„Weltwoche“-Chef Roger Köppel

Auf großer Tour: Der letzte Kämpfer für die Meinungsfreiheit

Es ist heiß draußen, mehr als 30 Grad, und obwohl hier drin die Fenster geöffnet sind, ist es stickig. Gut 80 Menschen sind in den Gsellhof in Wangen-Brüttisellen gekommen, einen alten Bauernhof, der inzwischen als Gemeindehaus dient. Am Samstag vor zwei Wochen sind hier alle Sitzplätze belegt, einige Besucher müssen stehen. Manche fächern sich mit Papier Luft zu, als sie auf den Mann warten, den sie trotz Hitze unbedingt sehen wollen: Roger Köppel.

In Deutschland ist Köppel bekannt, weil er mal, von 2004 bis 2006, Chefredakteur der Tageszeitung „Die Welt“ war und früher auch öfter ins deutsche Fernsehen eingeladen wurde, um Talkshows aufzumischen. Köppel polarisiert. Er ist Journalist, längst aber auch Politiker. Derzeit kandidiert er für den Ständerat, die zweite Kammer des Schweizer Parlaments. Köppels politische Heimat ist die nationalkonservative Schweizerische Volkspartei, kurz: SVP.

„Roger Köppel spricht!“ in allen 162 Gemeinden des Kantons Zürich

Der Empfang in Wangen-Brüttisellen ist dementsprechend herzlich. Die etwas mehr als 7.000 Einwohner zählende Gemeinde nordöstlich von Zürich gilt als SVP-Hochburg. Bei der vergangenen Nationalratswahl haben die Rechtspopulisten hier 40 Prozent der Stimmen geholt, in der gesamten Schweiz waren es 30 Prozent. Und damit das so bleibt, ist Köppel heute hier. Als Anheizer.

Mann mit Brille und im Anzug geht winkend durch Tischreihen in einem Saal.
Wahl-Nominierung: Roger Köppel bei der Delegiertenversammlung der SVP des Kantons Zürich im April – seither tourt er durchs Land Foto: Keystone

Seit er im April von der Delegiertenversammlung der SVP als Kandidat nominiert wurde, tourt der 54-Jährige durch alle 162 Gemeinden des Kantons Zürich, der mit rund 1,5 Millionen Einwohnern der bevölkerungsreichste der Schweiz ist. Das Motto der groß angelegten Wahlkampftour: „Roger Köppel spricht!“ Als er das in Wangen-Brüttisellen tut, hat er bereits mehr als 80 Auftritte hinter sich, Halbzeit also. Am 20. Oktober wird gewählt. Mit populistischen Parolen wie „Kein EU-Unterwerfungsvertrag“, „Rot-grüne Klimadiktatur. Nein Danke!“ und „Masslose Zuwanderung stoppen“ will Köppel obsiegen.

Es ist ein ambitioniertes Unterfangen, auch wenn Wangen-Brüttisellen ein Heimspiel ist. In Zürich und Umgebung hatte die SVP bei Ständeratswahlen bisher eher schlechte Karten. Voriges Mal gingen die beiden verfügbaren Sitze an die Bewerber der Sozialdemokraten (SP) und der Liberalen (FDP) – aber da war Köppel noch nicht am Start, um den Sieg der „Mainstream-Parteien“ zu verhindern. „Mainstream“ – das sind alle außer der SVP. Die AfD lässt grüßen.

SVP-Politiker und Chefredakteur in einem – für Köppel geht das

Um ein neuerliches Debakel der Schweizerischen Volkspartei zu verhindern, ist Köppel auf mehreren Ebenen aktiv. Mit seinem eigenen Blatt, der „Weltwoche“, die er als Chefredakteur und Herausgeber immer weiter nach rechts gerückt hat, begleitet er seinen Wahlkampf inhaltlich und logistisch. Im Ankündigungstext der „Weltwoche“ heißt es:

„Beide heutigen Zürcher Ständeräte ignorieren die von Roger Köppel aufgeworfenen Themen und unterscheiden sich politisch nur in Nuancen. Umso wichtiger wäre, dass künftig auch die andere, dezidiert bürgerliche Sicht im Ständerat vertreten würde. Köppel setzt sich ein für eine freie, sichere und weltoffene Schweiz ohne institutionelle EU-Fremdbestimmung.“

Manchmal klingt es in der „Weltwoche“, als handle es sich um irgendeinen Ständeratskandidaten und nicht um den eigenen Chefredakteur. Vielleicht soll das etwas Rest-Objektivität vorgaukeln, was aber eigentlich überflüssig ist, denn Köppel will die Verquickung zwischen der Partei und seiner Zeitung ja gar nicht verschleiern. Auf vielen Veranstaltungen prangt das Logo seiner „Weltwoche“ gleichberechtigt neben dem der SVP.

Dass ein Journalist als Politiker agiert, ist für ihn kein Widerspruch. Immer wieder seien „namhafte Schweizer Chefredakteure in die Politik gegangen“, sagte Köppel einmal in einem Interview und erklärte: „Dem Journalisten Köppel kann die Partei oder die Fraktion keinerlei Weisungen erteilen.“ Sollte ihn seine Wahl aber „tatsächlich korrumpieren“, schob er ironisch hinterher, könne er nur „allen empfehlen, die ‚Weltwoche‘ nicht mehr zu lesen“.

Er spricht! Wahlkampf-Flyer der „Weltwoche“ Screenshot: weltwoche.ch

Beigefarbene Hose, hellblaues Hemd ohne Krawatte. Köppel gibt sich bürgernah im Gemeindehaus, spricht natürlich auch Dialekt, Schwyzerdütsch, was für auswärtige Ohren eine kleine Herausforderung ist, aber auch Teil der Inszenierung. Begriffe wie „Heimat“ und „Nation“ stehen weit oben auf Köppels Agenda, wie der Klimawandel, den er bezweifelt, und deshalb kommt Köppel auch gleich zur Sache: „Wir sind gegen die rotgrüne Klimadiktatur“, sagt er. Einige Leute im Publikum nicken, manche rufen „Bravo“.

Wer sich heimisch fühlen darf in der Nation, definieren Köppel und seine Kollegen. Kritik von politischen Konkurrenten oder aus den Medien bügelt er ab. Die SVP könne gar nicht gegen Zuwanderung sein, heißt es dann, da es die ja „zu allen Zeiten gab“. Problematisch sei es allerdings, wenn zu viele und dann auch noch die Falschen kämen. Schließlich wolle man die Eidgenossen nicht überfordern, das würde nur „Wut und Frustration fördern“. Verweise auf die „Fehlentwicklungen“ bei den Nachbarn Italien, Frankreich und Deutschland dürfen dabei natürlich nicht fehlen. Zustimmendes Nicken im Saal.

Witz: Beeinflusst das CO2 im Sprudel den Klimawandel?

Getränke gibt es hier ohne und mit (etwas) Alkohol. Köppel selbst trinkt artig Mineralwasser, natürlich mit Kohlensäure. Selbst das nutzt er als schnöde Vorlage, um auszuteilen: Ob das CO2 den Klimawandel beeinflusse, fragt er mit diesem schelmischen Köppel-Grinsen. Es ist noch am Anfang seiner Rede. Die ersten Lacher hat er da bereits auf seiner Seite – nicht zum letzten Mal.

Für die meisten ist Köppel ein Vorbild, ein „wahrer Patriot“, einer der wenigen, der sich noch traue, „die Wahrheit zu sagen und sich dabei nicht unterkriegen lässt“, wie es ein leicht ergrauter Mann nach der Veranstaltung sagt. „Köppel ist der einzige, der Klartext spricht und der EU Paroli bietet“, sagt ein anderer. Im Prinzip sind hier alle seiner Meinung. Negative Stimmen sucht man vergebens, kritische Fragen bleiben an diesem Abend vollständig aus.

Seinen Vortrag hält Köppel frei, nur selten schaut er auf die kleinen Stichwortzettel, die er in der Hand hält. Er spricht langsam und bedächtig, seine Stimme klingt monoton. Wenn möglich, geht er auch auf aktuelle Ereignisse und Personen ein: Carola Rackete, die Seenot-Kapitänin, Ursula von der Leyen, die neue EU-Kommissionspräsidentin, und die so genannten Klima-Marxisten um Greta Thurnberg bieten ihm ausreichend Angriffsfläche.

100 Abstimmungen verpasst: „Absenzenkönig“ Köppel

Seit 2015 ist Köppel bereits Abgeordneter im Nationalrat der Schweiz. Jedenfalls offiziell. In der großen Kammer glänzt er eher durch Abwesenheit. Die „Aargauer Zeitung“ kürte ihn zum „Absenzenkönig im Parlament“, weil er von 239 Abstimmungen 100 verpasst hat. Aber natürlich hat Köppel auch hierfür eine Erklärung: Er sei „explizit gegen dieses ausufernde sterile antiliberale Sitzungswesen in Bern“, sagt er. Es führe dazu, „dass voll Berufstätige durch die künstliche parlamentarische Betriebsamkeit abgeschreckt werden sollen“.

Köppel und Kollegen inszenieren sich als letzte Kämpfer für die Meinungs- und Pressefreiheit und gegen den „linksliberalen Publizistik-Mainstream“, zu dem „gleichgeschaltete“ Medien aus Deutschland gehören und in der Schweiz die öffentlich-rechtliche SRG, der liberale „Tagesanzeiger“ und die „linksradikale“ WOZ – eigentlich alle, nur die „Weltwoche“ nicht. Selbst die rechts-konservative NZZ wird kritisiert, weil sie angeblich ihr liberal-konservatives Profil verloren habe, was Hans-Georg Maaßen („Westfernsehen“) wundern dürfte.

Köppel beherrscht die Sprache der Rechtspopulisten, bei der das Umdeuten von Begriffen eine entscheidende Rolle spielt: Die SVP sei die einzig „bürgerliche“ Partei, eingekesselt von Gegnern, die „linksgrün“ und „absolutistisch“ handeln. Das Bürgerliche wird durch Schlagworte wie „Freiheit“ und „Sicherheit“ symbolisiert. Dass diese vor allem für diejenigen gelten, die sich Freiheit und Sicherheit qua Eigentum und Pass leisten können, spielt keine Rolle.

Köppel steht für einen „schlanken Staat“, der den Markt nicht stört und zugleich für einen „starken Staat“, der die innere Sicherheit ausbaut und die äußeren Grenzen stärkt. „Weltoffen“ ist die Schweiz nur für jene, die das Land bereichern – also Kapital und Know-how mitbringen. SVP und „Weltwoche“ stehen also für ein rechtes, neoliberales Konzept, das auf Abschottung setzt.

Klima-Titel der „Weltwoche“ (alle 2019) Quelle: weltwoche.ch

Um die publizistische Unabhängigkeit der „Weltwoche“ zu dokumentieren, verweist Köppel gerne auf einige SVP-kritische Artikel dort. Außerdem räumt er seinen Gegnern auch mal Platz zur Gegenrede frei. So durfte der Klimatologe Reto Knütti kürzlich in der „Weltwoche“ Köppels klimapolitischen Thesen zerpflücken. Kaum mehr als ein taktisches Manöver. Die Leserinnen und Leser lassen sich davon ohnehin nicht beeindrucken, da reicht ein Blick in die Kommentare unter dem Text. Und eine Woche später legte die „Weltwoche“ mit einem vielfach kritisierten Sonderheft zum Klimawandel nach – hier haben die Skeptiker wieder Oberwasser.

Gerade wenn es um das Thema des menschengemachten Klimawandel geht, redet und schreibt sich Köppel gerne in Rage: „Klimaveränderungen gab es immer. Der wärmste Sommer in der Schweiz war im Jahr 1540 gewesen. Das Problem ist die Klima-Überhitzung – auch jene im Kopf“, schreibt er. Und womöglich ist es auch in seinem Kopf inzwischen zu warm: Anfang des Jahres lag er arg weit daneben, als er den jährlichen CO2-Ausstoß der Schweiz bezifferte: Köppel ging von 3,6 statt von 36 Millionen Tonnen aus. Den menschengemachten Shitstorm, der darauf folgte, hat er locker ausgesessen.

„Schreiben Sie doch mal die Wahrheit!“

Die Besucher seiner Auftritte wollen davon nichts hören. Vor allem nicht, wenn sie merken, dass man von „drüben“ kommt. Man sei ja „eh nicht objektiv“! „Schreiben Sie doch mal die Wahrheit“, fordert eine der wenigen Frauen im Publikum in Niederglatt, wo Köppel am Abend vor Wangen-Brüttisellen spricht. „Und was ist die Wahrheit?“, möchte ich wissen. „Hören Sie einfach zu, was der Herr Köppel sagt, dann erfahren Sie es.“ Nachfrage: Der Politiker oder der Publizist Köppel? Achselzucken. Ist ja auch kaum zu unterscheiden.

Was auffällt: Nicht alle hier kennen oder lesen die „Weltwoche“. Anderswo sieht es nicht besser aus: Die verkaufte Auflage hat sich seit 2011 fast halbiert, von 78.000 auf 41.000 Exemplare, was für jemanden wie Köppel, der nur eine Richtung kennt – und zwar nach oben – kein besonders befriedigender Zustand sein dürfte. Also versucht er es mit Sonderangeboten.

Bei den ersten Wahl-Veranstaltungen hat er für das „Wahljahr-Abo“ geworben: 250 statt 346 Schweizer Franken. Eine Investition, die sich nicht nur für die Zeitung lohnen soll, sondern auch für Abonnentinnen und Abonnenten, die sich damit auch ein Stück Unabhängigkeit kaufen könnten. Schließlich sei das Blatt, behauptet Köppel, „keiner Ideologie, keinem Dogma verpflichtet“ – lediglich der SVP, könnte man hinzufügen.

Die Partei verfolgt ihrerseits in Sachen Medienpolitik seit vielen Jahren ein hegemoniales Konzept. Plumpe Aktionen wie in Österreich, wo die gescheiterte türkis-blaue Regierung versuchte, direkten politischen Einfluss auf Medien zu nehmen, unterlässt die SVP allerdings. Um Medien auf Parteilinie zu bringen, bedient sie sich lieber marktwirtschaftlicher Methoden.

Köppels Ziehvater, der ehemalige SVP-Vize Christoph Blocher, hat in den vergangenen Jahren mit der Zeitungshaus AG ein kleines Medienimperium aufgebaut. Schwerpunkt: Gratis- und Lokalzeitungen. 2017 kaufte Blocher 25 Lokalzeitungen auf, ein Jahr später folgte mit dem „Tagblatt“ die älteste und laut Eigenwerbung „meistgelesene Stadtzeitung“ Zürichs. Die Zeitung hat eine Auflage von rund 128.000 Stück. Als amtliches Publikationsorgan landet sie auch in Briefkästen, auf denen ein „Stopp Werbung“-Aufkleber prangt.

Zeitungen „klar durch die politische Haltung der SVP geprägt“

Als Reaktion auf Blochers Vorstoß hat sich vor zwei Jahren der „Verein für Medienvielfalt“ gegründet: „Bei der Übernahme der Zeitungen im August 2017 wurde durch die neuen Herausgeber bestritten, dass die Zeitungen nun klar durch die politische Haltung der rechtskonservativen SVP geprägt würden“, heißt es dort. Der Verein hat die „Winterthurer Zeitung“, eines der wichtigsten Lokalblätter, über einen längeren Zeitraum vor und nach der Übernahme analysiert. Das Ergebnis:

„Die SVP konnte in der ‚Winterthurer Zeitung‘ eine starke Präsenz aufbauen: wurde sie im halben Jahr vor der Übernahme der Zeitung lediglich in vier Prozent der Artikel erwähnt, liegt dieser Anteil zwischen September 2017 und Dezember 2018 bei 30 Prozent, wobei die SVP kurz vor den Stadt- und Gemeinderatswahlen in Winterthur vom 8. März 2018 mit 62 Prozent Anteil den Spitzenwert erreichte.“

Auch international versuchen SVP und „Weltwoche“ sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen. Auf Einladung von Köppel hielt zum Beispiel Steve Bannon im März 2018 einen Vortrag vor mehr als 1.000 Zuhörerinnen und Zuhörern in Zürich. Es war der erste öffentliche Auftritt des ehemaligen Chefstrategen von US-Präsident Donald Trump in Europa. Bannon lobte die „großartigen Errungenschaften“ von „Doktor Blokker“, der ein „Trump vor Trump“ gewesen sei, und warb für eine strategische Allianz rechtspopulistischer Parteien und Medien in Europa. Für Köppel ein „Gipfel der freien Rede“.

Die Strategie dahinter ist offensichtlich und ähnelt jener der AfD: „Die Welt ist ungerecht“, jammert Köppel. „Die Journalisten helfen heute nicht den Underdogs, sie helfen den Mächtigen, den Etablierten.“ Logisch also, dass Köppel sich als Politiker und als Journalist auf die Seite der in seinen Augen „wirklich“ Unterdrückten schlägt – auch dann, wenn sie es bis in Regierungen geschafft haben: Köppel unterstützt den „heiteren Mailänder“ Salvini im Kampf gegen Gutmenschen und Schlepper, feiert Orbans „glanzvolle“ Wiederwahl und verurteilt das Strache-Video als „das seit langem spektakulärste Beispiel eines politischen Auftragsmords“.

In deutschen Talkshows sieht man Köppel kaum noch. War er bis vor einigen Jahren dort ständiger Gast, schaut er sich das Treiben mittlerweile von der Schweiz aus an. Heute vertreten auch andere dort die Positionen, die Köppel vertritt. Und in rechtskonservativen bis rechtsextremen Medien von „Tichy‘s Einblick“ über „Compact“ bis hin zu „PI-News“ finden sich derweil regelmäßig lobende Worte für Köppel. In der rechtskonservativen Wochenzeitung „Jungen Freiheit“ durfte er sich im vergangenen Dezember sogar in einem ganzseitigen Interview über den „UN-Migrationspakt“ echauffieren.

Auch auf dieses Thema geht Köppel bei seinem Auftritt in Wangen-Bebenfalls ein, indem er unter anderem vor „Sozialtouristen“ warnt, so ähnlich wie Markus Söder (CSU) einst vor „Asyltourismus“. Köppels Vortrag endet mit der pathetischen Aufforderung, „dafür zu sorgen, dass die Schweiz Schweiz bleibt“ – eine Schweiz ohne Masseneinwanderung, Klimadiktat, EU-Imperialismus und „gleichgeschaltete“ Medien. Die Leute im Saal applaudieren. Wenn es nach ihnen ginge, reichten SVP und „Weltwoche“ aus, um dieses Ziel zu erreichen.

10 Kommentare

  1. Dass Köppel bei seinen Wahlveranstaltungen Dialekt spricht, ist keine „Inszenierung“ sondern in der Schweiz der Normalfall. Hochdeutsch – in der Schweiz „Schriftdeutsch“ genannt – sprechen höchstens Schweizer aus dem französischsprachigen Teil des Landes bei öffentlichen Auftritten. Insgesamt inszeniert Köppel sich natürlich schon – als Retter des Vaterlands (vor allem vor der EU und Ausländern) unter der Schirmherrschaft seines Förderers Christoph Blocher, der als Milliardär sicher einer der „Underdogs“ ist, denen Köppel als Journalist uns Politiker unbedingt helfen muss. Die SVP wiederum wurde kürzlich von der New York Times als weiter rechtsstehend gewertet als die AfD – dafür hat die AfD viel von der SVP gelernt. Und Köppel politisiert streng auf der rechten SVP-Linie – weshalb er in den rechten deutschen Medien auch nur die Parteilinie zu vertreten brauchte. Seine Wahlchancen im Kanton Zürich dürften durchwachsen sein. In der Stadt Zürich wird er nicht gewählt und in den kleineren Städte und Gemeinden müsste er die FDP aus dem Feld schlagen, was vor allem in wohlhabenden Gemeinden schwer sein wird. Man könnte fast meinen, er gebe den Winkelried* im schwer zu gewinnenden Kampf um den Ständeratssitz, um nicht mehr in den Nationalrat zu müssen (wo er ja meistens fehlt). Die SVP ist nämlich prinzipiell im Nationalrat (1. Kammer) stark, aber im Ständerat (2. Kammer) schwach.
    *Winkelried ist eine Figur der Schweizer Freiheitsmythos‘, die angeblich in einer Schlacht die Speere der Gegner ergriffen und in seinen Körper gerammt haben soll, um für seine Mitkämpfer eine Bresche zu schlagen.

  2. Ein Politiker macht Wahlkampf. Also das muss man sich mal überlegen.
    Nichts aus der Geschichte gelernt! Schlimm, dass es schon wieder so weit ist.
    Der Schoß ist fruchtbar noch.
    Wehret den Anfängen!

  3. @#2
    Der Artikel beschäftigt sich natürlich nicht primär damit, dass ein Politiker Wahlkampf macht. Aber das wissen Sie wahrscheinlich selber ganz gut, weil Sie nicht erst seit heute hier aktiv sind und verstanden haben dürften, dass Übermedien kein Nachrichtenportal ist, sondern Medienkritik. Der Artikel behandelt stattdessen die unheilige Personalunion von Politiker und Chefredakteur. Sie würden es wahrscheinlich auch nicht so toll finden, wenn Giovanni di Lorenzo für ein politisches Amt kandidieren und gleichzeitig in der ‚Zeit‘ sich selbst absoluten Durchblick sowie allen anderen absolutes Versagen attestieren würde.

  4. Oder, ein ehrgeiziger Politiker kontrolliert die Redaktion einer Zeitung.
    Die Frage, wie viel man denn bezahlen muss, damit ein Artikel von Seite 5 auf Seite 3 kommt, stellt sich dann einfach gar nicht mehr: Geht aufs Haus.

  5. „unheilige Personalunion von Politiker und Chefredakteur“

    Das ist ja kein Geheimnis. Jeder (zumindest Schweizer) kennt Köppel und weiß ungefähr welche Rolle er in den Medien spielt. Ich freu mich jedesmal, wenn ein Mutiger aufdeckt was eh schon alle wissen.

    Wenn man sich ansieht was bei uns so läuft, da muss man sich schon ein ziemlich dickes Brett vor den Kopf nageln um nicht die Verbundenheit von Medien und Politik zu sehen.
    Was die Politik verbreitet haben will, verbreiten die Medien.
    Und was die Politik nicht hinterfragt haben will, hinterfragen die Medien nicht.

    Die Metamorphosen von Redakteuren zu Regierungssprechern und zurück haben wohl mehr Gschmäckle als ein offen agierender Köppel.

  6. „Was die Politik verbreitet haben will, verbreiten die Medien.
    Und was die Politik nicht hinterfragt haben will, hinterfragen die Medien nicht.“

    Nach den ganzen Skandalen des letzten Halbjahres können Sie das nicht ernsthaft glauben. Sie wollen bloß Stimmung machen und Medienfeindlichkeit im breitesten, möglichst umfassendsten und inkonkretesten Sinne verbreiten. Dass sie dazu ein Portal zu Medienkritik nutzen, die im Gegenteil konkret und zwingend relativ kleinteilig (vulgo: seizierend) ist, ist naheliegend, hat aber ebenfalls ein G’schmäckle.

  7. @ SACHSE:
    Nur weil die Personalunion kein Geheimnis ist, heißt das noch lange nicht, dass es in Ordnung ist. Beispiele gibt es genug, dass mit entsprechender Medienmacht auch politische Macht zu erringen ist, trotz Skandalen, z.B. Berlusconi in Italien, oder aktuell Miloš Zeman in Tschechien. Für das Land ist das aber meistens ein Nachteil…

  8. Wenn „die“ Politiker „die“ Medien sowieso kontrollieren, wozu bräuchte dieser Politiker denn überhaupt eine Personalunion?

  9. Sie schreiben bzw. zitieren: „Als amtliches Publikationsorgan landet sie auch in Briefkästen, auf denen ein ‚Stopp Werbung‘-Aufkleber prangt.“ Meines Wissens wird die Zeitung nicht in Briefkästen verteilt, zumindest nicht primär, sondern als Stapel in Hauseingänge usw. gelegt, wo sich jeder bedienen kann oder eben nicht.

    Sie schreiben ausserdem: „Plumpe Aktionen wie in Österreich, wo die gescheiterte türkis-blaue Regierung versuchte, direkten politischen Einfluss auf Medien zu nehmen, unterlässt die SVP allerdings.“ Nicht unerwähnt bleiben sollte dabei, dass die SVP aktiv gegen die bestehende Finanzierung des Medienangebots der SRG (sozusagen das öffentlich-rechtliche Angebot der Schweiz) gekämpft hat mit der No-Billag-Initiative. Ausserdem sind aus der Partei wie oft Stimmen laut geworden für die Kürzung der Gebühren des SRG-Angebots, z.B. weil man mit der „Ausrichtung“ nicht einverstanden war (etwa zu viele Klimawandel-Berichte)?

    Zu fragen wäre m.M., ob das Folgen hat? Bewirkt das eine generelle Dämonisierung der SRG? Ändert das z.B. etwas am Vertrauen gegenüber deren journalistischen Angeboten? Beeinflusst das die Arbeit der JournalistInnen der SRG in irgendeiner Weise, indem sie sich gegenüber der SVP z.B. eher zurückhalten?

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