Neue Regierung in Rom

Ciao Hallodri! Wie deutsche Medien ein italienisches Drohszenario beschwören

Vor wenigen Tagen traf „Spiegel“-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer auf seine Leserinnen und Leser, und die Begegnung muss für ihn so außergewöhnlich gewesen sein, dass Brinkbäumer sie in der folgenden Ausgabe auf vielen Zeilen festhielt. Die Leser, teilte Brinkbäumer eben diesen Lesern mit, würden es etwa nicht mögen, wenn „Spiegel“-Redakteure „Meinungen über Fakten stellen und beides nicht klar genug voneinander trennen“. Auch widersprüchliche Positionen auszulassen, goutierten die Leser nicht.

Dieser Kritik hielt Brinkbäumer leicht trotzig entgegen:

„Natürlich sehen wir das meiste noch immer anders, denn wir machen den ‚Spiegel‘ ja in jeder Woche so gewissenhaft und leidenschaftlich, wie es uns möglich ist.“

Gabel mit Spaghetti, die zu einem Strick geformt ist. Schlagzeile: "Ciao amore!"

Dann begann, als ob es diese Leserrunde nie gegeben hätte, eine Woche der Berichterstattung über die italienische Regierungsbildung, die in einem Spaghetti-Galgen-Cover der Print-Ausgabe endete und in der es fast das kleinste Problem war, dass es daran mangelte, Fakten und Meinung auseinanderzuhalten.

Ich arbeite seit mehr als zehn Jahren in führenden deutschen Wirtschaftsredaktionen, die meiste Zeit davon leitend, und berichte seit einigen Jahren über und aus Italien. Ich dachte, ich hätte so ziemlich alles erlebt, was im Redaktionsalltag schiefgehen kann. Ich habe Thesen zugespitzt, komplexe Sachverhalte der Verständlichkeit willen vereinfacht und auch mal eine Stimme ausgeblendet, weil Vereinfachung ein Kern-Instrument ist, um den journalistischen Auftrag nach Erklärung zu erfüllen. Und sicher habe ich dabei auch manchmal gröberen Unfug geschrieben.

Aber was vorige Woche nach Tagen heller Aufregung in der „Spiegel“-Titelgeschichte mündete, halte ich für außergewöhnlich. Nicht nur, weil diese Geschichte handwerklich fraglich erscheint, sondern weil sie stellvertretend für den überwiegenden Teil der überregionalen deutschen Medien steht.

„Rudel-Journalismus“? Übertrieben. Aber es gibt ein Problem

Ich habe in den vergangenen Jahren verfolgt, wie die Kritik an Journalisten, insbesondere bei den großen, überregionalen Marken, immer lauter wurde. Ich habe Schlagworte wie „Rudel-Journalismus“, „gelenkte Presse“ oder „Elitenjournalismus“ gehört. Vieles davon halte ich für übertrieben, manches für verschwörungstheoretisch. Ich glaube aber auch: Ein Journalismus, der wie „Spiegel“, „Süddeutsche“, FAZ, „Welt“, ARD und einige Wirtschaftsmedien zum Thema Italien so vorgeht, zum Teil angefeuert von deutschen Ökonomen, Finanz-Lobbyisten und konservativen Politikern, befeuert solche Kritik und rüttelt damit an den Grundlagen des eigenen Handwerks.

Um das klar zu stellen: In Italien hat sich eine Regierung gebildet, deren kleinerer Koalitionspartner Lega aus meiner Sicht in Teilen homophob, ausländerfeindlich und eindeutig zu weit rechts im politischen Spektrum fischt. Aber er ist eben gewählt, mit 17 Prozent. Es gibt daneben einen doppelt so großen Koalitionspartner, die Fünf Sterne, die schon nicht mehr so leicht zu verorten sind: eine bunte Mischung aus Systemkritikern, Umweltschützern, Verhaltensökonomen, Bürgerrechtlern – und sicher auch Spinnern.

Ich glaube aber eben auch, nachdem ich Italien als Journalist jahrelang intensiv beobachtet und bereist habe, dass diese Regierung nach demokratischen Regeln gewählt wurde. Und ich glaube, dass Italien ein stabiler Anker ist in einem Europa, das auch deutschen Interessen dient: auf Grund seiner starken wirtschaftlichen Substanz und seiner bisherigen Rolle in der Europäischen Union und im Euro-Raum als Nettobeitragszahler, drittgrößte Volkswirtschaft, Impulsgeber für die Einigung und letztlich einziger deutscher Partner in den vergangenen Jahren in Sachen Flüchtlingspolitik.

Screenshot einer Kolumne mit dder Überschrift: "Die Schnorrer von Rom"

Diese ganze Gemengelage fasst der „Spiegel“ auf dem Cover in einer Spaghetti zusammen, die zu einem Henkersseil geformt ist. Schlagzeile: „Ciao Amore“. Als ich das sehe, habe ich noch einen Text von Jan Fleischauer im Kopf, den er in den Tagen zuvor auf „Spiegel Online“ veröffentlicht hat, und der die Italiener – wohlgemerkt die Nettobeitragszahler der EU – allesamt als Schmarotzer hinstellt. Oder den Text von Hans-Jürgen Schlamp, wonach Italiens Präsident Sergio Mattarella „statt EU-feindliche Populisten an die Macht zu lassen“ zum Glück eine Regierungsbildung erschwert habe, als ob beide Parteien „EU-Feinde“ wären und nicht der Wähler sondern der Präsident „Macht“ verleihe.

Ich bin eine Woche lang nach allen Regeln der Kampagnenkunst mit einem Italienbild versorgt worden, das das ökonomische Chaos aufgrund der sich anbahnenden Regierung heraufbeschwört. Bis die Woche mit einem „Spiegel“-Titel endet, der das Scheitern des Landes voraussagt – und zwar mit einer Mischung aus Verdrehungen, Unkenntnis und irreführenden Zusammenhängen, die offenbar ein Motiv haben: Dieser Regierung, die aus manchen schlechten, manchen guten Gründen gegen die bisher vor allem von Deutschland vertretene Euro-Politik vorgehen will, jede ökonomische Glaubwürdigkeit zu nehmen.

Als würde man Olaf Scholz als alles dominierende Figur darstellen

Das ist das Schräge an dieser Debatte: Mit der Lega lädt ein Teil der neuen Regierung zu wirklich grundlegender Kritik an ihrem Menschenbild, ihrem Demokratieverständnis und öffentlichen Auftreten ein, aber sämtliche deutsche Medien versuchen tagelang einzig und allein, ein ökonomisches Drohszenario aufzubauen. Drei Beispiele von vielen, wie der „Spiegel“ arbeitet:

Im Einstieg wird der Eindruck erweckt, Lega-Chef Matteo Salvini sei der neue starke Mann Italiens, ja, einer Rechtsregierung. Dabei ist die Lega der deutlich kleinere Partner im Vergleich zu den Fünf Sternen, was irgendwann im Text auch eingeräumt wird. Das ist, als würde man die deutsche Regierung ständig als sozialdemokratische Regierung und Andrea Nahles oder Olaf Scholz als die alles dominierenden Figuren Deutschlands darstellen. Salvini und seine Lega eignen sich viel besser zum Ängste schüren, als die Fünf Sterne von Wahlgewinner Luigi di Maio, die ein weder rechtes noch irres Programm haben.

Dann wird behauptet, es würde ein Grundeinkommen eingeführt. Auch damit soll das sich vermeintlich anbahnende Finanzchaos belegt werden. Nur: Es gibt keine Pläne im Koalitionsvertrag, ein Grundeinkommen einzuführen.

Und schließlich wird eine reportagig geschriebene Passage aus Sizilien so eingeordnet, als befinde man sich im tiefsten Hinterland eines failed state, offenbar um die ganze unterstellte Fragilität Italiens zu belegen. Begründet wird diese These der Hoffnungslosigkeit für das ganze Land damit, dass das Brutto-Inlandsprodukt pro Kopf in Sizilien mit etwa 18.000 Euro nicht mal halb so hoch sei wie in den stärksten Nordregionen, wo es bei etwa 40.000 Euro liege.

Das klingt erstmal logisch, ist aber irreführend. Schaut man sich das Verhältnis zwischen dem stärksten deutschen und dem schwächsten deutschen Bundesland an, ist die Lücke viel größer: Sie liegt ungefähr bei etwas über 20.000 Euro zu rund 60.000 Euro. Wer aber schreibt auf dieser Grundlage das Zusammenbrechen Deutschlands herbei?

Fast nackter Mann mit Sonnenbrille und Getränk sonnt sich und reicht Europa den Stinkefinger.
Karikatur im „Spiegel“: Bild des südeuropäischen Hallodris

Wer nach dieser Titelgeschichte immer noch nicht überzeugt war, dass diese italienische Regierung eine Gefahr für Deutschland sei, durfte am Sonntag wiederum auf „Spiegel Online“ Henrik Müller lesen. Der beklagte dort, dass angesichts der italienischen Regierung mittlerweile „ganze Völker gegen ihre eigenen Interessen stimmen.“ Weil natürlich klar ist, dass Henrik Müller von der Universität Dortmund die Interessen der Italiener kennt. Weil er ja weiß, dass die aktuelle Regierung die erste Regierung seit 1994 ist, der kein vorbestrafter oder angeklagter Minister angehört; die erste Regierung seit Anfang der 1960er Jahre, die nicht im Verdacht latenter Mafia-Kontakte steht; die erste Regierung, die ihre Zusammenarbeit sogar mit einem Koalitionsvertrag besiegelt und so nach deutschem Vorbild auf eine verlässliche Basis gestellt hat.

Das alles kann angesichts der schillernden Protagonisten natürlich eher morgen als übermorgen zusammenbrechen – aber darüber könnte man den „Spiegel“-Leser, dessen Chefredakteur sich ja über die Vermischung von Meinung und Fakten und das ausgelassene Informationen zugunsten starker Thesen beklagt, zumindest mal in Kenntnis setzen.

Der „Spiegel“ ist das eine. Aber viele Medien berichten ganz ähnlich

Das wäre womöglich zu vernachlässigen, wenn der „Spiegel“ damit nicht pars pro toto für fast alle deutschen Leitmedien stünde: Es wird ein ökonomisches Chaos-Szenario aufgebaut, das die Glaubwürdigkeit der italienischen Regierung unterminiert noch bevor sie mit ihren Euro-Reform-Plänen einer gelockerten Schuldenpolitik, eines Abbaus der deutschen Exportüberschüsse und einer gemeinsamen Bankenaufsicht in Brüssel vorstellig wird und die seit Jahren stabile deutsche Regierungslinie gegenüber Euro-Partnern herausfordert.

Der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis hat nach seinem Scheitern, die Euro-Politik aus dem Innern zu ändern, gemutmaßt, dass er auch an einer Phalanx aus (deutschen) Wirtschaftsjournalisten, Politikern, EU-Bürokraten und Finanzlobbyisten gescheitert sei. Er führte dafür folgende Motive an: Den Aufbau einer publizistischen Front Nord- gegen Südeuropäer, die Beanspruchung der Definitionshoheit über die „ökonomische Vernunft“, die mit der herrschenden Euro-Politik gleichzusetzen sei, die Diffamierung Andersdenkender und die Ausblendung der Euro-Geschichte vor 2010.

So angreifbar Varoufakis in vielem ist, nach einigen Wochen intensiver Italien-Berichterstattung lassen sich für all diese Bilder Beispiele nennen.

So werden beide Regierungsparteien unentwegt als Populisten bezeichnet. „Die Populisten versuchen es erneut“, titelt etwa die „Süddeutsche Zeitung“. Zur problematischen Verwendung des Begriffs „Populisten“ hat sich etwa der Historiker Michael Wolffsohn geäußert, der ihn für eine „Diffamierungs-Keule“ bei fehlenden Argument hält. Und der Politikwissenschaftler Jan-Werner Müller hat wohl die aktuell populärste Definition von Populismus erstellt:

„Populismus ist eine ganz bestimmte Politikvorstellung, laut der einem moralisch reinen, homogenen Volk stets unmoralische, korrupte und parasitäre Eliten gegenüberstehen.“

Das mag im Fall Italien auf die Lega zutreffen, auf die Fünf Sterne aber ganz sicher nicht. Dennoch wurde kein Begriff in Bezug auf Italien von allen Medien so häufig benutzt.

Ebenfalls die „Süddeutsche Zeitung“ titelt am 18. Mai, was viele Kollegen in diesen Tagen übernehmen: „Lega und Fünf Sterne planen 780 Euro Grundeinkommen.“ Mit der fortwährenden Wiederholung dieses „Plans“ soll systematisch die finanzielle Inkompetenz der sich anbahnenden Regierung belegt werden. Das Problem ist nur, wie schon beim „Spiegel“: Es stimmt nicht!

Noch einmal: Kein „bedingungsloses Grundeinkommen“ geplant!

Zwar fordert die Fünf Sterne in ihrem Wahlprogramm ein bedingungsloses Grundeinkommen. Allerdings stand dies nie für diese Koalition zur Debatte – stattdessen will die Regierung eine Grundsicherung für Arbeitslose einführen, die es bisher nicht gibt. Wer aber käme in Deutschland darauf, Hartz IV mit einem Grundeinkommen gleichzusetzen? Die falsche Interpretation rührt womöglich aus dem Wort „Reddito“ – Einkommen. Allerdings tauchte der Zusatz „bedingungslos“ nie auf. Das ist ein Unterschied. Und selbst, wenn es den nicht geben würde – für ein „bedingungsloses Grundeinkommen“ sprechen sich in Deutschland auch Chefs von Dax-Konzernen aus. Alles Wahnsinnige?

Holger Steltzner, einer der Herausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, schreibt: „Die Europäische Zentralbank soll Rom 250 Milliarden Euro schenken.“ Es ist eine Behauptung, die ebenfalls überall in Artikeln auftaucht. Die Forderung wurde auch tatsächlich von der Lega in einen ersten Entwurf eines Koalitionsvertrags geschrieben, sie verschwand aber auch sofort wieder und wurde seitdem nicht mehr wiederholt. Außer von deutschen Medien.

Nahaufnahme einer Landkarte, bei der Italien zur Hälfte untergeht.

Das „Handelsblatt“ schließlich reißt seine Titelgeschichte mit der These an: „Der politische und wirtschaftliche Abstieg Italiens bedroht die gesamte Euro-Zone.“ Auch hier wieder das Bild eines fragilen südeuropäischen Landes, das deutschen Wohlstand und den Euro gefährde. Aber was heißt politischer Abstieg? Dass in Italien erstmals seit Jahren eine Regierung führt, die bei Wahlen mehr als 50 Prozent der Stimmen bekam? Und was heißt ökonomischer Abstieg? Dass alle internationalen Institutionen dem Land zum dritten Mal in Folge ein Wirtschaftswachstum von mehr als einem Prozent prophezeien? Dass Italiens Autozulieferer, die Mode-, Lebensmittel- und Luxusindustrie Exportweltmeister sind? Knallige Sätze, die im Diffusen bleiben, vor allem aber das Bild des südeuropäischen Hallodris bedient.

Es ist völlig klar, dass es keine Absprachen zu diesem Einheitstenor gibt, keine Verschwörung. Und doch ähneln sich die Worte, auch jene von Medien und Politikern. Wenn das „Handelsblatt“ etwa schreibt, eine vom italienischen Präsidenten ernannte Technokratenregierung wäre eher der „ökonomischen Vernunft“ verpflichtet gewesen als die nun regierende, klingt das sehr nach Bayerns Ministerpräsident Söder, der „Vernunft“ von den Italienern fordert.

Bis auf Ausnahmen hat sich am Ton nichts geändert

Und so zeigt das Thema, wie einig sich deutsche Leit-Journalisten darin sind, die vorherrschenden Prämissen der Euro-Politik um jeden Preis zu verteidigen. Warum sonst steht in keinem dieser Texte, dass Deutschland lange vor Italien die Schuldenbremse des Euro-Paktes ignorierte? Dass Deutschland lange vor Italien Staatsgeld an Banken gab? Dass in Deutschland eine viel teurere Rentenreform verabschiedet wurde, als sie Italien nun plant?

Es gibt eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen, die darauf in den vergangenen Tagen hingewiesen haben. Petra Reski zum Beispiel, die seit Jahren unabhängig aus Italien berichtet, und auch Markus Oetting, der sich mit den Fünf Sternen intensiver befasst. Und es gab auch kluge Leitartikel, etwa von Giovanni di Lorenzo in der „Zeit“ vor zwei Wochen, die kritisch waren, aber ohne diese Argumentationsmuster auskamen. Insgesamt hat sich allerdings bisher am Ton nichts geändert.

Auch ich durfte übrigens in den vergangenen Monaten an einigen Marktforschungs- und Diskussionsrunden mit Lesern und ehemaligen Mediennutzern teilnehmen. Ich traf, ähnlich wie Brinkbäumer, überwiegend Leserinnen und Leser, denen einseitiger Thesen-Journalismus zuwider ist. Die es für überkommen halten, Meinung und Fakten zu vermischen, wie es alte Magazin-Schule ist. Die Kampagnenjournalismus ablehnen und sich selbst für doof verkauft fühlen, wenn ihnen Informationen vorenthalten werden.

Wer sieht, wie die vielen „Spiegel-Leser auf den Italien-Titel mit der Henkersspaghetti im Internet reagierten, als er vorige Woche erschien, wird den Eindruck bekommen, dass dies nicht nur Einzelne sind. Immerhin schrieb Brinkbäumer in seinem Stück zu seiner Leserbegegnung auch: „Aus alldem folgt, dass wir unsere Selbsteinschätzung überprüfen werden“. Es wäre den „Spiegel“-Lesern zu wünschen, dass der aktuelle Titel noch vor dieser Überprüfung erstellt wurde und nicht deren Ergebnis ist.

Korrektur, 8.7.2018. Nicht die Lega fordert im Wahlprogramm ein bedingungsloses Grundeinkommen, wie ursprünglich hier beschrieben, sondern die Fünf Sterne. Wir haben das im Text korrigiert.

15 Kommentare

  1. Tippfehler: „Ich arbeite seit mehr als zehn Jahren [in?] führenden deutschen Wirtschaftsredaktionen“

    Aber ein sehr guter Artikel, vielen Dank!
    Ich bin zwar auch eher skeptisch bis besorgt, was Italiens neue Regierung angeht, aber es stimmt schon, dass man darüber auch fundiert berichten und Gegenargumente zumindest würdigen kann, und nicht so plump und einseitig schreiben muss. Wie Sie schreiben, das führt eher dazu, dass sich die Leser bevormundet bis verschaukelt fühlen, als dass sie sich gut informiert fühlen. Kaum eine Geschichte hat nur eine Seite.

    Und die positiven Aspekte, die Sie anführen (z. B.: „kein vorbestrafter oder angeklagter Minister“), waren zumindest mir großteils neu – also auch vielen Dank dafür. Ich denke nicht, dass diese allgemein groß in die Berichterstattung einflossen – und sind aber definitiv wichtig zu erwähnen, gerade auch weil sie gut erklären, wie es zu einer derartigen Unzufriedenheit mit den bisherigen (Groß-)Parteien kommen konnte.

  2. Dass die Lega „der deutlich kleinere Partner“ ist, stimmt. Bei den Abgeordneten. Aber sie haben gleich viele Minister und „wichtige“ Ministerien. Und wie Cinque Stelle funktioniert manchmal, nämlich als Führerpartei von Grillo aus dem Off gesteuert, wurde ja schon häufig berichtet. Das alles mag einen sorgen, aber die deutsche Politik Italien mit den Flüchtlingen sehr, sehr lang allein gelassen zu haben und das wirklick kaputte poltische System in Italien (Vorbestrafte Abgeordnete, muntere Fraktionswechsel, Korruption etc. pp) tun ihr übriges. Aber zugleich: Die Italiener, die sich am liebsten auf sich selbst und nicht auf ein System verlassen (im Gegensatz zu uns Deutschen) scheinen mit dieser Wahl zumindest wieder zu glauben, dass man doch etwas ändern kann mit Wahlen.

  3. Sehr schöner Artikel, der endlich Mal eine vernünftige Gegenposition einnimmt .

    Vielen Dank!

  4. Noch eine kleine Ergänzung zur Sache: Was informierten Zeitgenossen in Italien extrem sauer aufstösst, sind u.a. folgende Tatsachen, welche die deutsche Politik in einem sehr schlechten Licht dastehen lassen:

    (1) Italien hat als EU-Nettozahler anteilig die Aufkäufe griechischer Staatsanleihen durch die EZB mitfinanziert. Mit diesen Milliarden wurden allerdings vor allem deutsche und französische Banken gerettet, während Merkel jetzt, wo italienische Banken in Schieflage geraten, knallhart mauert. Deren Hauptschuldner sind allerdings vor allem italienische Bürger.

    (2) Italien hat seine Kriegsschulden an Griechenland bis zum letzten Cent abgestottert. Deutschland drückt sich auf würdelose Weise mit juristischen Taschenspielertricks.

  5. @6 Ja, ist nötig. Weil wir uns finanzieren müssen und dieser Text erst mal exklusiv für unsere Abonnenten ist. Demnächst ist er frei für alle. Zudem: Es gibt ja das Probeabo.

  6. Danke für den Artikel. Er setzt in der Tat einen der wenigen Kontrapunkte, ein Artikel der sich nicht nur auf Italien-Bashing beschränkt.

  7. Danke für den Artikel. Er setzt in der Tat einen der wenigen Kontrapunkte, ein Artikel der sich nicht nur auf Italien-Bashing beschränkt.
    Und es wird zu Recht bemängelt, dass (scheinbar häufiger?) in auch in Leitmedien nichtmal der Versuch gemacht wird, ein Thema von mehren Seiten zu beleuchten, auch wenn man Zeit und Platz hätte in Magazinen wie Spiegel, FAZ, …

  8. Danke für den Artikel. Aus völliger Unkenntnis über italienische Politik bin ich sehr froh über einen anderen Narrativ zu diesem Thema.

  9. Ich finde es am skandalösten, wenn aus einem Beitragzahler ein „Schnorrer“ gemacht wird; knapp dahinter liegt, dass Italien – im Unterschied zu anderen Staaten und Gruppen, die meckern – einen großen Teil der Flüchtlingskrise bewältigen, und vor ein paar Jahren sogar die Hauptlast trugen, und da schon Grund haben, sich zu beschweren.

  10. Das mit der Bezahlschranke hat funktioniert^^ Jetzt habe ich extra ein Abo bei Übermedien abgeschlossen, um den Artikel lesen zu können. Den Spiegelartikel fand ich gar nicht so schlecht, auch wenn er natürlich etwas einseitig war, aber das ist man ja inzwischen leider gewöhnt. Der Artikel hier ist eine sehr gute Ergänzung. Zum Titelbild fällt mir aber auch nichts mehr ein, außer das der Economist es auch nicht gerade viel besser abgebildet hatte (Eiskugeln als Bomben).

  11. >“Salvini und seine Lega eignen sich viel besser zum Ängste schüren, als die Fünf Sterne von Wahlgewinner Luigi di Maio, die ein weder rechtes noch irres Programm haben.“

    „Salvini und seine Lega eignen sich viel besser zum Ängsteschüren als die Fünf Sterne von Wahlgewinner Luigi di Maio, die ein weder rechtes noch irres Programm haben.“

  12. @7

    1) „wurden vor allem Banken gerettet“ ist so ein Spruch, den man hinterfragen sollte. Wenn Sie mal ihre Schulden bei einer Bank nicht zahlen könnten und jemand anders zahlt ihren Kredit zurück, wäre das für Sie dann auch einer, der mehr an die Bank denkt als an Sie? Und, was meinen Sie, wäre mit Griechenland geschehen, wenn man die Bank-Kredite hätte platzen lassen?

    2) Es hat faktisch Schuldenschnitte für Griechenland gegeben. Nicht nur durch die langen tilgungsfreien Kreditzeiträume und extrem niedrigen Kreditzinsen, beschlossen im November 2012 (geschätzter Gegenwert: über 40 Milliarden Euro). Sondern auch etwa im März 2012, als Banken und andere Privatanleger auf etwa 105 Milliarden Euro verzichtet haben.

    3) Italienische Banken sitzen wegen ihrer miesen Geschäftspolitik auf faulen Krediten, nicht etwa weil sie dem italienischen Staat helfen wollten. Umgekehrt hat der italienische Staat – viel zu spät – mit Milliardenbeträgen versucht, die Folgen dieses Bank-Missmanagements zu lindern. https://www.zeit.de/wirtschaft/2016-07/italien-banken-krise-matteo-renzi-staatshilfe-verbot

    4) Italien hat sich 1946 mit Griechenland vertraglich geeinigt, Deutschland hat sich 1960 mit Griechenland vertraglich geeinigt. Beide vertraglich fixierten Summen wurden an Griechenland gezahlt.

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