Wochenschau (74)

Mülltrennung von Werk und Autor – ein interaktives Abenteuer!

Sie lesen eine Kolumne in einer linken Zeitung, in der ein*e Autor*in schreibt, dass Polizist*innen aufgrund faschistischen Denkens nach einer Auflösung der Polizei nirgendwo mehr arbeiten sollten, weil sie überall Schaden anrichten würden. Nur auf der Mülldeponie seien sie gut aufgehoben.

Während Sie die Kolumne lesen, versuchen Sie zu ergründen, ob Sie denken, dass das alles so gemeint ist, wie es dort steht. Steht da wirklich, dass Polizisten auf den Müll sollen? Oder steht da, dass Polizisten Müllmänner werden sollen? Sie überlegen, ob dieser Text vor dem Hintergrund der aktuellen Polizeikritik als groteske Glosse wahrgenommen werden muss, welche die strukturellen Probleme rassistisch motivierter Polizeigewalt und in Bezug auf Rechtsextremismus stark überzeichnet und sarkastisch anprangert. Vielleicht ist es einfach ein wütendes Pamphlet gegen die Polizei als Institution, die in der Tradition von „Alle Soldaten sind Mörder“ oder „All Cops are Bastards“ zu lesen ist. Beides ist gerichtlich von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Plötzlich brechen Randale und eine unübersichtliche Hektik um Sie herum aus. Es wachsen neue Demarkationslinien aus dem Boden, das Telefon bebt aufgrund all der Push-Mitteilungen. Schnell! Sie müssen sich positionieren, bevor Sie im Auge des Elfenbeinsturms von umherfliegenden Mülltakes mitgerissen werden!

Wie verhalten Sie sich?

→ Sie finden die Kolumne nicht gut? Dann lesen Sie unter (6) weiter.

→ Sie denken „Ich verstehe das Problem nicht“ – oder ist es Ihnen egal? Nach Ihnen die Sinn-Flut? Dann gehen Sie entspannt zu (7).

→ Sie wissen nicht, wie Sie den Text finden? Suchen Sie das Orakel unter (9) auf.

→ Oder wollen Sie lieber die Grenzen der Satire kartografieren? Dann holen Sie Ihre Ziege und Ihre Umweltsau, um die eine zu ficken und die andere durchs Dorf zu jagen – springen Sie zu (3).

 

 

(Ja, wirklich. Bitte entscheiden Sie sich und lesen beim entsprechenden Punkt weiter und nicht einfach bei Punkt (1). Dies ist kein Text zum Von-oben-nach-unten-Lesen.)


(1)

Sie veröffentlichen eine Gegenrede. In Anbetracht der Tatsache, dass die Autor*in mittlerweile jedoch sowohl von der CSU wie auch von der Polizeigewerkschaft zur Angriffsfläche gemacht wurde, ist das zwar dialektisch gedacht, aber doch sehr einseitig und gar nicht so multiperspektivisch wir erhofft und unsolidarisch mit der Autor*in.

Die Kolumne wurde ja zuvor von der Redaktion freigegeben und genauso wie eine Demokratie derartige Provokation aushalten muss, sollte das auch eine Zeitung hinbekommen. Und ist eine tone-policing-mäßige Gegenrede auf einen Text sinnvoll, der ohnehin auf Krawall gebürstet war?

Noch komplizierter wird es, wenn Sie mit einem neoliberalen Dispositiv von Identitätspolitik und Intersektionalität argumentieren und somit der Arbeit eine*r nichtbinäre Autor*in of Color noch einen ökonomisch und/oder opportunistischen Überbau verpassen.

Ihre Redaktion und ihre Autor*in erleiden Schaden, vor allem der Verteidigungswert der Redaktion sinkt. Stellen Sie sich unter (10) schützend vor die Autor*in.


(2)

Sie erstatten Strafanzeige „wegen Volksverhetzung und aller sonst in Betracht kommenden Delikte“ gegen die Zeitung, die den Text veröffentlicht hat. Game Over. Starten Sie neu.


(3)

Wirklich? Schon wieder? Der arme Tucholsky.

Auf zu (9).


(4)

Sie kommen auf die sagenhaft idiotische Idee, ein Bild der Kolumnist*in zu veröffentlichen, mit den Worten: „Die hässliche Fratze der hasserfüllten Linken in Deutschland zeigt sich. (…) SIE will Polizisten als Abfall auf der Müllhalde entsorgen!“

Sie teilen hierfür ein Sharepic, das von der AfD stammen könnte, und haben sich für diesen Diskurs disqualifiziert. Game Over. Bitten Sie um Entschuldigung und starten Sie neu.


(5)

Sie, die geistige Mutter einer Letzten-Patronen-Stilistik der politischen Kommunikation, die selbst Boris Palmer moderat klingen lässt, planen eine komplett nutzlose Strafanzeige gegen einen Schmähtext zu erstatten. (Man merkt: Sie waren mal Komiker!)

Hierfür benutzen Sie ausgerechnet „Bild“ als publizistisches Sprachrohr und lenken erfolgreich das öffentliche Gespräch weg von rassistischer Polizeigewalt, Armin Laschet und Philipp Amthor hin zu einem populistischen Erregungsangebot, auf Kosten der Presse- und Meinungsfreiheit und eine*r Autor*in.

Dazu behaupten Sie einen falschen Zusammenhang zwischen Randalen in einer schwäbischen Stadt und dem Inhalt der Kolumne.

Sie haben sich für den Diskurs disqualifiziert. Game Over. Treten Sie zurück.


(6)

Sie finden den Text nicht gut. Vermutlich, weil Sie die Aussage ablehnen, Polizisten auf eine Mülldeponie zu denken. Damit sind Sie nicht allein. Die Kolumne wird von vielen Medien zerrissen.

Ab hier gibt es allerdings verschiedene Möglichkeiten, wie Sie mit dem Text nun umgehen können, je nachdem, wer Sie sind.

→ Sie sind ein kritischer Leser? Dann auf zur (12).

→ Sind Sie eine Polizeigewerkschaft? Dann mit Blaulicht direkt zur (2).

→ Ihr Schwert ist Ihre Feder und Sie sind AutorIn bei der linken Zeitung, welche die Kolumne veröffentlicht hat? Dann ist (11) Ihr Weg.

→ Heißen Sie Horst Seehofer? Dann befragen Sie Ihre Juristen(ohne Innen) unter (5).

→ Wenn Sie die CSU sind, vergeuden Sie keine Zeit und kontaktieren Sie schnell Ihren Photoshop-Philipp unter (4).

→ Wenn Sie Frank-Walter Steinmeier sind, gehen Sie zur (13).

→ Sie sind eine hitzig diskutierende linke Redaktion? Gehen Sie transparent und binnenpluralistisch zur (8).


(7)

Ja. Es wird Zeit zurückzukehren zu den Themen, von denen erfolgreich abgelenkt wurde, denn es ist unabdingbar, über strukturellen Rassismus zu diskutieren. Über Philipp Amthors Korruption. Über die hiesige Fleischindustrie und das ausbeuterische Leiharbeiter-System. Und über Lesbos, wo die Menschen tatsächlich wie Abfall behandelt werden.


(8)

Sie nehmen eine „aufgeheizte Stimmung“ wahr, beschließen, einen weiteren Text, der die Polizei spöttisch kritisieren würde, nicht zu veröffentlichen, und tragen die innerredaktionelle Debatte nach draußen.

Wenn Sie erstmal zwei Texte veröffentlichen wollen, welche sich von der von Ihnen veröffentlichten Kolumne distanzieren, dann gehen sie debattierend zur (11).

Wenn Sie eine Solidaritätsbekundung publizieren möchten, gehen Sie zur (10).


(9)

Achtung, es folgt – wieder mal – eine Übung in Ambiguitätstoleranz. Wenn Sie mich häufiger lesen, werden Sie wissen, dass ich dieses Wort öfter benutze als „medienethisch“. Es ist übrigens komplett egal, wie ich den Text finde, für Sie, für mich, für diese Kolumne, denn ich will hier nur Ihr Recht verteidigen, den Text veröffentlichen zu können, ohne befürchten zu müssen, angezeigt zu werden.

Gesellschaftskritik – künstlerische wie gesellschaftspolitische – befindet sich permanent in einem sozialdarwinistischem, deutungshoheitlichem Wettstreit der Wertungen; wir spüren diese Reibung bei jeder Satire- und Gedichtsinterpretationsdebatte. In diesem Ringen um Diskursmacht ist die höhnische Abwertung vielleicht die erfolgreichste Waffe, gerade wenn man keine politische Macht besitzt.

Die öffentliche Rezeption des Textes zeigt, dass verschiedene Lesarten vorhanden waren, wobei die am meisten kritisierte Lesart „Polizisten seien Müll“ von der Autor*in selbst im Nachhinein abgelehnt wurde – das muss man zur Kenntnis nehmen.

Das Rekurrieren auf eine andere Interpretation des Textes ist hermeneutisch-kritisches Spekulieren, was natürlich legitim ist – wir sind ja achtzig Millionen verkappte Germanistikseminaristen – man sollte aber die Uneindeutigkeiten nicht willentlich gegen die Autor*in instrumentalisieren, wenn sie* sich öffentlich von einer Lesart distanziert hat, gerade in einer ohnehin so zerknüllten Debatte.

Der Text ist aufgrund der offensichtlichen Überzeichnung und der aufgestellten fiktiven Prämisse einerseits im Kontext mit den Maßstäben des uneigentlich Gesprochenen zu lesen. Andererseits ist er auf gar keinen Fall losgelöst vom nachrichtlichen Kontext zu verstehen.

Und ich weiß was Sie jetzt denken, ja, toll, kann sich ja jeder rausreden, nachdem er Leute beleidigt – aber wenn selbst deutsche Gerichte da im Fall der Satiresendung „extra 3“ die Formulierung „Alice Weidel ist eine Nazi-Schlampe“ als kontextsensitive Aussage akzeptieren, dann können Sie das sicher auch.

Es ist ein Pleonasmus zu betonen, dass Satire auch aggressiv sein darf. Satire muss immer mit einem aggressiven Moment gesellschaftskritischer Grenzüberschreitung arbeiten. Das geschieht mal zahmer, mal radikaler, aber ohne Transgression kommt keine satirische Überzeichnung aus. In der Konvention des Sarkastischen gestattet man der Form diese Spannung, die dem uneigentlich Gesagten eine frappierende Härte verleiht, welche einem selbst vielleicht mehr als wehtut, da sie manchmal genau dorthin muss: direkt in die Wunde.

Eine Gesellschaft muss es nicht mögen, aber den Schmerz unbedingt aushalten, wenn in einer linken Zeitung in einem Meinungsstück ein*e Autor*in jede Form von Autoritarismus verspottet. Denn diese schmähende Abwertung systemischer Institutionen durch eine Grenzüberschreitung ist eben auch (t)rotzige Selbstbehauptung.

Man kann bei dem Text auch nicht von einer gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit sprechen, da Polizist*innen keine marginalisierte Minderheit sind. Sie dürfen auch und gerade in Glossen, Kolumnen und Satiren als Repräsentant*innen exekutiver Staatsgewalt kritisch betrachtet werden. Es ist ein guter und humanistischer Reflex, wenn man Polizist*innen verteidigen möchte, die auf den ersten Blick auf einer Müllhalde untergebracht werden sollen.

Man begeht dabei nur den Fehler, die in diesem Text adressierten Polizist*innen sehr konkret, sehr wörtlich zu nehmen. Man denkt vielleicht an Beamte, die wegen Ruhestörung angefahren kommen und in der sozialen Hierarchie auf den ersten Blick gesamtgesellschaftlich keine mächtige, privilegierte Position haben. Man fühlt den unterbezahlten Streifenpolizisten einfach als zu schwaches Ziel für Satire. Aber das verkennt natürlich ihre repräsentative Funktion von exekutiver Staatsgewalt in der sozialen Hierarchie, das macht sie zu einem für die Satire berechtigtes Ziel: Es sind zumindest soziologisch betrachtet „die da oben“.

Aus Perspektive einer linken Autor*in of Color sind die kritisierten Polizisten, gerade im Licht aktueller Ereignisse, gerade in einer gesamtgesellschaftlichen Auseinandersetzung um strukturelle Probleme der Institution als solche, ein satirisch hartes Ziel, da diese Machtverhältnisse asymmetrisch sind. Sie sitzen gesellschaftspolitisch immer am längeren Hebel als eine noch schlechter bezahlte Kolumnist*in. Der Text existiert nicht in einem gesellschaftlichen Vakuum; die soziale Architektur muss bei der Rezeption berücksichtigt werden.

Und ganz unabhängig davon: Satirische Texte sind auch bei Nichtgefallen durch Presse- und Kunstfreiheit geschützt.

Eine weitere, interessante – Achtung Power-Wort der Debatte – Exegese destillierte FAZ-Feuilletonist Patrick Bahners in einem Thread auf Twitter aus der Kolumne:

„Wo ist der Witz? Das ist nicht schwer zu beantworten: Die Autor*in dreht den Spieß um. Angehörige von Minderheiten, aber manchmal auch die normalsten Ottos unter den Verbrauchern machen die Erfahrung, dass sie der Polizei verdächtig sind, egal was sie tun.

[…] Es handelt sich um eine Satire, in der ein dystopisches Gedankenspiel in der grotesken Vision der Endlagerung der Polizisten auf der Müllhalde endet.“

Und auch Mascha Malberg kommentiert im „Neuen Deutschland“ zu Gunsten des politischen Witzes, betrachtet es „sogar als humorvolles Plädoyer für eine grundlegende Reform der Polizei […] wenn man der Autor*in wohlgesonnen ist.“

Mögen Sie den Text nach wie vor nicht? Dann auf zu (12).


(10)

Nach der von Seehofer angedrohten Quatsch-Anzeige stellen Sie sich schützend vor die Autor*in. Herzlichen Glückwunsch! Sie haben in diesem Abenteuer nicht den schlechtesten Ausgang (das sogenannte „Tom-Buhrow-Ende“) erreicht.


(11)

Sie sind Autor*in der linken Zeitung und finden den Text ihrer Kolleg*in nicht vertretbar.

Was machen Sie?

→ Sie beschließen, etwas dazu zu veröffentlichen, dann lesen sie bei (1) weiter.

→ Sie beschließen, nichts dazu zu veröffentlichen, dann lesen Sie bei (7) weiter.

→ Sie wollen nochmal über den Text nachdenken, dann gehen Sie zur (9).


(12)

Ok! Es gibt auch Texte, die man schrecklich findet. Sie scrollen weiter. Gehen Sie zu (7), dort endet ihre Reise.

… es sei denn, Sie sind sich nicht sicher, wie Sie den Text finden, dann gehen Sie zur (9).

Oder wollen Sie eine Satire-Diskussion? Dann auf zur (3)!


(13)

Sie stellen einen Zusammenhang zwischen den Randalen in der schwäbischen Stadt und der Kolumne her. Sie haben sich im Diskurs verlaufen. Gehen sie zurück zu (6).

32 Kommentare

  1. :-D Also mit fünf mickrigen Zeilen werde ich abgespeist? So nicht, Frau El Ouassil. Nun schlüpfe ich halt in die Haut der anderen und fange erneut an, bis ich auch wirklich alles gelesen habe :-p

  2. Beim gehorsamen, gemischten Klicken auf die 13 Nummern ist mein Gehirn explodiert. Dafür danke.

    Mir kommen in der ganzen Diskussion die Radladerfahrer*innen auf den Mülldeponien zu kurz. Sie erledigen Tag für Tag einen herausfordernden Job auf hoch anspruchsvollen Maschinen, die teilweise über 300.000 € kosten. So zu tun als könne jeder uniformierte Larry auf einer Deponie arbeiten, ist Diskriminierung. Ich prangere das an.

  3. „Beim gehorsamen, gemischten Klicken auf die 13 Nummern…“

    DAS IST DER BEWEIS, liebster Julian Reichelt: Herr Dodillet ist in Wirklichkeit Herr Steinmeier, denn gehorsam zur Nr. 13 gelangt man nur über die (6) vorletzter Spiegelstrich. Enttarnt, enttaaaaaarnt.

    Weiterer Rechercheauftrag an die Redation: Steckt da Helge Schneider dahinter?

  4. #3
    »Herr Dodillet ist in Wirklichkeit Herr Steinmeier«

    Diese Unterstellung ist »der Gipfel der schwefligen Unmoral« (Flann O’Brien). Ich habe alle Nummern erst der Reihe nach gelesen (zwecks Fleißkärtchenerwerb), danach noch zwei Mal von vorne angefangen und dabei so getan als
    a) fände ich die taz-Kolumne doof und
    b) wäre ich Frank-Walter Steinmeier.

  5. „Man kann bei dem Text auch nicht von einer gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit sprechen, da Polizist*innen keine marginalisierte Minderheit sind.“ Kann man schon, denn:
    1.: freies Land und so
    2.: gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist jede Feindlichkeit gegen Menschengruppen, nicht nur gegen marginalisiserte und/oder Minderheiten, sonst hieße es marginale-minderheitenbezogene Menschenfeindlichkeit
    3.: ob HY bloß polizei_kritisch_ oder wirklich polizei_feindlich_ ist, ist ja gerade Teilgegenstand der Debatte, die Frage direkt auszuklammern würde deren Ergebnis vorwegnehmen
    4.: man kann in der Debatte ja zu dem Ergebnis kommen, dass die polizeibezogene Menschenfeindlichkeit hier legitim sei, weil diese Gruppe
    a) das aushalten kann
    b) das aushalten können muss
    c) das tatsächlich verdient hat

    „Elfenbeinsturm“ ist ansonsten eine tolle Bereicherung meines Wortschatzes.

    (Und ich kann mir gut vorstellen, dass die bei extra-3 Alice Weidel tatsächlich mehrheitlich für eine Nazi-Schlampe halten, weil)

  6. Ähm, sorry, ganz vergessen, angenommen, jemand fände HYs Kolumne gut bis ok? Werden diese Menschen hier etwa marginalisiert?

  7. „Auf Krawall gebürstet“ ist so ziemlich jeder Text von Hengameh Mucho. Ich wüsste nicht, warum ich da „solidarisch“ sein soll, zumal mir die linksradikale Pomo-Kacke ohnehin auf den Keks geht. Sie provoziert, erzielt die erwartbaren Reaktionen und marginalisiert sich zum nächsten Text. Wenn es mal etwas rauher kommt, jammert sie und vor allem ihre Unterstützer und verlangen eine Solidarität, welche dem Corpsgeist verblüffend ähnelt. Nee. Ich seh einfach zu, wie sie da im Müllstrudel rudert und mach ne Tüte Pop- und ne Flasche Doppelkorn auf, dem ich natürlich nur mäßig zuspreche. (Ihren Text schönsaufen, wie es manche schaffen, nee.)
    Solidarität hat freilich die Pressefreiheit verdient. So schlecht Hengameh auch ist – und mir, wenn ich sie lese -; wenn es der taz-Redaktion gefällt, ihren Müll zu veröffentlichen, mit Cops gesprenkelt oder nicht, muss sie das Recht dazu haben. Allzu viel zu verdienen (Geld) scheint H. Y. dabei ja nicht. Das versöhnt (oder vertöchtert oder was auch immer)
    Die CSU und ihr Ex-Chef hingegen beweisen, dass man die Leiter des Unsinns noch unter die Hengamehstufe herabsteigen kann.

  8. Dieser Text kostet Zeit. Tatsächlich will man ja doch alles lesen. Klappt aber nur nachvollziehbar, wenn man den vorgeschriebenen Sprüngen teilweise folgt, landet man bei z.B. bei 7 ist alles vorbei und man sucht den nächsten Ansatz.
    Bei anderen Punkten merkt man gleich, ach, das hatten wir doch schon vorhin.
    Bei aller Originalität sehe ich hier leider auch Anhaltspunkte für eine VT.
    Meine VT unterstellt, dass der Grundstein für diesen Text in etwa so begann:

    Stefan Niggemeier:
    Uups, zwischen den Wochenschauen liegen aber wieder mal wenig Artikel. Samira, wenn wir die Übonnenten die Woche nur mit wenigen Artikeln beschäftigt haben, kannst Du nicht einen machen, der sie dann ordentlich beschäftigt?

    Der Rest ist (fast schon) Legende – siehe oben.

  9. Ich habe eine Frage zum sechsten Absatz in Abschnitt 9: Müsste das „sie“ im ersten Satz nicht groß geschrieben werden („Und ich weiß was „S“ie jetzt denken…“) oder habe ich den Satz nicht richtig verstanden?

    (Haben wir korrigiert. Danke für den Hinweis!)

  10. @5: „Kann man schon (…)“
    So wie ich das verstehe, geht es hier um den Kontext der Satire, die sich nur „nach oben“ richten soll, nicht nach unten treten. Deshalb ist Satire, bezogen auf z. B. staatliche Organe keine „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“, da sie keine Minderheiten marginalisiert sondern die Funktion (?) einer staatlichen Institution mit dem Stilmittel der Satire kritisiert.

    @2: Würde mich tatsächlich mal interessieren, wie viel Ausbildung es benötigt, z. B. eine Waffe als Polizist abfeuern zu dürfen vs. Ausbildung zum Frontladerfahrer (weiß das richtige Wort nicht sorry).
    Oder allgemein Ausbildung zum Polizisten vs. Ausbildung zur Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirtschaft.

  11. Ich mochte den Text auch nicht, werde in diesem Text aber anscheinend nicht wahrgenommen. Denn ich mochte den Text von vorne herein nicht, weil ich genau wusste was kommen würde. Das dieser Text als Vorlage für alle herhalten wird, die von den Problemen die es mit der Polizei gibt ablenken wollen. Quasi eine Whataboutism-Steilvorlage aufs eigene Tor durch den Torwart.

  12. „So wie ich das verstehe, geht es hier um den Kontext der Satire, die sich nur „nach oben“ richten soll, nicht nach unten treten.“ Dann kann es immer noch gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit sein, nur eben gegen eine Gruppe, die ein legitimes Ziel darstellt, weil sie „oben“ ist. Oder weil sie es halt verdient hat.

    „Deshalb ist Satire, bezogen auf z. B. staatliche Organe keine „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“, da sie keine Minderheiten marginalisiert sondern die Funktion (?) einer staatlichen Institution mit dem Stilmittel der Satire kritisiert.“ Eine Satire kann sich gegen eine marginalisierte Gruppe oder eine nicht-marginalisierte Gruppe richten, aber wenn die Gruppe marginalisiert ist, war sie das auch ohne die Satire (auch, wenn einige so tun, als hätte HY die Polizei jetzt im Allengang marginalisiert). Und vermutlich will HY die auch nicht marginalisieren.
    Das widerlegt aber nicht, dass HY keine Menschfeindlichkeit gegenüber Polizisten(m/w/d) empfinden kann, weil:
    a) diese konkrete Satire sich gegen die Mitglieder der Institution richtet, nicht gegen die Institution an sich, und
    b) falls jemand wirklich eine Institution hasst, wird soe auch deren Mitglieder hassen; bzw. ich wäre extrem misstrauisch, wenn jemand was anderes behauptet.

    Kann ja sein, dass HY gegen Polizei und Polizeikräfte keine gruppenspezifische Menschenfeindlichkeit hat, aber ich halte es für unredlich, das dadurch auszuschließen, dass man die Definition von „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ solange zurechtbiegt, bis HY nicht mehr erfasst wird.

  13. „Steht da wirklich, dass Polizisten auf den Müll sollen? Oder steht da, dass Polizisten Müllmänner werden sollen?“

    Zumindest steht es so da, dass es nicht sonderlich schwerfällt, es in beiden Richtungen zu deuten. Diese Technik der Doppeldeutigkeiten gibt es auch bei den Alphonsos/Broders, sehr routiniert bei Höcke. Ein inzwischen beliebtes Stilmittel. Sobald die Leute über etwas stolpern, schwöre ich, dass ich das nie so gemeint habe und empöre mich über die Unterstellungen. Oops, so schnell wird man Opfer.

    Das kann man nicht machen, eine linke Autorin mit solchen rechten Übelkrähen zu vergleichen? Doch, kann man. Es sei denn, man glaubt, mit doppelten Standards irgendwelche Leute außerhalb der eigenen Fan-Szene überzeugen zu können.

    Was mich an der Sache – als links stehender Mensch – vor allem stört, ist der Verzicht auf jedwede Ambiguität. Margarete Stokowski schreibt bei SPON:
    „Es ist immer bitter, wenn man sich von einer Idee trennen muss, an die man lange geglaubt hat. Vom Weltfrieden, Weihnachtsmann, whatever – oder vom Glauben daran, dass Polizisten die Guten sind, die auf uns alle aufpassen und tapfer auf Verbrecherjagd gehen.“

    Ich habe selbst immer wieder kriminelle Polizeigewalt erfahren. Als Betroffener und noch mehr als Zeuge. Dennoch würde ich niemals beanspruchen, „die Polizisten“ in einen Sack stecken zu können. Dazu kenne ich zu viele Polizisten, die nicht so drauf sind.

    Mely Kiyak schreibt bei Zeit Online:

    „Es gibt diese Kollegen, die ihre Abscheu gegen eine diversere Zeitung verklemmt als Kampf um sprachliche Finessen und als stilistisches Florettgefecht ummänteln, aber eigentlich vertreten sie dieselben Argumente gegen die marginalisierten Stimmen wie die Deutsche Polizeigewerkschaft und ihr Minister. Und weil es hier in den vergangenen Tagen immer um Vergleiche ging: Das hier war jetzt einer.“

    Es gibt also nirgendwo ein Grau, es wird alles schwarz-weiß-gemalt, Pardon wird nicht gemacht. „Divers“ bedeutet halt das, was Frau Kiyak darunter versteht, bitte widersprechen Sie ihr nicht.

    Wenn man mal davon absieht, dass selbstverständlich ein Minister nicht mit Strafanzeigen zu drohen hat: Im Grunde ist die Debatte ein Kolumnisten-Rattenrennen. (Rat race klingt netter). Sie alle, von Kiyak über Stokowski bis hin zu Don Alphonso/Broder/Fleischhauer, sind ein besonderer Journalisten-Typus: Menschen, deren Arbeit sich darin erschöpft, zum Weltgeschehen einen Senf abzugeben. Solche Leute hat es früher auch gegeben, aber vermutlich nicht in der Menge.

    Die meisten KolumnistInnen halten Aufmerksamkeit für lebensnotwendig. Die gescheiten KolumnistInnen (u.a. Samira El Quassil) schaffen das mit Texten, die zum Nachdenken anregen. Andere suchen ihre Nische im Extremen. Polemisch, bissig, verletzend, radikal – nur nicht in der Masse untergehen. Den eigenen USP suchen. Vor allem nie und nimmer die eigenen Thesen in Zweifel ziehen. Der Konjunktiv könnte giftig sein.

    Wenn sich irgendwo eine Empörungswelle aufbaut, werfen sie sich ins Wasser, wollen mitsurfen. Dieses Kolumnen/Twitter-Tohuwabohu zieht sich pro Thema selten länger als zwei Wochen hin, dann ist es ausgelutscht. Die nächste Empörung kann kommen.

    Ich habe vielleicht noch vor etwa zwei Handvoll Kolumnisten und Kolukmnistinnen Respekt. Bei denen freue ich mich, wenn sie schreiben. Der Rest ist die moderne Form von Marktschreierei – mit wachsender Polarisierung, Doppelmoral und Lautstärke. Als ich jung war, waren Journalisten für mich Rechercheure wie Woodward und Bernstein, Reporter wie Jürgen Leinemann, und selbst bei Marion Gräfin Dönhoff habe ich viele lesenswerte Texte gefunden. Die heutigen KolumnistInnen hingegen sind oft so berechenbar und fade wie Sat1 am Nachmittag. Du musst nur die Überschrift lesen und schon ahnst du, was kommt.

    Man sollte sich mit Hengameh Yaghoobifarah solidarisieren, falls Seehofer oder andere Staatsakteure ihr zu nahe wollen. Aber man muss überhaupt nicht den KolumnistInnnen folgen, die aus alldem letztlich nur berufsbedingt den Nektar saugen wollen.

  14. Als ich ihn zum ersten Mal sah,
    da konnt‘ ich ’s noch nicht verstehen.
    Da war etwas, das rief in mir:
    Du musst ihm den Hals umdreh’n!

    […]

    Dann eines Tages las ich es:
    Thomas Anders im Krankenhaus.
    Ich schrie: O Herr, nimm ihm mit!
    Laß ihn nie mehr aus dem Himmel raus!

    Und endlich wurden meine Träume Wahrheit.
    Er schloß die Augen und trat für immer ab.
    Das Leben ist wieder heiter,
    täglich pinkele ich auf die Blumen von seinem Grab.

    […]

    Am Tag, als Thomas Anders starb,
    und alle Gläser klangen;
    Am Tag, als Thomas Anders starb,
    und meine Freunde tranken auf ihn:
    Das war ein großer Tag!
    Wir sangen seine Lieder bis in die Nacht.

    ——-

    Dieses Lied singt die Gruppe „Die goldenen Zitronen“, und offensichtlich hat sich bis heute niemand daran gestört. Das Lied ist eben „Pank“, und damit ist alles okay.

    Das ist etwas, was mir in der ganzen Diskussion fehlt: Man darf offensichtlich anderen Menschen öffentlich den Tod wünschen, und zwar sogar für harmlose Vergehen wie etwa das Produzieren von Musik. Warum ist das in Ordnung, aber das Entsenden von Polizisten auf eine Mülldeponie nicht? Wie wäre die Situation, wenn „Die goldenen Zitronen“ nicht der Einzelperson Thomas Anders, sondern allen Angehörigen des Berufsstandes der Polizei den Tod gewünscht hätten?

    Man darf in Schlagermusik sogar den Suizid als naheliegende Lösung bei finanzielle Problemen besingen, siehe „Ding Dong“ von „Erste Allgemeine Verunsicherung“. Auch das ist offensichtlich okay, das ist richtig lustig! Aber wehe, eine von Rassismus betroffene Autorin arbeitet sich an Polizisten ab. Dann ist plötzlich die halbe Republik in Aufruhr.

  15. @Daniel Rehbein:
    Ich habe den Text gerade zum ersten Mal in meinem Leben gelesen, wenn ich damit nicht sehr in der Minderheit bin, könnte das EIN Grund sein, dass darüber nicht die halbe Republik im Aufruhr ist.
    Ein anderer Grund könnte sein, dass vielen Menschen Thomas Anders mehr oder weniger egal ist.
    Ein dritter der, dass Anders mehr Humor hat als die beiden Polizeigewerkschaften zusammen.
    Alternativ zum dritten: Thomas Anders kennt den Text auch nicht.

  16. @ Mycroft:

    „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist jede Feindlichkeit gegen Menschengruppen, nicht nur gegen marginalisiserte und/oder Minderheiten, sonst hieße es marginale-minderheitenbezogene Menschenfeindlichkeit“

    Die Sache ist doch ganz einfach. Wenn man eine bestimmte Aussage machen möchte, die eigentlich offenkundig falsch ist, muss man Begriffe mit einer etablierten bzw. einer vom Wortsinn her naheliegenden Bedeutung doch einfach nur umdefinieren und ihnen eine neue Bedeutung geben. Und schon stimmt, was man sagt.

    – „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ wäre dann also keine Feindlichkeit gegen Menschen aufgrund ihrer Gruppenzugehörgikeit mehr, wie Wortsinn und Sprachgebrauch es nahelegen, sondern nur noch eine Feindlichkeit gegen Menschen aufgrund einer Gruppenzugehörigkeit, SOFERN die entsprechende Gruppe marginalisiert wird.
    – „Diskriminierung“ ist dann nicht mehr eine ungerechtfertigte Benachteiligung (im Sinne des allgemeinen Sprachverständnisses), sondern nur noch die ungerechte Benachteiligung Angehöriger marginalisierter Gruppen.
    – „Rassismus“ ist dann (wieder entgegen dem allgemeinen Verständnis und üblichen Definitionen) nicht jede Herabsetzung aufgrund der [fragwürdiger Begriff] „Rasse“ einer Person, sondern nur noch eine, bei der die Betroffenen einer marginalisierten Rasse angehören.

    Die letzteren Beispiele sind keine Erfindungen von mir.
    Das ist doch hervorragend: Nun ist nicht nur wahr, was man meint, sondern die eigene Meinung folgt sogar schon aus der Definition! Und so wird es uns dann auch verkündet.

    In Wahrheit ist das alles ist natürlich etwa so sinnvoll, als würde man den Begriff „Gewalt“ so umdefinieren, dass nur noch Gewalt von Personen einer privilegierten Gruppe gegen eine marginalisierte Gruppe so heißt, Gewalt im umgekehrten Fall aber keine „Gewalt“ mehr sein darf, sondern höchstens als „aggressives physisches Herangehen“ oder so bezeichnet werden kann.
    Auf diese Weise sagt man natürlich nur etwas über den eigenen normativen Sprachgebrauch aus bzw. kommt in der Sache nur zu Tautologien. (Während eine Aussage wie die, dass gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit gegen marginalisierte Gruppen wesentlich gravierendere Negativ-Folgen hat als gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit gegen die Mehrheit oder mächtige Gruppen, tatsächlich etwas Relevantes über Sachzusammenhänge aussagt.)

    Aber das muss man ja nicht hinausposaunen. Es geht ja darum, mithilfe argumentativ wertloser „Umdefinitionen“ von Sprache den Eindruck zu erwecken, man habe eine inhaltlich relevante Wahrheit ausgesprochen oder gar ein schlagendes inhaltliches Argument formuliert.

  17. #10, anderer Max: „Oder allgemein Ausbildung zum Polizisten vs. Ausbildung zur Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirtschaft.“

    Die Ausbildung zur Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirtschaft dauert drei Jahre. Polizist kann man schon in 2-2,5 Jahren werden, im mittleren Dienst. Mittlere Reife reicht, für beide Ausbildungen, jedenfalls nominell. Polizist kann man auch mit Hauptschulabschluss und einer „förderlichen, abgeschlossenen“ Berufsausbildung werden (jedenfalls in BaWü, ich habe jetzt nicht alle anderen 16 Polizeien recherchiert).

    Da hier nur ein Link erlaubt ist, die Startseite des „Berufenet“ der Agentur für Arbeit:

    https://berufenet.arbeitsagentur.de/berufenet/faces/index?path=null

    Die Fachkraft bekommt nach Tarif in ihrer Ausbildung zwischen 660€ und 800€ brutto (in der Industrie) und 850 bis 980€ brutto (im Öffentlichen Dienst).

    Der der selbstgestrickten und erfolgreich medial verbreiteten Legende nach so schlecht bezahlte Polizist bekommt als „Anwärter im mittleren Polizeivollzugsdienst“ schon im ersten Ausbildungsjahr 1.250€ netto (in Baden-Württemberg, es variiert ein bisschen je nach Bundesland).

  18. Daniel Rehbein:

    „Aber wehe, eine von Rassismus betroffene Autorin arbeitet sich an Polizisten ab. Dann ist plötzlich die halbe Republik in Aufruhr.“

    Mitnichten die halbe Republik, die Sache wird nur gerade aus unterschiedlichen Motiven heraus am Köcheln gehalten. Würde es übrigens am Text etwas ändern, wenn die taz-Autorin nicht selbst rassistische Erfahrungen gesammelt hätte? Wäre der Text dann weniger wertvoll? Macht einen – umgekehrt – die eigene Betroffenheit immun gegenüber Kritik?

    Und was ist, wenn eine Frau auftauchen würde, sich selbst als Opfer gewalttätiger Migranten präsentierte und Flüchtlinge auf den Müllhaufen wünschte? Bitte, ich hätten diesen Vergleich jetzt nicht gebracht, wenn du nicht von dir aus nach Prinzipien gefragt hättest.

    Thomas Anders könnte, wenn er wollte, Strafanzeige gegen die Verbreiter des Liedes erstatten. Es ist seine Sache, ob er es tut oder nicht. Polizisten (und dazu gehören ja auch Polizeigewerkschafter) können Anzeige erstatten, wenn sie sich verunglimpft fühlen. Der Rechtsweg steht jedem Bürger offen.

    Juristisch betrachtet ist das Ganze eh nicht so eindeutig. Es gibt keinen gesonderten Tatbestand der Beamtenbeleidigung, Beamte werden behandelt wie gewöhnliche Menschen auch. Allerdings sehen Staatsanwälte in solchen Fällen gerne ein „öffentliches Interesse“, um ein Verfahren vor den Kadi zu bringen. Andererseits urteilen die höchsten deutschen Gerichte (siehe „Soldaten sind Mörder“) gern im Sinne der Meinungsfreiheit, wenn es um Kritik an staatlicher Gewalt geht.

    Volksverhetzung als Straftatbestand, was Polizeigewerkschafter meinen, zieht hier im konkreten Fall vermutlich gar nicht. Dafür haben Gerichte die Hürden schon deutlich höher gesteckt.

    Insofern hätte vermutlich ein Thomas Anders sogar deutlich bessere Karten als die Polizeigewerkschaft.

  19. „Wenn man eine bestimmte Aussage machen möchte, die eigentlich offenkundig falsch ist, muss man Begriffe mit einer etablierten bzw. einer vom Wortsinn her naheliegenden Bedeutung doch einfach nur umdefinieren und ihnen eine neue Bedeutung geben.“
    Ach, Leberkäse ist ja auch kein Käse und nicht aus Leber. Insofern muss man gar nichts umdefinieren – Sprache ist eh‘ ein sinnloser Haufen kontraintuitiver Wörter.

    Aber anders – ungeachtet der Frage, ob HY Polizisten hasst, irgendwelche Menschen tun das bestimmt. Diese könnten ihren Polizistenhass ja als „Kritik an den staatlichen Organen“ tarnen, so wie Antisemiten ihren Judenhass als „Israelkritik* tarnen. Und weil das ein extrem vorhersehbarer Move ist, sollte man dem Argument, jemand würde jemanden nicht hassen, sondern nur die Organisation dahinter kritisieren wollen, misstrauen.

  20. @FPS Kann ich fast ausnahmslos unterschreiben, nur das mit dem Seehofer nicht gänzlich. Unbestritten, die Meldung, er denke über eine Strafanzeige nach (und wohl den Strafantrag nach § 194 Abs. 3 StGB meint) war natürlich (auch) ein offensichtlicher Versuch, sich politisch an seine Zielgruppe anzubiedern…
    Als Bundesinnenminister ist er aber zugleich oberster Dienstherr der Beschäftigten bei der Bundespolizei, denen er beamtenrechtlich zur Fürsorge verpflichtet ist, und von denen sicher viele erwarten, dass er sich vor sie stellt (und darunter vermutlich auch diejenigen, die eben keine Rassisten oder Faschisten sind) .

  21. @21: Und Sie definieren dann „wer tatsächlich hasst“ bzw. „wer echte Kritik übt“? Oder wer macht das?

  22. @22:
    Theoretisch sind Hass und Kritik im Wörterbuch definiert.
    In der Praxis kann niemand Gedanken lesen.

  23. @24: „In der Praxis kann niemand Gedanken lesen.“
    Gerade deswegen finde ich den „Israel / Polizei Kritik“ vs. „Antisemitimus / Polizistenhass“ Vergleich ein wenig schwierig.
    Aber, nach mehrmaligem durchlesen, war ich auch evtl. nur von Ihrem Wording etwas verwirrt.

    @22: „und darunter vermutlich auch diejenigen, die eben keine Rassisten oder Faschisten sind“
    Genau damit befasst sich der neue Artikel hier auf übermedien: Für wen sprechen die Polizeigewerkschaften überhaupt? Bildet das überhaupt (noch) die Realität unter Polizisten ab?

    Ich spreche mal für mich: Ich konnte bisher schon einiges aus der Debatte ziehen, um meinen Standpunkt besser differenzieren zu können. Ich hoffe, das geht auch Anderen so.

  24. „Unbestritten, die Meldung, er denke über eine Strafanzeige nach (und wohl den Strafantrag nach § 194 Abs. 3 StGB meint) war natürlich (auch) ein offensichtlicher Versuch, sich politisch an seine Zielgruppe anzubiedern…“

    Die krachlederne Ankündigung vom Sonntag – ganz zufällig in der BILD, dem Zentralorgan für Hass, Hetze und sprachliche Verrohung – gleich am Montag „in meiner Eigenschaft als Innenminister“ Strafanzeige zu erstatten, hatte sicher nichts mit Nachdenken zu tun. Falls so etwas wie ein Denkprozess stattgefunden haben sollte, war der mit der Ankündigung abgeschlossen.

    „Als Bundesinnenminister ist er aber zugleich oberster Dienstherr der Beschäftigten bei der Bundespolizei, denen er beamtenrechtlich zur Fürsorge verpflichtet ist, und von denen sicher viele erwarten, dass er sich vor sie stellt“

    Tut er aber nicht. Politiker stehen interessanterweise selten _vor_ Polizisten, sondern lieber _dahinter_. Auch der Horsti:

    „Wir Innenminister stehen uneingeschränkt hinter den Polizisten. Ich kann aus tiefer Überzeugung sagen, dass die #Polizei auf dem Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht.“

    https://www.merkur.de/politik/horst-seehofer-stuttgart-taz-autorin-journalistin-anzeige-randale-innenminister-klage-presse-zr-13806341.html

    Da steht man ganz uneingeschränkt und pauschal – hinter den Rassisten genauso wie den Nicht-Rassisten. Pauschalität ist nämlich nur böse [tm], wenn Kritik damit delegitimiert werden kann.

  25. @26: Meinen Sie nicht, Ihr(e) Kommentar(e) hätten mehr Gewicht, wenn Sie auf Dinge, wie „Zentralorgan für Hass, Hetze und sprachliche Verrohung“ und „Horsti“ verzichten würden?
    Genau das verleitet doch wieder a) zu ad hominem Angriffen und b) unsachlichen Erwiderungen.

    Ob „vor“ oder „hinter“ ist m. E. in diesem Fall nur Semantik, man korrigiere mich gerne. Die Frage ist ja, ob man Kritik an Rechtsradikalen in der Polizei zulässt und evtl. auch selbst ein Interesse daran hat, dies als Innenminister nachzuverfolgen, oder ob man per se Kritik abschmettert, indem man sofort öffentlich(st) von „Generalverdacht“ und „Volksverhetzung“ spricht.

    Anzeige gibt’s übrigens nicht:
    https://www.tagesschau.de/inland/seehofer-taz-anzeige-105.html

    Jetzt wird der Presserat bemüht.
    Und wenn der was anderes als Kunstfreiheit (weil Satire – ich erinnere noch mal an das Erdogan-Gedicht) feststellt, wäre ich schon verwundert.

    Über (rassistische) Polizeigewalt redet nun jedenfalls niemand mehr, also ist der Coup m. M. geglückt, auch wenn die Medien nicht wirklich auf die Stuttgart-Sache angesprungen sind.

    Hier noch was aus den USA:
    https://portcitydaily.com/local-news/2020/06/24/fired-wilmington-cop-we-are-just-going-to-go-out-and-start-slaughtering-them-f-ni-i-cant-wait-god-i-cant-wait-free-read/
    Ich hoffe einfach, als Normalo-Bürger, dass so etwas bei uns nicht existiert …

  26. #27: „@26: Meinen Sie nicht,“

    Ja, meine ich nicht. Es ist ja kein Zufall, dass Seehofer in ausgerechnet diesem Presse-Erzeugnis Stimmung macht und was das für ein notorisches Erzeugnis ist, sollte man bei jeder sich bietenden Gelegenheit deutlich machen.

    „Die Frage ist ja, ob man Kritik an Rechtsradikalen in der Polizei zulässt und evtl. auch selbst ein Interesse daran hat, dies als Innenminister nachzuverfolgen,“

    Sehen Sie diese Frage wirklich nicht als hinreichend beantwortet? Was denken Sie – wird es im folgenden Fall auch Anzeigedrohung, Anzeigen und „Einladung zum Gespräch“ geben?

    „Auf einer Tonspur, die zeitweise auf Youtube abrufbar war und aus der Samstagnacht stammen soll, ist mutmaßlich ein Polizist zu hören, der die Verantwortlichen für die Ausschreitungen als „Kanaken“ bezeichnet und „das, was ihr geholt habt“, die „Spitze des Eisbergs“ nennt. (…)

    An der Echtheit des Dokuments, das laut der Staatsanwaltschaft Stuttgart wahrscheinlich als Sprachnachricht über Whatsapp versendet wurde, bestehen für die Polizei kaum Zweifel. (…)

    Die Stimme eines Beamten des Polizeipräsidiums Stuttgart sei bereits identifiziert worden.“

    https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.ausschreitungen-in-stuttgart-polizei-ermittelt-wegen-rassistischer-tonspur-in-eigenen-reihen.0c82fc2a-eef0-4215-aaf8-09de8f7cb58e.html

    „Über (rassistische) Polizeigewalt redet nun jedenfalls niemand mehr,“

    Über das strukturelle Problem des Umgangs mit (rassistischer) Polizeigewalt, die Verrohung der Sprache durch Polizisten usw. wird weiter geredet* – das können die Seehofers, Wendts und von Storchs nicht verhindern. Die zeigen nur die Richtung auf, wie damit umgegangen wird.

    *von gestern: https://verfassungsblog.de/verfolgte-grundrechtstraeger/

  27. „@24: „In der Praxis kann niemand Gedanken lesen.“
    Gerade deswegen finde ich den „Israel / Polizei Kritik“ vs. „Antisemitimus / Polizistenhass“ Vergleich ein wenig schwierig.
    Aber, nach mehrmaligem durchlesen, war ich auch evtl. nur von Ihrem Wording etwas verwirrt.“
    Ja, ich hatte auch zweimal drüber nachgedacht, und ja, es gibt schon mehrere Unterschiede, weshalb das bitte keine hundertprozentige Analogie ist, aber das „Darf man nicht mehr Israel kritisieren“-Argument ist für mich DAS Musterbeispiel für solche Spielchen.

  28. Was mich schwer verwundert, ist die Textexegese allenthalben. Hat denn niemand die Kolumne gelesen?: “ Spontan fällt mir nur eine geeignete Option ein: die Mülldeponie. Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten.“

    „NICHT als Müllmenschen. “ Steht da. Polizisten sind Müll. Steht da. Ginge es um Arbeiter_*innen, wäre „ihresgleichen“ ja durch ein „seinesgleichen“ genderisiert.

    Ansonsten fällt auf:
    Die Taz.
    Die Kolumne.
    Die Satire.
    Die Autorin.
    Die Polizei.

    Uns Männer, Kinder und Diverse geht die Diskussion eigentlich gar nix an.

  29. @31: https://www.tagesspiegel.de/politik/some-innenminister-are-berufsunfaehig-seehofer-sollte-man-verklagen-nicht-die-taz-kolumnistin/25955814.html

    „Möglicherweise ist auch nur die Provokation gelungen, der Text als solcher jedoch nicht. Das mag jeder selbst beurteilen. Sicher aber ist, dass es in einem freien Land straflos sein muss, solche Schriften zu publizieren. Eine Beleidigung scheidet aus, weil Polizisten pauschal als Müll zu bezeichnen ebenso zulässig ist, wie alle Soldaten Mörder zu nennen. Volksverhetzung? Für eine solche Anklage bedürfte es größerer Fantasie als jene, die die Autorin für ihr Werk aufgebracht hat.“

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