Wochenschau (36)

Der letzte Angst-Schrei: die Grünen als Öko-AfD darstellen

Es gibt zwei Wörter, die eindeutig zuviel verwendet werden, sowohl in der politischen als auch in der medialen Kommunikation. Zum einen „Verbote“, zum anderen „Angst“ – und ja, wir sollten unbedingt ein Trinkspiel draus machen. Jedes Mal wenn irgendwo eine von den Grünen politisch missbrauchte Angst beklagt wird oder jemand vor grünen Verboten warnt, darf man sich ein Getränk seiner Wahl gönnen. Cheers! Aufmerksamkeitsökonomisch sind das zweifellos gute Begriffe. Sie sind vermutlich die Quintessenz der „German Ängste“: die Angst vor Verboten, die aus Angst vor der Angst ins Verboteverbieten mündet.

Harald Martenstein widmet der Angst eine ganze Kolumne, nur um zu erklären, dass er keine habe. Nach dieser Beichte war ich mehr als betrunken. Nach Martensteins Deutung ging es den Parteien früher um Wohlstand und Gerechtigkeit, „aber die Großthemen der Gegenwart heißen wohl Ökokatastrophenangst und Angst vor den Schattenseiten der Globalisierung, etwa Identitätsverlust.“

Ja, jahein, also eigentlich nein. Das aktuelle Großthema ist vermutlich eher „lebenswert leben“, bzw. „überhaupt leben“, und dann vielleicht noch ein bisschen Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz. Das Ziel, ein notwendiges Umweltbewusstsein zu schaffen, als Schüren einer „Ökokatastrophenangst“ zu bezeichnen, ist so, als hielte man Sexualaufklärung und Verhütung für ideologische Panikmache gegen das Kinderkriegen. Nachhaltigkeit und die dafür erforderlichen politischen Handlungen sind ein viel nüchternerer Vorgang, als es Kommentatoren wie Martenstein aus politischen oder taktischen Gründen unterstellen.

„Diese Ängste machen die Grünen und die AfD stark“, schreibt er in seiner Kolumne weiter. Cheers! Dieser hübschgetrunkene Spin hat die letzten Tage schon ein paar Runden auf den Stammtischen des Boulevard, durch Kommentarspalten und Politikerinterviews gedreht. Der von Konservativen gerne genutzte Kniff: Die Grünen arbeiten angeblich mit denselben Mitteln wie die AfD – mit Angst, Affekt, Agitation -, folglich sind die Grünen genauso populistisch wie diese. Intellektuell ist das so seicht wie die Behauptung, Frösche seien kriminell, weil sie Leichen.

So titelten die Bild und die „Bild Politik“ vor zwei Wochen:

Was Grüne und AfD gemeinsam haben
Bild Politik: Was haben Grüne und AfD gemeinsam

Ironischerweise verbreiten sie mit dieser Schlagzeile genau die Panik, deren Verbreitung sie den Grünen vorwerfen.

Eine weitere Interpretation, die vom Unseriösen ins vermeintlich Seriöse pirouettierte: Die Grünen seien so monothematisch wie die AfD, dementsprechend seien sie genau so dogmatisch wie sie. Dass das albern ist, weil es das Schüren von Ressentiments gegen Migranten auf eine Stufe stellt mit, nun ja, dem Wunsch, die Erde bewohnbar zu halten, brauche ich Ihnen hoffentlich nicht zu sagen. Diese konstruierte Symmetrie zwischen der AfD – einer tatsächlich restriktiven und reaktionären Partei am extremen Rand – und den als populistische Verbots-Partei geframten Grünen am anderen behaupteten extremen Rand, ist einer der hottesten Takes diskursiver Verzweiflung.

Robin Alexander formulierte den Spin in einem Nebensatz:

Vielmehr stärkt der Souverän die Extreme: Grüne und AfD bieten bei Migration und Klimaschutz, den Themen der Zeit, zwar gegensätzliche, in ihrer Einseitigkeit doch verwandte Antworten.

Unabhängig voneinander übernahmen CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer ebenfalls diese Erzählung.

Dobrindt sagte im „Spiegel“:

„Das klassische Links-rechts-Schema ist heute ergänzt worden durch zwei neue Konfliktlinien: Ökologie und Identität. Auch hier geht es um Extrempositionen zwischen ‚Grenzen auf für alle‘ und ‚alle Grenzen zu‘, zwischen ‚Klimaschutz um jeden Preis‘ und ‚Klimawandel gibt es nicht‘. Diese Konfliktdimensionen spalten unser Land.“

Kretschmer in der „Welt“:

„Die Union muss sich gegen die politische Hysterie stemmen, die um sich greift. Politik ist doch mehr als null oder eins. Die einen tun so, als würde Deutschland morgen wegen des Klimawandels untergehen, die anderen beschwören den Untergang des Abendlandes. Beides ist übertrieben. Dieser Sog tut Deutschland nicht gut.“

SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel stolperte am Freitag auch in diese semantische Gleichsetzung, warf den Grünen Verkürzung der Politik vor, nannte sie im selben Atemzug mit der AfD – und verkürzte dadurch selbst alle politischen Verkürzungen:

Die Grünen versuchen im Moment, alles Elend dieser Welt zu reduzieren auf die Frage des Klimawandels. Das halte ich für falsch. Die AfD erklärt die Migrationsfrage zum Übel der Welt. Auch das halte ich für grundfalsch. Beides verkürzt Politik in grotesker Weise.

Immerhin entschuldigte er sich danach, eine Kulturtechnik, die glücklicherweise nicht ganz in Vergessenheit geraten ist.

Mein persönlicher Liebling in der Ausgestaltung dieser Nonsens-Logik war allerdings die „Neue Zürcher Zeitung“ NZZ, die sich nicht entblödete, die „Begeisterungsfähigkeit“ von Kindern und Jugendlichen (Anführungszeichen by the way, weil es eine faschistisch erzwungene war), die politisch in der HJ und FDJ missbraucht wurde, mit dem freiwilligen Engagement und dem selbstorganisierten Aktivismus heutiger Klimademonstranten gleichzusetzen:

Deutsche Medien erheben gegenwärtig die Jugend zu einer Art generationgewordenem Willen, der sich die Zukunft nicht von den Alten zerstören lassen möchte. Nun ist die Radikalisierung der Jugend zur Durchsetzung bestimmter politischer Interessen in der Geschichte nicht neu. Vom sogenannten Kinderkreuzzug des Mittelalters über Savonarolas Kinder-Garden in der Renaissance über die Langemarck-Generation im Ersten Weltkrieg bis in die Zeiten von Hitlerjugend oder dem kommunistischen Jugendverband FDJ in der DDR wurde Jugend in ihrer Begeisterungsfähigkeit missbraucht.

Diese thematische Montage schaffte sowohl eine Herabwürdigung der protestierenden Kinder und Jugendlichen, indem sie ihnen ihre Fähigkeit zum selbständigen Denken absprach, als auch eine geschichtsvergessene Relativierung der totalitären Barbarei der NS-Zeit. Zwei Infamien mit einer Klappe – das muss man auch erstmal hinkriegen.

Erstmal abwarten, bis alles brennt

Die menschengemachte Kimaerwärmung ist laut Martenstein ein Hype. Er lässt es so klingen als sei Nachhaltigkeit aktuell die Avocado attraktiver Wahlkampfkommunikation, etwas das von der FAZ noch entdeckt werden muss, um offiziell nicht mehr als Hype zu gelten; als sei diese nationale, globale und monumentale Aufgabe etwas, das aus einem unterstellten, Impuls-gesteuerten Opportunismus heraus je nach Windrichtung genau in dem Augenblick verpufft, in welchem andere Belange wichtiger werden – oder die Temperaturen niedriger:

„Nach einem spektakulären Terroranschlag oder bei stark wachsenden Migrationszahlen steigen die AfD-Aktien, bei einer Ökokatastrophe die Aktien der Grünen, eine Wirtschaftskrise könnte der CDU nützen, und dann gibt es ja auch noch das Wetter. Falls es wieder kühl wird, ist das gar nicht gut für die Grünen. Wer hat am Wahltag die Angst auf seiner Seite?“

Gemäß dem Motto „Erstmal abwarten, bis alles brennt“ umsegelt Martenstein mit all denjenigen Pauschal-Abenteurern eine geistig flache Erde, die sich nicht auf den „Klima Hype“ einlassen wollen. Auch Stefan Aust ruft vom Deck des Clubschiffs Audi, dass „wenn der Klima-Hype abgeklungen“ ist, sich „ein anderes Thema finden werde, mit dem man die Welt retten kann – oder wenigstens so tun kann als ob.“

Ebenso hat sich Roger Köppel an Bord dieses Kreuz(zug)schiffs mit einem rhetorischen Strandtuch einen sonnigen Platz an der Poolbar reserviert. Auch er lässt sich sein hart erreistes Flugmeilenkonto nicht von „Klima-Hysterie“ und „Klima-Panik“ verderben.

Wenn Martenstein rhetorisch fragt, wer am Wahltag die Angst auf seiner Seite habe, und Aust konstatiert: „Parteien der linken Mitte haben den Klimaschutz ins Zentrum der Probleme gestellt – aber nur die Grünen haben davon profitiert. Grün ist bekanntlich die Hoffnung, und die Hoffnung ist gepaart mit der Angst, am liebsten der vor der Apokalypse“ – dann verraten sie ein bemerkenswertes Bild, das sie von den Wählern haben.

Wenn der demokratische Prozess von einem Haufen leicht zu beeindruckender, selbstbezüglicher Hedonisten bestimmt wird, gewinnt also der, der den Hedonisten die inspirierendste Schauergeschichte erzählt?

Das unterstellt den Wahlberechtigten genau jene Unmündigkeit, die den Grünen vorgeworfen wird, den Deutschen zu unterstellen. Es wird noch bemerkenswerter, wenn man erfährt, dass Martenstein einerseits empfiehlt, sich auf die Konsequenzen des Klimawandels einzustellen (was heißt das genau? Preppen? Inseln in Neuseeland kaufen?), statt diesen aufhalten zu wollen, andererseits jedoch offenbar ohnehin nicht daran glaubt:

„Vernünftig ist es, sich gut auf die Folgen des Klimawandels vorzubereiten, das geht im nationalen Rahmen. Dies schließt langfristigen Klimaschutz nicht aus, aber zum Durchdrehen besteht kein Anlass, der Bau von Windrädern auf stillgelegten Autobahnen würde nichts bringen. Dass die Welt untergeht, ist unwahrscheinlich, denn das Klima schwankt, seit es sie gibt.“

Sich auf die Folgen des Klimawandels vorbereiten?

Also …

… auf Wetterstörungen: mehr Niederschläge oder mehr Dürren, zunehmende Hitzewellen, sich verschlimmernde extreme Wetterereignisse, Zyklone, Stürme, Hurrikane.

… auf Meere: einen erheblichen Anstieg des Meeresspiegels und die Versauerung der Meere mit ernsthaften Folgen für Muscheln, Korallenriffe oder Plankton.

… auf Biodiversität: die Störung von Ökosystemen, durch die sich das Artensterben beschleunig.

… auf Folgen für den Menschen: Der Klimawandel hat in vielen Teilen der Welt Auswirkungen auf das soziale, gesundheitliche und geopolitische Gleichgewicht. Die Verknappung von Ressourcen führt zu neuen Konflikten. Meeresspiegelanstieg und Überschwemmungen bewirken Bevölkerungsbewegungen. Es wird geschätzt, dass es im Jahr 2050 möglicherweise 250 Millionen Klimaflüchtlinge geben wird.

Martenstein schreibt abschließend: „Dass die Welt untergeht, ist unwahrscheinlich, denn das Klima schwankt, seit es sie gibt.“ Ich schwanke inzwischen (nicht nur wegen des Trinkspiels, aber auch) zwischen Amüsement und Mitleid: Die menschengemachte Klimaerwärmung zu leugnen, erscheint angesichts der wissenschaftlichen Forschungsfülle wie ein verzweifelt-bockiger Versuch, es irgendwie noch auf die konservative Arche der intellektuellen Selbstbefruchter zu schaffen. Beim Klimawandel recht behalten wollen – da hat aber jemand so richtig Angst.

55 Kommentare

  1. Falls es Sie beruhigt:
    die allerallermeisten Wähler von AfD und Grünen sehen die Unterschiede zwischen beiden Parteien. Kaum jemand, der/die die eine Partei wählt, würde die andere wählen, weil diese auch etwas verbieten will. Und umgekehrt.

    Die Unterschiede zwischen Schalke und Borussia, bzw. umgekehrt, sind ja noch geringer, und selbst DA ist die Fluktuation gering.

    Den Spruch mit dem/n La/eichen muss ich mir aber merken. Made my day! ;-)

  2. Naja, natürlich sind Klimawandel und Umweltzerstörung etwas anderes als Flüchtlinge. Man könnte – sehr verflacht – argumentieren, die Angst der Grünen-Wähler sei begründet, die der AfD-Wähler nicht. Das heißt aber nicht, dass nicht auch die Grünen-Wähler von Angst motiviert sind – und das meine ich nicht abwertend, das konstatiere ich ganz wertungsfrei. Ich habe ja auch Angst.

    Die Grünen haben von Anfang an angstbesetzte Themen auf der Agenda gehabt – begründete, überzogene und auch irrationale. Kriegsgefahr, Waldsterben, Ozonloch, Atomkraftwerke, Chemieunfälle, etc. Wahlerfolge haben sie stets dann erzielt, wenn ein Thema gerade virulent war. Man Vergleiche die Umfragen von 2011, als die Partei kurz nach Fukushima bei 20 Prozent stand, mit dem Wahlergebnis von 2013: 8,4 Prozent.

    Derzeit nimmt der Klimawandel im Bewusstsein der Öffentlichkeit die Rolle ein, die Atomkraftwerke 2011 hatten: Die einer unmittelbaren Bedrohung. Das ist Ergebnis des Dürresommers 2018, des Diesel-Skandals, des Insektensterbens, der Debatte um den Kohleausstieg und der Thunberg-Bewegung. 2017 war die Bedrohung nicht weniger real, es hat nur niemand darüber gesprochen. Erst seit in den letzten Monaten das Angstniveau gestiegen ist, gehen die Grünen in den Umfragen durch die Decke.

    Gesetzt den Fall, die Koalition hält bis 2021 durch, sehe ich die Grünen noch nicht als Wahlsieger. Ein verregneter Sommer, ein kalter Winter und ein klimafreundliches, grünes Steuerkonzept, dass die Leute im Geldbeutel zu spüren bekämen – und schon kann es mit der Erfolgswelle vorbei sein. Auch viele Fridays-for-Future-Demonstranten fliegen mit ihren Kumpels gerne mal für eine Wochende nach Malle und möchten sich das leisten können.

    Die Grünen wählen, um den Planeten bewohnbar zu halten – das klingt durch und durch rational. Aber so rational ticken die meisten Wähler nicht. Sie müssen sich unmittelbar betroffen fühlen, müssen, mit anderen Worten, Angst haben, um ihre Wahlentscheidung vom Wohle des Planeten bestimmen zu lassen. In der Lausitz haben die Leute größere Angst vor dem Verlust ihrer materiellen Existenz, und deshalb wählen sie dort diejenigen, die sie für die stärksten Gegner der Grünen halten: Die AfD.

    Im übrigen wäre von den Grünen die große Wende nicht zu erwarten. Sie sind seit Ende der 90er wirtschaftsliberal ausgerichtet, und sie würden in ihrer Klima- und Umweltpolitik nichts tun, was den Erfolg des Standorts gefährdet. Klar würden sie die Schwerpunkte anders legen. Aber die Hoffnung, Kanzler Habeck würde den alten Industrie- und Agrarriesen BRD in ein grün-buntes Ökoparadies verwandeln – die ist irrationaler als jede Angst, die Habeck ins Amt spülen könnte.

  3. Nachtrag zur Klarstellung: Ich teile nicht Martensteins Einschätzung, das mit dem Klima sei gar nicht so wild. Ich teile aber sehr wohl seine Analyse, dass sich die Wählerschaft von den Grünen wieder abwenden könnten, wenn – z.B. nach einem schweren Terroranschlag – wieder andere Themen die Öffentlichkeit beherrschen.

  4. Unionsparteien haben Jahrzehnte mit der Angst vor dem vor der Tür stehenden Russen oder unheilvoller Wandlungen im Staate im Falle einer SPD-Regierung „Keine Experimente!“ Wahlkampf gemacht.
    Und von Abtreibungen über gleichgeschlechtlicher Liebe bis zum Kiffen allerlei verboten.
    Meine Angst ist nur dass dieses Trinkspiel recht schnell zu irreparablen Leberschäden führen wird.

  5. Ich verstehe die Aufregung nicht. Parteien haben doch die Aufgabe, dass Miteinander zu regeln. Ganz grob gesagt, agiert jede Partei mit der Angst davor, dass das Miteinander nicht gelingt und aus dem Ruder läuft. Der Wunsch nach Regeln und Sicherheit resultiert doch letztlich aus der Angst vor Unberechenbarkeit/Chaos und eben Unsicherheit. Mal geht’s um die Angst der Bürger, mal um die der Großunternehmer und mal um die eigenen Ängste – z.B. vor Bedeutungslosigkeit.

  6. Ich stimme „Kritischer Kritiker“ im Wesentlichen zu.
    Ja, der Klimawandel ist natürlich real und es ist nötig, deutlich mehr zu tun als jetzt um ihn abzuschwächen (aufhalten ist eh nicht mehr möglich).
    Allerdings glaube ich leider auch, dass sich diese jetzige Stimmung im Volk sehr schnell ändert sollte es tatsächlich einen Terroranschlag geben oder die Wirtschaft den Bach runter gehen.
    Ich denke auch, dass der Wähler da leider so tickt und nur Bedrohungen, die gerade „erfühlbar“ sind als real wahrnimmt. Das ist schade, aber vermutlich leider nicht zu ändern.

    Das „Gute“ daran ist: der Klimawandel wird nicht wegen eines verregneten Sommers weggehen. D. h. perspektivisch wird dieses Thema ganz natürlich größer und wichtiger. Demzufolge werden entweder die Grünen immer größer, oder die anderen Parteien tun auch endlich mal was fürs Klima. Wir müssen nur hoffen, dass es dann nicht schon zu spät ist und wir schon die +2grad oder schlimmer erreicht haben…

  7. Ich möchte mich bedanken; bei Harald und Samira.

    Als jemand, der weder derartige Ängste teilt, noch sich gern von irgendwelchen Ängsten leiten lässt, war es mir bisher immer ein Rätsel, wie solche Mechanismen wohl funktionieren könnten.

    Als ich Kind war, wollte man mir erzählen, daß das Wetter des nächsten Tages davon abhinge, ob ich aufesse oder nicht. Niemand konnte mir aber die Frage beantworten, was wohl wäre, wenn ich aufesse, während mein Bruder mäkelnd nicht aufisst oder, warum es regnet, obwohl wir beide aufaßen.

    Bei dem, was man anscheinend unter „Identität“ verstehen möchte, muß bei mir auch einiges schief gelaufen sein. Wie ich es auch drehen und wenden möchte – ich komm da immer nur bei mir an oder eben, wenns denn unbedingt sein muß, bei ALLEN Menschen. Da gibts es aber so viele, mit denen ich mich nicht gemein machen möchte, daß das eben nicht unbedingt sein muß. Hautfarben, Religionen, Geschlechter, Nationalitäten oder was auch immer eine Abgrenzung vermeintlich darstellen könnte, stellten sich immer als dafür untaugliches Kriterium heraus. Das Umgekehrte, also die Zugehörigkeit zu einem der Kriterien, ist ebenso untauglich.
    Mir wird ganz anders, wenn ich mir vorstellen soll, daß ,nur weil ich ein alter weißer Mann bin, ich irgendwas mit einem Broder oder einer AKK gemein haben sollte.

    Lange Rede – kurzer Sinn: Nun weiß ich wenigstens, warum es mir bei der letzten Wahl nicht gelang, eine gültige Stimme abzugeben. Mir fehlt wohl die dazu nötige Angst.

    PS: Ich ziehe jetzt hinaus, das Fürchten zu lernen.

  8. @Kritischer Kritiker
    „Derzeit nimmt der Klimawandel im Bewusstsein der Öffentlichkeit die Rolle ein, die Atomkraftwerke 2011 hatten“

    Ich bin da gar nicht so sicher, ob das der Hauptgrund ist oder ob das nicht rauskommt, weil bei Umfragen ein paar potentielle Gründe zur Auswahl gegeben werden.

    Letztlich sind die Grünen m.E. der Gegenpol zur AfD – urbane Weltoffenheit gegen fremdenfeindliche Provinzialität. Und Angst? Mag sein, aber sind nicht die Grünen die einzig große Partei, die nicht auf den AfD-Flüchtlingszug aufgesprungen ist? Die Grünen haben die Angst vor Migration gerade nicht mitgemacht, sondern sind da einfach cool geblieben. Aus meiner Sicht waren die Grünen eher – flapsig formuliert – die Spasspartei, die Gute-Laune-Partei. Das Gefühl, was Habeck und Baerbock rüberbringen ist doch eher: Klar, wir müssen Flüge etwas teurer machen und hier und da Plastik verbieten und seltener Fleisch, aber alles kein Grund, in Panik zu geraten.

  9. Viel Text für eine wirklich revolutionäre, zuvor noch nie gehörte These:

    „Unsere Ängste und Sorgen sind gerechtfertigt, aber die Ängste und Sorgen unserer politischen Gegner sind lächerlich und irrational. Wenn wir unsere Ängste thematisieren, dann handeln wir verantwortungsvoll. Wenn unserer politischer Gegner das mit seinen Ängsten tut, dann ist es verwerflich. Wir sind die Guten, die sind die Bösen.“

    Ein AfD-Sympathisant könnte genau den gleichen Text schreiben und müsste nur die konkreten Beispiele entsprechend seiner Position anpassen.

    Merken Sie, was das Problem ist?

  10. Ich wünsche mir einen Über-Übermedien-Karikaturisten. Mir schwebt ein Bild vor: Backstage-Szene einer Hochzeitsgesellschaft. Boris und Stefan stehen im Hintergrund und wirken unruhig. Die Gäste sind schon da und warten. Im Vordergrund ist Samira zu sehen, die übereifrig der Hochzeitstorte (= ihrer Kolumne, gerne durch das Wort „KOLUMNE“ auf dem Bild einer schnöden Torte gekennzeichnet) den letzten Feinschliff gibt. Während Stefan beständig auf die Uhr schaut, hadert Samira, ob sie die Spitze mit den Weissschokolade-Buchstaben zu „Leichen“ oder „Laichen“ bestücken soll.
    Wahrscheinlich hilft für die Vorstellung die ein oder andere Runde Angst-Saufen…

    Immer wieder erhellend und erheiternd. Vielen Dank und gerne weiter so :)

  11. #10 Marten Der AfD-Sympathisant würde sogar ganz sicher denselben Text schreiben. Aber die Folgen von Migration mit den Folgen des Klimawandels zu vergleichen, und beides als gleichberechtigte Ängste nebeneinander zu stellen, ist wirklich hanebüchen. Merken SIE, was das Problem ist?

  12. #2 – Kritischer Denker
    „Man könnte – sehr verflacht – argumentieren, die Angst der Grünen-Wähler sei begründet, die der AfD-Wähler nicht.“

    Bezogen auf den Klimawandel und dessen drohenden Folgen kann man dagegen auch nur dann argumentieren, wenn man bereit ist, gut belegte wissenschaftliche Erkenntnisse zum Klimawandel in Bausch und Bogen abzustreiten. Insofern ist es tatsächlich unlauter, die „Panikmache“ der Grünen in einen Topf zu werfen mit der Panikmache der AfD vor den Horden von Messer-Muselmännern.

    Aber: Klimawandel ist bei Weitem nicht das einzige Angst-Thema der Grünen. Seit alters her arbeiten die mit einem ganzen Portfolio von Dingen, vor denen wir uns fürchten sollen. Gentechnologie, Glyphosat und Kernkraft sind hier meine großen Lieblingsbeispiele – denn hier fällt auf:

    Für _diese_ Ängste findet sich wissenschaftlicher Rückhalt beileibe nicht in demselben Maße wie beim Klimawandel – stattdessen sind hier die Grünen diejenigen, die den wissenschaftlichen Konsens nicht akzeptieren wollen oder ihn anzweifeln („alles von der Industrie gekaufte Studien!“), und sie fordern dann immer und grundsätzlich Totalverbote (da ist das andere Unwort!)

    Und so leid es mir tut: An dieser Stelle sehe ich dann in der Tat keinen Unterschied zwischen den Angst-Strategien der AfD und der Grünen.

    Klar, aktuell ist es der Klimawandel, der den Grünen Wahl- und Umfrageerfolge beschert, und sich daran so abzuarbeiten wie Martenstein das tut, ist lächerlich. Daraus aber zu folgern, die Grünen würden nie zu unlauterer Angst-Strategie greifen, ist falsch. Sie tun das, regelmäßig und bis heute, und es ist zum Heulen.

  13. Was früher der Bogeyman oder Butzemann waren,sind heute die Grusel-Einordnungen von Journalisten,
    denen ihr vegetarischer /veganer Partner/Erziehungsberechtigter/Nachbar auf den Nerv geht.
    Und sie deshalb diesen Frust kompensieren müssen.
    Diagnose ist gestellt
    Schickes Aggronym oder toller Name:
    Compulsive-Green-Party-Basher (or Hater)-by Proxy
    oder sowas in der Art…

  14. „Gentechnologie, Glyphosat und Kernkraft sind hier meine großen Lieblingsbeispiele“

    Das trifft es schon recht gut, möchte die Liste der Gründe warum ich die Grünen nicht (mehr) wählen kann noch gerne um das Thema Gesundheit erweitern.
    Leider sind etliche Parteivertreter ziemlich irrational unterwegs oder esoterisch angehaucht und mit Argumenten nicht zu erreichen.

    Und selbst beim Thema Kernkraft bin ich mir meiner Überzeugung nicht mehr so sicher wie einst seit mir die Frage gestellt wurde was den nun Langfristiger und Lebensbedrohlicher sei: Atommüll oder Klimawandel?
    Eine abschließende Antwort hab ich noch nicht…

  15. Die Grünen tun genau das, was sie der AfD stets vorgeworfen haben: Ängste und Panik schüren.
    Bei der AfD die drohende Islamisierung Deutschlands, bei den Grünen der drohende Untergang der Welt.

    Insofern ist der Vergleich durchaus passend, egal was Samira El Ouassil dazu meint.

    Beide Parteien bieten auch gleich Lösungen der von ihnen dargestellten Probleme an.
    Diese werden dann allerdings auch das Problem der Grünen sein, denn wer mit Verboten und neuen Steuern oder Abgaben um die Ecke kommt, wird die Wähler wieder abschrecken.

  16. In Dieter Wellers Kopf sind auch 98% aller Wissenschaftler einhellig der Meinung, es finde eine Umvolkung und Islamisierung statt. Alles das gleiche, bitte weitergehen, es gibt außer verwirrten Einzeltätern nichts zu sehen.

  17. @4 Chris:
    Bis das letzte Wasserstoffatom in der Sonne zu Helium fusioniert ist, ist noch ein wenig Zeit, tatsächlich.
    Bis dahin schafft es die Evolution vielleicht, noch einmal einen Neuanfang zu starten, auch wenn das letztlich sinnfrei wäre angesichts der uns bekannten mathematisch-astronomischen u.a. Gegebenheiten.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Sonne

    Versuch macht kluch…

  18. „Die Grünen tun genau das, was sie der AfD stets vorgeworfen haben: Ängste und Panik schüren.“

    Ich glaube Ihnen, dass Sie selbst das so wahrnehmen – bei den Grünen-Wählern habe ich aber nicht den Eindruck, dass die von Ängsten und Panik getrieben sind, eher im Gegenteil. Wie ich oben schon schrieb, das Gefühl, dass Habeck und Baerbock vermitteln ist doch eher, es muss hier und da ein paar Einschränkungen geben, aber alles nicht dramatisch.

  19. Dazu gab es letztens einen Thread im /de unterlases, fand‘ ich ganz gut:
    „Wenn der Klimawandel ein Abgrund ist, rasen wir mit voller Geschwindigkeit im Bus darauf zu.“

    FDP: „Der Chinese überholt uns noch vor Ende der Reise!“
    AfD: „Unser Bus ist voll!“
    CDU: „Der Bus fuhr immer, der Bus wird immer fahren.“
    Grüne: „Wir sind alle tot, wenn wir in den Abgrund stürzen.“

    Kriege leider nicht mehr alle Parteien auf die Kette und kann den Thread auch nicht wiederfinden :(

  20. Aber ist es nicht eine Methode so ziemlich aller Parteien, Ängste zu schüren? Wenn ich an unsere „Mitte-Parteien“ denke, dann wird dort doch auch umgehend mit dem Verlust von Arbeitsplätzen und Wohlstand und Freiheit gedroht, sobald irgendjemand tiefgreifende Veränderungen vorschlägt oder erörtert (vgl. Kühnert). Bei jeder Diskussion um Erhöhungen von Rente und Sozialleistungen werden der demografische Wandel und dessen schreckliche Folgen heraufbeschworen, und das schon seit etlichen Jahrzehnten.

    Ich sehe gar nicht, dass sich das auf Grüne und/oder AfD beschränkt. Außer dahingehend, dass Oppositionsparteien eher Ängste vor der Beibehaltung der bestehenden Politik schüren, während Regierungsparteien vor allen tiefgreifenden Veränderungen warnen.

  21. #22 Anderer Max
    „Wenn der Klimawandel ein Abgrund ist, rasen wir mit voller Geschwindigkeit im Bus darauf zu.
    Grüne: ‚Wir sind alle tot, wenn wir in den Abgrund stürzen.’“

    Der Klimawandel ist aber kein Abgrund, in den man plötzlich stürzen könnte, wobei dann wiederum „wir alle“ sterben würden. Die Analogie ist einfach falsch.

    Oder soll ich das Beispiel als Zustimmung verstehen und Sie sehen es auch so dass auch die Grünen mit dem Thema Panikmache betreiben?

  22. @Marten

    Verstehen Sie nicht (oder wollen Sie nicht wahrhaben) dass der Klimawandel ein reales, potentiell sehr schädliches Problem ist?
    Sicher werden nicht alle sterben, aber viele sehr wohl. Und die Welt wird ab einer bestimmten Temperaturerhöhung auch in weiten Teilen der Erde nicht mehr so bewohnbar sein wie jetzt.

  23. @Anderer Max:
    Die SPD wird bestimmt sagen: „Keine Zeit, über einen neuen Busfahrer zu diskutieren, wir dürfen uns nicht selbst zerfleischen.“

    Ansonsten frage ich mich, was wäre, wenn man der AfD klar macht, dass mehr Klimawandel mehr Migration bedeutet? Also ein, zwei Stellen vorm Komma mehr.

  24. @MARCUS BULLERJAHN

    „Ansonsten frage ich mich, was wäre, wenn man der AfD klar macht, dass mehr Klimawandel mehr Migration bedeutet? Also ein, zwei Stellen vorm Komma mehr.“

    Da die AFD den Klimawandel leugnet wird das wohl leider nicht funktionieren…

  25. „Ansonsten frage ich mich, was wäre, wenn man der AfD klar macht, dass mehr Klimawandel mehr Migration bedeutet? Also ein, zwei Stellen vorm Komma mehr.“

    Dann freuen die sich, weil sie ein Wahlkampfthema haben.

    Ohne Migration wäre die AfD die erste Partei, die am Arsch wäre. Irgendwann kannste auch in Sachsen mit Kohle und Treuhand keine Politik mehr machen.

  26. Das Wahlkampfthema haben die jetzt schon. Sie müssten von bloß von „Klimarettungsmaßnahmen sind Verbote des linksgrünversifften Gutmenschentum“ einfach umwechseln auf „Das linksgrünversiffte Gutmenschentum ist schuld an der Massenmigration, weil es nicht genug verboten hat, um den Klimawandel zu verhindern.“

    Das soll total satirisch klingen und so nach 180°-, achwas, nach 720°-Wendehälsen, aber irgendwie wäre ich nicht überrascht, wenn es so käme.

  27. Da die AfD keinen Standpunkt hat (siehe Meuthens „Wir leugnen den menschengemachten Klimwandel nicht, wir glauben nur nicht daran“) und im Zweifel immer die anderen schuld sind, ist es eh egal, welche Position die Partei vertritt. Jedenfalls aus Sicht der Partei.

    Das Projekt AfD handelt doch im Endeffekt davon, irgendwie dafür zu sorgen, dass einem kein anderer mehr widerspricht, egal wie oft man sich selbst widerspricht.

  28. @ TM (#21):

    bei den Grünen-Wählern habe ich aber nicht den Eindruck, dass die von Ängsten und Panik getrieben sind, eher im Gegenteil. Wie ich oben schon schrieb, das Gefühl, dass Habeck und Baerbock vermitteln ist doch eher, es muss hier und da ein paar Einschränkungen geben, aber alles nicht dramatisch.

    Stimmt, aber ich glaube, das ist kein Widerspruch. Die Angst vor der Klimakatastrophe ist auf einer anderen Ebene angesiedelt als der ökoliberale Fortschrittsoptimismus. Und es braucht beide Ebenen, um die Zustimmungswerte der Grünen zu erklären.

    Kollektive Zukunftsängste liegen auf einer abstrakten Ebene: Sie beziehen sich auf diffuse Erwartungen, die zu groß und zu weit weg sind, um sie wirklich greifen zu können. Entsprechend abstrakt ist auch die Hoffung, die der Angst entgegensteht: Die Politik muss dafür sorgen, dass die Katastrophe nicht eintritt. Es liegt nahe, dass die Grünen als parteigewordene Verkörperung der Umweltangst für diese Hoffnung die ideale Projektionsfläche bietet.

    Der grüne Fortschrittsoptimismus spricht die Wähler auf einer viel konkreteren Ebene an: Ihr Leben soll sauberer werden, im Kern aber so bleiben, wie es ist. Er verspricht ihnen die ökologische Wende, ohne den Alltag umzukrempeln. Es soll weiter billigen Strom geben, nur halt erneuerbar; es soll Autos geben, nur halt Elektro; es soll Fernreisen geben, nur halt nicht häufiger als dreimal im Jahr. Es soll sogar weiter Wirtschaftswachstum geben – nur halt umweltverträglich.

    Die selben Wähler, die sich von den Grünen im Großen die Lösung der Umweltkrise erhoffen, erwarten auch, dass sie im Kleinen nichts ändern. Und hätten sie eine dieser Erwartungen nicht, wäre es um die Zustimmungswerte der Partei wohl anders bestellt. Diesen Spagat halten die Grünen aus, solange sie in der Opposition sind. Als Regierung müssen sie daran scheitern.

  29. #25 Ichbinich

    „Sicher werden nicht alle sterben, aber viele sehr wohl.“

    Na da bin ich ja beruhigt. Ich hatte schon der Grünen-Panikmache geglaubt und alle meine Zeitungsabos zum 31.12.2030 gekündigt. ;)

    Nein, ganz im Ernst: Glauben Sie wirklich, es ist eine gute Idee, mit „Wir werden alle sterben!“ anzukommen wenn Sie vernünftig über ein Problem und mögliche Lösungen dafür diskutieren wollen? Sie halten das Problem doch prinzipiell für lösbar, also wieso diese Rhetorik mit maximaler Eskalation?

  30. @Marten

    Häh?

    „Sie halten das Problem doch prinzipiell für lösbar, also wieso diese Rhetorik mit maximaler Eskalation?“

    Ja, ich halte das Problem grundsätzlich für lösbar. Das heißt doch aber nicht, dass man reale Gefahren nicht benennen darf, oder? Und dass durch Dürren, Überschwemmungen etc. Leute durch den Klimawandel sterben werden und wir Landstriche unbewohnbar machen ist nunmal so. Das hat nix mit verbaler Eskalation zu tun.

  31. @Ichbinich

    Aber sicher ist das verbale Eskalation. Leider ohne irgendwelche Substanz dahinter. Gestern hab ich zufällig die „Aktivisten“ gesehen, die sich vor einer Rede von Lindner totstellend auf den Boden gelegt haben „um auf die lebensbedrohliche Gefahr des Klimawandels hinzuweisen“. Diskutieren wollten die dann aber nicht, das Sich-tot-stellen war offenbar die ganze Show. Sehr schwach.

    Das können sie natürlich machen, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Aber regen Sie sich nicht auf, wenn die AfD mit genau den gleichen Aktionen ankommt, um zum Beispiel auf Kriminalität von Zuwanderern aufmerksam zu machen. Reale Gefahren darf man ja benennen, nicht wahr?

  32. @ Marten:

    Glauben Sie wirklich, es ist eine gute Idee, mit „Wir werden alle sterben!“ anzukommen wenn Sie vernünftig über ein Problem und mögliche Lösungen dafür diskutieren wollen?

    Gegenfrage: Glauben Sie wirklich, die Politik hätte in den 80ern das FCKW verboten, ohne die Angst der Leute, an Hautkrebs zu verrecken? Selbst diese Debatte hat sich über Jahre hingezogen, obwohl das Verbot für Industrie und Verbraucher folgenlos blieb – die Industrie musste nur ein paar Produktionsstraßen umstellen (siehe auch: 3-Wege-Kat).

    Beim Klimaschutz ist es viel schwieriger, denn eine für dieses Problem vernünftige Lösung steht im Widerspruch zur „instrumentellen Vernunft“ (Horkheimer) der bürgerlichen Gesellschaft. Vernünftig ist es in diesem Kontext, den Motor der Kapitalakkumulation am Laufen zu halten – und das hat nichts mit Lobbyismus zu tun, die Akkumulation ist hier schlicht die Basis von Staat und Gesellschaft (Marx).

    Diese Basis bezieht ihre Stabilität in Deutschland aus den klimaschädlichsten Schwerindustrien: Autos, Stahl, Chemie, Kohle(-energie), etc. Klimapolitisch vernünftig wäre allein die radikale Einschränkung dieser Konzerne – was wiederum allgemein-politisch höchst unvernünftig wäre, weil sie als Produzenten, Konsumenten (von Zulieferern), Arbeitgeber und Steuerzahler kaum zu ersetzen sind.

    Das ist der Hauptgrund, warum die Politik seit über 20 Jahren darauf beharrt, man dürfe beim Klimaschutz „nichts überstürzen“, sondern müsse nach „vernünftigen Lösungen“ suchen. Es ist keine Bösartig oder Dummheit, Rezo, sondern die Suche nach der Quadratur des Kreises – und die wird man nicht finden (auch nicht die Grünen, denn deren „ökologisches Wachstum“ ist Selbstbetrug).

    Wenn also entgegen dem Zwang der Verhältnisse überhaupt etwas zur Eindämmung des Klimawandels passieren soll, dann durch die Angst der Wählerschaft vor der Zukunft. Angst ist vielleicht kein guter Ratgeber, aber sie ist eine Motivation. Die Alternative hieße Öko-Diktatur.

  33. „Wenn also entgegen dem Zwang der Verhältnisse überhaupt etwas zur Eindämmung des Klimawandels passieren soll, dann durch die Angst der Wählerschaft vor der Zukunft. Angst ist vielleicht kein guter Ratgeber, aber sie ist eine Motivation. Die Alternative hieße Öko-Diktatur.“

    Puh. Was machen Sie eigentlich, wenn sich die meisten Leute keine Angst einjagen lassen und auch keine Öko-Diktatur (?!?) wollen?

  34. @Marten

    „Aber sicher ist das verbale Eskalation. Leider ohne irgendwelche Substanz dahinter.“

    Dis Substanz hinter diesen „Ängsten“ ist mehrfach wissenschaftlich belegt. Was brauchen Sie denn noch?

    „[…]Aktionen ankommt, um zum Beispiel auf Kriminalität von Zuwanderern aufmerksam zu machen. Reale Gefahren darf man ja benennen, nicht wahr?“

    Ja, natürlich darf man reale Gefahren (auch von zuviel/falscher Migration) benennen. Niemand hat je etwas anderes behauptet. (K.A. warum wir jetzt plötzlich schonwieder darüber reden müssen…)

    @KRITISCHER KRITIKER

    „Das ist der Hauptgrund, warum die Politik seit über 20 Jahren darauf beharrt, man dürfe beim Klimaschutz „nichts überstürzen“, sondern müsse nach „vernünftigen Lösungen“ suchen. Es ist keine Bösartig oder Dummheit, Rezo, sondern die Suche nach der Quadratur des Kreises – und die wird man nicht finden (auch nicht die Grünen, denn deren „ökologisches Wachstum“ ist Selbstbetrug).“

    Sehe ich nicht so. Vor allem z.B. die Stahlindustrie drängt nach Regelungen für eine ökologischere Produktion (Nutzung von Wasserstoff anstelle von Kohle etc.). Auch bei der Autoindustrie gibt es einige große Firmen, die schon umgesteuert haben (nur sitzen halt keine von denen in Deutschland… Gut, VW versucht es jetzt langsam, mal sehen was da passiert).

    Ja, es wird uns etwas kosten. Diese Umstellung gibt es nicht zum Nulltarif. Und es wird auch in der Industrie Umbrüche geben müssen. Nur die Alternative dazu („nichts tun“) wird auf Dauer viel viel teurer. Und die Umbrüche werden auch so oder so kommen, denn vor dem Klimawandel können wir nicht weglaufen. Die Frage ist ja nur: Tun wir es jetzt selbstbestimmt und versuchen diese Wende zu steuern oder warten wir auf die Effekte durch den Klimawandel und versuchen dann panisch zu retten was noch zu retten ist?

    Ob die Grünen dies allerdings können, da bin ich wie Sie skeptisch. Vor allem, weil die halt in Teilen technologieskeptisch bis -feindlich und esoterisch sind. Aber dass es grundsätzlich möglich ist, wurde auch schon mit vielen Konzepten gezeigt.

    Ob man dafür die Angst von den Leuten braucht weiß ich nicht — eine gesunde Portion Menschenverstand/logisches Denkvermögen würde ja prinzipiell auch schon ausreichen. (Meine Hoffnung dass die Menschheit dieses Denkvermögen aufbringen kann ist noch nicht komplett verschwunden).

  35. “ Aber regen Sie sich nicht auf, wenn die AfD mit genau den gleichen Aktionen ankommt, um zum Beispiel auf Kriminalität von Zuwanderern aufmerksam zu machen. Reale Gefahren darf man ja benennen, nicht wahr?“

    Sie wollen derailen, das merk ich doch. ;-)

    Ansonsten: REALE Gefahren muss man sogar benennen. Mit Beleg und allem. Wie es die Grünen tun.

    Ich bin da vielleicht zu empirisch veranlagt, aber wenn ein Trend klar in eine Richtung zeigt, gehöre ich eher nicht zu denen, die sagen „Der Trend wird schon in letzter Sekunde von allein abbrechen.“ (Obwohl das natürlich passieren kann.) Wenn das dann Panikmache ist, sei es so.

  36. @ Marten:

    Welche Folgen genau der Klimawandel haben wird, ist natürlich schwer mit Sicherheit vorauszusehen. Es gibt jedoch viele Wissenschaftler, die der Auffassung sind, dass ein unkontrollierter Klimawandel mit einiger Wahrscheinlichkeit fatale Folgen haben könnte, bis dahin, dass größere menschliche Städte nicht mehr existieren können werden.

    Eine Angst vor einem solchen Szenario erscheint durchaus als rationale Haltung, nicht als irrationale, sachlich unbegründete affektive Reaktion. Und die Warnung, dass ein ungebremster Klimawandel sehr wahrscheinlich sehr gravierende (wenn nicht katastrophale) Folgen haben wird, wäre demnach eine angemessene Aufklärung, keine irrationale Panikmache. Akkurat zu informieren ist sicherlich legitim – nur das Aufbauschen oder Übertreiben oder Aus-dem-Zusammenhang-Reißen der Gefahr oder das Verschwiegen relevanter Tatsachen könnte doch wohl als „Panikmache“ gelten.

    Kriminalität ist natürlich an sich ein ernstes Problem (ob von In- oder Ausländern). Die Gefahr, Opfer einer schweren Straftat zu werden, ist allerdings gering. Zudem sinkt die Kriminalität im Allgemeinen seit vielen Jahren, auch und gerade wenn längerfristige Erhebungen und Dunkelfeld-Befragungen herangezogen werden. (Kurze Zeiträume mit leichten Schwankungen sind nicht sehr aussagekräftig.)
    Die polizeiliche Aufklärungsquote steigt hingegen. Im internationalen Vergleich ist Deutschland eines der sichersten Länder der Welt.
    Siehe etwa folgenden „methodenkritischen“ Artikel:
    https://www.spiegel.de/spiegel/gewaltkriminalitaet-wie-sicher-ist-deutschland-a-1206327.html

    Viele Leute hingegen überschätzen die Gefahren von Kriminalität stark und meinen, alles werde immer schlimmer. „Gefühlte“ und reale Sicherheit klaffen also weit auseinander, Tendenz offenbar steigend.

    Wie nun geht die AfD mit dem Thema (Ausländer)kriminalität um? Informiert sie sachgemäß oder trägt sie eher zu einer weit verbreiteten Fehlwahrnehmung bei?

  37. Danke, Frau El Ouassil, für diese Kolumne. Ich bin fast immer entsetzt, wenn ich die Martenstein-Kolumne lese und mir vorstelle, dass das gehobene Bildungsbürgertum (also die Leute, die nach eigener Einschätzung diese Gesellschaft ‚am Laufen‘ halten) das auch noch gut finden.
    Und Sie haben diesen Text gut auseinandergenommen und in Kontext gesetzt.
    Weiter so!

  38. Wer Angst als den Maßstab des regierens benutzt, versucht von tatsächlichen Dingen abzulenken.

    Wie das funktioniert hat Michael Moore in seinem 9/11 Film gezeigt. Den Menschen in den USA wurde die Angst so eingebleut, dass sie die Sicherheitspolitik – die in Wirklichkeit eine Kriegspolitik ist – und das massenweise wegsperren von Menschen, als für sie sinnvolle Politik wahrgenomen haben. Während im Land selbst in der gleichen Zeit wirtschaftlicher und sozialer Kahlschlag erfolgte.

    Auf ähnliches können wir uns vorbereiten. Die Grünen haben dieses System der Angsterzeugung mittlerweile sehr schön adaptiert. Sicherheitspolitisch sind sie auf der Linie wie die Konservativen in den USA und wirtschaftspolitisch machen sie es den Demokraten nach. Denn auch wenn bei uns immer Trump, als der grosse Klimaleugner vorgeschoben wird, ist in den USA der Umbruch voll im Gange. Die grossen Autobauer werden kleiner und die „neue Industrie“ immer mächtiger. Und diese Unternehmen freuen sich auf einen europäischen Markt. In dem gleichen Kontext muss man auch den aktuellen „Krieg“ mit China betrachten, von dort kommen im Moment die größten Hersteller von Wind- und Solaranlagen, das Geschäft wollen die USA.

    Man sollte sich aber keine Hofnung machen, dass das ganze als großer Umbruch zu mehr Gerechtigkeit oder „Nachhaltigkeit“ ist. Auch Tesla und die Windkrafthersteller sind auf Rohstoffe aus zweifelhafter Herkunft angewiesen und werden einen Teufel tun, den Menschen dort mehr zugeben. Sieht man aktuell in Südamerika wo alles getan wird, um die Einmischung von „Volksinteresse“ an Rohstoffen zurück zu zwingen. Zudem verbrauchen diese Hersteller sehr viel Energie. Der Mensch wird nicht sparsamer dadurch. Eher im Gegenteil, der Energieverbrauch wird wie in der gesamten Menschheitsgeschichte immer weiter zunehmen.

    Die wahren Aspekte hinter dieser angsterzeugenden Paradigmen, sind Wirtschaftsförderung, hin zu noch größeren Unternehmen die globaler handeln und noch weniger durch Staaten kontroliert werden können.

    Das sollte Angst machen.

    Aber die Großkonzerne haben durch ihre Medienmacht das Narrativ Nationalismus kontra Globalisierug aufgebaut. Bei dem die Europäer (im gegensatz zu den Amis, die bei den ersten Tönen der Nationalhymne sofort stramm stehen) aus ihrer Vergangenheit heraus eine klare Präferenz haben. Doch was damit in Wirklichkeit erreicht wird, ist kein Thema mehr. Die Oligarchen brauchen Wachstum und weniger Kontrolle und wir lassen uns einlullen und streiten uns über Kleinkram und werden immer mehr kontrolliert.

  39. @STRUPPI

    „Wer Angst als den Maßstab des regierens benutzt, versucht von tatsächlichen Dingen abzulenken“

    Wie oben schon gesagt macht es einen Unterschied, ob es reale oder irreale Ängste sind. (und wie ja auch schon erwähnt sehe ich nicht, wo hier groß Angst geschürt wird)

    „Die grossen Autobauer werden kleiner und die „neue Industrie“ immer mächtiger.“

    Eine typische Erzählung der klimaleugner (ich weiß nicht ob sie einer sind): Klimawandel ist nur vorgeschoben von mächtigen Konzernen, die da Absatzmärkte sehen. Keine Ahnung wie man so etwas ernsthaft für real halten kann. Schauen Sie sich mal die Marktmacht von Tesla ggü. Chrysler, Mercedes, BMW, VW etc. an. Ganz zu schweigen von den Erdölkonzernen wie Exxon mobile usw. Wie man da die Macht auf Seiten der erneuerbaren Energien sehen kann ist mir schleierhaft. Beispielhaft sieht man das ja auch in Deutschland. Die >30.000 jobs in der Solarindustrie haben keinen interessiert, bei den 20.000 Jobs der Kohleindustrie müssen jetzt plötzlich 40Mrd.€ locker gemacht werden. Das ist absurd.

    „Auch Tesla und die Windkrafthersteller sind auf Rohstoffe aus zweifelhafter Herkunft angewiesen und werden einen Teufel tun, den Menschen dort mehr zugeben“

    Das sind aber 2 unterschiedliche Probleme. 1. Klimawandel, 2. Fairness ggü. der 3.Welt. Die haben erstmal wenig miteinander zu tun. Rohstoffe braucht man immer.

    „Eher im Gegenteil, der Energieverbrauch wird wie in der gesamten Menschheitsgeschichte immer weiter zunehmen.“

    Deswegen muss man das ja auch politisch steuern (z. B. Über eine CO2 Steuer). Dass das nicht von alleine passiert, ist klar.

    „Die wahren Aspekte hinter dieser angsterzeugenden Paradigmen, sind Wirtschaftsförderung, hin zu noch größeren Unternehmen die globaler handeln und noch weniger durch Staaten kontroliert werden können.“

    Nix weiter als eine alberne Verschwörungstheorie. Wüsste nicht, was das mit dem Klimawandel zu tun haben sollte.

    „Das sollte Angst machen.“

    Haben Sie nicht oben gesagt, „wer Angst nutzt will von realen Problemen ablenken“? Und jetzt schüren Sie selbst Angst vor irgendwelchen Gespenstern? Ziemlich inkonsequent…

  40. #39, LLL

    „Es gibt jedoch viele Wissenschaftler, die der Auffassung sind, dass ein unkontrollierter Klimawandel mit einiger Wahrscheinlichkeit fatale Folgen haben könnte, bis dahin, dass größere menschliche Städte nicht mehr existieren können werden. Eine Angst vor einem solchen Szenario erscheint durchaus als rationale Haltung, nicht als irrationale, sachlich unbegründete affektive Reaktion.“

    Das ist nicht mehr „wir werden alle sterben“, aber immer noch völlig überzogen und irrational. Genau ein Beispiel für die Hysterie, die dann für alle möglichen auch unverhältnismäßigen Zwangsmaßnahmen als Rechtfertigung herhalten muss. Ein Kommentator kam ja schon an und brachte den Begriff „Öko-Diktatur“ ins Spiel.

    Welcher Wirkmechanismus sollte denn konkret dazu führen, dass es auf der Erde wegen Klimawandel keine größeren Städte mehr geben könnte? Dubai hat aktuell über 3 Millionen Einwohner und liegt in der Wüste, Durchschnitts-Tageshöchsttemperatur im Sommer 40 Grad Celsius. Die globale Durchschnittstemperatur müsste sich um ungefähr 20 Grad Celsius erhöhen damit es in Berlin im Sommer irgendwann einmal so heiß wird wie jetzt in Dubai – völlig illusorisch, selbst in den pessimistischsten Klimaszenarien. Und das Beispiel Dubai zeigt, dass es selbst dann unter Zuhilfenahme moderner Technik noch möglich ist, sich an diese Bedingungen so anzupassen dass das Leben in einer Großstadt weiter möglich bleibt.

  41. „Die globale Durchschnittstemperatur müsste sich um ungefähr 20 Grad Celsius erhöhen damit es in Berlin im Sommer irgendwann einmal so heiß wird wie jetzt in Dubai“

    Angesichts der Temperaturankündigungen für diese Woche kann das nur ironisch gemeint sein.

    Kleiner Tipp: eher nur von Sachen reden, von denen man Ahnung hat. Nein, die globale Durchschnittstemperatur muss sich nicht um 20 Grad erhöhen, damit in Berlin 40 Grad Celsius sind. Das ist eine Milchmädchenrechnung, die belegt, dass Sie den Begriff der Durchschnittstemperatur nicht verstanden haben.

    Das ist ärgerlich, weil es die Debatte hinter den Nullpunkt zurückwirft, wenn jemand bar jeder Kompetenz redet, statt zuzuhören.

  42. @MARTEN

    „Das ist nicht mehr „wir werden alle sterben“, aber immer noch völlig überzogen und irrational. Genau ein Beispiel für die Hysterie, die dann für alle möglichen auch unverhältnismäßigen Zwangsmaßnahmen als Rechtfertigung herhalten muss.“

    Überzogen und irrational ist also das, was Sie dafür halten?
    Nochmal: Im Wesentlichen ALLE Wissenschaftler, die sich mit diesem Thema beschäftigen, warnen vor den Folgen des Klimawandels wenn wir nicht in den nächsten Jahren den CO2-Ausstoß drastisch verringern bzw. auf Effektiv 0 zurückfahren. Weil das sonst enorme Folgen auf die Umwelt und uns haben wird.

    Natürlich wird die Erde nicht komplett unbewohnbar, es werden aber Dürren/Überschwemmungen und andere Extremwetterereignisse zunehmen und ganze Landstriche unbewohnbar machen. Mit den daraus folgenden Migrationsströmen, die die letzten Jahre lachhaft erscheinen lassen.

    Und ja, jetzt umsteuern kostet uns alle etwas. Es ist aber mehrfach berechnet wurden, dass nichts tun mittelfristig viel mehr kostet (ein kleinen Vorgeschmack hatten wir ja bereits letztes Jahr sogar in Deutschland)

    Es gibt jetzt 2 Möglichkeiten. Entweder wir wählen ein rationales Verhalten (das ist das, was die Wissenschaft sagt) oder wir folgen einfach Ihrem Bauchgefühl ala: „es wird schon nicht so schlimm werden“ und lassen die „unverhältnismäßigen Zwangsmaßnahmen“, die Sie fürchten — was auch immer das konkret sein sollte — und schauen halt was passiert.

    Meine Hoffnung ist, dass die Menschheit geistig etwas weiter als im Mittelalter ist und die Vernunft siegt. Aber wir werden sehen.

  43. @Ichbinich

    „Natürlich wird die Erde nicht komplett unbewohnbar, es werden aber Dürren/Überschwemmungen und andere Extremwetterereignisse zunehmen und ganze Landstriche unbewohnbar machen. Mit den daraus folgenden Migrationsströmen, die die letzten Jahre lachhaft erscheinen lassen.“

    Na, da sind wir doch vom anfänglichen „Wir werden alle sterben“ schon ein ganz schönes Stück weggekommen, und mit jeder Nachfrage von mir geht es einen kleinen Schritt weiter.

    Wie stellen Sie es sich denn konkret vor, dass eine Überschwemmung einen ganzen Landstrich permanent unbewohnbar macht? Es regnet ganz viel, ein Fluss tritt über seine Ufer und überschwemmt Land und dieses Land bleibt für immer überschwemmt? Und die Leute, die dort wohnten, packen Ihre Sachen und beantragen alle in Deutschland „Klimaasyl“ – auch wenn Deutschland für sie vielleicht am anderen Ende der Welt liegt??

    Jetzt kommen Sie wahrscheinlich mit der 200-Millionen-bis-2050-Prognose von der Internationalen Organisation für Migration (IOM), die immer zum Thema der sogenannten „Klimaflüchtlinge“ zitiert wird, auch von diesem blauhaarigen Grünen-Maskottchen auf Youtube, aber in der Zahl sind auch Binnenflüchtlinge inkludiert (was gerne verschwiegen wird), also „Klimamigranten“, die nur von einer Region eines Landes in eine andere ziehen.

    „Und ja, jetzt umsteuern kostet uns alle etwas.“

    Wie viel kostet das „Umsteuern“ denn? So ungefähr? 1 Billion Euro? Oder vielleicht 10 Billionen Euro? Die Deutschen bezahlen das womöglich, so lange keine Rezession kommt, aber das ist im globalen Maßstab ziemlich irrelevant. Die 3 Länder, die Sie wirklich überzeugen müssen, sind USA, Indien und China. Unter der vereinfachenden Annahme dass die Kosten des „Umsteuerns“ proportional zur Einwohnerzahl eines Landes sind, können Sie die Kostenrechnung für Deutschland ja mal locker verfünfzehnfachen um auf die Kosten für China zu kommen. Ob die Chinesen da mitmachen? Deutschland kann auch nicht so einfach versprechen, die chinesischen Kosten alle zu übernehmen (so wie man es bei kleinen EU-Ländern machen könnte um sich deren Zustimmung zu erkaufen), dafür ist China leider ein bisschen zu groß. Und mit der hysterischen Weltuntergangsrhetorik, von der man Sie in Mini-Schritten weg führen muss, verbauen Sie sich die Möglichkeit dazu, irgendeinen Kompromiss mit den Schwellenländern zu finden, der die Erwärmung begrenzt aber dabei die Kosten niedriger hält, denn wenn nicht ganz schnell bis 2030 gehandelt und das 1,5-Grad-Ziel eingehalten wird, droht ja angeblich die Katastrophe, und jeder, der das nicht einsieht, ist angeblich „irrational“ und „geistig im Mittelalter“. Die Chinesen werden Ihnen was erzählen wenn Sie ihnen so ankommen!

    „die ‚unverhältnismäßigen Zwangsmaßnahmen‘, die Sie fürchten — was auch immer das konkret sein sollte“

    Vielleicht schreibt ja der kritische Kritiker (#35), wie er sich eine Öko-Diktatur genau vorstellt. Ich möchte jedenfalls nicht in einer Diktatur leben, da nehme ich lieber 2 Grad Erderwärmung hin und behalte dafür meine Freiheit.

  44. „Wie stellen Sie es sich denn konkret vor, dass eine Überschwemmung einen ganzen Landstrich permanent unbewohnbar macht? Es regnet ganz viel, ein Fluss tritt über seine Ufer und überschwemmt Land und dieses Land bleibt für immer überschwemmt?“

    Lassen wir mal außen vor, dass Sie von drei beispielhaften Möglichkeiten eine herausgesucht haben, und Sie diese dann noch auf einen Spezialfall (Überschwemmung durch Regen) reduziert haben …

    … dann stehen aktuell diverse bewohnte Inseln vor dem Komplett untergang durch Steigen des Meeresspiegels. Ich würde behaupten, wenn ein Land komplett unter Wasser liegt, ist es nach herkömmlicher Lebensweise der meisten Menschen unbewohnbar.

    Falls Ihnen das zu exotisch ist, können wir auch über die Niederlande reden, die immer höhere Deiche bauen müssen.

    Apropos Freiheit: ab 3 Grad Celsius Zunahme der globalen Mittelwerttemperatur sind Sie mit gewisser Wahrscheinlichkeit tot, ab 4 Grad Celsius Zunahme steigt die Wahrscheinlichkeit Ihres Todes durch Klimawandelfolgen exponential. Das muss Sie aber nicht weiter stören, denn vorher verreckt die Natur – und wer will shcon auf einem Planeten ohne Natur überleben? (Sie.)

  45. @MARTEN

    „Na, da sind wir doch vom anfänglichen „Wir werden alle sterben“ schon ein ganz schönes Stück weggekommen, und mit jeder Nachfrage von mir geht es einen kleinen Schritt weiter.“

    Ich habe nie behauptet, dass alle sterben werden. Vielleicht lassen Sie diesen Strohmann einfach mal weg?

    „Wie stellen Sie es sich denn konkret vor, dass eine Überschwemmung einen ganzen Landstrich permanent unbewohnbar macht? Es regnet ganz viel, ein Fluss tritt über seine Ufer und überschwemmt Land und dieses Land bleibt für immer überschwemmt?“

    Tun sie nur so, oder verstehen Sie das wirklich nicht? Ganz holzschnittartig:
    Dürre/Überschwemmung => weniger Lebensmittel => Spannungen in der Bevölkerung => evtl. Krieg. (nicht zu vergessen: Es geht hier erstmal nicht um fortschrittliche Länder wie Deutschland sondern Entwicklungsländer!)
    Und dann gibt es 2 Möglichkeiten. Entweder die Leute bleiben da und die Chance zu sterben ist ziemlich hoch, oder sie fliehen => Migration.
    Es gibt genügend Studien, die diesen Zusammenhang zeigen und für die Folgen des Klimawandels extrapolieren können.

    „aber in der Zahl sind auch Binnenflüchtlinge inkludiert (was gerne verschwiegen wird), also „Klimamigranten“, die nur von einer Region eines Landes in eine andere ziehen.“

    Und das macht es besser, weil sie dann nicht zu uns kommen sondern nur weitere Spannungen in Afrika/Asien erzeugen? Und dann kann es uns ja egal sein?

    „[…]diesem blauhaarigen Grünen-Maskottchen[…]“

    is klar.

    „Die 3 Länder, die Sie wirklich überzeugen müssen, sind USA, Indien und China.“

    Und die überzeugt man am besten, indem man selber nichts tut?
    Außerdem: Deutschland hat einen viel höheren CO2-Ausstoß pro Kopf als Indien und China. Und in der EU ist Deutschland derzeit der größte Bremser wenn es um Klimaschutz geht.
    (Abgesehen davon, dass das an sich ein Kindergartenargument ist)

    „Ob die Chinesen da mitmachen? “

    Ich weiß nicht in welchem Jahr Sie hängen geblieben sind, aber China ist schon längst Vorreiter in erneuerbaren Energien. Weil die nämlich das Potential verstanden haben (und natürlich zugegebenermaßen wenig Bürgerinitiativen u.Ä. haben) Siehe z.B.
    https://www.dw.com/de/erneuerbare-energien-china-%C3%BCbernimmt-europas-vorreitterrolle/a-42291799

    Aber wenn wir so weitermachen wie bisher stehen die Chancen gut, dass die Zukunftstechnologien alle in China gebaut werden (bei der Solarindustrie ist es ja schon so).

    „verbauen Sie sich die Möglichkeit dazu, irgendeinen Kompromiss mit den Schwellenländern zu finden, der die Erwärmung begrenzt aber dabei die Kosten niedriger hält, denn wenn nicht ganz schnell bis 2030 gehandelt und das 1,5-Grad-Ziel eingehalten wird, droht ja angeblich die Katastrophe, und jeder, der das nicht einsieht, ist angeblich „irrational“ und „geistig im Mittelalter“.“

    Warum verbaut man sich einen Kompromiss wenn man die Fakten erstmal anerkennt? Die Schwellenländern sind hier nicht diejenigen, die liefern müssen. Das sind nunmal die Industrieländer wie Deutschland!

    Falls es Sie wirklich interessiert googeln Sie mal was die Folgen von mehr als 1,5 Grad (oder 2 Grad, oder 3 Grad) Erwärmung sind. Das ist mit Katastrophe schon gut beschrieben und ändert sich auch nicht, nur weil Sie das blöd finden.
    Da bleibt wie gesagt als einzige Alternative, den Wissenschaftlern einfach mal die Kompetenz abzusprechen wie es die AFD tut. Und das ist dann halt wie im Mittelalter. Schwarzer Humor an: Und das mit dem Hexen/Flüchtlingen verbrennen um den Wettergott zu besänftigen wird ja auch schon versucht.

  46. @ Marten (#47)

    Vielleicht schreibt ja der kritische Kritiker (#35), wie er sich eine Öko-Diktatur genau vorstellt. Ich möchte jedenfalls nicht in einer Diktatur leben, da nehme ich lieber 2 Grad Erderwärmung hin und behalte dafür meine Freiheit.

    Sie haben den Witz meines ganzen Beitrags nicht verstanden: Die Öko-Diktatur ist das, was droht, wenn heldenhafte Leute wie Sie sich „keine Angst einjagen lassen“ und es für einen Ausdruck „ihrer Freiheit“ halten, einen CO2-Rekord nach dem nächsten auszustoßen. Dann kommt nämlich mit einiger Wahrscheinlichkeit irgendwann der Zeitpunkt, an dem Klimawandel und Ressourcenverbrauch solche Folgen zeitigen, dass die soziale Ordnung bis hin zur Ernährung der Bevölkerung nur noch mittels Notstandsregime aufrechtzuerhalten wäre – und das wäre dann die Öko-Diktatur.

    Niemand, dem an Freiheit und Demokratie gelegen ist, kann das wollen. Ein bisschen Angst (meinetwegen auch: Respekt) vor den Folgen der laufenden Entwicklung könnte helfen, das zu verhindern. Ihre Vorstellung, dass es einfach ein bisschen wärmer wird, und sonst von der Lebensmittel- und Industrieproduktion bis zum Welthandel alles weiterläuft wie gehabt – die ist tatsächlich ziemlich naiv. Dass es in erster Linie auf China und die USA ankommt, ist zwar richtig, taugt als Ausrede aber nichts.

  47. „Wie stellen Sie es sich denn konkret vor, dass eine Überschwemmung einen ganzen Landstrich permanent unbewohnbar macht? Es regnet ganz viel, ein Fluss tritt über seine Ufer und überschwemmt Land und dieses Land bleibt für immer überschwemmt? Und die Leute, die dort wohnten, packen Ihre Sachen und beantragen alle in Deutschland „Klimaasyl“ – auch wenn Deutschland für sie vielleicht am anderen Ende der Welt liegt??“
    Kein Fluss. Das Meer.
    Bzw., ein Fluss, der deutlich häufigere und höhere Hochwasser hat als bisher, erschwert die bisherige Besiedlung und Industrie in seinem Flusstal. Umgekehrt kann der Klimawandel auch dazu führen, dass manche Flüsse weniger Wasser führen, chaotische Systeme und so, d.h., irgendwo gibt es nicht mehr genug Wasser für die bisherigen Bewohner und ihre Landwirtschaft.
    Kurz gesagt, speziell bei dicht besiedelten Gebieten ist jede Veränderung des Ist-Zustandes eine Verschlechterung, weil insbesondere die besonders menschenfreundlichen Gebiete dicht besiedelt sind.
    Derzeit traue ich Indien und China tatsächlich eher als den USA zu, das Problem zu bekämpfen, aber darüber kann man sich gerne noch aufregen, wenn D. ernsthafte Anstrengungen in der Hinsicht unternommen hat.
    Was die Klimaflucht betrifft, wird die möglicherweise nicht in erster Linie in Richtung D. gehen, aber das ist nur ein halber Vorteil; evt. liegt das dann nur daran, dass das Klima sich hier auch verschlimmert.

    Und dieses Mittelalterbashing ist auch unfair: wenn man den Menschen im Mittelalter gesagt hätte, dass Kohle und Erdöl zu verbrennen ein schädliches Miasma freisetzt, dass Dürren und Unwetter verursacht, hätten die das direkt geglaubt und damit aufgehört, denn Dürren und Unwetter will niemand haben.

  48. „Wie stellen Sie es sich denn konkret vor, dass eine Überschwemmung einen ganzen Landstrich permanent unbewohnbar macht? Es regnet ganz viel, ein Fluss tritt über seine Ufer und überschwemmt Land und dieses Land bleibt für immer überschwemmt?“ – ganz großes Kino.

    Weit muss man ja nicht schauen und die eigene Vorstellungskraft kaum bemühen, da Überschwemmungen sogar direkt vor der eigenen Haustür ganze Landstriche unbewohnbar gemacht haben (Entstehung des niedersächsischen Jadebusens durch eine Sturmflut, Versinken diverser friesischer Inseln, wenn man noch etwas weiter zurückgeht: die Abkopplung der Britischen Inseln vom Festland durch steigenden Meeresspiegel). Man muss sich bloß vorstellen können, dass Überschwemmungen nicht nur vom örtlichen Bächlein und ein bisschen Regen entstehen können…

    Ein aktuelleres Beispiel wäre Bangladesch: Steigender Meeresspiegel bedroht knapp 30% der Landesfläche, stärkere Fluten und eindringendes Meerwasser versalzen Ackerland, Überschwemmungen der großen Flüsse (!) erodieren Flussufer und zerstören ebenfalls Ackerland, schmelzende Himalayagletscher führen zu höherem Schmelzwasserabfluss, gleichzeitig bedrohen aufgrund veränderter Monsunverhältnisse in anderen Landesgegendenen Dürren die Lebensgrundlage von Millionen… schon 1987 wurden aufgrund von Überschwemmungen 45 Millionen Bangladeshi zeitweise vertrieben. Die Bevölkerungszahl hat sich seitdem stark vermehrt, das Land ist jedoch weniger geworden (https://www.bpb.de/gesellschaft/migration/laenderprofile/215770/klimawandel-und-binnenmigration-in-bangladesch).

    Aber manchen Kommentatoren scheint ja noch nicht ganz klar zu sein, dass der Klimawandel globale Effekte hat und man nicht nur das Wetter im eigenen Vorgarten beobachten sollte.

  49. …und er ist inzwischen weitergezogen zum nächsten Artikel, in dem das Wort „Grün“ auftaucht und hat halb Trollhausen mitgebracht.

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