Rechte Influencer

Youtube ist der Trichter, der in die Regentonne Telegram führt

Zwischen Kochanleitungen, Let’s-Plays und lustigen Tiervideos finden sich auf Youtube auch Videos wie dieses: Ein Mann mit weißer Jacke und Headset steht vor einem blauen Hintergrund. Er spricht von einem angeblichen „Betrugsskandal“, von „dem, was unter den Tisch gekehrt wird“.

Samuel Eckert
Samuel Eckert meint, einen Skandal aufgedeckt zu haben. Screenshot: Youtube / SE Research & Statistik

Das Thema ist, natürlich: Corona. Hört man dem Mann zu, der Samuel Eckert heißt, meint man, alles, aber auch wirklich alles um uns herum sei Lug und Trug. Eckert ist ein bekannter Kopf in der Anti-Corona-Maßnahmen-Szene. Der ehemalige Laienprediger sprach seit 2020 auf unzähligen Querdenken-Demonstrationen, mittlerweile verbreitet er hauptsächlich Falschnachrichten im Internet.

Derzeit arbeitet sich Eckert an dem ab, was er „DIVIgate 2.0“ nennt. 2.0? Der Hashtag „DIVIgate“, so schreibt es etwa die Faktenfuchs-Redaktion des BR, wurde schon im April 2021 „von YouTuber und führendem Querdenker Samuel Eckert eingesetzt“, „um die DIVI und Krankenhäuser mittels irreführender Statistiken und falscher Behauptungen zu diskreditieren“.

Der #Faktenfuchs hat die Behauptung, Krankenhäuser würden die Auslastung ihrer Intensivstationen bewusst manipulieren, um Förderzahlungen zu erhalten, bereits entkräftet.

Aber darum soll es hier gar nicht gehen. Sondern um das, was Eckert Ende des Videos sagt: „Ganz wichtig, meine Lieben, falls ihr es nicht schon getan habt, abonniert den Kanal“, standard-youtubt er. Dann aber zählt er weitere Plattformen auf, auf denen seine Inhalte zu finden sind: „Telegram“, „Dlive“ und „Odysee“ etwa. Und fügt verschwörerisch hinzu: „Diese Informationen sind heiß und das Portal, auf dem du das hier wahrscheinlich schaust, dem großen mit dem roten Logo und dem weißen Pfeil in der Mitte, das ist leider für seine Redefreiheit nicht gerade berühmt.“

Obgleich sich die Pandemie womöglich einem Ende zuneigt: Die Bewegung der Maßnahmengegnerinnen und Pandemieleugner radikalisiert sich im Netz weiter. In den vergangenen Monaten haben Journalist:innen mehrere Telegram-Chats aus diesem Milieu aufgedeckt, in denen zum Mord an Politiker:innen aufgerufen wurde. Eine neue Studie des „Institute for Strategic Dialogue“ (ISD) geht zudem davon aus, dass rechtsextreme Kanäle ihre Gefolgschaft im Messenger-Dienst während der Pandemie um das Dreieinhalbfache vergrößern konnten. Vor kurzem sperrte Telegram erstmals in Deutschland Kanäle wegen „Verstößen gegen lokale Gesetze“.

Doch das Problem ist damit nicht gelöst: Mittlerweile ist ein weitläufiges Geflecht aus Kanälen und Gruppenchats entstanden, verteilt auf unterschiedlichen Internetportalen. Wenn an einem Ende ein Kanal zugeht, taucht er an einem anderen wieder auf.

Viele einzelne Akteur:innen erscheinen harmlos und sind trotzdem Teil dieses Netzwerks, in dessen Wirren sich Menschen immer weiter von der Realität entfernen. Rechte Influencer:innen und Netzaktivist:innen bauen eine parallele Öffentlichkeit im Internet auf, die geprägt ist von Verschwörungsglauben, Hass und Hetze. Fünf Mechanismen sind wichtig für ihren Erfolg:

1. Youtube zum Einstieg, „heiße Informationen“ woanders

Wer sich von Eckerts Behauptung überzeugen lässt, der weicht vielleicht, wie empfohlen, auf eine andere Plattform aus – in der Hoffnung dort noch mehr „heiße Informationen“ zu erhalten. Zum Beispiel auf Telegram. Eckerts Kanal dort hat 113.000 Abonnent:innen (auf Youtube sind es 90.000).

Die sogenannten Kanäle auf Telegram dienen vor allem dazu, es einem Account zu ermöglichen, Nachrichten an (viele) Abonnent:innen zu versenden. Manchmal können diese in einer Kommentarfunktion darauf reagieren, oft funktionieren die Kanäle jedoch wie Einbahnstraßen.

Telegram ist auch insgesamt (und anders als Youtube) ein in sich geschlossenes System. Wer nicht dabei ist, stolpert nicht zufällig, etwa bei Google, über eine Nachricht. Das ist für Rechte und Verschwörungsideologen wie Eckert von Vorteil, denn so können sie häufig ungestört unter Gleichgesinnten schreiben, was sie wollen. Gegenrede erfahren sie kaum, bis vor kurzem löschte auch das Unternehmen mit (nach Eigenangaben) Sitz in Dubai selbst fast keine Nachrichten oder Kanäle. Erst unter politischem Druck fängt es damit an – jedoch in weitaus kleinerem Ausmaß als etwa Youtube oder Facebook.

Vorschaubild zu einem Video von Samuel Eckerts Youtube-Account, zu sehen sind Til Schweiger und Boris Reitschuster sowie der Schriftzug "Brave New World"
Vorschaubild eines Eckert-Videos bei Youtube, im Boot mit Til Schweiger: Boris Reitschuster. Screenshot: Youtube / SE Research & Statistik

Doch diese Geschlossenheit ist auch ein Nachteil für Leute wie Eckert, da sie dort nur eine beschränkte Anzahl an bereits eingeweihten Menschen erreichen. Deswegen werden oft Umwege über andere Plattformen genommen, um ein breiteres Publikum zu gewinnen. Insbesondere Youtube spielt dabei eine wichtige Rolle, aber auch Instagram oder Facebook.

Miro Dittrich vom Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) forscht zur Radikalisierung in digitalen Räumen und sagt:

Youtube funktioniert wie ein Trichter: Viele Menschen sehen dort Videos von Rechtsextremen und Verschwörungsideolog:innen, ohne sie zu suchen. Ein Teil klickt sich weiter auf die Telegramseiten der entsprechenden Person.

So werden Menschen langsam vom Kochvideo-Massenmedium an die Ränder des Internets geführt – und von dort aus mitunter immer tiefer in „alternative Realitäten“ hinein.

2. Weiterleiten und radikalisieren

Wer, etwa dank Samuel Eckert, erstmal auf Telegram gestoßen ist, der schaut sich dort möglicherweise noch etwas um. Anreize gibt es genug: Eckert etwa postet fast im Minutentakt in seinen Kanal. Besonders häufig sind es Nachrichten aus anderen Kanälen, die er ungefiltert und unkommentiert an seine Abonnent:innen weiterleitet. Zum Beispiel eine Nachricht mit der Falschbehauptung „471% mehr Unfruchtbarkeit nach Covid-19-Impfung“. Darüber steht: „Weitergeleitet aus AUF1“. Über die Nachricht gelangt man direkt auf den Kanal des verschwörungsideologischen Portals „AUF1“.

Dort gibt es Artikel zu lesen mit Überschriften wie „Ökosozialistisches Grauen: Wie der Klima-Wahnsinn die Umwelt zerstört“ oder „‚Corona-Experten‘ der Regierung: Politische Auftragstäter oder Wissenschaftler?“. Der Betreiber des Portals ist Stefan Magnet, ein Rechtsextremer aus Österreich. Der Telegramkanal seines Portals hat fast 190.000 Abonnent:innen. Auch dort finden sich zahlreiche weitergeleitete Nachrichten. Darunter Nachrichten aus dem Telegramkanal des Schweizer Rechtsextremen Ignaz Bearth oder aus dem Kanal der Partei „Freie Sachsen“, die bundesweit vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

„Freie Sachsen“ wurde erst vergangenes Jahr vom Rechtsanwalt Martin Kohlmann gegründet. Bereits 2009 gründete er das Bündnis „Pro Chemnitz“. Die rechtspopulistische Gruppe hatte die zum Teil gewalttätigen Ausschreitungen in Chemnitz Ende August 2018 mit organisiert. Kohlmann soll Kontakte ins gewaltbereite rechtsextreme Milieu pflegen.

Vom eher harmlos wirkenden Schwurbler Samuel Eckert zu Kohlmann in nur zwei Klicks: Die Weiterleitungs-Funktion spielt rechten Kräften in die Hände. Ihre Posts werden oft weit über die direkten Abonnent:innen ihrer eigenen Kanäle hinaus verbreitet und gesehen. Die ISD-Studie zeigt: 40 Prozent aller Nachrichten in den maßnahmenkritischen Gruppen und Kanälen wurden aus anderen Kanälen weitergeleitet. Oftmals sind die Ursprungsquellen rechte Kanäle.

Natürlich gibt es auch inhaltlich Überschneidungen zwischen den verschiedenen Milieus, etwa zwischen verschwörungsideologischen und rechtsextremen Kreisen. Rechte haben es zudem seit Beginn der Pandemie verstanden, ihre eigenen Themen mit solchen der Pandemie zu verknüpfen, um an ein neues Publikum zu gelangen.

Und trotzdem: Menschen, die zuvor keine Berührungspunkte mit organisierten Rechtsradikalen hatten, können heute (aufgrund der vielen Verlinkungen und Weiterleitungen) schneller denn je von maßnahmenkritischen Telegramkanälen zu deren Ideologien gelangen. Es dürfte auch dieser Funktion zuzuschreiben sein, dass Rechtsextreme die Zahl ihrer Follower:innen auf Telegram ausbauen konnten.

3. Offline und Online im Wechselspiel

Am 7. Februar postet der Kanal „Freie Sachsen“ ein kurzes Video auf Telegram. Die rund zwanzig Sekunden zeigen eine schlecht belichtete Szenerie, in der ein Polizist jemanden wegzuschubsen scheint. Die Unterschrift: „Erneute Gewalteskalation: Brutaler Polizeiübergriff in Pirna!“ und „Wie lange wollen wir Sachsen noch Freiwild für die Milizen der Berliner Zentralregierung sein?“ Videos und Parolen wie diese prasseln im Minutentakt auf alle Abonnent:innen des Kanals der rechtsextremen Partei ein. Nicht nur solche Auseinandersetzungen mit der Polizei, auch Videos von Protest-Kundgebungen werden hier oft geteilt.

Das Ziel einer politischen Demonstration ist es, so könnte man meinen, mitten in den Städten auf ein Anliegen aufmerksam zu machen, sich Platz im öffentlichen Raum zu schaffen. Doch bei den Anti-Maßnahmendemos scheint etwas anderes wichtiger zu sein – Raum im Netz einzunehmen, sagt Miro Dittrich:

Wenn eine Demo vor dem Brandenburger Tor stattfindet, dann geht es nicht in erster Linie darum, die Menschen dort zu erreichen. Vielmehr geht es darum, Content zu generieren.

Denn je mehr Videos und Fotos einer solchen Veranstaltung es gibt, desto mehr können die Inhalte wieder und wieder gepostet und verbreitet werden und desto mehr Klicks und Follower:innen können sie generieren. Das sei etwa beim Angriff auf das Kapitol in Washington Anfang 2021 sichtbar geworden:

Der politische Akt war nicht der Angriff an sich, sondern die Videos, die währenddessen und danach auf Social Media geteilt wurden.

Weil die Videos oft in unzählige Gruppen weitergeleitet werden, ergibt sich schnell der Eindruck einer gigantischen Angelegenheit, auch wenn es eigentlich nur einen kleinen Umzug gab. Und eine Rangelei mit der Polizei wird zur „Gewalteskalation“.

Solche Bilder lassen sich hinterher leicht skandalisieren. Und das ist wichtig für die Bewegung, sagt Fabian Klinker. Klinker forscht am „Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft“ (IDZ, getragen von der Amadeu Antonio Stiftung) in Jena, analysiert Social Media-Kanäle im Themenfeld Rechtsextremismus. Er sagt:

Dadurch, dass es so viele unterschiedliche Kanäle gibt und so viele Videos, entsteht der Eindruck, dass das absolut flächendeckend ist, dass in jedem Ort eine Bewegung entsteht. Das macht die Bewegung letztlich viel größer, als sie ist.

Das ist umso wichtiger, seit die großen Querdenken-Demos verschwunden sind. Das funktioniert aber auch andersrum: Mithilfe der Bilder im Internet werden Menschen wiederum zu den Spaziergängen mobilisiert, wo Videos gedreht und verbreitet werden. Und es funktioniert laut einer neuen Studie des CeMAS zum Mobilisierungspotential der Anti-Maßnahmenszene gut.

Je stärker Menschen insbesondere Telegram als Informationsquelle nutzen, desto eher waren sie auch bereit zu protestieren oder sich illegalen Aktionen anzuschließen und desto stärker stimmten sie den verschiedenen Verschwörungserzählungen zu.

Die Offline- und Online-Sphären verstärken sich so gegenseitig – und die Bewegung hält sich selbst am Leben.

4. Fluchtorte werden vorbereitet

Seit einige Betreiber sozialer Medien die Inhalte von Rechten und Verschwörungsideolog:innen sperren, wird es für sie zunehmend schwieriger, Inhalte ans Publikum zu bringen. Eine Studie des IDZ befand: Die Reichweite von Kanälen wird erheblich reduziert, wenn diese von den Plattformen gelöscht werden. Das sogenannte „Deplatforming“ wirkt also.

Gleichzeitig gehen ständig neue Portale und Plattformen online, die keine Sperrungen vornehmen. Wenn die Influencer:innen es bereits geschafft haben, sich eine Gefolgschaft auf den gängigen Plattformen aufzubauen, schaffen sie es zumeist auch, diese auf neue Plattformen mitzunehmen. Eine Studie des ISD legt nahe, dass die Influencer:innen deswegen auf vielen unterschiedliche Plattformen und sozialen Netzwerken auffindbar sein müssen, um sichtbar und erfolgreich zu bleiben.

Samuel Eckert hat neben einem Youtube- und einem Telegramkanal auch ein Profil bei „Odysee“, für das er auf Youtube und Telegram kräftig wirbt. Auf die Videoplattform können sich all diejenigen zurückziehen, die Angst davor haben, dass sie bei Youtube geblockt werden könnten, weil sie gegen dortige Richtlinien verstoßen. Warum gerade „Odysee“? Weil dort gar nicht erst geblockt werden kann. Videos werden dort nicht auf einem zentralen Server gespeichert, sondern dezentral. Deswegen gibt es niemanden, der sie eigenmächtig löschen könnte. Dementsprechend tummeln sich hier allerlei Neonazis und Verbreiter:innen von Desinformation.

Eckert hat bei „Odysee“ zwar nur etwas mehr als zehntausend Abonnenten, doch das sind immer noch mehr als zehntausend Menschen, die sich auf einer Plattform angemeldet haben, auf der das Verbreiten von indizierter Neonazi-Musik keinerlei Folgen hat. Und wo sich all die von Youtube gelöschten Extremist:innen wieder finden: Etwa der Kopf der österreichischen „Identitären Bewegung“ Martin Sellner, der von Youtube verbannt wurde.

Ein anderes Beispiel für einen solchen Fluchtort ist die Plattform „Gettr“. Das „Twitter für Konservative“ ging vergangenen Sommer ans Netz und wurde von einem ehemaligen Berater Donald Trumps gegründet. Die Entwicklung des Netzwerkes wird bereits vom Bundesinnenministerium beobachtet, aus guten Gründen: Auf „Gettr“ tummeln sich bereits jetzt Rechte, vom ehemaligen Trump-Berater Steve Bannon bis zu den „Freien Sachsen“ aus Chemnitz. Eckert ist nicht auf „Gettr“, dafür einige seiner Verbündeten, etwa der Journalist und Sympathisant der Anti-Maßnahmendemos Boris Reitschuster, der sogar Werbung für die Plattform verbreitet.

Dass sich Leute wie Eckert derart breit aufstellen, hat zweierlei Gründe: Zum einen, um reales „Deplatforming“ zu umgehen. Zum anderen, um sich selbst als Opfer einer angeblichen „Zensur“ hochzustilisieren und das Narrativ aufrechtzuerhalten, dass die Meinungsfreiheit nicht mehr gelte.

5. Je radikaler, desto mehr Geld

Dank solcher neuen Plattformen können Verschwörungspropheten wie Eckert also noch mehr Leute erreichen. Und: Einnahmen generieren. Miro Dittrich vom CeMAS hat Rechtsextreme und Verschwörungsideologen auf Telegram schon vor der Pandemie beobachtet. „Um die rechten Influencer:innen zu verstehen, hilft es, sie wie andere Influencer:innen zu behandeln“, sagt er.

Einige von ihnen sind bereits derart bekannt, dass es ihnen schwer fallen dürfte, eine normale Stelle zu finden. Manchmal manövrieren sie sich so in eine wirtschaftliche Abhängigkeit von ihrer Online-Tätigkeit. Sie müssen Klicks und Likes monetarisieren oder sich ein Publikum aufbauen, das bereit ist, Geld zu spenden. So nimmt etwa der Schweizer Rechtsextreme Ignaz Bearth Geld per Spenden ein, für die er auch auf allen Kanälen immer wieder kräftig wirbt. Der Verschwörungsinfluencer Oliver Janich betreibt einen kostenpflichtigen Telegram-Kanal. Und der rechte Videoblogger Heiko Schrang vertreibt eigene Merchandise-Produkte.

Um die nötige existenzsichernde Reichweite zu erlangen, müssen Leute wie Eckert oder Bearth aus der Masse hervorstechen. Denn die rechte Social-Media-Welt ist groß; in ihr aufzufallen ist längst nicht mehr leicht. Um die Abonnent:innen bei sich zu halten, posten Influencer:innen immer schockierendere Inhalte, immer abstrusere Statements. Denn es sind diese Video und Posts, die tausendfach weitergeleitet und geteilt werden. Die Autorin der ISD-Studie Lea Gerster sagt: „Empörung ist eine wichtige Emotion in diesen Netzwerken.“

Und das IDZ schreibt in einem Faktenblatt:

Um attraktiv für ein breites Publikum zu bleiben, müssen Influencer mit kreativen Formaten oder inszenierten Skandalen immer neu um Beachtung kämpfen. Andernfalls sinken die Interaktionswerte, was sie auch algorithmisch benachteiligt. Somit radikalisieren Influencer nicht nur ihre Anhänger*innen mit ihren reißerischen Storys. Sie werden auch durch das ständige Verlangen nach einem digitalen Spektakel von der Masse angespornt, was sie zu radikalen Aussagen drängt.

Auch wenn das Geld eine Rolle spielt und die Eigenvermarktung vieler Influencer:innen dazu beiträgt, dass ihre Inhalte immer radikaler werden, betont Dittrich: „Das sind ideologische Leute, sie machen es nicht nur wegen dem Geld.“

Wie gefährlich ist das?

Während populäre Plattformen ihre Inhalte immer stärker kontrollieren, wächst im Internet ein anpassungsfähiges paralleles (Des-)Informationsnetzwerk. Das wirkt zwar chaotisch. Doch die einzelnen Teile dieses weit verwinkelten Geflechts stärken ein gemeinsames Narrativ: Die da oben belügen uns und wir müssen uns wehren.

Dieses Narrativ ist auch deswegen so wirkmächtig, weil es auf allen Ebenen der parallelen Öffentlichkeit wiederholt wird: Bei Protesten auf der Straße und ihrer Live-Dokumentation, in Videointerviews zwischen Verschwörungsideolog:innen und in Artikeln von verbündeten Journalist:innen. „Während auf Telegram die Kernmobilisierung zu den Protesten passiert, wird auf anderen Plattformen eine Ideologie gefestigt, ein politischer Rahmen für die Demos geschaffen“, sagt Fabian Klinker. Jede der Plattformen, jeder Kanal, jede Akteurin oder jeder Akteur und jedes Format ist ein Rädchen in dieser Radikalisierungs-Maschinerie.

Das wird auch über das Ende der Pandemie hinaus Wirkung zeigen, wie Miro Dittrich sagt: „In der Pandemie ist es insbesondere Rechten gelungen, Menschen in alternative Wirklichkeiten zu führen.“ Selbst dann, wenn das Thema Covid-19 und die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie einmal weniger zentral sein wird: Die Vernetzung auf diesen Plattformen und der Zugang zu den in sich geschlossenen Mediensystemen bleibt auch nach der Pandemie erhalten – und kann mit neuen Inhalten befüllt werden.

Schon jetzt bereiten die rechten Influencer:innen ihr Publikum vor, auf die Zeit nach der Pandemie. Der Telegramkanal von „Freie Sachsen“ untertitelt vor wenigen Tagen das Video einer Protestkundgebung mit den Worten: „Die Menschen lassen sich nicht mehr von Pseudo-Lockerungen blenden, der Protest ist längst ein grundsätzlicher gegen das Regime geworden.“

3 Kommentare

  1. „Der Betreiber des Portals ist Stefan Magnet, ein Rechtsextremer aus Österreich. Der Telegramkanal seines Portals hat fast 190.000 Abonnent:innen.“

    Ich kapiere das nicht; also so rein vom spontanen Bauchgefühl her. Wer abonniert denn solchen Dünnpfiff? Da sind doch sicher Scheinabonnenten via Fake-Accounts und/oder Karteileichen dabei, um Relevanz zu suggerieren. Gibt es dazu Untersuchungen?

  2. @2: Wäre ich auch dran interessiert, wieviel % davon Trollaccounts sind.
    Wer live russische Trollerei sehen will: Teleplis Forum mitlesen. Gerade heute sehr interessant!

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