Femotion Radio und anna.FM

Frauen, die auf Inhalt warten

Es ist also soweit: Wir haben eine neue Heimat! Für uns allein. Mit genau den Themen und genau der Musik, die wir Frauen wollen. Femotion Radio heißt diese Heimat; der erste deutsche Radiosender, der sich ausschließlich an Frauen richtet. Kürzlich ist er an den Start gegangen.

Ok cool. Aber: Warum noch mal brauchen Frauen so einen Sender?

„Weil es ihn noch nicht gibt“, sagt Ina Tenz, „Head of Content and Strategy“ bei Femotion Radio. So ganz stimmt das allerdings nicht, denn Vanja Borko und ihr Team waren schneller. Seit Februar gibt es bereits anna.FM, ebenfalls für Frauen, ein Gemeinschaftsprojekt von „die neue welle“ (Karlsruhe), „DONAU3FM“ (Ulm) und „baden.fm“ (Freiburg). Zu empfangen ist es über DAB+ vor allem in Baden-Württemberg. Femotion Radio hingegen, von der Leipziger herFunk GmbH, können Hörerinnen in ganz Deutschland über DAB+ einschalten. Damit ist es – tatsächlich – der erste nationale Frauensender. (Gut, man kann beide auch weltweit streamen, aber das sind Details.)

Frauensender also. Im Fernsehen gibt es das ja schon länger. Mit Sixx beispielsweise betreibt ProSiebenSat.1 ein Programm für die weibliche Zielgruppe, das sich unter anderem durch Sendungen wie „Bridezillas – Bräute flippen aus“ oder „Moms Make Porn“ auszeichnet. Und Zeitschriften, die sich an Frauen richten, gibt es auch schon ewig. Von „Brigitte“ bis „Vogue“ gehören Geschlechterstereotype und doppeldeutige Botschaften quasi zur DNA.

Heavy Rotation wie überall

Femotion Radio legt gerade erst los. Was Frauen interessiert und welche Musik sie mögen, habe man mithilfe eines Marktforschungsinstituts herausgefunden. „Musikforschung ist Alltag im Radio“, erzählt Tenz, die 15 Jahre Programmdirektorin bei Radio FFN war und danach bei Antenne Bayern.

Am Ende ist es dann so, dass es von 1000 vorausgewählten Songs 500 in die Heavy Rotation geschafft haben. Das unterscheidet sich kaum von anderen Sendern; die Umfrage-Methoden sind oft fragwürdig. Bei Femotion Radio läuft nun hauptsächlich Musik, die auch in anderen Hitradios läuft: Justin Bieber, Adel Tawil, Simply Red, auch mal was aus den Nullerjahren.

Rosé, Lila, Pink: Femotion Radio im Netz. Screenshot: Femotion Radio

Hinzu kommen einmal die Stunde Nachrichten in unter einer Minute. Inklusive Wetter. Interviews oder gebaute Beiträge fehlen bisher ganz. Moderationen gibt es nur am Morgen und am Vormittag; da geht es dann etwa darum, wie man Beeren länger frisch hält oder Pflanzen richtig düngt. Dazwischen Sinnsprüche, die vermutlich inspirieren sollen: „Tanz! Vor allem aus der Reihe“ oder „Heute ist der beste Tag, um glücklich zu sein“.

Auf der Website: viel Rosé, viel Lila, viel Pink. Ein roter Kussmund. Blumen. Die Themenrubriken heißen „Fem Health“, „Fem Style“, „Fem Work“, „Fem Food“, „Fem Family“ und „Fem Love“. Anders gesagt: gut aussehen, pflegen, helfen, nähren. Obendrauf Erwerbsarbeit und Partnerschaft. „Typisch weiblich“ eben. Es ist derselbe Optimierungsimperativ, den wir aus den Frauenzeitschriften kennen. Und wer den Spagat „zwischen Laptop und Lätzchen“ nicht hinbekommt, tja, selber schuld.

Genau dort, „zwischen Laptop und Lätzchen“, steckt auch anna.FM. Die Macherinnen versprechen ebenfalls: „Endlich die Musik, die dir gefällt. Endlich die Themen, über die du dich tagtäglich unterhalten möchtest.“ Ebenfalls per Marktforschungsinstitut ermittelt.

Streaming, Lifehacks, Wurst-Wettessen: anna.FM im Netz Screenshot: anna.FM

In der Rubrik „Lifehack“ wird unter anderem erklärt, wie Frauen verkeilte Gläser auseinander bekommen oder Pellkartoffeln leichter schälen können. Es gibt Karrieretipps, und in den „Foodwelten“ stehen „Deutschlands beliebteste Diäten auf dem Prüfstand“ – auch das kennt man aus Frauenmagazinen. Trotzdem klingt dieses Frauenradio etwas etablierter. Es gibt drei moderierte Strecken, jeweils von einem der Partnersender. Ein erster Podcast ist online, die Rubriken sind klarer, das Redakteurinnen-Team größer.

Vanja Borko ist eine der drei Redaktionsleiterinnen und arbeitet von Karlsruhe aus. Wortbeiträge sind bei anna.FM noch rar, etwa vier Takes pro Stunde seien es immerhin, erzählt Borko am Telefon. Ansonsten hören sich die beiden Sender vor allem musikalisch ähnlich an. Naja, und auf Instagram verrät uns anna.FM, dass „Dreh mal am Herd“ auch rückwärts „Dreh mal am Herd“ heißt. Und damit zurück zur Frage: Brauchen Frauen sowas?

Frauenthemen sind Menschenthemen

Feministischer Journalismus ist wichtig, klar. Am besten im Mainstream, zur Primetime. Denn was sind überhaupt „typische“ Frauenthemen? Altersarmut, zum Beispiel. Diskriminierung im Job. Sexualisierte, seelische und körperliche Gewalt. Zugang zu Verhütungsmitteln und Periodenprodukten. Schwangerschaftsabbrüche. Ehegattensplitting. Adoption. Es gibt so viel.

Schon diese kleine Zusammenstellung zeigt, dass Frauenthemen in Wahrheit Menschenthemen sind, auch Männerthemen, denn jeder Mann hat in seinem Umfeld Frauen. Und die sind – Überraschung – nicht alle gleich. Es gibt lesbische Frauen. Alleinerziehende. Welche, die keine Kinder haben oder haben können. Es gibt schwarze Frauen, arme, reiche, manche haben nur noch eine Brust oder keinen Uterus.

All diese hier angedeuteten Fragen nach Teilhabe und Gleichberechtigung aller Menschen – ungeachtet ihrer Herkunft oder Hautfarbe, ihres Geschlechts oder ihrer Religionszugehörigkeit – sind feministische Fragen, obwohl sie eigentlich Menschheitsfragen sind, sogar im Gesetz verankert.

Insofern ist feministischer Journalismus einfach: Journalismus. Und es gibt sie ja, die feministischen Medienangebote: das „Missy Magazine“, „Edition F“, die funk-Formate „Auf Klo“ und „Mädelsabende“, Podcasts wie „Rice and Shine“ oder „Feuer und Brot“ sind nur ein paar Beispiele.

Im linearen Radio oder Fernsehen aber, auch in den meisten Zeitungen und Magazinen, dominieren noch immer vor allem weiße männliche Perspektiven. Feministische Themen begrenzen sich dort oft auf Wirtschaft und Politik. Es geht viel um Quoten und Gläserne Decken. Dabei bleiben viele Lebensrealitäten weiter unsichtbar. Auch weil Redaktionen noch immer nicht divers genug besetzt sind.

Wachsen, zupfen, lasern – immer wieder

Weil Radio immer noch viel gehört wird, auch viel von Frauen, sind Radiosender explizit für Frauen nur konsequent, insbesondere mit Blick auf den Werbemarkt. Unternehmen erhoffen sich in Frauenmedien direkten Zugang zu einer vermeintlich spitzen Zielgruppe. Und die Liaison funktioniert: Die einen reden oder schreiben immer wieder über Probleme, die eigentlich keine sind, für die Unternehmen dann Produkte als Lösung liefern, die vermutlich kaum jemand kaufen würde, würde Frauen nicht immer wieder das Problem eingeredet.

Seit Jahrzehnten wird uns zum Beispiel über Magazine, Spots, Filme und Serien das Idealbild der kindlich glatten Frau eingehämmert. In der Folge wird gewachst, gezupft, gelasert, epiliert und rasiert, was der Geldbeutel hergibt.

Bei den beiden neuen Frauensendern fehlt Werbung bisher noch ganz. Ina Tenz von Femotion Radio ist aber natürlich auf der Suche. Anfragen von Unternehmen, die das Konzept des Senders spannend finden, gebe es bereits, erzählt sie im Gespräch mit Übermedien. Bei anna.FM ist es ähnlich.

Aus journalistischer Perspektive bleibt aber die Frage, warum „Frauenthemen“ eigentlich nicht viel häufiger im „normalen“ Radio behandelt werden. Oder ist das „Männerradio“?

„Ist man im Radio zu feministisch unterwegs, verprellt man die Männer“, sagt Ina Tenz von Femotion Radio. „Also macht man Kompromisse. Darauf müssen wir jetzt keine Rücksicht mehr nehmen.“ Feministisch will Femotion Radio sein, „aber nicht im abgrenzenden Sinne“, wie sicherheitshalber schon in der Pressemitteilung zum Start des Senders und auf der Website betont wird. Das klingt dann irgendwie doch nach Rücksichtnahme und reproduziert zudem ein Klischee über Feminismen.

Bei anna.FM fällt das Wort „feministisch“ nicht, zumindest nicht in der Außendarstellung. Will anna.FM denn feministisch sein? „Jein“, sagt Vanja Borko. „Wir wollen schon auch thematisieren, was nicht gut läuft, aber wir sind nicht das ‚Emma‘-Magazin“, sagt sie. Vielmehr gehe es darum, Frauen hochleben zu lassen, zu zeigen, was Frauen alles erreichen könnten und „nicht so negativ“ zu sein.

Die liebe Zielgruppe

Bloß: Welche Frauen genau? Femotion Radio richte sich an jene „in der Gründerphase“ (zwischen Kinderwunsch und Karriereambitionen), „in der Familienphase“ (Kinder noch klein, Mama arbeitet schon wieder halbtags), und an ältere Frauen „in der etablierten Phase“. Das klingt nicht nur herrlich heteronormativ, es ist auch nah dran an der willkürlichen „werberelevanten Zielgruppe“ der 14- bis 49-Jährigen.

Ina Tenz korrigiert: „Wir wollen Frauen bis weit in die Sechziger erreichen.“ Angesprochen auf den intersektionalen Ansatz von Feminismus, der neben dem Geschlecht eben auch Diskriminierungen (etwa aufgrund von Behinderung, Hautfarbe oder Einkommen) mit in den Blick nimmt, ergänzt sie: „Und auch nicht allein die weiße cis Frau“, also jene, die sich mit dem zugewiesenen Geschlecht identifizieren.

Anna.FM richtet sich vor allem an Frauen zwischen 19 und 39 Jahren. Aber auch Vanja Borko beteuert: „Jeder und jede ist willkommen, egal wie alt, ob Mann oder queer.“ Und dass Frauen so unterschiedlich sind, sei eben genau die Herausforderung, die den Job so spannend mache. „Wir fragen uns immer wieder: Wie weit gehen wir? Wie feministisch wollen wir sein? Das Zauberwort lautet Mittelweg.“

Als Sender, der Programm von Frauen für Frauen mache, gehe es auch um die Bedürfnisse der Macherinnen. Um eine andere Ansprechhaltung, um Themen, die anderswo nicht möglich seien. Um Authentizität am Mikrofon. „Unsere zwölf Redakteurinnen sind so unterschiedlich, dass allein dadurch schon eine Themenvielfalt entsteht.“ Wobei, so unterschiedlich dann nun auch wieder nicht, wenn man bedenkt, dass sie allesamt weiß sind, zum Beispiel. Das räumt auch Vanja Borko ein und wünscht sich, dass sich mehr Frauen mit Migrationshintergrund, anderer Hautfarbe oder aus Flüchtlingsfamilien trauen, sich im Radio zu bewerben.

Beide Sender wurden in nur wenigen Monaten aufgebaut. Selbstverständlich seien wesentlich mehr Wortinhalte geplant, auch Kooperationen mit Podcastplattformen, sagt Ina Tenz von Femotion Radio. Die Podcasts sollen dann abends im Radio laufen. Eine App ist geplant. Smart Speaker sollen auch eine Rolle spielen. „Das hätten wir natürlich alles gern zum Start schon gehabt.“ Auch Vanja Borko von anna.FM hat noch viel mehr vor.

Gegen Mütterdiskriminierung

Auch die Arbeitsbedingungen sollen anders sein: Femotion Radio sendet ohne festes Sendezentrum. Beide Moderatorinnen arbeiten (nicht nur zu Pandemiezeiten) aus verschiedenen Städten vom Homeoffice aus. Sie hätten den Job so überhaupt erst antreten können, sagt Ina Tenz. Eine der beiden Moderatorinnen habe bereits zweimal die Erfahrung gemacht, aufgrund ihrer Schwangerschaft einen Auftrag zu verlieren: „Es kann doch nicht sein, dass eine Frau sich schlecht fühlt, wenn sie dem Chef mitteilt, dass sie schwanger ist.“

Mütterdiskriminierung sei auch bereits als eines der großen ernsten Themen on air gewesen. Viele weitere sollen folgen, auch unbequeme. „Vielleicht zur Primetime nicht in der Tiefe“, sagt Tenz. „Dafür haben wir den Abend.“ Es sei jedoch das Ziel, Inhalte anzubieten, die Grenzen überschreiten. Und doch: Es müsse ja nicht gleich zum Frühstück der Bericht über Menstruationstassen sein.

Das klingt dann auch wieder nach Rücksichtnahme. Als wäre Menstruation etwas Ekliges, über das man nur hinter vorgehaltener Hand redet, und bitte nicht morgens! Frauenradio, das habe auch etwas von Schutzraum, findet Vanja Borko. „Klar wäre das schön, wenn es das nicht mehr bräuchte. Aber das werden wir wohl nicht mehr erleben. Deshalb ist es doch gut, wenn wir immer mehr solcher Wohlfühlplattformen und Formate schaffen.“

Also mal hören, wie das da weitergeht. Vanja Borko und Ina Tenz wollen etwas bewegen, das kommt in den Gesprächen durch. Dafür bräuchten sie Zeit, das sagen beide. Ob hier aber Programme entstehen, bei denen genauer darüber nachgedacht wird, wer aus welcher Perspektive zu welchen Themen spricht? Ob auch mehr weibliche, nicht-binäre und queere Musiker*innen gespielt werden? Und auf stereotype Werbung verzichtet wird? Dann wäre das mit den Haushaltstipps gleich viel weniger klischiert.

Und dieses Pink überall? „Das ist lachsfarben“, erklärt Ina Tenz. „Und vielleicht können wir ja auch einfach mal den Inhalten Beachtung schenken.“ Wird gemacht – sobald sie da sind. Und bald soll es auch noch DIANA geben, ein weiteres „Radio für die Frau“, mit dem sich die MEGA Radio GmbH auf einen Sendeplatz für Berlin-Brandenburg beworben hat.

11 Kommentare

  1. Es ist schon lustig, das es meist die expliziten Frauenmedien sind, die das reaktionärste Frauenbild vermitteln.

    Aber ‚für Frauen‘ und ‚feministisch‘ ist eben auch nicht dasselbe. Wie feministisch man sein alltäglich gehörtes Radio gerne hätte ist Geschmackssache, die nicht einmal direkt davon abhängt, wie feministisch man selbst eingestellt ist. Nur weil man sich aktiv für gleiche Bezahlung einsetzt, möchte man vielleicht nicht schon morgens vor der ersten Tasse Kaffee deprimiert werden.

    Wo wir bei der (völlig nebensächlichen, aber immer wieder interessanten) Frage wären ob Menstruation am frühen Morgen Thema sein muss – ich finde es gut und wichtig Menstruation den Status von Normalität zu geben, den sie haben sollte – als natürliche Körperfunktion. Aber den – immer leicht verzweifelt anmutenden – Versuch einiger Feministen, darauf zu bestehen, das nun wirklich GAR nichts ekeliges daran sei, den verstehe ich bis heute nicht. Ja es ist ganz natürlich und fast 50% aller Menschen tun es irgendwann in ihrem Leben – aber ich habe auch andere, ganz natürliche Vorgänge in meinem Körper, bei denen Substanzen austreten – welche die ich sogar mit 100% aller Menschen gemein habe und die sind trotzdem ein bisschen ekelig und kein Thema für die Zeit vor der ersten Tasse Kaffee. Klar, es ist albern, dass Leute die unbenutztes Klopapier ohne Affektion als Taschentuch verwenden können, sich vor unbenutzten Tampons ekeln. (Die zugegeben weniger praktische zweckentfremdete Anwendungen haben.) Aber deshalb muss man doch nicht gleich ins nächste Extrem fallen.

  2. @Soronume: Danke, dass Sie es schreiben. Wollte mich nicht (als Mann) als erster wundern über dieses Thema. Ich stimme Ihrer Aussage zu 100 Prozent zu (Menstruation völlig normal, aber warum unbedingt im Radio?). Zumal es, wie im Artikel erwähnt, viele frauenspezifische, aber für die Gesamtgesellschaft relevante Themen gibt.
    Und ich möchte auch nix über Erektionsprobleme oder die Prostata im Radio hören.

  3. @Sid Oh , ich denke schon, dass selbst die etwas ekeligen Körperfunktionen im Radio ihren Platz haben. Sie sind Teil des Lebens und sollten als solche auch vorkommen dürfen – aber alles zu seiner Zeit.

    Wenn z.B. in der DLF ‚Sprechstunde‘ über Krankheiten des Darms gesprochen wird, dann wird irgendwann auch mal das Thema Stuhl angesprochen werden. Das ist auch wichtig und richtig so, sonst werden am Ende wichtige Warnzeichen nicht erkannt, weil sich Leute bei Arzt schämen Dinge anzusprechen. Wenn man Themen völlig tabuisiert enden wir wieder in Zeiten, wo man beim Arzt errötend auf unnennbare Stellen an Puppen deutet ;-)

    Erektionsprobleme, Prostatavorsorgeuntersuchungen ebenso wie Menstruation und Brustkrebsabtasten gehören deshalb ganz dringend ans Licht der öffentlichen Debate – wenn aus keinem anderen Grund, als weil das Leben retten kann. Aber auch das etwas wichtig ist, heißt eben nicht, dass es nicht gleichzeitig auch ekelig sein kann.

    Deshalb verstehe und befürworte ich, wenn Medienmacher sich überlegen, wo solche Themen ihren Platz haben. Und es ist freundliche Rücksichtnahme gegenüber den Hörern, wenn man Körperflüssigkeiten egal welcher Art nicht zu Zeiten bespricht, in denen davon auszugehen ist, dass ein Großteil der Hörer mit Essen beschäftigt ist.

  4. Ich frage mich ja doch ein bisschen, wie das mit der Gleichbehandlung klappen soll, wenn man immer wieder feststellt, dass die Sonderbehandlung gut, richtig und wichtig ist.

    Was wäre hier los, wenn ein Autor schriebe:
    „Maskulistischer Journalismus ist wichtig, klar. “
    Im darauf folgenden Absatz wird das ja auch erklärt und relativiert, von daher alles gut. Aber bedeutete dies nicht im Umkehrschluss auch, dass maskulistische Themen „Menschenthemen“ seien?
    Um das mal ganz klar zu sagen: Nein, sehe ich nicht so. Ich brauche auch keine Featuretten über Pick-Up Artists und Werbung für Manscaped. Aber die Frage stellt sich ja automatisch: Sonderstellung ja oder nein?

    Für Sonderstellung spricht m. E. „nur“ Awareness. Aber die kann auch jeder für sich reklamieren, wie er mag. Frauen sind gesellschaftlich quantativ sicherlich besser repräsentiert, als z. B. Blinde. Und ja, mir fällt es auf, dass ich Frauen mit körperlich Beeinträchtigten vergleiche, nur … Womit, wenn nicht „Randgruppen“ (nicht böse gemeint) soll ich dann das Anliegen größerer Awareness für Frauen vergleichen? Und wie kann dann die Schlussfolgerung lauten „Maskulismus ist nicht das gleiche wie Feminismus“?

    Meine Mutter, u. a. Gleichstellungsbeauftragte bei der Bundeswehr-Verwaltung, etc. hatte immer das Mantra: „Frauen, die größte Randgruppe der Welt!“ und schmunzelte. Aber das bringt es m. E. gut auf den Punkt.

    Ich habe keine Antworten oder kluge Lösungen oder irgendwas. Mir fällt nur immer wieder die Diskrepanz auf zwischen ‚“Feminismus ist Gleichberechtigung“ und „Feminismus muss gefördert werden“.
    Und alle möglichen Umkehrschlüsse, die etwaige unangenehme Schwengeljochen daraus ziehen.

  5. @Anderer Max Viele solcher ‚Widersprüche‘ lassen sich meist entwirren, wenn man das Begriffswirrwarr eindämmt.

    1. Gleichbehandlung ungleich Gleichberechtigung
    Gleichbehandlung wird immer mal wieder von verschiedenen Gruppen ins Feld geführt, aber eigentlich von niemandem ernsthaft verlangt. ‚Männer müssen genauso viele Tampons kaufen wie Frauen‘ oder ‚Wenn bei der Geburt ein Kaiserschnitt nötig ist, dann schneiden wir dem Vater auch den Bauch auf.‘ Wären sicherlich Forderungen für ‚gleiche Behandlung‘ und außerdem völliger Schwachsinn.

    2. Feminismus ungleich ‚Frauen besser stellen‘
    Feminismus setzt sich ja, im Ursprungssinne für die Gleichberechtigung der Frau ein. Da Frauen immer noch in vielen Bereichen schlechter gestellt sind, heißt dass effektiv in vielen Fällen, dass Feministische Forderungen Frauen besser stellen würden, aber das muss nicht immer so sein. Mehr Feminismus heißt also (im Idealfall – ich weiß, es gibt immer Gegenbeispiele – wozu ich nichts anderes sagen kann als: Idioten gibt’s immer) mehr Gleichberechtigung. Zu sagen je mehr Feminismus desto besser die Stellung der Frau, also zuviel Feminismus = Unterdrückung des Mannes, ist daher rein aussagenlogisch falsch. Mehr gleich |= weniger gleich – so weit so einfach, oder.

    Davon mal abgesehen: Warum die Herausstellung der Frau indem man Ihnen ein ‚eigenes‘ Radio produziert? (Halte ich persönlich für unnötig und sogar potentiell schädlich, aber sei’s drum, es geht ja nur darum die Logik zu verstehen, die dahinter steht, dafür muss man nicht der selben Meinung sein) Die Logik dahinter, der man folgen kann, oder auch nicht, ist die, dass das ’normale‘ Radio bereits das Männerradio ist. Sie müssen also kein Radio mit Pickupartist Inhalten herbei zu fantasieren, um zu wissen, wie Radio für Männer wäre, weil das normale Radio schon in erster Linie von Männern für Männer gemacht wird. (Wie gesagt ich folge der Argumentation nicht, zumindest nicht völlig – und selbst wenn dem so wäre müsste man immer noch am normalen Radio arbeiten, statt sich an den Rand drängen zu lassen – wenn Redakteurinnen sich in Frauenradios eine Nische zurechtbauen, wer verbessert denn dann das ‚Echte‘ Radio?)

    Die ‚Sonderstellung‘ soll also nur eine vorhandene Ungleichheit abbauen – anders gesagt, die männliche Sonderstellung fällt nicht mehr auf, weil es der Normzustand ist. Dieser Logik muss man nicht folgen, um sie zu verstehen.

  6. Wenn ein Frauensender sich als Frauenzeitschrift fürs Radio versteht, ist das eher Teil des Problems.

    Spontan wäre mein Gedanke, dass man neben frauenspezifischen Problemen – Binde, Tampon, Menstruationstasse – welcher Hygieneartikel passt zu mir? – tatsächlich ein anderes Frauenbild bedienen könnte. Frauen, die in „typischen“ Männerberufen arbeiten bspw.?

  7. Was soll das für eine Debatte sein? Menstruation ist ekelig? Der Satz hinkt doch hinten und vorne. Ekel ist individuell und nicht normativ. Deshalb passen die Wörtchen ist und eklig rein logisch nicht zusammen. Ob nun eine Mehrheit etwas ekelig findet, ist dann doch noch etwas anderes. Oder habe ich einen allgemeingültigen Maßstab für Ekel nicht mitbekommen.

  8. @Nils
    So kann man das Geschriebene natürlich interpretieren, aber nur mit einiger Mühe. Es ging nie darum Einzelpersonen vorzuschreiben, was sie ekelig zu finden haben und was nicht – eigentlich sogar das Gegenteil.
    Das es Leute gibt die Menstruation nicht im Geringsten ekelig finden – geschenkt, das sei jedem gegönnt. Das macht es nicht weniger seltsam, wenn man versucht diese Sichtweise anderen aufzudrücken.

    Ekel ist nicht normativ, das stimmt schon, aber er ist auch nicht beliebig – die Grundfunktion ist erstmal den Menschen von Dingen fern zu halten, die potentiell schädlich sind. Weswegen Ekel vor schimmeligem Brot verbreiteter ist als Ekel vor Rosen. Fremdes, nicht frisches Blut ist grundsätzlich erstmal etwas, wo Kontaktvermeidung sinnhaft ist, letztlich wie bei fast allen anderen ausgetretenen Körperflüssigkeiten.
    Die Aussage ‚Menstruation ist nicht ekelig‘ aka niemand sollte Menstruation ekelig finden, war explizit das wogegen ich mich gerichtet habe – und zwar nicht um ins nächste Extrem zu verfallen ‚alle müssen Menstruation in jedem Fall ekelig finden.‘
    Ekel ist dazu nämlich auch komplex – Ich versuche z.B. Kontakt mit fremdem Kot um jeden Preis zu vermeiden, würde aber natürlich trotzdem die Windeln meines Kindes wechseln. Ich kann ohne jeden Selbstekel meine eigenen Hygieneartikel handhaben und fände es trotzdem extrem widerlich einen benutzen Tampon auf einer öffentlichen Toilette zu finden – und normativ oder nicht, ich denke, diesen Ekel teile ich mit einem Großteil der Menschheit.
    Und wenn man mit etwas nicht in quasi jeder Situation konfrontiert werden kann, ohne abgestoßen zu sein, dann ist dieses etwas ‚ein bisschen ekelig‘ aka hat das Potential als ekelig empfunden zu werden. (Eine Rose, um zu diesem Beispiel zurückzukehren, würde mich auch in einer öffentlichen Toilette nicht ekeln, außer man holt sie aus der Toilettenschüssel und auch dann gilt der Ekel nicht der Rose)

  9. @Soronume: Ok, ok. Sie sprechen da richtige und wichtige Punkte an. Lassen Sie mich meine Aussage präzisieren: Für die Art, wie _ich_ Radio höre (meist im Auto und nebenher), eignen sich diese ernsten Themen eher nicht. Zumal ich den Sender wechsle, sobald ein „Hit“ das gefühlt 84. Mal in drei Tagen kommt. Letztlich schalte ich also ständig um. Auf diese Weise würde ich den Großteil des Beitrags und damit Inputs verpassen.
    Soweit meine Perspektive. Dass diese Themen aber nicht im Radio besprochen werden sollten, halte ich für einen ebenso großen Fehler wie Sie, schätze ich.

  10. @Soronume: Danke für die Geduld und Mühe unter dem guten, anscheinend notwendigen, aber letztlich leider immer gleichen Artikel die immer wieder gleichen Sachen zu erklären. Wieso kommt diese Debatte gefühlt keinen Schritt voran? Feminismus und das alles gibt es doch nicht erst seit gestern. (Ich weiß, ich weiß.)

    P. S. „Das Zauberwort lautet Mittelweg“ ist einer der dümmsten und gefährlichsten Sätze der Menschheit in fast allen Kontexten und wird uns alle umbringen.

    P. P. S. Man kann das Ganze auf einen Satz verkürzen: Liberaler Feminismus ist kein Feminismus.

  11. Ich muss sagen, dass ich Radio hauptsächlich für Nachrichten und Hintergrundmusik höre.
    Das häufige Thema, das mir tatsächlich männerlastig vorkommt, ist Fußball. Also Männerfußball.
    _Probleme_, die typischerweise Männer betreffen, wie Prostatauntersuchungen, Selbstmord und Arbeitsunfälle, eher nicht, weshalb mir das nicht so „für Männer“ vorkommt, wie das hier dargestellt wird, aber das sollte kein Grund sein. Wenn ein Sender nicht die Emma sein will, muss er ja trotzdem nicht Britgitte werden.

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