Die Podcast-Kritik (61)

„Druckausgleich“: Im Zweifel für den Zweifel im Journalismus

Podcastkritik: Druckausgleich

„Druckausgleich“ ist von einer Generation und für eine Generation, die gerade in den Journalismus hineinwächst. Und für alle, die schon reingewachsen sind, aber trotzdem nicht alle Um- und Zustände in der Branche hinnehmen wollen.

Annkathrin Weis und Luca Schmitt-Walz verhandeln in diesem Podcast zwei Mal pro Monat kleine und große Fragen rund um das spannende Berufsfeld und das berufliche Spannungsfeld Medien, ohne dabei alle Antworten zu haben: Wie auch?! Die beiden sind Anfang-Mitte-Zwanzig. Aber manchmal hilft es ja schon, einfach drüber zu reden, so als Druckausgleich.

Der Podcast des Branchenmagazins „Journalist“* ist eine Mischung aus selbstbewusster Nabelschau, leisem Therapiegespräch, harter Branchenkritik, gnadenloser Ehrlichkeit – aber auch Selbstzweifeln und Selbstkritik. Eine Mischung, die dem Podcast gut tut. Dem Journalismus bestimmt auch.

Ich muss zugeben: Direkt zu Beginn hat mich der Podcast in die Irre geführt – durch das kleine Label „Storypodcast“. Denn im Kern ist „Druckausgleich“ eigentlich ein klassisches Gesprächsformat mit zwei Hosts. Eigentlich. Denn es sprechen nicht nur die beiden, sondern es sind auch die Eindrücke und Meinungen von vielen Gesprächspartner*innen zu hören. Trotz vieler Anekdoten und Geschichten entsteht für mich so zwar kein „Storypodcast“, aber hörenswert ist die Mischung allemal.

Jede Folge „Druckausgleich“ ist gefärbt von der jeweiligen Stimmung der beiden Hosts zum Zeitpunkt der Aufnahme – und von ihrer Haltung zum Thema. Hier sprechen keine ausgefeilten Mikrofon-Charaktere im klinischen Aufnahmestudio, sondern zwei echte Menschen – relativ ungeschützt und das auch noch relativ locker.

Für meinen Geschmack laufen die Diskussionen an vielen Stellen zwar noch etwas zu artig nach Skript, fehlen echte Überraschungen und spontane Reaktionen. Andererseits ist es aber auch sehr viel verlangt, von einem Podcast-Duo nach neun Folgen eine ausgereifte Chemie zu erwarten, die sich oft erst über viele dutzende Episoden einspielt.

Psychohygiene

Thematisch geht es einerseits um Probleme des Systems: Wie zugänglich und vielfältig können Redaktionen und Medienhäuser sein, wenn unbezahlte Praktika nach wie vor die Eintrittshürde sind? Aber andererseits auch um selbstgemachten Druck: Wie viel von meinem Leben nimmt die journalistische Berufung ein? Muss ich auf Social Media sein, um als Journalist*in „gesehen“ zu werden und relevant zu sein? Bin ich überhaupt gut genug für diesen Beruf? Wie gesund ist dieser Personen- und Preisverleihungskult?

Ich halte es für keine Selbstverständlichkeit, dass junge Menschen die Kritik am eigenen Beruf, an der Branche, an potenziellen Arbeitgebern in ein Mikrofon sprechen.

Dass der Podcast sich in der Kategorie „Mentale Gesundheit“ verortet, zeigt auch: Hier geht es in erster Linie um Psychohygiene der Medienschaffenden. Wer sich darauf einlassen kann oder damit gar identifiziert, wird belohnt: mit Denkanstößen über das eigene „Journo“-Dasein. Dass die beiden Hosts gemessen an der Branche noch als „jung“ durchgehen, mag wie ein Nachteil wirken – sorgt aber für unvoreingenommene Perspektiven auf das, was für viele Journalist*innen längst akzeptierter Alltag geworden ist.

Natürlich können und werden weniger wohlwollende Außenstehende einen Podcast wie „Druckausgleich“ als unnötig selbstreferentielles Journalist*innen-Gehabe abtun. Erst recht, wenn er aus einer Generation kommt, der sowieso ganz gerne vorgehalten wird, zu weich und zu anspruchsvoll im Berufsleben zu sein.

Sogar als wohlwollender Zuhörer muss ich zugeben: „Druckausgleich“ hat die Tendenz, die Schmerzen im Journalist*innen-Dasein leicht zu überhöhen. Etwa im Vergleich zu dem, was im Pflege- und Gesundheitswesen beispielsweise läuft. Es ist aber eine weitverbreitete Journalist*innen-Krankheit, den eigenen Job zu überhöhen, bis er irgendwann grenzenlos in alle Lebensbereiche vordringt – und, ja, das kann auch krank machen und gehört leider auch zur Realität der Medien hinzu.

Abzüge in der B-Note

Der Punkt, der mich am meisten am Podcast gestört hat: „Druckausgleich“ versucht, sehr viele Elemente, Formate, Stimmen, Probleme, Lösungsvorschläge und Perspektiven zu kombinieren. Das alles prasselt dann auf die Hörer*innen ein wie aus einem Hochdruckgartenschlauch.

Dazu gibt leider die Tendenz bei Luca Schmitt-Walz, in eine eher klassische, laute Moderator*innen-Rolle schlüpfen zu wollen. Diese Hyper-Präsenz mit Radio-Morningshow-Anleihen – moderativ wie klanglich – hätte der Podcast gar nicht nötig.

Es sind eher die leisen, gemeinsamen Töne des Duos, die den Podcast für mich so hörenswert machen. Immer wenn beide gemeinsam laut nachdenken, hinterfragend und zweifelnd diskutieren über Journalismus und die Branche – dann ist „Druckausgleich“ am besten. Ich würde mir mitunter wünschen, dass der Podcast sich auch Zeit für längere Interviews mit Gästen und Atmosphäre nehmen würde – statt alles auf die enge Taktung aus Sprachnachrichten-Zuspieler-Schnipseln zu reduzieren.

Aber ich will auch loben, ebenfalls in der B-Note: Luca Schmitt-Walz rutscht hin und wieder ein bisschen sächsischer Dialekt raus. Wenn gelegentlich ein hartes „P“ und ein weiches „B“ am Wortanfang die Plätze tauschen, dann freue ich mich als Ostdeutscher, ganz im Geiste von „Druckausgleich“: Juchu, es darf auch ein bisschen ostdeutscher Dialekt ganz selbstverständlich bei einem Branchenmedium mit bundesweiten Publikum wie dem „Journalist“ auftauchen. (Nachtrag, 16.08.: Luca Schmitt-Walz wohnt zwar in Leipzig, hat mich aber auf Twitter darauf hingewiesen, „dass die weichen Konsonanten“ seinen „Fränggischen Wurzeln entspringen“.)

Plauderig, aber ohne Längen

Der Podcast macht keinen Hehl daraus, eine geschnittene und gestraffte Version eines Gesprächs zu präsentieren. Das dürfte Live-on-Tape-Laberpodcast-Purist*innen irritieren – ich bin aber dankbar für diese komprimierte Form gesprächiger Denkanstöße in den jeweils gut 40 Minuten langen Episoden.

Am Ende wartet dann die eher Radioshow-ähnliche Rubrik mit dem „Life-Life-Moment“: Hier üben sich die beiden Hosts darin, nicht nur die Arbeitswelt in der sogenannten Work-Life-Balance zu beachten, sondern auch das Privatleben zu wertschätzen – und geben einiges Privates preis, mitunter sogar Momente der Schwäche.

Ich möchte den Hosts gar nicht unterstellen, dass diese Offenheit ein Mittel zum Zweck ist. Aber ich merke: So entsteht schnell eine gefühlte Nähe zwischen den „Druckausgleich“-Hosts und mir als Hörer. Und so wundert es mich auch nicht, dass sich viele Kolleg*innen trauen, Sprachnachrichten mit persönlichen Erlebnissen für den Podcast aufzunehmen, einzusenden und den beiden Hosts somit anzuvertrauen. „Druckausgleich“ ist ein gutes Beispiel, wie ein Podcast erst Vertrauen und dann eine Community aufbauen und involvieren kann.

Überraschend schnell und nah ans Herz gewachsen ist mir auch das letzte Format-Element: Beide Hosts schicken sich – mit einigem zeitlichem Abstand zur eigentlich Aufzeichnung – noch eine Sprachnachricht, in der sie Gedanken formulieren, die sie seit der Aufnahme hatten. Quasi ein P.S. in Audioform.

Sie ergänzen sich dann gerne selber, korrigieren sich oder stellen nachträglich die eigene Argumentation in Frage. Das ist anscheinend ein Spezialgebiet von Annkathrin Weis. Ich mag dieses Zaghafte als Kontrast zur oft selbstzufriedenen Breitbeinigkeit, mit der viele andere Gesprächspodcasts enden.

Ein Podcast als Diskussionsraum

Bei aller Kritik am opulenten, vielleicht auch zu verkopften Format: Sehr gefreut hat mich, wie die beiden miteinander reden: Wunderbar umgangssprachlich und ohne Filter, wenn zum Beispiel „das Imposter Syndrome mal wieder kickt“. Auch mit genau dem Denglisch, das wir U30-Jährigen nunmal (leider?!) im Alltag sprechen – und das viele Boomer-Redakteur*innen so liebend gerne hassen. (Grüße gehen übrigens raus an die Kolleg*innen, die sich bei Twitter gerne öffentlich über die angeblich so verlotterte Sprache des Nachwuchses aufregen – I see you.)

Aber jetzt ist Schluss mit den Oberflächlichkeiten: Es ist gut, dass in „Druckausgleich“ so offen über die Perspektive von Nachwuchs und Berufsanfänger*innen gesprochen wird und ein Raum geöffnet wird. Mir hätte es geholfen – damals als frischgebackener Journalistik-Absolvent in der Bewerbungsphase und nach vielen, vielen Absagen – zu hören, dass auch andere phasenweise am Berufsstart und an der Branche (ver-)zweifeln. Aber um ehrlich zu sein: „Druckausgleich“ war für mich auch jetzt ein wohltuender Realitätscheck und ein Ventil zum Druckablassen.

*Transparenzhinweis: Ich habe als freier Autor 2016 einen Text für den ‘Journalist’ geschrieben.


Podcast: „Druckausgleich“ von Annkathrin Weis und Luca Schmitt-Walz für den „Journalist“

Episodenlänge: bisher 9 Folgen, jeweils circa 35 Minuten

Offizieller Claim: „Der Storypodcast über den Berufsstart in der Medienbranche, die Kunst der Prokrastination und gegen den Druck, alles und ständig perfektionieren zu müssen.“

Inoffizieller Claim: Soll das hier so oder ist das toxisch?

Wer diesen Podcast mag, hört auch: „Was mit Medien“ von Daniel Fiene und Herrn Pähler, „Unter Zwei“ von Levin Kubeth, „Flurfunk Podcast“ von Flurfunk Dresden – und vielleicht ja auch den hauseigenen Podcast von Übermedien

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