Unbesprochen (1)

Harte Drogen im Studio: „Exakt“-Redakteure im Animationsrausch

Ich wohne jetzt schon länger nicht mehr in Sachsen, aber wenn ich mal wieder wissen will, was in der Heimat so los ist, schaue ich „Exakt“ im MDR-Fernsehen. Jawohl, das mache ich, im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte. Ich sehe die Sendung sogar ganz gern, vor allem wegen der Leute, die andauernd meckern in den Beiträgen. Und, natürlich: wegen des Dialekts! Seit dem „Exakt“-Beitrag über Crystal Meth lese ich die Droge jetzt immer als: „Kristl Mess“.

Allerdings, und das ist das Problem: Eine Sendung wie „Exakt“ ertrage ich doch auch nur in homöopathischen Dosen. Nicht bloß, weil mich Sächsisch schnell anstrengt, sondern vor allem wegen der Machart. Neben den monotonen Off-Sprechern (insbesondere der männliche!) nerven am meisten die Animationen und Spielszenen, mit denen Beiträge eingeleitet werden. Die Redaktion fährt da alles auf, was sie aus der MDR-Grafik-Abteilung kriegen kann.


Wie könnte man zum Beispiel darstellen, dass es für (ost-)deutsche Wanderarbeiter kein Zuckerschlecken sein dürfte, zur Hochsaison in den österreichischen Alpen zu arbeiten? Na, mit Laienschauspiel und Montagen natürlich!

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Fairerweise muss ich erwähnen, dass ich Laienspiel-Montagen wie die des gierigen Wirts und der verheulten Bedienung bisher nicht so oft in der Sendung gesehen habe, was auch ganz gut so ist. Allerdings gibt es dagegen mindestens drei Arten von Effekten, die mich regelmäßig in den Wahnsinn treiben.

1. Diese Touch-Animationen!

Bei „Exakt“ haben sie ein Faible für Gefuchtel, und sie leben es gnadenlos aus. Wann immer es möglich ist, gestikuliert Moderatorin Annett Glatz in der Luft herum und drückt irgendwelche imaginären Knöpfe, Bilder und Grafiken.

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Leider kann sich die Redaktion an diesem Effekt nicht sattsehen. Die Moderatorin patscht und tatscht so unbeirrt durch all ihre Moderationen, fast möchte man ihr ein Tuch in die Hand drücken, damit sie mal die ganzen ebenso imaginären Fingerabdrücke wegwischen kann.

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Das Gefuchtel nervt auch deshalb, weil die Moderatorin zum Drücken, Wischen und Tatschen häufig noch etwas Zeit schinden muss, was dann … immer … ein wenig … abgehackt klingt. Und wieso gibt es eigentlich Touch-Animationen auf, äh: Kreidetafeln? Bisschen unlogisch, oder? Aber immer…

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… und immer wieder sind da diese Kreidetafeltouchanimationen!

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Naja, oder 16:9-Polaroid-Rutsch-Touchanimationen.

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2. Beam me up, Regie!

Dann gibt es jene Art von Effekten, bei denen die Moderatorin entweder vom Studio zum (realen) Ort der Handlung wandert oder in Einspielern auftaucht. Hier, zum Beispiel, in einer Küche.

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Oder sie geht in einer Folge über Obdachlosigkeit ein paar Schritte und, zack, steht sie in Mantel und dicken Schuhen am Leipziger Hauptbahnhof.

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Dort wirft Frau Glatz dann einem Obdachlosen Geld in einen Becher.

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Es wird nicht aufgeklärt, ob die Szene echt ist oder nur gestellt. Und falls der Obdachlose echt sein sollte, frage ich mich: Wusste er, dass er gefilmt wird? Wie viel hat Glatz ihm gegeben? Durfte er das Geld behalten? Über sowas mache ich mir dann Gedanken, und anschließend frage ich mich, was da alles echt ist oder gestellt. Vielleicht nicht so gut bei einem journalistischen Magazin.

3. Spezialität: Effekthascherei

Weniger problematisch, aber auch ein bisschen albern sind die visuellen Effekte, mit denen die Studioumgebung thematisch an die Beiträge angepasst wird. Bei der Anmoderation zu Zwangsadoptionen bzw. Kindesraub in der DDR war ich erst mal froh, dass sie darauf dieses Mal verzichten.

Tja, nur gilt das lediglich für die ersten zehn Sekunden: Danach hängt Annett Glatz als sprechendes, vergilbtes Foto an der Wand und leitet zu einem Filmausschnitt über, der ebenfalls in einen Fotorahmen eingezwängt wird.

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Anschließend steht Glatz dann auf einmal selbst im Raum und verkündet:

„Die Interessengemeinschaft Gestohlene Kinder der DDR verlangt jetzt von der Politik Unterstützung, um solche Fälle aufzuklären. Trotzdem ist es unglaublich schwer, Licht in dieses dunkle Kapitel DDR-Geschichte zu bringen.“

Nein, die Moderatorin leuchtet nun nicht mit einer flackernden Kerze düstere Kapitel aus, ganz im Gegenteil: Es brizzelt. Flackert. Glühbirnen erlöschen.

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Kann man das noch toppen? Na klar! Thema Mülltrennung:

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Solange diese Spielereien nur affig sind – geschenkt! Ärgerlich wird es aber, wenn durch Überblenden von Inhalten keinerlei Informationsgewinn folgt, was oft der Fall ist. Oder wenn Inhalte schwieriger erfasst werden können.

Im einem Beitrag dient ein Zaun als Projektionsfläche für Filmausschnitte zu einem Überfall von Neonazis in Leipzig. Die ohnehin dunklen Clips, nachts gefilmt, vermutlich mit einem Smartphone, sind schlecht zu erkennen und werden in den durch den Zaun limitierten Platz gepresst. Wozu?

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Dass über die Filme – noch so eine unsägliche Spezialität von „Exakt“ – oft zusätzliche Effekte und Filter gelegt werden, macht das Ganze auch nicht besser oder spannender. Ich verstehe nicht, was das soll. Und bei der Produktion der Sendung über Crystal Meth war die Redaktion dann vollends berauscht – von ihrem Effektprogramm! „Kokain des Ostens“ heißt die „Exakt“-Ausgabe, und vermutlich sollen das hier Meth-Kristalle sein. Oder doch Kandis?

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Und die Redaktion setzt sogar noch einen drauf: In die Meth- oder Kandiskristalle blendet sie Ausschnitte aus dem Film ein, teilweise noch viel kleiner als auf dem Zaun.

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Warum machen die das? Okay, brennender würde mich interessieren, wieso Glatz einen durchsichtigen Beutel mit einer weißen Substanz in der Hand hält. DAS SIND DOCH NICHT ETWA DROGEN?

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Man kann das natürlich innovativ finden, wie viel Aufwand sie bei „Exakt“ in Effekte und Requisiten stecken – meine fundierte Meinung dazu aber ist:


Nachtrag, 18.7.2018. Wir hatten geschrieben, es gehe um das Nachrichtenmagazin „Exakt“, viele der Beispiele stammen aber aus dem Ableger „Exakt – die Story“. Wir haben das angepasst.

10 Kommentare

  1. Unter Ulbricht hätte es sowas nicht gegeben (MDR, Kristl Mett und anderer Westdreck wie Privateigentum an Produktionsmitteln).

  2. Nachrichtenmagazin im MDR-Fernsehen.
    Hier fehlen eindeutig die Anführungszeichen um Nachrichtenmagazin. Das ist doch nur die Regional-Ausgabe von „brisant“, oder?

  3. Ein paar Sachen finde ich davon eigentlich witzig, aber da will man wohl das Internet kopieren.
    Also, nicht Inhalte oder so, sondern Youtube-Link anklicken und dergleichen.
    Ein bisschen arm.

  4. Habe mir paar Folgen exakt auf YT querangeschaut. Wurde enttäuscht, die wenigsten sächseln.
    Aber das mit den imaginären Knöpfedrücken ist das Höchste was in Deutschland als „irgendwas mit Internet“ gilt

  5. Schade, bei mir endet der Artikel schlagartig nach den Touch-Animationen, die anderen beiden größten Exakt-Nerver werden mir hier irgendwie vorenthalten.

    In jedem Fall finde ich die Effekt- und Animationsverliebtheit der Sendungsmacher auch sehr gruselig und frage mich, wann immer ich eher zufällig über diese Sendung stolpere: Warum, wozu? Die Antwort ist wohl schlicht ‚Weil wir’s können‘, auch wenn ein ‚Weniger ist mehr‘ wohl oft besser, seriöser daherkäme. Es soll vermutlich modern wirken, MDR-Land ist da – bekanntlich – allen anderen um Längen voraus und so die eher folkloristisch-seichte Themenauswahl und Machart brisanter gestalten.

    Doch nicht nur die zahlreichen Animationen rufen bei mir ein leichtes Kopfschütteln hervor, die Moderation an sich tut es auch, von den spannungsgeladenen Einleitungen bis zur farbenfroh-hochbehackten Einkleidung.

    Mein Unbesprochen-Vorschlag übrigens: Markt, Magazin sowohl bei NDR als auch WDR (es scheint da eine gewisse Kooperation zu geben). Eine bunte Mischung aus Pseudotests, Verbrauchertipps, Wir-kämpfen-für-Ihr-Recht und irgendwas mit Wirtschaft, verdammt spritzig und charmant moderiert (wenn man über 80 ist), ebenso (wenig) nützlich wie spannend und… ach, schaut einfach mal selbst!

  6. Woran auch immer es lag, kann nun den kompletten Artikel sehen/lesen. Inklusive des netten Schlussgags. ;-) Wer weiß, woran es lag…

  7. @ Ian:

    Die Artikel werden nach einer Woche in der Regel für alle freigeschaltet. Auf Ihre Bitte hin hat sich anscheinend jemand verrechnet. :)

    Sie könnten allerdings auch via Steady ein Abo abschließen und so Übermedien unterstützen. Dann wären alle Artikel sofort komplett lesbar.

  8. Ich finde es etwas arm, dass Sie die komplette Kritik lang auf den Animationen herumreiten. Die kann man gut finden oder nicht. Punkt. Mich zum Beispiel nerven sie gar nicht. Aber wo bleibt die stärker an den Inhalten ausgerichtete Analyse? Hätte aber vermutlich mehr Arbeit gemacht.
    Mich erinnert der Artikel leider sehr an das allgemeine MDR-Bashing, das mit dem Wechsel von Intendant Reiter zu Intendantin Wille dann stark zurück ging. Auch das blieb immer an der Oberfläche. Es wäre doch viel interessanter, mal zu gucken, wie es darunter aussieht. Wie kommt das Programm zustande, warum wird es gut angenommen – der MDR ist in seinem Sendegebiet sehr erfolgreich? Gibt’s blinde Flecke in der Berichterstattung? Ein erkennbares Bias? Aber das macht wiederum mehr Arbeit, als sich einfach über die Oberfläche zu echauffieren.

  9. Ich korrigiere mich: Das allgemeine MDR-Bashing blieb OFT, keinesfalls immer, an der Oberfläche. Man mokierte sich mit Vorliebe über den „Schunkelsender“.

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