmungsvertrag.

1 Kommentare

  1. Schöne Zusammenfassung. Aber eine kleine Richtigstellung: Es handelt sich nicht um eine Zwangsehe, sondern eher um eine Symbiose oder eine Vernunftehe. Die Autoren hatten 1958 die Gründung einer funktionsfähigen Verwertungsgesellschaft versemmelt. Als sie sich mit den Verlegern zusammentaten, wurde die VG Wort daraus, die funktionierte. Unstrittig ging durch die Privatkopie auch Verlagen Geld flöten, und zwar mehr als den Autoren. Deshalb koalierten die Urheber mit den Verwertern. Beide wollten ja, jeweils zu Recht, eine Entschädigung dafür, dass immer mehr Techniken entwickelt wurden, die den Erwerb teurer Originale ersparten. Noch mal: Zwang wurde da nicht ausgeübt. Man könnte höchstens von einem Sachzwang sprechen, der beide Seiten zur Zusammenarbeit trieb.

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