Doku illustriert Stalins Verbrechen mit Hitlers Opfern
Ein Dokumentarfilm über die Folgen von Stalins Kollektivierungs-Politik in der Sowjetunion. 1930 wird die Landbevölkerung gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. „Nahrungsmangel und Hungertod erstrecken sich über weite Teile Russlands“, sagt der Sprecher – und zu sehen sind Schwarz-Weiß-Bilder von einem ausgemergelten Kind, das neben seiner Mutter auf dem Boden sitzt.
Aber die Aufnahmen sind nicht Anfang der 30er Jahre entstanden, sondern rund zehn Jahre später. Und nicht in Russland, sondern in Polen. Sie zeigen nicht die Folgen von Stalins Politik, sondern das Warschauer Ghetto.
Der französische Film von Cédric Condom heißt „Stalins Verdammte: Insel der Kannibalen“ und lief am 30. Dezember vergangenen Jahres auf ZDFinfo. Er mischt nicht nur einmal Filmsequenzen aus dem Warschauer Ghetto zwischen Bilder aus der Sowjetunion, um das Elend der Bevölkerung unter Stalin zu zeigen.
Diese Szene soll Bewohner zeigen, die wissen, dass sie keinen der von Stalin eingeführten Inlandspässe bekommen werden, und deshalb im Untergrund verschwinden:
Sie stammt aber aus dem Warschauer Ghetto:
Diese Bilder sollen den Auftakt die „unerwünschten Elemente“ zeigen, die vor dem Tag der Arbeit im Mai 1933 aus Moskau deportiert wurden:
Auch sie zeigen in Wahrheit Szenen aus dem Warschauer Ghetto:
„Das ist ein bedauerlicher Fehler“, sagt Christian Deick, stellvertretender Programmbereichsleiter „Information, Gesellschaft und Leben“ beim ZDF. Der Film sei 2009 produziert und 2014 von ZDFinfo im Paket mit zwölf weiteren Geschichts-Dokumentationen eingekauft worden. „Wir haben eigentlich Experten, die Lizenzfilme prüfen – sowohl beim Einkauf, als auch bei der deutschen Bearbeitung. Denen sind die Fehler aber leider nicht aufgefallen. Natürlich sind wir bei dem Thema besonders sensibel: Die Verbrechen Stalins mit Aufnahmen aus dem Warschauer Getto zu illustrieren, ist völlig indiskutabel. Sowas darf nicht passieren.“
Wie die falschen Bilder in den Film gelangten, sei noch nicht klar, sagt der ZDF-Mann. „Der französische Vertrieb bedauert das sehr. Wir warten noch auf eine Stellungnahme der Filmemacher – aber es sind mit Verlaub ‚Ersttäter‘ – es gibt für uns keinen Grund, sofort eine weitere Zusammenarbeit auszuschließen. Der Film ist stark. Er erzählt die bewegende Geschichte einer Insel für sowjetische Strafgefangene, von der es keine historischen Bilder gibt.“
Ein Zuschauer hatte den Sender auf die Fehler aufmerksam gemacht. Bei einer Prüfung habe man daraufhin vier Stellen von jeweils wenigen Sekunden Länge mit Szenen aus dem Warschauer Ghetto entdeckt. „Eine Szene, die einen Jungen mit der Mütze zeigt, ist eigentlich bekannt, weil sie häufig verwendet wird – das hätte uns auffallen müssen“, sagt Christian Deick.
Bei einem Wiederholungstermin früh morgens am 6. Januar ersetzte man den Film kurzerhand durch die Dokumentation „Stalins Tochter“. Heute um 18 Uhr um 19:30 Uhr wird „Die Insel der Kannibalen“ aber wieder auf ZDFinfo zu sehen sein – in einer um die falschen Szenen bereinigten Fassung.
Üblicherweise, sagt Deick, fordere der Sender bei Dokumentationen, die er einkauft, Beschreibungen der verwendeten Filmsequenzen an, um die Quellen überprüfen zu können. Die habe man aber nicht bekommen.
Der Sender will aufgrund des Falls seine Prüfmechanismen schärfen und überdenken.
Mit Dank an Michael Klein.
mich würde bei der Gelegenheit ja noch interessieren, warum die Bildqualität der Ausschnitte in der französischen Doku so viel schlechter ist die der Vergleichsbilder. Hat man dort die Bilder absichtlich verschlechtert, damit sie mehr nach 1930er als nach 1940er aussehen?