Mein Freund, Seine Exzellenz
Also den Mediengeschmack seines Chefs hat er schon mal. Kaum einen Monat im Amt, traf sich Richard Grenell, der frisch bestellte US-Botschafter in Deutschland, gleich mal zum Interview mit „Breitbart“. Drei Wochen zuvor hatte er schon die „Bild“-Zeitung in seine Residenz geladen. Ein paar Tage später traf er sich mit „Focus Online“.
Der vorläufige Höhepunkt seiner Qualitätsmedientour aber erschien gestern: Homestory in der „Bunten“.
„Hier residiert Donald Trumps neuer Botschafter“. (Im Sinne von: Da, wo die alten Botschafter auch schon residiert haben.)
Die weiße Villa, die sich hinter einem schmiedeeisernen Zaun und hohen Tannen im feinen Berlin‑Dahlem versteckt, wirkt, als sei sie gerade aus dem Dornröschenschlaf wachgeküsst worden.
Villa müsste man sein. Hundert Jahre schlafen und dann gleich so aussehen! Aber gut. Da sitzen sie jedenfalls nun, der Botschafter und sein Lebenspartner, im Garten ihrer Villa, „genießen mit Hund Lola die Frühlingssonne bei einem Glas kalifornischem Rotwein zum Feierabend“ und werden von der „Bunten“ interviewt.
Einstiegsfrage: „Angela Merkel ist auch in den USA populär. Was bewundern Sie an ihr?“ Nächste Frage: „Das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA scheint gerade etwas belastet. Was ist Ihr Plan, ‚to make it great again‘?“ Kritischer wird’s dann auch nicht mehr, stattdessen gibt es viel Lob für Donald Trump, ein paar Fragen zur überstandenen Krebserkrankung des Botschafters, zu seiner Homosexualität, seiner Familienplanung. Kuschelig eben.
Hach.
Was der Leser bei all der Herzerei nicht erfährt: Daniel Funke, Leiter des „Bunte“-Hauptstadtbüros und Verfasser des Interviews, ist privat mit dem Botschafter befreundet. Erst vor drei Wochen trafen sich die „friends“ noch zum Dinner:
Dinner with friends. Welcome to Berlin @RichardGrenell @mattlashey and Lola ???? pic.twitter.com/iSVplTsqKt
— Daniel Funke (@Daniel_W_Funke) 17. Mai 2018
(Jens Spahn ist auch dabei, weil er mit dem Autor verheiratet ist.)
„Nun kann“, wie Klaus Raab im heutigen „Altpapier“ treffend festhält, „der Mann eines Politikers natürlich einen Diplomaten und seinen Partner seine Friends nennen, auch wenn er Journalist ist. Schmierig wird es, wenn dieser Journalist anschließend eine Home-Story plus buntem Interview mit diesen Friends in der Zeitschrift platziert, deren Hauptstadtbüro er leitet – mit Fotos wie aus einem Luxuseinrichtungskatalog und mit Fragen, die sich die Pressesprecher der Friends kaum schöner hätten ausdenken können.“
Wir haben bei der „Bunten“ nachgefragt, ob sie so etwas mit ihrer journalistischen Unabhängigkeit vereinbar hält und warum sie nicht erwähnt hat, dass Autor und Interviewpartner Kumpels sind, doch die Redaktion wollte sich nicht dazu äußern.
Der Botschafter jedenfalls ist trotz seiner noch jungen Amtszeit schon ordentlich angeeckt; nach seinem „Breitbart“-Interview schaltete sich das Auswärtige Amt ein und bat um Aufklärung, deutsche Politiker kritisierten ihn scharf, manche forderten gar seine umgehende Ausweisung. Auch in seiner Heimat steht er in der Kritik, die „New York Times“ schrieb auf ihrer Meinungsseite erst vorgestern, warum „Mr. Grenell does not, and should not, represent the United States“. Die „Bunte“ aber sieht das anders: „Für Kanzlerin Angela Merkel könnte Seine Exzellenz zu einem wichtigen transatlantischen Brückenbauer werden.“
Die Überschrift des Interviews lautet übrigens „Amerikaner und Deutsche spielen im selben Team“, was auf eine Art dann doch ganz passend ist.
Wie die „Bunte“ hier alle Anstandsregeln beiseite lässt, ist schon dreist. Weiter kommentiert Klaus Raab (treffend) im „Altpapier“:
„Aber auf den zweiten Blick ist das nicht nur irgendein weiterer Illustriertenscheiß: Der Freund des unionsinternen Merkel-Kritikers Jens Spahn gibt hier dem Merkel-kritischen US-Botschafter Richard Grenell Raum, sein Spiel weiterzutreiben.“
Nicht dass da ein falsches Bild entsteht: das „Hauptstadtbüro“ der BUNTE besteht seit Jahren nur aus Daniel Funke. Also die Reinigungskraft, die alleine die Klos in einem Hotel putzt, leitet eben dann auch die Hygieneabteilung. Sie hat aber vermutlich keine Visitenkarte, auf der der tolle Titel draufsteht, damit man sich leichter zu allen möglichen Events auf die Gästeliste setzen lassen kann.
Und „Büro“ ist auch so eine Sache, Für Herrn Funke ist immer irgendwo bei anderen Burda-Titeln ein Schreibtisch mit Telefon reserviert. Oft anwesend ist er allerdings nicht. Vielleicht residiert er immer noch neben den Kollegen von „FF dabei“, der unbekanntesten Programmzeitschrift Deutschlands. Seine alten Büronachbarn von StarNetOne wurden ja gerade „weggeweltet“.
Fassungslos habe ich Ihren ÜberMedien-Bericht gelesen. Was da bei Burda passiert ist so grotesk wie unsauber. Wie aus einer
Soap. Dass „Bunte“ sich so etwas leistet (leisten darf), wundert mich allerdings nicht wirklich: Distanzierte Genauigkeit, journalistisch-moralisch gewissenhaft, war nie die Sache dieses Yellowblatts. Aber mit diesem Bericht ist eine politisch problematische Hymne gedruckt worden, die man nur schnell in die Papiertonne entsorgen sollte.
Peter W. Engelmeier
Wie Klaus Raab (1. Kommentar via Theo) richtig schreibt, geht es nicht um „Illustriertenscheiß“. Denn der politische Einfluss der Bunten und von Gala darf man nicht unterschätzen: Eine gute Homestory? Imagegewinn! Ein vernichtendes Interview mit der Ex-Partnerin des Lebensgefährten einer Politikerin? Massiver Imageverlust!
Umso verheerender ist dann dieser Buddy-Journalismus.
In der Bunten würde ich ohnehin keine umwerfende politische Berichterstattung erwarten, bei „richtigen“ Zeitungen oder Magazinen wäre das anders. Obwohl, die Antworten auf die beiden genannten Fragen fände ich dann doch interessant und muss da wohl am nä. Zeitungsstand mal reinschauen. Bei so einer Homestory erwarte ich nix, kann also höchstens positiv überrascht sein. Home, heimelig, kuschelig geht da schon in Ordnung. Von daher ist die Freundschaft auch an sich kein Problem, aber erwähnen sollte der Autor es schon.
Naja, das ist halt die Bunte. Ist wie bei BILD, Compact, TAZ, RT Deutsch, Sputnik oder dem Spiegel. Die berichten nach Agenda und weder neutral, journalistisch oder objektiv. Das weiß man doch …… ist halt Boulevard bzw. politische Trommler des linken oder rechten „Richtungsjournalismus“. Man erwartet doch auch von Tele 5 oder RTL ein gescheites Programm. Das weiß doch jeder, der seine Suppe nicht mit der Gabel isst.
Sorry “ … oder RTL kein gescheites Programm ….. “ das „k“ vergessen :-)
„Bei einem Glas kalifornischem Rotwein zum Feierabend“? Da ist man schon mal in „Europe while it still exists“ und dann … so ein Getränk? Wer da nicht statt dessen z.B. eisgekühlten 2014er Pomerol trinkt, hat sogar eine oberflächliche erste Einführung in Europa gar nie gehabt. Dem wurden hier vielleicht von Max & Moritz die Schlösser gezeigt aber sicher nicht die Kultur. So jemand geht dann auch in Berlin zu Burgerking. Das zeigt aber auch, dass seine lokale Entourage von einem kulturellen Europa selbst keinen Bescheid weiss. Und so jemand ist dann folgerichtig nicht mal „konservativ“. Reaktionär, neoirgendwas, oder alles andere – aber nicht „konservativ“. Sowas zeigt sich eben an solchen Kleinigkeiten. Am falschen Wein nippen war halt schon im alten Rom nicht immer eine gute Idee.
Wer kauft sich denn noch die BUNTE, die Generation stirbt so langsam weg. Möglicherweise findet man dieses Blättchen noch in den Lesezirkeln die in den Wartezimmern ausliegen, aber sonst.