Naturfilm

Doppelte Fischotter im NDR-Fernsehen aufgetaucht

Im NDR-Fernsehen liefen am Mittwoch zwei Ausgaben der Reihe „Expeditionen ins Tierreich“ – eine aus Schottland, von 2011, und eine aus Wales, von 2019. Direkt nacheinander. In beiden Filmen ging es auch um Fischotter, und wie aufmerksame Zuschauer gleich erkannt haben: Die sehen ja, hie wie da, völlig gleich aus! Also: identisch. Und sie tun exakt dieselben Dinge. Und Kamerateams haben davon auch noch dieselben Bilder gedreht.

Fischotter in Schottland Screenshot: NDR

Das kann entweder eine wissenschaftliche Sensation sein, eher unwahrscheinlich, oder es sind ganz einfach dieselben Fischotter, die in der einen Doku als Fischotter in Schottland verkauft werden und in der anderen als Fischotter in Wales. Aber wäre das nicht, also, ähm?

Die Produktionsfirma beider Dokumentationen findet: Nein, alles okay so. Auf unsere Anfrage schreibt Doclights, die Naturfilm-Tochter von NDR und ZDF: „Wie sie richtig erkannt haben, stammen die Bilder der Fischotter tatsächlich aus unserem früheren Film über Schottland.“

Natürlich gebe man sich „bei allen Sendungen größte Mühe neue Bilder, atemberaubende Landschaften und faszinierende Tiere zu drehen“. Und „insgesamt ist uns das bei unserem Film über Wales – wie ich finde – doch ganz gut gelungen, da wir viele neue Aspekte und bislang ungesehene Geschichten, wie die energischen Kämpfe der Bergziegen oder das raue Leben der Kegelrobben, sowie einzigartige Bilder eines der heftigsten Stürme der letzten Jahrzehnte in Wales gezeigt haben.“

Fischotter in Wales (eigentlich: Schottland) Screenshot: NDR

Und die doppelten Fischotter? „Die Gründe hierfür möchte ich Ihnen gerne erläutern“, schreibt der Producer:

„Fischotter sind in Wales sehr selten, extrem scheu und daher auch schwierig zu filmen. Trotzdem gehören sie einfach zu diesem Lebensraum und spiegeln die Artenvielfalt des Landes wieder. Um die seltenen Wildtiere nicht zu gefährden oder zu stören, haben wir uns in diesem Fall dafür entschieden auf bestehende Bilder zurückzugreifen. Obwohl unsere Tierfilmer sehr viel Zeit in der Wildnis verbringen, ist es gerade beim Naturfilm manchmal leider nicht möglich die Bilder zu bekommen, die man gerne hätte.“

Doof ist natürlich, wenn die Dopplung auffällt. Findet auch der Doclights-Producer: „Dass die beiden Filme dann als Doppelfolge laufen, ist selbstverständlich ungünstig!“ Sonst wären die schottischen Fischotter beim Publikum locker als Fischotter aus Wales durchgegangen bzw. -geschwommen.

Prinzipielle Frage

Ja, es geht nur um Fischotter in einem Naturfilm. Und sehr wahrscheinlich machen so Fischotter auch überall dasselbe: sich im Moos kugeln, schwimmen, essen, den ganzen Tag. Aber es ist ja eine prinzipielle Frage.

Vor gut drei Jahren haben wir hier mit dem Chef von Doclights, Jörn Röver, über Tricksereien in Naturdokumentationen gesprochen, und darüber, was erlaubt ist und was nicht. Weil es eben immer wieder Skandale gab, bei denen extrem getrickst, um nicht zu sagen: verfälscht wurde.

Ihn ärgere es, sagte Röver damals, „wenn pauschalisiert wird, dass Tierfilmer alle ständig tricksen“. Aber tragen so doppelte Fischotter, die kommentarlos in zwei Dokumentationen laufen, nicht dazu bei?

Es komme „eher selten“ vor, sagt der Producer, dass ältere Bilder aus anderen Regionen in Dokus montiert würden. „In der Regel planen wir unsere Filme so, dass wir gute Chancen haben, die Bilder auch zu bekommen. In diesem Fall war es nur so, dass wir kein unnötiges Risiko eingehen wollten. Es ist die gleiche Tierart, die so in Wales und auch in Schottland vorkommt. Auch die Habitate sind in beiden Ländern die gleichen. Wenn man nicht nah genug an die Tiere ran kommt, ohne sie zu stören, muss man manchmal eben auf Archive zurückgreifen. Wenn die Tierart und der Lebensraum identisch sind, wird der Film dadurch ja nicht weniger authentisch.“

Die Frage ist dann bloß: Wieso sagt man das nicht im Film? Zum Beispiel: „Hier sehen Sie Fischotter aus Schottland, die so sind und leben wie die in Wales. Nur sind die in Wales so selten und schüchtern, dass wir sie nicht stören wollten.“

Danke an Rainer Klute für den Hinweis!

Korrektur: Wir hatten den Produzenten mit den Worten zitiert, es komme „extrem selten“ vor, dass ältere Bilder einmontiert würden. Er sagt aber, es komme „eher selten“ vor. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

12 Kommentare

  1. Demnächst kommt dann die Zooreportage für den Zoo Hannover aus dem Zoo Hamburg. Ähnliche Tiere und Zoos haben ja doch immer die gleichen Gehege.

    Für Doclights wäre das kein Problem, denn „wenn die Tierart und der Lebensraum identisch sind, wird der Film dadurch ja nicht weniger authentisch.“

  2. Skandal um das doppelte Ottchen, oder: Ist Jörn Röver der Relotius des Tierfilms? Hat er aus Wales das Fergus Falls der Naturreportage gemacht? Erschütternd!

    Tipp an den NDR: Im schönen Hankensbüttel (Kreis Gifhorn) gibt es ein Otter-Zentrum – eine Attraktion, mit der sich in der Gegend nur das Mühlenmuseum und der arbeitslose Castor-Verladekran messen können. Dort könnt Ihr an einem Tag Otter-Footage für zehn Jahre aufnehmen, ohne auch nur das Sendegebiet verlassen zu müssen.

  3. Der eigentliche Fehlschluss liegt darin, dass die Otter dann unbedingt im Film auftauchen mussten, selbst wenn man sie nicht filmen kann, ohne die Tiere zu gefährden. Das wäre für die Zuschauer ja nun auch kein Problem gewesen.
    Aber die Gesellschaft ist halt in allen Bereichen derart vom Erfolgs- bzw. Leistungsdenken durchdrungen, dass diese Variante wohl nicht in Frage kam.

  4. „Aber wäre das nicht, also, ähm?“
    Ja, wäre es, und ist es. Selbst wenn es nur um Otter geht (oder TV-Shows, siehe https://uebermedien.de/46689/das-ende-von-joko-klaas-als-ehrliche-unterhalter/ ), hat man als Zuschauer*in doch einen gewissen Mindestanspruch: Man möchte einfach nicht verarscht werden.

    Wenn man sich schon dafür entscheidet, altes Bildmaterial wiederzuverwenden, muss man das zumindest transparent machen. Ähnlich wie Peter Sievert denke ich allerdings, dass es noch besser wäre, dann eben auf Bilder walisischer Otter zu verzichten. Vielleicht sollten die Producer auch mal grundsätzlich ihre Herangehensweise überdenken:
    „In der Regel planen wir unsere Filme so, dass wir gute Chancen haben, die Bilder auch zu bekommen.“
    Hm, wie wäre es denn, mal umgekehrt ranzugehen? Also nicht wie Regisseur*innen an einen Spielfilm, sondern den Plan auf „wir zeigen schöne und interessante Bilder aus der Natur in Wales und ordnen sie journalistisch ein“ beschränken und aus dem, was die Filmleute mitbringen, etwas machen – anstatt auf Teufel komm raus Otter zeigen zu wollen…

  5. Wir wollen euch die welt zeigen.
    Unsere welt. Bis ihr sie mit unseren augen seht. Wenn wir über fischotter in wales reden und wir zeigen euch fischotter, dann s i n d das eben solche aus wales. Wenn leider durch einen dummen zufall herauskommt, dass sie aus schottland sind, sagen wir einfach, wir haben fischotter aus schottland zeigen müssen, weil wir keine anderen hatten. Aber gemeint waren die aus wales. Und nur die gute absicht zählt. Also unsere.
    Stellt nicht so viele fragen.
    Übt nicht so viel kritik.
    Wir wollen nur euer bestes.
    Ihr wollt faszinierende tiere sehen und ihr werdet sie sehen. Und das gilt auch für alles andere, was wir euch zeigen.
    Ihr solltet uns einfach glauben.
    Demnächst laden wir euch mal zum essen ein.
    Es gibt spaghetti carbonara.
    Und wenn ihr dann probiert und sagt, das schmecke aber eher wie spaghetti al pesto, dann werden wir antworten: leider war speck gerade aus und ausserdem ist vegetarisch eh besser für euch und seid doch nicht immer so undankbar. Schliesslich haben wir extra für euch gekocht. Und ausserdem konnten wir ja wohl zu recht davon ausgehen, dass ihr banausen seid, die beides eh nicht unterscheiden können. Dann ist es doch vollkommen egal, was ihr dödel da in euch reinschaufelt.
    Wir bereiten euch doch in eurem eigenen interesse auf den tag vor, an dem es wieder heisst:
    Ozeanien war nie im krieg mit eurasien.
    Besser glaubt uns also schon jetzt die otter und die spaghetti.
    Es ist ja alles nur zu eurem besten.
    Zum glück gibts die täuschung, was hättet ihr sonst.

  6. @ gianni chiaro

    Soll das eigentlich so etwas wie Hysterie als Kunstform sein, was Sie hier seit einiger Zeit betreiben? oder ist es eine Art stilistische Fingerübung, zu jedem Thema, das nicht bis drei auf den Bäumen ist, maximal überrissenen Alarmismus mit impliziter oder explizierter Durchblickerpose abzuliefern? Falls letzteres: Vielleicht sollten Sie vorderhand einfach erst einmal weiter Adorno lesen, bis Sie den Unterschied zu Ihren eigenen Kulturkritik-Travestien erkennen…

  7. Otterly disgusting!
    Ich nehme mal eine Gegenposition ein: Ist doch gut, wenn die weniger Tiere belästigen. Steht ja auch schon im Text: Die walisischen Otter hätten wohl nicht so viel anders gemacht, als ihre schottischen Artgenossen. Hätte man nur drauf hinweisen sollen. Aber dann würden wir jetzt hier evtl. über die Lächerlichkeit eines Hinweises auf „Diese Otter wurden zu einem früheren Zeitpunkt in Schottland gefilmt“ rumfrotzeln. Ach ne, dann hätte üm nicht berichtet und keiner hier würde überhaupt etwas davon mitbekommen haben.

  8. @Anderer Max: Dann sollen sie halt Bergziegen und Kegelrobben zeigen. Müssen es denn auf Teufel komm raus Otter sein? Wenn Kegelrobben als Niedlichkeitsfaktor nicht reichen – Füchse oder Kaninchen gibt’s ja vielleicht auch in Wales, und die sind bestimmt einfacher zu filmen.

  9. @ earendil: Meinetwegen. Bin aber auch mit schottischen Fischottern als „Symbolbild“ für walisische Fischotter zufrieden. Solange gekennzeichnet.
    Ist ja Entscheidung der Redaktion, über welche (im Kontext der Doku relevanten) Tiere sie berichtet. Da ich weder die Dokus gesehen habe, noch Tierdokuproduzent bin kann ich nicht bewerten, welche Tiere hier relevant sein könnten und maße mir das auch nicht an.
    Auch ob ökonomische Gründe ausschlaggebend waren, hier auf undeklariertes Stockmaterial zurückzugreifen kann ich nicht bewerten. Die Schlussfolgerung liegt jedenfalls nahe. Dass die beiden Dokus im Abstand von 8 Jahren zueinander produziert wurden, macht das Ganze nicht besser. Die Otter sind wahrscheinlich schon tot (8-13 Jahre Lebenszeit sagt Wikipedia).

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