Wohlfühlen in der Grauzone

Bayern-Werbung im Namen des „Stern“

In der vergangenen Woche hat der „Stern“ seinen Abonnenten gleich eine dreifache Ladung Bayern-Begeisterung nach Hause geliefert:

In einer zwölfseitigen Geschichte feiert die Illustrierte München als „Hauptstadt der Leichtigkeit“, „Metropole der Traditionen und Heimat modernen Designs“, die es beherrsche, „Tradition und Wandel zu vermählen“ und ihre „alten Legenden liebt und dennoch vorangeht“.

In einem ebenfalls zwölfseitigen „Stern Extra München“ mit dem Titel „Die Strahlende“ verrät sie 100 Reisetipps für die Stadt, die sich durch „eine grandiose Dichte an Kultur sowie eine nicht nur propagierte, sondern auch funktioniernde Mischung aus Tradition und Unternehmertum“ auszeichne.

Und in einer „Plus“-Ausgabe des „Stern“-Ablegers „Gesund Leben“ von Eckart von Hirschhausen gibt die Redaktion Empfehlungen zum „Wohlfühlen in Bayern“ unter dem Motto: „Auszeit für Leib und Seele“.

Eins von diesen Dingen ist nicht wie die anderen: Die „Stern“-Begeisterung fürs „Wohlfühlen in Bayern“ ist erkauft. Es handelt sich, wie der Verlag auf Anfrage mitteilt, um ein rein „werbliches Produkt“.

Nicht dass man das auf den ersten Blick erkennen könnte. Das Heft, das rund 250.000-fach einer Teilauflage des „Stern“ und des Magazins „Hirschhausens Gesund Leben“ beilag, trägt das „Stern“-Logo und den Original-Schriftzug von „Gesund Leben“. Im Inneren wechseln sich Artikel von allgemeier Illustrierten-Belanglosigkeit mit eindeutig werblich gestalteten Seiten ab – als handele es sich um eine Mischung aus redaktionellen Inhalten und Anzeigen.

Gekennzeichnet ist das Heft als „Verlags-Sonderveröffentlichung“. Auf der Titelseite steht klein unten rechts: „Eine Kooperation mit Gesundes Bayern“.

Die Vermarktungstochter von Gruner+Jahr, G+J EMS, erklärt das so:

Bei „STERN GESUND LEBEN plus“ handelt es sich um ein klassisches co-branded Vermarktungsprodukt, wie es in vielen Tageszeitungen und Magazinen hierzulande üblich ist. Das Vermarktungsprodukt gehört nicht zum durch die stern-Redaktion verantworteten Inhalt, ist klar von diesem abgegrenzt und durch ein Impressum sowie die Kennzeichnung ‚Verlags-Sonderveröffentlichung‘ eindeutig gekennzeichnet.

Doch das Wort „Verlags-Sonderveröffentlichung“ ist gerade kein eindeutiger Hinweis auf ein rein „werbliches Produkt“. Viele Redaktionen kennzeichnen mit diesem Begriff Beilagen, die attraktive, thematisch passende Umfelder für Anzeigen bieten sollen, aber redaktionelle Artikel enthalten. Der Presserat sagt auf Anfrage von Übermedien unmissverständlich:

Werbliche Sonderveröffentlichungen müssen als solche erkennbar sein. Entweder durch ihr Layout oder durch Begriffe wie zum Beispiel „Anzeige“ oder „Anzeigen-Sonderveröffentlichung“. Die Bezeichnung „Verlags-Sonderveröffentlichung“ ist nach geltender Spruchpraxis des Presserats keine presseethisch akzeptable Kennzeichnung von Werbung.

G+J EMS verspricht Werbekunden, dass sie „mit kooperativen Markenkonzepten vom Renommee unserer G+J Marken profitieren“. Angeboten wird auf der Vermarktungsseite unter anderem „Stern Plus“:

Im STERN Plus werden Themen so vermittelt, wie STERN-Leser es gewohnt sind: gut recherchiert, sachlich, verständlich und nachvollziehbar. Selbst komplizierte Kunden-Informationen bekommen so einen angenehmen, unterhaltsamen Rahmen, der zum Ein- und Weiterlesen anregt.

Auch hier schmückt das vermeintlich für Journalismus stehende „Stern“-Logo gekaufte Inhalte, zum Beispiel bezahlt von einem Kreditinstitut. In der Präsentation ist die Beilage allerdings als „Anzeigen-Sonderveröffentlichung“ gekennzeichnet.

Laut Impressum ist das aktuelle Heft „im Auftrag von BAYERN TOURISMUS Marketing GmbH in Kooperation mit dem Bayerischen Heilbäder-Verband e. V.“ entstanden. Die GmbH ist die offizielle Marketingorganisation der bayerischen Tourismus- und Freizeitwirtschaft. Sie wurde auf Initiative des Freistaats Bayern gegründet und wird durch das Wirtschaftsministerium gefördert. Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer ist der Aufsichtsratsvorsitzende. Vorsitzender des Bayerischen Heilbäder-Verbands ist der CSU-Landtagsabgeordnete Klaus Holetschek.

Der „Stern“ verkauft also sein Logo und den Namen eines „Stern“-Magazins gut zwei Wochen vor der Landtagswahl an zwei staats- oder parteinahe Organisationen. In Kombination mit der München-Bejubelei im „Stern“ und im „Stern Extra“ wirkt das besonders auffällig. Dass beides zusammenfällt ist nach Aussagen einer Sprecherin der der G+J EMS-Vermarktung aber „purer Zufall“. Auf die zeitliche Nähe zur Landtagswahl angesprochen, sagt sie: „Da es sich bei der Beilage um ein klassisches Vermarktungsprodukt handelt, das vom Kunden zu Werbezwecken gebucht wurde, liegt die Entscheidung über den Schaltungszeitraum ebenfalls beim Kunden.“

Gruner + Jahr fällt seit einiger Zeit immer wieder dadurch auf, journalistische Standards zugunsten einer Maximierung der Einnahmen aufzuweichen. Zum aktuellen Unternehmens-Leitbild, das die Vorstandsvorsitzende Julia Jäkel formuliert hat, gehört der Satz: „Die tiefe Kenntnis unserer Communities of Interest ermöglicht uns, im Kontext unserer Inhalte auch Zusatzgeschäfte zu entwickeln.“

Die Frauenzeitschrift „Brigitte“ hat online im vergangenen Jahr für Produkte unter anderem von Tchibo geworben und dafür, für den Nutzer nicht erkennbar, offenbar Provision bekommen. Im Frühsommer veröffentlichten „Stern“, „Brigitte“ und „Eltern“ eine Beilage, die mit irreführenden und teils als Werbung unzulässigen Behauptungen für Homöopathie wirbt. Auch sie gab sich als „Verlags-Sonderveröffentlichung“ aus.

Der Presserat hat das aktuell missbilligt:

Die Veröffentlichung hätte (…) als werbliche Sonderveröffentlichung gekennzeichnet werden müssen. Der Begriff „Verlags-Sonderveröffentlichung“ stellt hier kein presseethisch anerkanntes Synonym für eine werbliche Sonderveröffentlichung dar, da es ihr an Eindeutigkeit mangelt und er den durchschnittlichen Leser über den werblichen Charakter der Veröffentlichung im Unklaren lässt.

Aus Sicht der Werbekunden und des G+J-Vermarkters ist exakt das natürlich der Vorteil.

2 Kommentare

  1. Julia Jäkel berauscht die Bertelsmänner mit ihrer Rendite-Orientierung, aber letztlich ist der Schaden, den sie mit ihrer Unternehmenspolitik auf Dauer bei den renommierten Marken verursacht, gewaltig.

    Es ist ja nicht das erste Mal, dass ein deutscher Verlag von oben herab ins Verderben gesteuert wird. Tut mir nur leid für sehr viele Verlagsmitarbeiter, die ihr Bestes geben.

  2. Und als nächstes beschweren sich die Herren dann, dass niemand mehr den Stern ließt. Ich lese den Text quasi schon:
    „Angeblich sei der Stern nicht zuverlässig, für wahrscheinlicher halten Marktbeobachter aber, dass sich die User die hochwertigen Berichte des Premium-Blattes aus dubiosen Quellen kostenlos besorgen.“

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