Rheinland-Pfalz

Ein Klüngelmännchen für die Medienaufsicht

Am Montag sollen sie es also auch offiziell erfahren. Dann kommt in Ludwigshafen eine Gruppe zusammen, 42 Männer und Frauen, die sich Versammlung der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz (LMK) nennt. Klingt erst mal dröge, ist aber wichtig. Denn bei dem Treffen geht es darum, wer im nächsten Jahr neuer Direktor der LMK wird. Und wenn es der wird, der es angeblich werden soll, dürfte es noch Diskussionen geben.

Die LMK, das muss man vielleicht erwähnen, beaufsichtigt unter anderem die privaten Rundfunksender in Rheinland-Pfalz, lokale und regionale, aber auch bundesweite Sender wie Sat.1. Die LMK vergibt Sendelizenzen, außerdem soll sie, wie andere Landesmedienanstalten, über Werberegeln und Programmgrundsätze wachen. Es versteht sich von selbst, dass so eine Anstalt „staatsfern“ organisiert sein muss, da die Politik keinen direkten Einfluss auf Medien nehmen darf. Beim Fernsehrat, dem Aufseher des öffentlich-rechtlichen ZDF, ist die Anzahl „staatsnaher“ Mitglieder deshalb auf ein Drittel begrenzt.

Kein transparentes Auswahlverfahren

Für den durchaus einflussreichen Posten des LMK-Direktors oder der Direktorin gibt es keine Regeln. Es ist nicht einmal vorgeschrieben, wie das Auswahlverfahren verlaufen soll. Den Chefposten öffentlich auszuschreiben, ganz transparent, ist nicht nötig. Die LMK-Versammlung kann über das Prozedere frei entscheiden. Anfang September hat sie deshalb beschlossen, eine „Findungskommission“ einzusetzen, die nach einem Kandidaten suchen soll. Auch hierfür ist das Prozedere nirgends niedergeschrieben, Kriterien für die „Findung“ sind nicht bekannt.

Mann mit Brille, Anzug und Krawatte lächelt in die Kamera
Albrecht Bähr LMK

Die LMK möchte nicht mal verraten, welche Personen der Kommission angehören. Es gebe zwar „keinen Grund zur Geheimhaltung“, sagt Albrecht Bähr, der Vorsitzende der Kommission, aber er hält es trotzdem mal geheim. Sie hätten Stillschweigen vereinbart, sagt der Pfarrer, der auch seit sechs Jahren Chef der LMK-Versammlung ist. Es sei doch auch „nicht relevant“, wer nun in der „Findungskommission“ sitze. Angeblich, so viel gibt die LMK preis, kommen alle fünf Mitglieder aus dem Hauptausschuss, in dem neun Leute vertreten sind, darunter Landtagsabgeordnete von CDU, SPD und Grünen.

Auf die Frage, ob denn wenigstens am Montag veröffentlicht werde, wer für den Direktorenposten kandidiert, sagt Bähr, dass er das noch nicht wisse: „Die Findungskommission wird der Versammlung am Montag berichten und dann eine Empfehlung aussprechen, wer es werden soll.“ Was die Versammlung in der folgenden Sitzung, am 4. Dezember, vermutlich nur noch abnicken wird, so läuft das häufig in solchen Gremien. Sollte sich in diesem Fall nicht noch Widerstand regen, denn es kursiert bereits ein Name: Marc Jan Eumann.

Mann mit Brille, dunklen Haaren, Sakko, Hemd schaut in die Kamera.
Marc Jan Eumann Foto: Wiki

Das Branchenblatt „Medienkorrespondenz“ (MK) berichtete vor zwei Wochen, Eumann solle Renate Pepper nachfolgen, der jetzigen Direktorin. Sie geht Ende März 2018 in den Ruhestand. Eumann ist überaus „staatsnah“, ein Politiker durch und durch. Bis zur Abwahl der rot-grünen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen, vorigen Mai, war der Sozialdemokrat dort Medienstaatssekretär, also maßgeblich zuständig für die Medienpolitik des Landes.

Kurz: Eumann ist gut vernetzt – und er hat halt jetzt keinen bedeutenden Job mehr. Wie wäre es also mit einem gut dotierten Posten in der Medienaufsicht?

LMK-Direktorin bestätigt: Eumann wird Kandidat

Albrecht Bähr will natürlich auch dazu nichts sagen. Er kenne den Bericht, werde ihn aber nicht kommentieren. Interessant ist dabei auch, wann dieser Bericht erschien: Die „Medienkorrespondenz“ spekulierte am 25. Oktober über Eumann als Nachfolger, da hatte die „Findungskommission“ noch gar nicht getagt. Das tat sie erst am 3. November, zum einzigen Mal – und vor allem: Erst zwei Monate, nachdem die Versammlung die „Findungskommission“ beauftragt hatte. Am Montag will die Kommission ihre Empfehlung abgeben, selbstverständlich in einer nicht-öffentlichen Sitzung. Und vor der Wahl im Dezember soll sich der Kandidat noch der Versammlung vorstellen dürfen.

Frau mit grauen Haaren, Pelenkette und rotem Oberteil lächelt in die Kamera.
Renate Pepper LMK

Eumann wird wohl der einzige Kandidat sein. Das bestätigt LMK-Direktorin Pepper auf Anfrage von Übermedien. Sie wolle sich grundsätzlich heraushalten, sagt Pepper, da die „Findungskommission“ ja autonom sei. Aber sie sagt, die Kommission habe im Vorwege nur ein Gespräch geführt – mit Eumann. Es scheint, als wäre intern recht schnell klar gewesen, wer es werden soll. Dass es einer von der SPD ist, verwundert dabei nicht.

Auch Renate Pepper ist Sozialdemokratin, schon lange. Sie saß 20 Jahre lang im rheinland-pfälzischen Landtag, war zuletzt stellvertretende Vorsitzende der Fraktion. Auf die Frage, ob es denn von Vorteil sei, ein SPD-Parteibuch zu haben, wenn man LMK-Direktorin werden will, sagt Pepper: „Sie glauben doch nicht, dass ich Ihnen darauf eine Antwort gebe.“

Er genügt seinen eigenen Ansprüchen nicht

Und was sagt Marc Jan Eumann? Nichts. Auf eine erste Anfrage hin versprach er noch, man könne telefonieren. Auf eine zweite und dritte Mail antwortete er nicht mehr, um sich am Donnerstag, nach der vierten Mail, zu entschuldigen: Es sei etwas dazwischen gekommen und jetzt sei schlecht. Als Termin schlug er Montag Nachmittag vor – also nachdem die „Findungskommission“ ihre Empfehlung abgegeben hat. Wenn das zu spät sei, „schreiben Sie bitte, so habe ich mich auch gegenüber der ‚Medienkorrespondenz‘ verhalten, dass ich mich zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußere“.

Schade. Denn es wäre natürlich interessant zu wissen, ob Eumann den Job überhaupt machen wollen würde. Wobei: Eigentlich kann er den Posten nicht bekleiden, weil Eumann seinen eigenen Ansprüchen nicht genügt.

Als Medienminister in NRW hat er mit dafür gesorgt, dass jemand, der dort Direktor der Landesmedienanstalt werden will, Voraussetzungen erfüllen muss. Insbesondere soll er oder sie Volljurist sein, was nicht unsinnig ist, immerhin geht es um teils komplizierte juristische Verfahren in einer Verwaltungsbehörde. Die SPD hat das deshalb im novellierten NRW-Mediengesetz so verankert: Wer nicht die Befähigung zum Richteramt hat, hat leider auch nicht die Befähigung, Chefmedienaufseher zu werden – wie Marc Jan Eumann, der Geschichte und Völkerrecht studiert hat.

Aber in Rheinland-Pfalz ist das egal. Dort gibt es diese Vorschrift praktischerweise nicht. Noch praktischer ist, dass auch nicht vorgeschrieben ist, ob ein Politiker eine Karenzzeit verstreichen lassen muss, ehe er den Direktorenposten übernimmt. Auch das hatte Eumanns SPD damals in NRW geregelt: Dort darf ein Politiker erst dann Chef der Medienaufsicht werden, wenn er 18 Monate lang raus ist aus der Politik. In Rheinland-Pfalz kann er oder sie quasi nahtlos wechseln, wenn die Versammlung das billigt.

„Jede andere Form von Qualifikation ist immer gut.“

Bei Renate Pepper hat sie das schon so gemacht. 2011 schied sie aus der Landespolitik aus, Anfang 2012 wurde Pepper dann Direktorin, nachdem sie bereits zehn Jahre lang Vorsitzende der Versammlung gewesen war. Auch bei ihr: kaum Karenzzeit. Und mit Juristerei hat die Diplom-Sozialpädagogin ebenfalls nicht viel am Hut, was sie aber unproblematisch findet, wie das Auswahlverfahren insgesamt: Das habe schließlich in der Vergangenheit „immer gut funktioniert“ – weshalb also ändern? Und ihr Stellvertreter sei Volljurist, das sei zwar nirgends festgeschrieben, ihr aber immer sehr wichtig gewesen: „Also: Problem gelöst!“, sagt Pepper. Und für die LMK-Direktoren gelte außerdem: „Jede andere Form von Qualifikation ist immer gut.“

Hinter verschlossenen Türen wird also in Rheinland-Pfalz ein Posten in einer öffentlichen Institution ausgekungelt, die von allen Bürgern finanziert wird – durch den Rundfunkbeitrag. Die vielen Milliarden gehen nämlich nicht nur an ARD und ZDF, auch die Landesmedienanstalten erhalten einen Anteil. Im Jahr 2017, zum Beispiel, lag das Budget der LMK bei mehr als acht Millionen Euro.

Wie dort ein Chef ausgesucht wird, nach welchen Kriterien, von wem und warum – darüber sollen die Bürger aber offenbar besser nicht so viel wissen. Eine Personalie wie die von Eumann lässt sich anscheinend ohne Öffentlichkeit reibungsloser durchsetzen. Aber noch ist ja nicht gewählt. Pfarrer Bähr, der Vorsitzende der Versammlung, gelobt für die Wahl: „Jedes Mitglied der Versammlung ist in seiner Entscheidung frei.“

Nachtrag, 13. November. Die grüne Medienpolitikerin und Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner kritisiert das Vorgehen der Landesmedienanstalt. Auf Anfrage von Übermedien sagt sie: „Von einer Findungskommission erwarte ich, dass sie geeignete Kandidatinnen und Kandidaten erstmal richtig sucht, und zwar in einem offenen Prozess. Da ist es schon etwas irritierend, wenn der Anschein entsteht, das Ergebnis stehe schon fest.“

8 Kommentare

  1. Pepper sagt als: „Ich habe den Job, weil mein Stellvertreter die Fähigkeiten besitz, meine ganze Arbeit zu machen.“
    So eine Stelle hätte ich auch gerne.

    Und am Ende beißt sich auch hier wieder die Katze in den Schwanz. Das Landesparlament also „die Politik“ wäre die einzige Stelle, die dafür sorgen könnte, Regeln festzulegen, um den ganzen geschilderten Prozess transparenter zu machen, was allerdings nicht im Sinn der Parteien sein kann, weil dann die Vergabe nach Parteizugehörigkeit zu offensichtlich würde. Unmöglich würde sie dadurch am Ende leider auch nicht.

  2. …und meine in die Jahre gekommene Tastatur!
    „Staatsfunk“ sollte da stehen, bevor jemand(e) wieder am Trollrad dreht.

  3. Generell sind die Medienkonrollorgane bei uns sehr schlecht organisiert sei es die Rundfunkräte oder die Landesmedienanstalten. Es bräuchte grundlegende Reformen in den Kontrollorganen die jedoch nicht durchgeführt werden weil die Politik daran kein Interesse hat. (Da sie ja Einfluss verlieren würden… )

  4. Dass man Volljurist sein muss, um den Posten ausfüllen zu können, halte ich für Unfug. Aber die Heuchelei hier in diesem Fall ist wirklich bemerkenswert.

    A propos Sat. 1: die LMK Rheinland-Pfalz beaufsichtigt freilich nur den gleichnamigen Hauptsender. Sat. 1 Gold wird von der TLM Thüringen beaufsichtigt, Sat. 1 emotions von der Medienanstalt von Berlin und Brandenburg (jeweils natürlich mit eigenen Gremien und Verwaltungsunterbau). Sitz der Trägergesellschaften: Unterföhring bei München. Es lebe der Föderalismus.

    Zum Nachtrag: es heißt ja schließlich auch Findungskommission und nicht Suchungskommission (Ironie Ende).

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