DFB-Trainingslager in Südtirol

„Stramme Wadl & gute Tropfen“: WM-Reporter für Reise-PR eingespannt

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ist jetzt also in Südtirol, um sich auf die Weltmeisterschaft in Russland vorzubereiten, und so gut 200 Medienvertreter sind ihr gefolgt. Eigentlich sind sie vor Ort, um über das Trainingslager zu berichten, also über Fußball, aber jetzt verstellen diese wundervollen Weinberge die Sicht, und die Luft ist so rein, und das Hotel so toll!

Die „Berliner Morgenpost“ ist ganz begeistert von dem „schönen Fleckchen Erde“ dort und dem „Fünf-Sterne-Luxus-Wohlfühl-Tempel“, in dem die Mannschaft absteigt. Die Zimmer ließen „die Herzen von Wellness-Liebhabern höher schlagen“, weiß die „Osnabrücker Zeitung“, die ihren Text mit Instagram-Bildern des Hotels verziert. Und der Reporter, der für „Spiegel Online“ in Südtirol ist, verrät exklusiv, ein Blick auf die Speisekarte lasse einem „das Wasser im Mund zusammenlaufen“. Und wer das selbst mal erleben möchte, für den haben „Welt“ und andere nützliche Links und Infos zur Anreise.

IDM: „Mediale Sichtbarkeit“ im Wert von 11,2 Millionen Euro

Am meisten freuen diese Zeilen die Südtiroler Tourismusbranche, die mit Hilfe des DFB eine „möglichst große Medienwirkung“ erreichen will, wie sie mitteilt. Als die Nationalmannschaft 2010 in Südtirol trainierte, hat sich das laut Tourismusvermarkter IDM Südtirol bereits ausgezahlt. Damals sei Südtirol „in zahlreichen Artikeln über die Mannschaft“ erwähnt worden, so habe man eine „große mediale Sichtbarkeit“ erzielt: „Hätte man diese bezahlen müssen“, schreibt IDM in ihrer Pressemitteilung, „hätte man dafür rund 11,2 Millionen Euro an Werbeausgaben hinlegen müssen.“

Mehr als elf Millionen Euro! Das ist eine beachtliche Summe. Wie sie genau zustande kommt, sagt das Unternehmen nicht. Das sei eine „komplizierte Rechnung“, heißt es. Wie man das so misst in der PR-Branche: Man schaut, wo Artikel erschienen sind, in welcher Form, wie groß, wie freundlich, und schaut dann, wie viel dort eine vergleichbare Anzeige kosten würde. Eine Werbeseite in „Bild“ kostet beispielsweise rund eine halbe Million Euro. Mit dem geschätzten Gegenwert der Nennungen in redaktionellen Artikeln von 2010 könnte IDM also zwei „Bild“-Ausgaben mit Anzeigen pflastern. Komplett.

Auch wenn dieser Anzeigenäquivalenzwert umstritten ist, selbst unter Werbern, weil er viele Unschärfen enthält, dürfte der Wert redaktioneller Verweise trotzdem sehr hoch sein, denn: In den Südtirol-Artikel wird ja in höchsten Tönen geschwärmt. So ein netter Hinweis in der „Süddeutschen“ oder in „Bild“ ist wirksamer als jede Anzeige. Und die DFB-Stars helfen auch mit: Erzählen Bundestrainer Jogi Löw oder Teammanager Oliver Bierhoff den Journalisten, dass die Mannschaft „optimale Bedingungen“ vorfinde und alles so schön sei dort in Südtirol, ist das ein wertvolles Gratis-Testimonial.

1990, 2010, 2014 – und 2018 gepriesen als Ort mit „gutem Omen“

Weshalb also Werbung teuer kaufen, wenn man sie umsonst bekommt. Auch dieses Mal lässt es sich gut an, zumal Südtirol als Ort mit „gutem Omen“ verkauft und von Journalisten gepriesen wird. Die Mannschaft ist bereits zum vierten Mal dort, das erste Mal war 1990, und wer erinnert sich nicht, was anschließend geschah: Deutschland wurde Weltmeister! Auch 2014 wieder: erst Südtirol, dann Weltmeister. Und 2010 war es immerhin ein dritter Platz bei der WM in Südafrika. Wenn das mal nicht an der guten Küche in der „Titelschmiede Südtirol“ (dpa) liegt!

Im Gegensatz zu 1990 sind heute natürlich wesentlich mehr Reporter vor Ort. Nationaltrainer Franz Beckenbauer lud damals zur Pressekonferenz noch in ein kleines Bistro der Hotelanlage, erzählt Manfred Call, DFB-Cheforganisator des Trainingslagers, bei „Sport1“. Damals sei alles viel lockerer gewesen. „Da waren fünf Tische und 20, 30 Medienvertreter“, sagt er. Heute sind es beinahe zehn Mal so viel und etliche (Internet-)Medien mehr, was der Tourismusbranche eine noch breitere Streuung beschert.

Weinmeisterschaft: Das Trainingslager-Rahmenprogramm Quelle: IDM

Und damit die anwesenden Journalisten mal ein bisschen rauskommen und einen guten Eindruck von der Gegend und den dort feilgebotenen Produkten und Dienstleistungen erhalten, hat sich IDM wieder ein schönes Programm ausgedacht. Wie das so Usus ist. Auch zur Europameisterschaft 2016, als die Nationalmannschaft in der Schweiz trainierte, wurden die Journalisten auf Ausflüge geschickt in der Hoffnung, dass sich das in den Berichten niederschlägt. Das Schweizer Programm war ähnlich wie das in Südtirol jetzt:

  • Mountainbike-Fahrt durch einen Wald mit abschließendem „Sprung“ in einen See, der „für eine wohltuende Erfrischung“ sorge.
  • Kunsthistorische Führung mit „Knödelverkostung“/„Weinbegleitung“.
  • „Offizieller Medienempfang“ mit „Sterneküche“.
  • „Kunst-Kulturhistorische Führung“, dazu Äpfel und Weine.
  • Wieder Radfahren und Trinken, Motto: „Stramme Wadl & gute Tropfen“.
  • „Alpin-mediterraner Kochkurs“ mit einem Sternekoch, und jeder Journalist darf sein ganz persönliches Menü „zaubern“.
  • „Zum Schluss das Beste“, eine „Entdeckungsreise“ im „Oldtimerbus“, der praktischerweise „verschiedene Kellereien“ ansteuert, die „besondere Schätze aus ihren Kellern holen“.

Die Ausflüge sind meistens so auf 15, 20 Teilnehmer begrenzt. Finanziert werde das Programm aus dem jährlichen IDM-Etat, heißt es dort auf Nachfrage. Genau beziffern kann oder will IDM das nicht. Aber es halte sich „im Rahmen“, sagt eine Mitarbeiterin. Außerdem unterstützten auch lokale Einrichtungen die Ausflüge, die Kellereien zum Beispiel.

Die Frage ist aber, ob die kostenlose Werbung, die sie bekommen, auch wirkt. IDM behauptet, dass sie das tut. Eine Studie habe gezeigt, „dass die Medienresonanz auf das Trainingslager 2014 das Interesse an Südtirol (…) bei denjenigen Deutschen geweckt hat, die noch nie in Südtirol Urlaub gemacht haben“, sagt Thomas Aichner, bei der IDM zuständig fürs Marketing. Und aus Deutschland komme der Großteil der Urlaubsgäste.

Der PR-Plan geht also auf, die Region kann sich vermutlich auf einen Schub neuer Urlauber from Germany einstellen, die in vielen Artikeln gelesen haben, wie toll es dort ist in Südtirol, wo der Jogi und seine Jungs ja immer gerne sind. Und nicht nur auf die herkömmliche Presse will man sich verlassen, kündigt IDM an, man habe in Zusammenarbeit mit dem DFB auch eine „starke Social-Media-Strategie“ entwickelt – und was für eine! „Nichts wird dem Zufall überlassen“, sagt der IDM-Marketingchef, „nicht einmal der Hashtag.“

5 Kommentare

  1. Wahrscheinlich (mir geht es nicht anders) findet es eine ganze Reihe von Lesern nicht verwerflich, wenn man Berichte über ein Event, Ereignis oder ähnliches mit Angaben zur Region ausstattet, erst recht wenn es über das eigentliche Trainingslager nicht viel zu berichten gibt. Wenn man das ganze als eine Mischung von Nachrichten und Reisebericht wertet, gehören Abschweifungen zu lokalen Sehenswürdigkeiten, zur Landschaft und zu kulinarischen Besonderheiten dazu. Informationen über Hotelpreise (vor allem, wenn bei den 156,00 Euro pro Nacht eine komplette Verpflegung mit drei Mahlzeiten enthalten ist) sind für den interessierten potentiellen Urlauber sicher auch nützlich.
    Das das „nicht verwerflich“ ist, bedeutet auch nicht, dass damit gleichzeitig schon eine gute Qualität der Artikel vorliegt.
    Wenn man allerdings den Eindruck gewinnt, der Besuch der Medien findet statt, damit man die Teilnahme an attraktiven Veranstaltungen nicht verpasst und dafür dann kostenlose Werbung als Berichterstattung verpackt, kriegt das alles einen anderen Geschmack.
    Wo aber ist denn nun die rote Linie zwischen den sicher nicht zu verurteilenden Tipps oder Beschreibungen zu den Besonderheiten einer Region und nicht gekennzeichneter Werbung?
    Bei dieser Frage lässt mich der Artikel etwas ratlos zurück. Einerseits ist das in Ordnung, schließlich soll man sich immer selbst Gedanken machen. Andererseits hätte ich mir diese Frage ohne den Artikel gar nicht gestellt.
    Also:
    Soll man auf Elemente der Reisebeschreibung völlig verzichten? Schließlich sind diese, sobald sie positiv bewerten, immer als Bewerbung interpretierbar.
    Oder ist man über den Verdacht der Schleichwerbung erhaben, wenn man nette Sachen zur Region schreibt, ohne an den angebotenen Veranstaltungen der Tourismusbranche teilgenommen zu haben? Man weiß ja nicht, wer da teilnahm bzw. wer nicht.
    Wie gesagt: Bin etwas ratlos.

  2. @JUB68: Ja, das ist alles nicht gerade unterkomplex. Ich finde aber, man könnte schon mal damit aufhören, Jubelartikel über, zum Beispiel, das Hotel zu schreiben, die mit Werbephrasen gespickt sind. Wozu? Dass die Region und wie es dort so ist in Artikeln erwähnt wird, lässt sich ja nicht vermeiden, und das ist auch nicht schlimm – auf die Form kommt es an!

    Das Argument, die Reporter würden halt über die Region berichten, weil das Trainingslager langweilig ist, finde ich merkwürdig. Wenn das da so fad ist, kann man als Sportreporter doch auch wieder heimfahren, haha! Spart auch Kosten.

    Und was die Ausflüge betrifft: Ja, man weiß in der Tat nicht, wie viele da mitmachen, die Teilnehmerzahl ist ja auch begrenzt. Und es ist außerdem ungewiss, wer aus so einem Ausflug dann einen Reisebericht macht. Falls es aber jemand macht, wäre es mindestens angebracht, zu erwähnen, wer die feucht-fröhlichen Ausflüge bezahlt hat, von denen da nun die Rede ist.

  3. @BORIS ROSENKRANZ

    Mich lässt der Artikel auch etwas ratlos zurück. MMn wichtige Fragen, die er nicht beantwortet, ohne die aber eine Bewertung der Berichterstattung schwierig ist:
    1. Bezahlen die Reporter denn ihre Reisekosten + Hotel selbst oder wird das auch vom IDM übernommen?

    2. Gibt es eigentlich — zumindest bei den großen Zeitungen — keine Regelungen, was angenommen werden darf bzw. wie das kenntlich gemacht werden muss?

    3. Das gleiche gilt natürlich auch für den DFB: Zahlen die „normale“ Reisekosten oder werden die vom IDM unterstützt (damit sie das Trainingslager wieder in Südtirol machen)? Und die Gegenleistung ist dann halt Promo von Bierhoff und co? Bzw. gibt es da irgendwelche anderen direkten oder indirekten „Spenden“, um den DFB davon zu überzeugen?

    Weiß man da etwas drüber?

  4. … ja, wir sind hier wohl eindeutig im Sommerloch….
    … werde das Abo aber wohl tapfer aufrechterhalten… :-)

  5. @3 Ichbinich

    1. Das habe ich nicht abgefragt, aber so weit ich weiß, zahlen das die jeweiligen Verlage selbst. Bestätigte mir auch ein Kollege, der vor Ort ist.

    2. Doch, gibt es. Verlage, auch Sender, haben das oftmals festgelegt. Dass aber, zum Beispiel, bei allen Reiseberichten in allen Reiseteilen immer ausgewiesen wird, wer die Reise gezahlt hat, ist eher unwahrscheinlich.

    3. Inwieweit IDM und DFB Vereinbarungen getroffen haben, weiß ich nicht. Aber man muss doch auch gar nicht viel vereinbaren: Der DFB kommt immer gerne dort hin, weil es den Spielern dort gefällt, und die Region kann das natürlich nur begrüßen, weil: kostenlose Promo.

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