Warum die Überhöhung von „Klar“ durch Fans und Gegner absurd ist
Die ARD setzt das viel kritisierte Magazin „Klar“ mit etwas weniger Julia Ruhs fort. Eigentlich könnten jetzt alle mal ein bisschen runterkommen – stattdessen geht die Empörung auf beiden Seiten weiter.
ARD-Journalistin Julia Ruhs bei „Maischberger“. Foto: WDR/Oliver Ziebe
Jetzt diskutieren alle wieder ganz aufgeregt über „Klar“, das Reportagemagazin mit der jungen ARD-Vorzeigekonservativen Julia Ruhs, das seit April von BR und NDR produziert wird. Heute haben die Sender bekannt gegeben, dass die Reihe fortgesetzt werden soll – aber nicht mehr in jeder Folge mit Ruhs als Moderatorin. Ist die Aufregung gerechtfertigt?
Das größte Problem an „Klar“ ist, wie die Sendung wahrgenommen wird. Das klingt paradox, sollte man doch eigentlich denken, dass die Wahrnehmung einer Sendung aufs Engste mit der Sendung selbst verknüpft ist. Im Fall von „Klar“ aber tun sich dazwischen Abgründe auf.
Übertriebene Reaktionen von beiden Seiten
Die wütenden Proteste von links gegen das vermeintlich rechtspopulistische Magazin waren ebenso maßlos übertrieben wie die rechte Überhöhung zum einsamen Leuchtturm der ungeschminkten Wahrheit im öffentlich-rechtlichen Programm. Schaut man sich die drei Folgen zu den Themen Migration, Bauernproteste und Corona unbefangen an, sieht man relativ unspektakuläre Sendungen, die von einer regierungskritischen Perspektive auf die Themen geprägt sind – sicher grundsätzlich keine schlechte Perspektive für ein politisches Magazin. Manches ist angreifbar, einiges kann man kritisieren, über vieles kann man streiten – aber die Aufregung ist übertrieben.
Der Autor
Stefan Niggemeier ist Gründer von Übermedien. Er ist Diplom-Journalist, hat das Bildblog gegründet und als Redakteur die Medienseite der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ aufgebaut. Er hat unter anderem für den „Spiegel“ und Friedrich Küppersbuschs „Tagesschaum“ gearbeitet. Seit 2017 redet er mit Sarah Kuttner im Podcast „Das kleine Fernsehballett“ über Fernsehen. Für seine Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet.
Sie wird natürlich befeuert von Berufsübertreibern wie Jan Böhmermann, der sich ein zukünftiges Moderatoren-Casting für die Sendung bei einer „Wehrsportgruppe oder beim AfD-Kinderturnen“ herbeifantasierte. Aber auch von NDR-Kollegin Anja Reschke, die in ihrer ARD-Sendung einen Witz darüber brachte, den man so verstehen konnte, dass dank „Klar“ im öffentlich-rechtlichen Rundfunk jetzt auch Meinungen vorkämen, die „ein bisschen rechtsextrem sind“.
Inszenierung als Symbol
Die Macher selbst haben erheblichen Anteil daran, dass ihre Sendung sofort als etwas Größeres wahrgenommen wurde als bloß ein weiteres Magazin, nämlich als Symbol: je nach Sicht entweder für eine angebliche konservative Leerstelle im Programm oder für eine öffentlich-rechtliche Anbiederung an rechte Positionen, Wähler und Parteien. Moderatorin Julia Ruhs sagte in der Pressemitteilung zum Start: „In den vergangenen Jahren wurde viel von Diversität gesprochen, doch das ging auch einher mit dem Ausblenden unliebsamer Themen und Meinungen. Viele Menschen haben das so gesehen. Ihnen möchten wir mit unserem neuen Format ein Angebot machen.“
Die Behauptung, dass unliebsame Themen und Meinungen ausgeblendet wurden, diese Erzählhaltung, jetzt eine Lücke zu füllen, ist das wirklich Brisante an „Klar“. Die Sendung versucht so, von der Polarisierung der Gesellschaft zu profitieren, und befördert sie zugleich. Dabei ist diese Behauptung in weiten Teilen nicht einmal wahr. Besonders deutlich ist das beim Thema Migration der ersten Folge.
„Klar“ begleitet den Vater der 17-Jährigen, die 2023 gemeinsam mit ihrem Freund in einem Regionalzug in Schleswig-Holstein von einem Flüchtling erstochen wurde. Seine persönliche Perspektive und seine Vorwürfe an die Politik prägen die Sendung. Sie zeigt auch, wie er diese Vorwürfe schon Politikern machte – bei Markus Lanz im ZDF und bei RTL sogar in einer Diskussion mit dem damaligen Bundeskanzler Olaf Scholz.
Es ist also keineswegs so, dass „Klar“ diesem Betroffenen eine Bühne verschaffte, die ihm bisher verwehrt wurde. Und dass in den Talkshows und Magazinen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht über die Probleme mit Flüchtlingen gesprochen würde, stimmt auch nicht.
Vielleicht oberflächlich – aber kein Skandal
Aber wenn man diese Überhöhungen und Zuschreibungen, durch sich selbst und von außen, abzieht, bleibt eine „Klar“-Folge, die weder spektakulär noch spektakulär schlimm ist. Natürlich ist es nicht ungefährlich, einen so emotionalen Zugang zum Thema Migration zu wählen wie den über den trauernden und nachvollziehbar fassungslosen Vater eines Opfers. Es besteht das Risiko, dass durch die Emotionalisierung auch Vorurteile geschürt werden. Aber gleichzeitig ist es doch auch legitim, die Perspektive dieses Vaters und anderer Opfer, diese Trauer, diese Fassungslosigkeit in den Mittelpunkt zu stellen.
Selbst wenn man findet, dass die Sendung, wie Mitarbeiter des NDR offenbar in einem Brandbrief kritisierten, auf einem „oberflächlichen und undifferenzierten Niveau“ ist, wäre das nun wirklich kein Alleinstellungsmerkmal von „Klar“ unter den politischen Magazinen. Ein Alleinstellungsmerkmal ist schon eher, dass die Moderatorin gleich im ersten Satz sagte: „Was jetzt kommt, wird vielleicht nicht jedem gefallen“, was einerseits eine Binsenweisheit ist, andererseits aber gleich ein Kokettieren mit einer selbstgewählten Rolle derjenigen, die sagt, was sich andere angeblich nicht zu sagen trauen.
Die dritte Folge, die Corona als Thema hatte, beendete Ruhs mit dem „persönlichen Fazit“: „Es wird schwer sein, die Gräben zu überbrücken. Aber wir müssen es unbedingt versuchen.“ Sie profitiert selbst viel zu sehr vom steten Durchpflügen dieser Gräben, als dass man ihr das abkaufen müsste. Aber die 45 Minuten zuvor waren eine Auseinandersetzung mit den Defiziten im Umgang mit der Seuche in Politik und Medien, die zwar eine klare Haltung hatte, aber keine besonders radikalen Positionen oder Verschwörungstheorien verbreitete oder verdiente.
Auch diese Folge konzentrierte sich, ähnlich wie die Migrationsfolge, auf das Negative, das Nichtgelungene – aber auch das ist nicht nur legitim, sondern notwendig. Und ein solches Magazin muss nicht den Anspruch haben, ein Thema in allen Facetten zu behandeln – schon deshalb nicht, weil es ja noch viele andere Magazine und Sendungen mit anderen Perspektiven gibt.
Mangel an kritischem Journalismus im Rundfunk?
Der frühere ZDF-Chefredakteur Peter Frey hat neulich zu der Frage, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu links geworden ist, einen guten, hilfreichen Kommentar geschrieben: „Wir brauchen nicht mehr konservativen, sondern mehr kritischen Journalismus“, forderte er.
„Wenn ich zurückblicke, würde ich uns ein zu großes Harmoniebedürfnis mit den Mächtigen vorwerfen – in Deutschland in den Jahren mit Merkel und in den USA für den Mangel an Kritik an Joe Biden. Gebraucht wird Journalismus, der sich nicht von der Politik vereinnahmen lässt, sondern thematisiert, was Bürgerinnen und Bürger an dem Staat, den sie finanzieren, und der Gesellschaft, in der sie leben, stört.“
NDR und BR haben jetzt also am Mittwoch bekannt gegeben, die Reihe fortzusetzen. Ich halte das für eine gute Entscheidung: einfach weil es grundsätzlich gut ist, wenn es ein weiteres politisches Reportagemagazin gibt. In Zukunft sollen die Sendungen allerdings abwechselnd von BR und NDR produziert werden und Julia Ruhs soll nur noch die BR-Folgen moderieren. Vielleicht ist das ein Zugeständnis an die internen Proteste im NDR. Vielleicht auch nur Ausdruck dessen, dass der BR ihr Heimatsender ist und der NDR nicht.
Die Überschriften, die viele Medien der Meldung gegeben haben, scheinen jedenfalls wiederum maßlos übertrieben bis irreführend, wenn sie von einem „Rauswurf“ beim NDR sprechen („Welt“) oder dass Ruhs „fliegt“ („taz“).
Die Karriere geht weiter
All das ist ein Geschenk für Julia Ruhs, die es schafft, gleichzeitig Karriere zu machen und sich als Opfer von „Cancel Culture“ zu inszenieren. „Zutiefst enttäuscht, ja fassungslos“ gibt sich sich auf X über die Entscheidung des NDR und referiert:
„Wir haben in den letzten Wochen rührende Zuschriften von Fans erhalten, die uns schrieben, sie hätten wieder Hoffnung in den ÖRR. Endlich! – kam zigmal bei uns an. Und jetzt? Wurden all die Vorurteile, die sie im Bezug auf die Meinungsvielfalt schon hatten, bestätigt.“
Gleichzeitig bestätigt sie, dass der BR das Format nicht nur mit ihr, sondern auch in ihrem Sinne fortsetzen will. Offenbar gibt es also Meinungsvielfalt sogar innerhalb des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (und sogar Moderationsvielfalt!).
Ungeachtet dessen verbreitet Ruhs so immer weiter das Narrativ von der „Links-grünen Meinungsmacht“, das eine Marketingmaschine für sie ist. Es wird „Klar“ wohl auch in Zukunft Aufmerksamkeit und Aufregung verschaffen – aber auch eine Wahrnehmung, die einen entspannten, fairen, kritischen Blick auf die Sendung selbst verhindert.
Nachtrag, 19.9.2025. Tanit Koch wird künftig die vom NDR verantworteten „Klar“-Folgen moderieren und auch redaktionell daran mitarbeiten. Das hat der Sender heute bekannt gegeben. Koch war unter anderem „Bild“-Chefredakteurin und hat 2021 die Wahlkampfkommunikation von CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet geleitet.
53 Kommentare
Dass eine Sendung mit der Sendung verknüpft sein soll, das ist doch wohl wiedermal ironisch- oder? Das sollen Journalisten doch nicht, hatte ich bei „Übermedien“ gelernt. Könnte es nicht durchaus sein, der Vorgang bestätigt die Macht der des Cancel-Culture-Netzwerke mit den Protagonisten wie Reschke, Böhmermann, v.d.Tann, Restle…
Sehr gute und abgewogene Einschätzung! Danke
„Es besteht das Risiko, dass durch die Emotionalisierung auch Vorurteile geschürt werden. Aber gleichzeitig ist es doch auch legitim, die Perspektive dieses Vaters und anderer Opfer, diese Trauer, diese Fassungslosigkeit in den Mittelpunkt zu stellen.“
Legitim wäre das nur dann, wenn dazu klar gemacht wird, dass das hirnlose Herumschrauben an der Migrationspolitik diese Probleme nicht lösen, sondern eher verschlimmern würde. Zu implizieren, dass der Migrationshintergrund des Täters irgendeine Relevanz für die Tat hätte, ist nicht nur faktisch falsch, sondern schlicht rassistisch. Und Rassismus ist niemals legitim in einem Rechtsstaat.
Ich habe die Sendung nicht gesehen und werde es auch nicht nachholen, da ich diesen ganzen einseitigen Politmagazinen nicht viel abgewinnen kann, egal ob Monitor oder das Ding hier. Aber nach den bisherigen Schilderungen zu „Klar“ (inkl. dieser) habe ich meine Zweifel, dass die Sendung mit der nötigen Differenziertheit an diesen Sachverhalt rangegangen ist. Dabei wäre doch genau so ein Format, das auch Leute aus der eher rechten Ecke anlockt, gut geeignet, um mal über die wirklichen Ursachen von Kriminalität aufzuklären.
Jon Stewart sagte zum Thema Cancel Culture unlängst:
„Who smelled it dealt it“, ich habe es früher schon mit dem Ruf “
Viel unangenehmer ist mir ein Beitrag im Gedächtnis geblieben:
Eine türkischstämmige Familie forderte dort, Ausländer:innen ohne Arbeit sofort abzuschieben, Kriminelle sowieso. Solche Stimmen sollen dem Anliegen offenbar besondere Glaubwürdigkeit verleihen – nach dem Motto: „Wenn sogar die das sagen …“
Das Muster ist klar: Ich suche mir also einen sozialistischen, transsexuellen Bayern und befrage ihn zu Gleichstellung oder Umverteilung. Wenn sogar er meine Ansichten teilt, dann muss das ja Mainstream sein. Gefährlich ist das nicht, aber ärgerlich nah an dem, was Tichy, Nius und ähnlicher Schrott betreiben.
Ich könnte mir vorstellen, Herr Niggemeier, dass auch im Übermedien Team nicht alle Ihre Einstellung teilen.
Das Thema wird uns sicher noch desöfteren begegnen.
@#3:
Ich könnte mir vorstellen, dass diese Emotionalisierung generell das Problem ist und nicht die Lösung.
@Frank Gemein: Bei Übermedien gibt es auch Meinungsvielfalt, fast wie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk von allen bezahlt werden muss, dann muss er auch alle Meinungsströmungen angemessen abbilden. Tut er aber nicht. Deshalb sollten alle, die sich nicht gesehen fühlen, ihr Geld auf ein Sperrkonto einzahlen. Nur dann wird sich was ändern. Wirklich schäbig und intolerant ist das Verhalten der Kollegen des NDR. Direkt zum Artikel von Herrn Niggemeier: Eine erfreulich unaufgeregte Darstellung des speziellen Sachverhaltes.
Ob gespielte oder echte Ahnungslosigkeit: Das hätte man in der ARD sicherlich so oder so ähnlich vorhersagen können. Die Hilflosigkeit der ÖR-Medienbürokratie ist doch der spannende Kern dieser Debatte. Was war denn hier das Ziel? Was hat man denn in vielen Gremien- und Redaktionssitzungen diskutiert? „Jede Aufmerksamkeit ist gute Aufmerksamkeit-Hauptsache das wird angeschaut und in Medien diskutiert“? „Ach, wenn das nicht läuft stellen wir einfach das Format ein, das machen wir ja regelmäßig“? „Also die Chefs finden das gut, die Mitarbeitenden sicher auch-nein, gefragt habe ich die nicht“?Wie so oft sieht der ÖR etwas doof aus-hätte man mit Ruhs nicht in die „prime time“ geholt und nicht dieses überflüssige Format gemacht wäre ja nichts anders geworden und beide Seiten hätten an ihren Positionen festgegalten. Also nochmal: Was war hier das best case scenario?
Polarisierung bedeutet immer Emotionalisierung. Und die bedeutet immer weniger Differenzierung.
Der ÖRR ist stark links dominiert und man hatte damals (expressis verbis) gesagt, dass man gegen den Vorwurf angehen wolle, vorwiegend linke Formate zu halten bzw. neu einzuführen. Witzig war, dass die Böhmermann-Lustigfinder selbst nach dieser Aussage noch behauptet hatten, der ÖRR sei vielfältig genug. Wohl weil genügend Varianten der eigenen Meinung vertreten würden… Da die Kohle so oder so fließt, ein Biotop, in dem Linkes gedeiht wie sonst nirgendwo, sind die Quoten sekundär.
Eine glaubwürdige konservative Stimme im Habeck anschmachtenden Miosga-Universum wäre eigentlich eine Chance. Ein Magazin wie das alte „Frontal“ wäre z.B. mit Miosga und Ruhs denkbar, sofern die beiden gleichsam respektvoll miteinander umgehen wie Kienzle und Hauser.
Wenn so etwas passiert, frage ich mich persönlich aber immer, wie ernsthaft noch irgendjemand bei Verstand glauben kann, es gäbe keine Cancel Culture.
Danke für den Artikel. Diese unaufgeregte und sachliche Darstellung ist einfach nur zu loben und tut wirklich gut. Ihr seid hier wie ein Fels in der Brandung von Polemik, Geschrei und Hass.
Die erste Sendung „Migration – was schief läuft“ war keine objektive Beschreibung der Lage der Migration.
Die 30-minütige Sendung beinhaltete 20 Minuten den Mord von Brokstedt, davon 15 Minuten den Kampf von Vater Kyrath gegen die Migration.
Der NDR hatte im Monat davor eine ausgezeichnete Dokumentation über die Morde von Brokstedt gebracht. 45 Minuten Analyse und Berichte mit mehreren Sichtweisen.
@Petra: Aber die Sendung behauptet ja auch nicht, eine objektive Beschreibung der Lage der Migration zu sein. Ihr selbst gewähltes Thema ist das, was „falsch läuft“.
Wie gesagt: Ich teile gar nicht die Prämisse von „Klar“, dass das in anderen Sendungen nicht thematisiert wird. Und finde dieses (selbst gewählte) Framing extrem problematisch. Aber in dem Sinne einseitig zu sein, dass man sich auf die Probleme mit einer Sache konzentriert, ohne ein komplettes, objektives Bild zu zeichnen, finde ich grundsätzlich bei einem solchen Magazin legitim, das passiert ja woanders und bei anderen Themen auch.
(Beim Thema Migration ist es besonders heikel, auch klar.)
@Frank Gemein: Der Beitrag mit Gewerbetreibenden aus Hamburger „Gastarbeiterfamilien“ (Ruhs) ist in der Tat besonders unangenehm. Menschen zu finden, die Diskriminierungserfahrungen gemacht haben und diese Diskriminierungsmuster nun auf Schwächere anwenden, ist in einer Großstadt nicht besonders schwer. Wenn ich vor die Tür gehe, bräuchte ich dafür wahrscheinlich fünf Minuten. Das ist das eine. Das andere: Wenn der Gemüsehändler mit türkischen Wurzeln sagt, er kenne „so viele Familien, die nicht zur Arbeit gehen“, und wenn eine Friseurin mit ebenfalls türkischen Wurzeln findet, jene, die sich ein „gemütliches Leben aufbauen“, aber „nicht arbeiten wollen“, sollten „abgeschoben werden“ – dann bleiben die beschriebenen Personen und Familien ziemlich diffus. Ohne Kontext (Staatsangehörigkeit, Aufenthaltsstatus, Lebensverhältnisse) haben solche O-Töne überhaupt keinen Aussagewert. Passt aber natürlich in eine Sendung, die Stimmungsfernsehen sein will, und nie den Eindruck erweckt, Informationsfernsehen sein zu wollen.
An jeder Sendung kann man etwas kritisieren. Entweder gefällt einem die Grundhaltung nicht oder es gibt einzelne Punkte, die nicht korrekt dargestellt erscheinen. Das gilt insbesondere für die politischen Magazine wie Panorama oder Monitor. Früher gab es zum Ausgleich noch das ZDF-Magazin mit Gerhard Löwenthal. Man stelle sich das heute vor. Der Mann würde wegen Volksverhetzung vor Gericht gezerrt. Straßenblockaden würden das ZDF blockieren. Heute halten die NDR-Kollegen nicht einmal eine junge Frau wie Julia Ruhs aus. Wenigstens der BR steht zu ihr. Das macht mir Hoffnung. Das ZDF täte gut darin, auch Konservativen und Liberalen wieder mehr Raum zu geben. Ja, selbst AfD-Wähler finanzieren den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dürfen die nur zahlen und haben sonst keine Rechte? Oder verzichten ARD und ZDF lieber auf dieses schmutzige Geld?
@Florian Blechschmied:
Der Antigone Löwenthals war Karl Eduard von Schnitzler, beide waren Produkte des Kalten Krieges und Propagandatröten vor dem Herrn. Wir müssen im ÖRR den einen ebensowenig aushalten wie den anderen.
Dem großen unsichtbaren Freund sei es getrommelt!
Anerkennenswert hat sich indes Frau Reichinnek von den Linken geäußert. Sie fand die Sendung selbst erwartungsgemäß „nicht gut“, hält es aber für hochproblematisch, einseitig Formate abzusetzen.
(„Wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk von allen bezahlt werden muss, dann muss er auch alle Meinungsströmungen angemessen abbilden. Tut er aber nicht. Deshalb sollten alle, die sich nicht gesehen fühlen, ihr Geld auf ein Sperrkonto einzahlen. Nur dann wird sich was ändern.“)
Er bildet ja die Meinungsströmungen ab. Er berichtet darüber. Bedeutet aber nicht, dass er das in einer Weise tun muss, dass alle zufrieden sind. Ansonsten könnten ja z.B. die Reichsbürger mit Fug und Recht eine Gebührenzahlung verweigern.
und zu #14:
Nach dem Ende von Löwenthals Propaganda-Show war innerhalb vom ZDF klar, dass man so einen journalistischen Müll nicht weiter anbieten konnte, das hätte das Publikum nicht mehr goutiert. Abgesehen davon war schon Löwenthals aktives Engagement in einer Partei („Bund Freies Deutschland“) und in parteinahen Kampagnen („Konservative Aktion“) – parallel zum ZDF-Job – ein No-Go.
@Niggi
Du schreibst: „Die Behauptung, dass unliebsame Themen und Meinungen ausgeblendet wurden, diese Erzählhaltung, jetzt eine Lücke zu füllen, ist das wirklich Brisante an „Klar“. Die Sendung versucht so, von der Polarisierung der Gesellschaft zu profitieren, und befördert sie zugleich. Dabei ist diese Behauptung in weiten Teilen nicht einmal wahr.“
Wenn das so ist, wäre die Show dann aber auch kein „vermeintlich“ (S.N.) rechtspopulistisches Magazin.
Ganz unabhängig von der Beurteilung der Sendung finde ich einen Großteil der Medienberichterstattung problematisch, weil – wie Stefan schon schreibt – viele irreführende Formulierungen verwendet werden.
Die Sendung war von vorneherein auf drei Folgen angelegt, dann wollte man weitersehen. Julia Ruhs hatte also erst mal nur eine Perspektive auf die drei Ausgaben, die sie gemacht hat. Insofern ist das kein Rauswurf, auch deshalb nicht, weil sie freie Mitarbeiterin ist. Zumal sie auch gar nicht rausfliegt, sondern weitermacht – halt nur beim BR. Der NDR hat das natürlich schlecht bis gar nicht kommuniziert und damit viel Raum gelassen für genau jene Spekulationen, die es jetzt gibt. Aber es rein so darzustellen, wie es viele Medien tun, als läge es an ihrer konservativen Haltung, ist auch irreführend, weil es ja auch qualitative Mängel gibt.
Damit geben sie leider auch Politikern Raum, die dieses und allein dieses Framing bedienen. Und lassen CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann fordern, nämlich den Rundfunkbeitrag einzufrieren, um die Sender unter Druck zu setzen. Ohne Einordnung, dass das verfassungswidrig ist. Und dass die Politik das seit fast neun Monaten ohnehin tut.
Dass heute (in Deutschland) auch die Absetzung der Talkshow von Jimmy Kimmel bekannt wurde, führte dann auch zu merkwürdigen Gleichsetzungen und Verbindungen beider Themen, dabei liegen da sowohl die Protagonisten auf beiden Seiten als auch die Inhalte völlig anders.
Und bei all dem geht verloren, wo die Presse- und Meinungsfreiheit wirklich bedroht ist: wenn Dunja Hayali bedroht wird, wenn Elmar Theveßen mit der Ausweisung gedroht wird, wenn Lokaljournalisten geschlagen werden. Zu diesen Fällen habe ich aus der Politik nichts gehört. Vielleicht, weil sie da selbst tätig werden müssten. Aber die Öffentlich-Rechtlichen kritisieren ist halt billig und schnell gemacht. Muss man auch, aber sich dann eben auch um die anderen Themen kümmern.
#18 Stefan Fries
Danke für diese Hintergründe im zweiten Absatz, die mir völlig unbekannt waren.
Ich sag mal so: Wenn ich als freier Copywriter drei Probejobs für eine Werbeagentur mache und danach nicht mehr gebucht werde, weil ich einen Granatenscheiß abgeliefert habe, dessentwegen die halbe Agenturmannschaft auf den Barrikaden steht und um ihren kreativen Ruf fürchtet – dann … ja, dann würde ich mir ernsthaft Gedanken machen, ob ich den Anforderungen meines Berufs überhaupt gewachsen bin. Dazu braucht’s natürlich ein wirklich breites Kreuz. Hätte ich mit 30 auch nicht gehabt.
Eins muss ich noch loswerden: Ich lese da oben etwas von „regierungskritische Perspektive auf die Themen“.
Wo ist denn da die Regierungskritik versteckt? Der Regierungswechsel ist schon bis in die Übermedien-Redaktion vorgedrungen? Das ist doch geradezu ein Potpourri der Talking-Points dieser Regierung. Inklusive Verfälschung im Sinne des Kanzlers, der in der Opposition angeblich wegen der „mangelnden Kompromissbereitschaft“ der SPD und Grünen sein „Zuwanderungsbegrenzungsgesetz“ mit Hilfe der AfD durchbringen wollte. Das habe ich irgendwie ganz anders in Erinnerung bzw. kann mich nicht daran erinnern, dass Kompromisse da irgendwie erwünscht gewesen wären?!
Wo also in diesen Sendungen die Regierungskritik versteckt sein soll, kann ich beim besten Willen nicht entdecken.
@Frank Gemein
Die SPD sitzt aber nun in der neuen Regierung und viele Dinge, die die AgD so aufgeblasen haben, auch mit der CDU laufen weiter. Die „Migrationswende“, die sich viele Bürger wünschen, passiert nicht.
Tatsächlich hat die CDU ja noch das abgewählte Parlament benutzt, um das exakte Gegenteil ihrer Wahlversprechen mit Verfassungsänderung durchzusetzen.
Daher gibt es aus dem konservativen Lager auch weiterhin Kritik „an der Regierung“.
Ausnahmsweise sehe ich diese Thematik ganz wie Reichinnek. Man kann das „nicht gut“ finden, aber die Sendung war beliebt. Sie wird aus politischen Gründen abgesetzt. Das ist auch bei einer politisch zu anderer Tendenz neigenden Sendung nicht okay!
Die Sendung wird nicht ab-, sondern fortgesetzt.
Sehr interessant zu beobachten, wie „Xennial“ und andere hier direkt die Überschrift und das Intro dieses Textes belegen, vermutlich ohne es zu merken.
„Abgesetzt“ wurde hier gar nichts. Kritik an einseitigen, irreführenden Formaten muss erlaubt sein. Und wenn diese Kritik berechtigt ist, dann müssen auch Konsequenzen gezogen werden. Die sind hier sehr überschaubar, aber für die Cancel-Culture-Keule reicht’s natürlich trotzdem.
Diese Sendung vertritt ja nicht einfach eine valide „konservative“ Meinung. Sie gibt vor, journalistisch zu sein, ist aber eher propagandistisch. Wenn man das in ein Satire/Comedy-Format verpackt, meinetwegen. Aber man sollte nicht so tun, als wäre das seriös, so wie Herr Reichelt das macht. Damit werden diese Inhalte künstlich überhöht und das widerspricht journalistischen Grundsätzen.
Ich würde mir ein Format wünschen, dass konservative Standpunkte auch mal ganz ohne Populismus darstellt. Aber die Konservativen (wenn dieses Wort überhaupt noch eine Bedeutung abseits eines Euphismus für rechts/rassistisch/homophob/… hat) haben völlig die Orientierung verloren, genau deswegen ist Populismus in den Kreisen ja so beliebt.
> Der frühere ZDF-Chefredakteur Peter Frey hat neulich zu der Frage, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu links geworden ist, einen guten, hilfreichen Kommentar geschrieben: „Wir brauchen nicht mehr konservativen, sondern mehr kritischen Journalismus“, forderte er.
Sehr ich genauso. Im Übrigen ist es auch ein rechtes Narrativ, dass der ÖRR links oder grün wäre. Wenn diese im Wesentlichen staatstragende und regierungsunkritische Bandbreite an Journalismus links sein soll, dann hat die Rechte schon gewonnen.
Ich sage mal, was heutzutage leider schon links ist:
– Menschenrechte für alle verteigen, inkl Recht auf Asyl, Privatsphäre, Gesundheit
– Kriegsverbrechen als solche benennen, Völkerrecht achten, UN-Institutionen und den Internationalen Strafgerichtshof achten, Stichwort Israel
– Wissenschaft ernst nehmen und im Einklang mit den Planetarien Grenzen zu leben, um uns allen zukünftige Lebenshrundlagen zu erhalten, wozu laut Art 20a GG der Staat verpflichtet ist und was laut IGH-Gutachten auch Menschenrecht ist
Also im Wesentlichen sehr „Konservatives“, die Bewahrung von Recht, Ordnung und Schöpfung. Gleichzeitig wollen die „Konservativen“ die rechtebasierte Ordnung weiter aufweichen und das Recht der Stärkeren hochhalten, ob international über Abschottung und Bruch von Klimazielen oder lokal gesellschaftlich als Erhalt von cismännlichen Privilegien.
Die konservative Vision erscheint mir wesentlich inkompatibler mit den angeblich vorsichhergetragenen christlichen Werten. Aber trotzdem hat sich die gesellschaftliche Linke meiner Meinung nach verrannt, weil sie als staatstragende Kraft wahrgenommen wird und die eigentlichen Gründe für Unzufriedenheit nicht mehr benennt und diskutiert.
Welche Linke Kritik so gar nicht oder kaum im öffentlich-rechtlichen Diskurs auftaucht:
– grundsätzliche Kritik am Kapitalismus, der neoliberalen Rechtfertigungsideologie, dem Wachstumsparadigma, obwohl das mittlerweile schon unter Klima- und Transformationsforschern normal ist
– Kritik an Grenzen und dem angeblichen Recht des Stärkeren, Menschen aufgrund ihres Geburtsortes die Bewegungsfreiheit zu nehmen
– Kritik an einem profitorientierten Gesundheitssystem und einer Pharmaindustrie, die durch jahrzehntelange belegte Betrüge und gezielte Krankrechnungen die Grundlage für Impfskepsis legt
– Kritik an großindustrieller Landwirtschaft (vor allem Tierindustrie, die mit zukünftigen Lebensgrundlagen inkompatibel ist) und Supermärkten, die zusammen für das Höfesterben auf dem Land sorgen
– wieder über Enteignung, Klassenkampf und Generalstreik reden
Das sind Dinge, die mir als links einfallen, als linksradikal, weil sie versuchen, an die Wurzel (radix) zu gehen. So breit ist das Spektrum in den ÖRR aber nicht und noch weniger ist es Konsens.
Im Vergleich dazu, wie radikal können Rechte sein?
– Menschen sind ungleich an Rechten geboren
– es gilt die Macht des Stärkeren, jeder gegen jeden, Gewalt ist legitimes politisches Mittel
– du bist nix, deine Nation alles
Jetzt finde ich södersches Wurstgefresse, ausländerfeindliche AfD-Talking Points, Aufrüstungskonsens bei Polizei und Heer, und Sorge um Deutschland bzgl Wirtschaftswachstum, Grenzen oder gesellschaftlicher Spaltung fast überall.
Im rechtsradikalen Spektrum ist fast alles sagbar und wird auch gesagt, solange man dabei freundlich guckt und niemanden direkt beleidigt.
Einerseits, weil das ja in Union und teilweise weitere Parteien Einzug gehalten hat, aber auch weil immer noch überall AfD eingeladen wird und weil Journalist*innen im ÖRR bis auf Nischenerscheinungen wie die Anstalt keine Kritik an den Mächtigen formulieren können.
@#19:
Jein – der NDR hätte ja den grottenschlechten Scheiß auch einfach nicht abnehmen können. Und der BR hält den Scheiß anscheinend nicht für so grottenschlecht.
Soll heißen, dass der Schwarze Peter nicht bei Ruhs liegt.
Was ich mir wünschen würde sind Gedanken wie dieser: „Wir beim ÖRR wollen natürlich das ganze _demokratische_ Spektrum abdecken, selbstverständlich haben wie auch konservative Stimmen, Sendungen und Meinungen.“
Was stattdessen gedacht wird: „Guckmal, wir bewerben KLAR damit, dass die Sendung dafür ausgelegt sei, linke Zuschauer zu ärgern, und hintenrum kommunizieren wir, dass das nur eine Alibiveranstaltung mit Quotenkonserve ist, die wir den blöden Rechten hinwerfen, damit die nicht dauern rumnölen, aber in Wahrheit ärgern wir uns selbst am meisten darüber. So ist wirklich JEDE/R unzufrieden und alle werden gleich behandelt.“
Danke an #18 für die interessanten Hintergründe
Und zu #24 da kann ich nur zustimmen.
Man sehnt sich ja schon fast zurück in die 90er und 00er Jahre als rechtes Gedankengut eigentlich nur von geistig minderbemittelten Menschen kam und dadurch gut erkennbar und auch leicht zu ignorieren war.
Heute ist das rhetorisch und intellektuell schön verpackt und hat sich so in den allgemeinen Diskurs reingemogelt.
„Die Sendung wird nicht ab-, sondern fortgesetzt.“
Wortklauberei. Die Hälfte des NDR wird aus politischen Gründen mit einer wahrscheinlich politisch genehmeren Person fortgesetzt. Das Magazin ist aber offensichtlich deshalb so beliebt, weil Ruhß es so macht wie sie es macht. (Bei mir übrigens nicht, auch wenn Ihr mich unbedingt reflexhaft da einordnen wollt.)
Das Zitat „Wir brauchen nicht mehr konservativen, sondern mehr kritischen Journalismus“ finde ich auch gut. Vermutlich aber aus anderen Gründen. Fakten darstellungen sollten auf Zahlen, Daten und Logik fußen. Damit kann man letztlich jede Nonsensforderung sowohl extremer Linker/Grüner als auch extremer Rechter auseinandernehmen.
Deine Definitionen linker oder rechter Merkmale finde ich nicht zutreffend. Man merkt sehr deutlich, dass sie von jemandem geschrieben wurden, der selbst sehr weit links steht.
Aber es wäre wichtig sie zu treffen, wenn man die Diskussionen führt!
Wenn Du in der AfD (!) rumfragst, ob sie denn grundsätzlich Umweltschutz wichtig finden, bekommst Du fast 90% „Ja“. (Quelle ist eine Forenumfrage mit 4400 Teilnehmern, von denen 890 angeben, AfD zu wählen).
Im selben Forum haben die meisten eher konservativen auch gesagt, dass sie z.B. das Asylrecht im Grundsatz keinesfalls ablehnen.
In beiden Fällen geht es darum, *wie* die Umsetzung von den jeweiligen politischen Richtungen durchgeführt werden soll.
Konservative lehnen Änderungen auch nicht per se ab. Allerdings speziell diejhenigen, die Nichtkonservative jeweils vorschlagen. Das gilt für alle strittigen Themen. Migration, Rechte von Queeren, Gleichberechtigung, Umweltschutz, Sozialabsicherung.
Deswegen ist der linke Reflex dümmlich, sie deshalb als Leute zu bezeichen, die mit Baseballschlägern Dunkelhäutige jagen oder von Lagern und Öfen schwadronieren. Ja, leider gibt es die auch, aber die haben ein Potential von unter einem Prozent!
Wer bestimmt was „Konservativ“ ist? Höcke, Weidel oder bspw. Xennial wären da schon mal krasse Fehlbesetzungen.
Sind nicht Politiker wie Ruprecht Polenz, Angela Merkel, Hendrik Wüst oder Daniel Günther konservativ?
Jahrzehntelang galt es als „links“, gegen den § 175 („Schwulenparagraf“) zu kämpfen oder Gleichberechtigungsthemen zu vertreten. Heute sind Unionspolitiker offen homosexuell und es ist offensichtlich, dass der Arbeitsmarkt ohne den massiven Anstieg erwerbstätiger Frauen noch schlechter dastünde. Migration wiederum war und ist eine wirtschaftliche Notwendigkeit – vom „Wirtschaftswunder“, welches ohne Arbeitsmigration ausgefallen wäre, bis in die Gegenwart. Sind Konservative plötzlich keine Freunde der Wirtschaft mehr?
Die AfD kann in diesem Sinne unmöglich konservativ heißen. Ihre monothematischen, rechtsradikalen Parolen laufen dem eigentlichen Wesen des Konservatismus zuwider. Man stelle sich vor: Frauen wieder nur am Herd, dazu „Remigration“, die die Gesellschaft überaltert und ausdünnt. Wer so etwas ablehnt, ist nicht „links“, sondern folgt schlicht gesundem Menschenverstand.
Das eigentliche Problem ist die mangelnde Ehrlichkeit. Die wachsende Ungleichverteilung von Kapital und Chancen verschlechtert das Leben großer Teile der (ehemaligen) Mittelschicht. Das können ehemalige Investmentbanker oder BlackRock-Leute nicht zugeben – also werden Sündenböcke gesucht: Gruppen ohne Geld, ohne Lobby und mit „fremd“ markierten Merkmalen. Früher waren es „die Juden“, heute sind es Migrant:innen, besonders Muslime. Probleme gibt es selbstverständlich, aber Kampagnen, die nicht einmal eine Lösung anstreben, sondern Ressentiments bedienen, sind nichts anderes als ein Spiel mit dem ganz rechten Rand.
Es ist nicht links, sich gegen entsprechenden Populismus einzusetzen.
Und nur zur Klärung:
Beschwichtigungen wie „das sind doch nur 1 % Radikale“ sind völlig fehl am Platz. In der Politik ist der Versuch, den Tiger zu reiten, noch immer gescheitert – und das Scheitern ist programmiert. Am Ende setzen sich in solchen Bewegungen stets die Radikalsten und Skrupellosesten durch.
Die AfD ist dafür ein Paradebeispiel: Sie besteht aus Strömungen, die sich eigentlich gegenseitig ausschließen. Was sie eint, ist nicht ein konstruktives Programm, sondern das gemeinsame Feindbild – und der Wille, Unzufriedenheit und Unruhe so weit zu eskalieren, dass eine Machtübernahme möglich erscheint. Und jede dieser Gruppen sieht sich insgeheim als legitimer Sukzessor, der die anderen irgendwann verdrängen wird.
@#16 „Anerkennenswert hat sich indes Frau Reichinnek von den Linken geäußert. Sie fand die Sendung selbst erwartungsgemäß „nicht gut“, hält es aber für hochproblematisch, einseitig Formate abzusetzen.“
Ich weiß nicht, warum du dieses falsche Framing – letztlich eine falsche Behauptung – hier fortsetzt. Das Format wurde nicht abgesetzt! Auch die Journalistin wurde nicht abgesetzt. Sie moderiert weiter für den BR, und eine andere Journalistin moderiert für den NDR.
Das Magazin besteht weiter, und dann moderieren eben zwei Journalist:innen. Wo ist das Problem?
Danke an Stefan Niggemeier für den Artikel! Die Einordnung habe ich echt gebraucht.
Super Artikel! Und so schön ausgewogen. Für alle die eine ausgeprägte „cancel culture“ erleben möchten, gibt’s noch die Möglichkeit eines Besuchs beim CSD – vorzugsweise in Bautzen. Gern im Kostüm auch außerhalb der Polizeikette.
Grüße aus Sachsen
Die Journalistin wurde vom NDR gefeuert, aus politischen Gründen. Wäre es keine Coproduktion wäre sie ganz weg. Kein Framing, Tatsache.
Ich stimme aber zu, Frau Koch ist eine gute Wahl. Bleibt abzuwarten wie sie sich in dem Biotop behauptet.
Sie wurde gar nicht gefeuert. Es gab eine Vereinbarung über 3 Pilotsendungen. Die hat sie moderiert. In Zukunft moderiert sie die Sendung für den BR, bei dem sie ohnehin angestellt ist.
Dass sie aus politischen Gründen gefeuert vom NDR nicht mehr engagiert wurde, ist eine unbewiesene Behauptung. Eine Tatsache hingegen ist, dass sie aus politischen Gründen engagiert wurde.
# 19
Eine ehemalige Bild-Chefredakteurin ist also „genehmer“? Auch sie steht nur für Kampagnen“journalismus“ der Verdrehungen, Verleumdungen und Stimmungsmache.
@36 DWB
Nein, natürlich nicht. Der Gedanke, dass die Bildzeitung sich in den Öffentlich-Rechtlichen festkrallt, ist genauso unerträglich wie die »Ich-spreche-aus-was-man-heute-nicht-mehr-aussprechen-darf«Attitude der Vorgängerin.
Ich wollte in #19 nur ausdrücken, dass Ersetztwerden ein ganz normaler Vorgang im Leben eines Freelancer ist, der einen miesen Job macht. Gleichzeitig staune ich über das Cancelgeschrei der Rechten/Rechtsextremen. Das Rumopfern ist dieses Mal doch wirklich sehr, sehr laut.
Brownies: »immer werden wir unterdrühühückt!«
Sachsen-Anhalt: »Wie wär’s zum Trost mit 39%?«
Brownies: »Trotzdehehem!!«
Wenn man die Rechts-Links-Debatte einmal aus der Vogelperspektive betrachtet, wirkt die gegenwärtige politische Kultur von einer deutlich stärkeren Anti-Links-Haltung geprägt als von einer Anti-Rechts-Haltung.
Konservative und rechte Parteien (wobei „rechts“ ein weites Feld ist – die AfD vertritt dabei eine radikalere Position, während die CDU in Teilen rechts-konservativ einzuordnen ist) neigen oft dazu, vor allem zu betonen, dass Politik „zu links“ sei und dringend gegengesteuert werden müsse. Was das aber konkret bedeutet, bleibt meist vage. Soll das heißen: mehr soziale Ungleichheit? Weniger Gleichberechtigung? Stärkere Hierarchien? Wenn man es so klar benennen würde, dürfte das bei den meisten Menschen kaum auf Zustimmung stoßen.
Die großen gesellschaftlichen Errungenschaften, die wir heute schätzen – Gewerkschaften, der Sozialstaat, das allgemeine Wahlrecht, auch die Demokratie selbst – sind historisch überwiegend durch linke Bewegungen erkämpft worden. Sie gelten heute als selbstverständliche Grundpfeiler. Umgekehrt sind marktorientierte „rechte“ Schwenks, wie etwa der Neoliberalismus der 1980er Jahre (Thatcher, Reagan), im Rückblick höchstens ambivalent zu bewerten: kurzfristig mag es ökonomische Impulse gegeben haben, langfristig jedoch hat es für viele Menschen eher Unsicherheit und Ungleichheit verstärkt.
Gerade mit Blick auf die Herausforderungen der Gegenwart – Klimakrise, soziale Spaltung, Digitalisierung – ist schwer vorstellbar, wie eine Politik des „Weniger Staates“ tragfähige Antworten liefern soll. Märkte haben viele dieser Probleme überhaupt erst hervorgebracht oder verschärft, und ohne gezielte öffentliche Investitionen wären sie kaum zu lösen. Dass „mehr Staat“ heute fast automatisch mit „links“ gleichgesetzt wird, ist letztlich ein Effekt konservativer Rhetorik – obwohl viele staatliche Eingriffe in der Geschichte gerade von konservativen Regierungen umgesetzt wurden, wenn es ohne sie nicht mehr ging.
Vor diesem Hintergrund sehe ich die Bringschuld, die Debatte zu versachlichen, stärker bei der konservativ-rechten Seite. Es ist auffällig, dass linke Politik schnell als Gefahr für den Wohlstand problematisiert wird (zum Beispiel letzten Sonntag bei Caren Miasgo) – während die berechtigte Frage, ob nicht konservative Politik unseren Wohlstand gefährdet, nicht gestellt wird. Dabei hatten konservative Regierungen in den letzten Jahrzehnten weit größeren Einfluss auf die Weichenstellungen der Politik.
@Diskursdruide
Ich nehme an das Problem ist dass die meisten „unseren Wohlstand“ also gesellschaftlich verwechseln mit dem Wohlstand der Wohlhabenden. Und da sich die konservative Politik regelmäßig an die wohlhabende und reiche Oberschicht anbiedert denken viele, die Konservativen kämpfen für unseren Wohlstand obwohl sie nur für den Wohlstand derer kämpfen die ihn schon haben.
„Wer bestimmt was „Konservativ“ ist? Höcke, Weidel oder bspw. Xennial wären da schon mal krasse Fehlbesetzungen.“
Mich mit diesen Figuren in einen Topf zu werfen ist eine Beleidigung an sich. Ein gemeiner Frank ist sicherlich auch eine schlechte Besetzung!
„Sind nicht Politiker wie Ruprecht Polenz, Angela Merkel, Hendrik Wüst oder Daniel Günther konservativ?“
Ganz definitiv nein! Sie stehen sogar wesentlich weiter links als der Seeheimer Kreis der SPD es einmal war.
Was die Linken hier in Selbstbeweihräucherung als Errungenschaften ihrer grundgut-gesalbten Gesinnung feiern, sind mit wenigen Ausnahmen und so gut wie ausschließlich liberale Verdienste!
Liberal sein galt früher auch mal als links. Der §175 etwa ist Irrsinn, weil er etwas verbietet, was niemandem schadet.
Auch der moderne Rechtsstaat ist eine zutiefst liberale Sache. Der Staat (früher die Monarchen) dürfen nicht willkürlich ins Leben der Bürger eingreifen. Was nicht gesetzlich geboten ist, darf nicht erzwungen werden. Was nicht gesetzlich verboten, nicht verhindern.
Das – und die bösen bösen offenen Märkte – haben einen nie dagewesenen Wohlstand erzeugt.
Den klassischen Linken verdanken wir, das ist anzuerkennen, dass von diesem Wohlstand auch eine soziale Sicherung entstehen konnte. Der Besitz der Habenden kann so auch weniger als Hebel gegen die Freiheit der für sie Arbeitenden einwirken.
Das kann man allerdings auch übertreiben wie eigentlich alles im Leben.
„Weniger Staat“ bedeutet ja nicht „kein Staat“. Es bedeutet, dass der Staat seine eigenen Aufgaben erfüllt und eben gerade nicht die der Bürger und der Wirtschaft dirigiert, wie es die typische linke Forderung vorsieht.
Beispiel: CO2-Abgaben. Wenn die ein Staatsfunktionär willkürlich als Belastung festlegt, damit „die Leute weniger Auto fahren und heizen“, fließt der Ertrag dann meist in irgendeinen fremden Topf – und wird fest eingeplant.
Wenn man solche Abgaben aber zweckgebunden und vor allem an den Kosten orientiert, die CO2-Bindung verursacht, dann kann man den Markt, der dann entsteht für sich nutzen.
Aktuell kostet es je nach Ort und Art zwischen 100 und 300 Euro, eine Tonne CO2 zu binden und einzulagern. Ein „Wenig-Staat-Staat“ könnte festsetzen, dass man inkrementell über die nächsten 10 Jahre diese Kosten zu tragen hat, wenn man CO2 erzeugt. Dann entsteht dafür ein Markt, die Kosten werden geringer und damit auch die Kosten CO2-erzeugender Produkte. Dadurch werden auch die Produkte (Heizen, Fahren, …) wieder billiger und nicht nur wenn/falls der Staatsfunktionär eine Anpassung beschließt.
Vor 25 Jahren war dieser Vorschlag sehr links. Heute ist er angeblich „neoliberal“ oder sogar schon „rechts“ (keine Ahnung, wie man auf so einen BS kommt).
(Anmerkung der Redaktion: Diesen Kommentar haben wir gelöscht, auf Wunsch des Verfassers, aber auch nach eigener Einschätzung.)
Ich finde es interessant, dass dieser justiziable Kommentar von Frank Gemein stehenbleibt, in dem ich diesmal direkt als rechtsextrem hingestellt werde. Sowas nennen Linke doch normalerweise Hassundhetze ™.
Ich bin ganz socher nichts rechtsextrem und im Gegensatz zu Frank weiß ich, was das Wort bedeutet.
Was meine eigene Einstellung betrifft, habe ich dazu wenig gesagt. Kann Franky also gar nicht wissen und mot doesen Denkmustern erst recht nicht verstehen.
Da Ihr hier gerne anscheinend in Eurer eigenen Soße kochen wollt, kündige ich meine Unterstützung und lösche meinen Account wieder.
Steht diese Beleidigung am Freitag nächster Woche noch hier, erstatte ich Anzeige wie Euer Habeck das auch macht.
Oh Mann, da schreibt Stefan so einen guten, differenzierten Beitrag und dann lenken die üblichen Verdächtigen immer mehr vom Thema ab und enden in einem persönlichen Kleinkrieg.
Aber zurück (fast) zum eigentlichen Thema. Wie mies kann Kommunikation im Jahr 2025 sein? Man hätte bekannt geben können, wie wichtig einem dieses Format wäre und dass man nicht nur mehr Folgen ausstrahlt, sondern jetzt sogar ein ganzes Moderationsteam hat, idealerweise bei einem Termin mit beiden Moderatorinnen, stattdessen läuft man sehenden Auges ins offene Messer.
Nanu, nach so viel Eifer hier in den Kommentaren jetzt der rhetorische Death Drop von Xennial? Welcher Kommentar von Frank Gemein jetzt justiziabel sein soll, erschließt sich mir nicht.
Und Vorsicht mit populistischen Phrasen wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist „stark links dominiert“. Ich sehe in prominenten Sendungen wie Maischberger, Miosga und Lanz ein zunehmendes Anti-Links-Framing. Bei Maischberger darf Alice Weidel ungestraft behaupten, dass Hitler links war, beim Miosga musste sich Heidi Reichinnek letzten Sonntag die Frage gefallen lassen, ob linke Politik unseren Wohlstand gefährdet (obwohl die Frage eher hätte sein müssen, ob konservative Politik unseren Wohlstand gefährdet, denn die hatte in den letzten Jahrzehnten dort den deutlich größeren Einfluss auf die Politik und die Menschen) und Markus Lanz reagiert pikiert, wenn Janine Wissler nicht sofort zugibt, dass sie auch findet, dass Migration das größte Problem aller Zeiten ist, sondern der Meinung ist, dass es auch eine künstlich aufgeheizte Debatte ist (die nebenbei den letzten Wahlausgang entschieden hat).
Ganz zu schweigen von den diversen Klimaaktivisten, die sich in den letzten Jahren bei Markus Lanz verächtlichen Diskussionen stellen mussten, während die Selbstgerechten anderen Gesprächsteilnehmer nichts zu bieten hatten, außer ständig zu sagen, wie doof dieser Protest ja angeblich ist.
Und nur weil Figuren wie Böhmermann verschärft auf Rechtsruck und Co. hinweisen, ist dann nicht gleich das ganze ZDF links-grün versifft. Da wird nämlich auch nicht mehr richtig differenziert.
@44 Diskursdruide
Ich schaue mir das alles nur noch selten an. Die Rechtsdrift in vielen Bereichen der Gesellschaft – nicht nur den Medien – ist in diesen Zeiten wirklich unerfreulich; um nicht zu sagen besorgniserregend, wenn man diejenigen hinzunimmt, die gerade rechtsextrem aus der Kurve getragen werden.
Ein bisschen lustig ist es aber auch. Egal wieviel medialen Boden die (extreme) Rechte gewinnt, die Rumopferei hört einfach nicht auf.
Brownies (schluchzend): »Wir werden unterdrühühückt!«
Sachsen-Anhalt: »Wie wär’s zum Trost mit 39%?«
Brownies: »Trotzdehehem!!«
@Redaktion:
Dass ihr Ärger wegen mir bekommt, ist mir dann tatsächlich sehr unangenehm.
Bin natürlich fein damit, wenn mein Kommentar gelöscht wird.
Bisher konnte ich ja vielem, was Xennial so schreibt, etwas abgewinnen. Auch ich empfinde die Äußerungen von Frank Gemein oft als herablassend und beleidigend. Er hat eine überhebliche Art, seine Weltanschauung zur allein Seligmachenden zu verklären. Zur Selbstkritik erscheint er mir vollkommen unfähig. Aber ich würde mich doch nie herablassen, ihm mit Strafverfolgung zu drohen. Das überlasse ich Leuten wie Habeck, Baerbock oder Strack-Zimmermann (die ich ansonsten sehr schätze). Ich bin für die weitestgehende Meinungsfreiheit im amerikanischen Sinne. Es wäre schade, wenn diese Errungenschaft nun vom Trump-Lager beschädigt würde. Meinungsfreiheit nur im Sinne der Regierenden ist keine Meinungsfreiheit. Deshalb muss auch die AfD alles sagen dürfen, was sie sagen will. Sollte sie je regieren, dürfen die Linken und Grünen nicht in ihrer Meinungsfreiheit eingeschränkt werden. Überspitzt gesagt: Hass und Hetze gehören zur Meinungsfreiheit.
Tatsächlich fällt es mir schwer, mich NICHT aufzuregen, wenn ich den Kommentar des Merkur-Chefradakteurs Georg Anastasiadis unter der Überschrift „Der öffentlich-rechtliche Linksfunk hat die Rechten stärker gemacht“ lese.
Ausgehend von falschen Tatsachen (Bildunterschrift :“Die Journalistin und Autorin Julia Ruhs wurde vom NDR gekündigt.“; Zwischenüberschrift: „NDR wirft junge Moderatorin raus“; im Text: „Der NDR wirft eine junge Moderatorin raus, weil sie den links-grünen Kollegen zu konservativ ist. “ wird das Narrativ der (auch im Text wörtlich erwähnten) Cancel-Culture geritten. Damit (ganz in Ruhs‘ Manier, die ein Buch mit dem vielsagenden Titel: „Links-grüne Meinungsmacht. Die Spaltung unseres Landes.“ geschrieben hat) dann auch noch dem „Linksfunk“ die Stärkung der Rechten vorzuwerfen, ist schon ganz schön grell – man könnte auch sagen infam.
Man fragt sich, (eigentlich nicht mehr wirklich), von wem und wie die „Spaltung unseres Landes“ betrieben wird……
@T.Mido
Es sind ja eigentlich immer zwei Komponenten dabei.
Erstens (und ja auch von der AFD genauso gesagt) umso schlechter es Deutschland geht umso besser für die AFD. Und hier kann man nach Belieben das Land austauschen oder die AFD mit irgendeiner anderen extremistischen und demokratiefeindlichen Partei.
Zweitens (von vielen rechten/rechtsextremen auch schon öfters ganz frei gesagt) „flood The Zone with Bullshit“
Und die netten Links Grün Mitte Leute beschäftigen sich schön damit, in mühevoller Kleinstarbeit Gegenargumente zu finden, die Argumente der anderen ernstzunehmen (denn es sind sehr oft ganz wenige und tausendfach widerlegte Argumente dabei beim Bullshit) mit dem Gegner in ein konstruktives Gespräch zu gehen, sie zu „entzaubern“ usw. Und Währenddessen lachen sich die Rechten und Fäustchen, sind schon längst 5 Portionen Bullshit voraus und sehen genüsslich dabei zu wie er beim Bürger/Konsument verfängt da wir neurologisch so veranlagt sind.
Wir sind dabei den Kampf zu verlieren wenn wir nicht bald die Taktik ändern.
Wenn eine Zeitung wie der Merkur gegen den Pressekodex verstößt (Sorgfaltspflicht), kann man sich an den Presserat wenden, der in solchen Fällen die Redaktion rügt. https://www.presserat.de/beschwerde.html
Ja. Hier sei die Frage erlaubt, was von einer Beschwerde zu erwarten ist. Was ich sicher weiß: der Presserat tagt nur wenige male im Jahr. Also wird er sich frühestens bei der nächsten Sitzung damit beschäftigen. Im schlimmsten Fall (für den Merkur) gibt es eine Rüge. Die wird dann Wochen bis Monate später beim Presserat veröffentlicht. Nochmal später wird sie im Online-Medium veröffentlicht. Merken tut man das eigentlich nur, wenn man explizit danach sucht.
Es wäre einigermaßen naiv zu glauben, dass eine (potentielle) Rüge auch nur annähernd die Reichweite des von @MT beschriebenen Shits erreichen würde. Selbst die Kommentare unter dem Artikel (die ja unter der „Veröffentlichungshoheit des Merkur stehen), dürften deutlich weniger Aufmerksamkeit erreichen, als der Artikel selbst. Die in einigen Kommentaren erwähnten Fakten ignorierenden Kommentare bezeugen das.
Will man den Unfug, den Anastasiadis da schreibt, möglichst effizient einfangen, dürfte der Leserbrief das geeignetste Mittel sein. Und da sind wir an der Stelle, die MT anspricht: wir (die linksgrünen?????) verlieren mit dieser Taktik.
@ 42 Xennial
Ich bedaure Ihren spontanen Rückzug. Zumal der Gegenwind ja so schlimm nicht war. Vielleicht kann Sie ja folgender Vorschlag zum Bleiben überreden: Sie kündigen Ihre Unterstützung nicht, sondern upgraden auf das 108-Euro-Abo. Darin ist ein gratis Gastzugang enthalten, den Sie an Mitkombattant:innen Ihrer Wahl vergeben können. Was meinen Sie?
Es ist sehr schade, dass diese eigentlich differenzierte und gute Diskussion am Ende doch wieder in persönlichen Angriffen mündet. Wir haben uns deswegen entschlossen, die Kommentarspalte an diesem Punkt zu schließen.
Grüße aus der Redaktion,
Annika Schneider
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Dass eine Sendung mit der Sendung verknüpft sein soll, das ist doch wohl wiedermal ironisch- oder? Das sollen Journalisten doch nicht, hatte ich bei „Übermedien“ gelernt. Könnte es nicht durchaus sein, der Vorgang bestätigt die Macht der des Cancel-Culture-Netzwerke mit den Protagonisten wie Reschke, Böhmermann, v.d.Tann, Restle…
Sehr gute und abgewogene Einschätzung! Danke
„Es besteht das Risiko, dass durch die Emotionalisierung auch Vorurteile geschürt werden. Aber gleichzeitig ist es doch auch legitim, die Perspektive dieses Vaters und anderer Opfer, diese Trauer, diese Fassungslosigkeit in den Mittelpunkt zu stellen.“
Legitim wäre das nur dann, wenn dazu klar gemacht wird, dass das hirnlose Herumschrauben an der Migrationspolitik diese Probleme nicht lösen, sondern eher verschlimmern würde. Zu implizieren, dass der Migrationshintergrund des Täters irgendeine Relevanz für die Tat hätte, ist nicht nur faktisch falsch, sondern schlicht rassistisch. Und Rassismus ist niemals legitim in einem Rechtsstaat.
Ich habe die Sendung nicht gesehen und werde es auch nicht nachholen, da ich diesen ganzen einseitigen Politmagazinen nicht viel abgewinnen kann, egal ob Monitor oder das Ding hier. Aber nach den bisherigen Schilderungen zu „Klar“ (inkl. dieser) habe ich meine Zweifel, dass die Sendung mit der nötigen Differenziertheit an diesen Sachverhalt rangegangen ist. Dabei wäre doch genau so ein Format, das auch Leute aus der eher rechten Ecke anlockt, gut geeignet, um mal über die wirklichen Ursachen von Kriminalität aufzuklären.
Jon Stewart sagte zum Thema Cancel Culture unlängst:
„Who smelled it dealt it“, ich habe es früher schon mit dem Ruf “
Viel unangenehmer ist mir ein Beitrag im Gedächtnis geblieben:
Eine türkischstämmige Familie forderte dort, Ausländer:innen ohne Arbeit sofort abzuschieben, Kriminelle sowieso. Solche Stimmen sollen dem Anliegen offenbar besondere Glaubwürdigkeit verleihen – nach dem Motto: „Wenn sogar die das sagen …“
Das Muster ist klar: Ich suche mir also einen sozialistischen, transsexuellen Bayern und befrage ihn zu Gleichstellung oder Umverteilung. Wenn sogar er meine Ansichten teilt, dann muss das ja Mainstream sein. Gefährlich ist das nicht, aber ärgerlich nah an dem, was Tichy, Nius und ähnlicher Schrott betreiben.
Ich könnte mir vorstellen, Herr Niggemeier, dass auch im Übermedien Team nicht alle Ihre Einstellung teilen.
Das Thema wird uns sicher noch desöfteren begegnen.
@#3:
Ich könnte mir vorstellen, dass diese Emotionalisierung generell das Problem ist und nicht die Lösung.
@Frank Gemein: Bei Übermedien gibt es auch Meinungsvielfalt, fast wie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk von allen bezahlt werden muss, dann muss er auch alle Meinungsströmungen angemessen abbilden. Tut er aber nicht. Deshalb sollten alle, die sich nicht gesehen fühlen, ihr Geld auf ein Sperrkonto einzahlen. Nur dann wird sich was ändern. Wirklich schäbig und intolerant ist das Verhalten der Kollegen des NDR. Direkt zum Artikel von Herrn Niggemeier: Eine erfreulich unaufgeregte Darstellung des speziellen Sachverhaltes.
Ob gespielte oder echte Ahnungslosigkeit: Das hätte man in der ARD sicherlich so oder so ähnlich vorhersagen können. Die Hilflosigkeit der ÖR-Medienbürokratie ist doch der spannende Kern dieser Debatte. Was war denn hier das Ziel? Was hat man denn in vielen Gremien- und Redaktionssitzungen diskutiert? „Jede Aufmerksamkeit ist gute Aufmerksamkeit-Hauptsache das wird angeschaut und in Medien diskutiert“? „Ach, wenn das nicht läuft stellen wir einfach das Format ein, das machen wir ja regelmäßig“? „Also die Chefs finden das gut, die Mitarbeitenden sicher auch-nein, gefragt habe ich die nicht“?Wie so oft sieht der ÖR etwas doof aus-hätte man mit Ruhs nicht in die „prime time“ geholt und nicht dieses überflüssige Format gemacht wäre ja nichts anders geworden und beide Seiten hätten an ihren Positionen festgegalten. Also nochmal: Was war hier das best case scenario?
Polarisierung bedeutet immer Emotionalisierung. Und die bedeutet immer weniger Differenzierung.
Der ÖRR ist stark links dominiert und man hatte damals (expressis verbis) gesagt, dass man gegen den Vorwurf angehen wolle, vorwiegend linke Formate zu halten bzw. neu einzuführen. Witzig war, dass die Böhmermann-Lustigfinder selbst nach dieser Aussage noch behauptet hatten, der ÖRR sei vielfältig genug. Wohl weil genügend Varianten der eigenen Meinung vertreten würden… Da die Kohle so oder so fließt, ein Biotop, in dem Linkes gedeiht wie sonst nirgendwo, sind die Quoten sekundär.
Eine glaubwürdige konservative Stimme im Habeck anschmachtenden Miosga-Universum wäre eigentlich eine Chance. Ein Magazin wie das alte „Frontal“ wäre z.B. mit Miosga und Ruhs denkbar, sofern die beiden gleichsam respektvoll miteinander umgehen wie Kienzle und Hauser.
Wenn so etwas passiert, frage ich mich persönlich aber immer, wie ernsthaft noch irgendjemand bei Verstand glauben kann, es gäbe keine Cancel Culture.
Danke für den Artikel. Diese unaufgeregte und sachliche Darstellung ist einfach nur zu loben und tut wirklich gut. Ihr seid hier wie ein Fels in der Brandung von Polemik, Geschrei und Hass.
Die erste Sendung „Migration – was schief läuft“ war keine objektive Beschreibung der Lage der Migration.
Die 30-minütige Sendung beinhaltete 20 Minuten den Mord von Brokstedt, davon 15 Minuten den Kampf von Vater Kyrath gegen die Migration.
Der NDR hatte im Monat davor eine ausgezeichnete Dokumentation über die Morde von Brokstedt gebracht. 45 Minuten Analyse und Berichte mit mehreren Sichtweisen.
@Petra: Aber die Sendung behauptet ja auch nicht, eine objektive Beschreibung der Lage der Migration zu sein. Ihr selbst gewähltes Thema ist das, was „falsch läuft“.
Wie gesagt: Ich teile gar nicht die Prämisse von „Klar“, dass das in anderen Sendungen nicht thematisiert wird. Und finde dieses (selbst gewählte) Framing extrem problematisch. Aber in dem Sinne einseitig zu sein, dass man sich auf die Probleme mit einer Sache konzentriert, ohne ein komplettes, objektives Bild zu zeichnen, finde ich grundsätzlich bei einem solchen Magazin legitim, das passiert ja woanders und bei anderen Themen auch.
(Beim Thema Migration ist es besonders heikel, auch klar.)
@Frank Gemein: Der Beitrag mit Gewerbetreibenden aus Hamburger „Gastarbeiterfamilien“ (Ruhs) ist in der Tat besonders unangenehm. Menschen zu finden, die Diskriminierungserfahrungen gemacht haben und diese Diskriminierungsmuster nun auf Schwächere anwenden, ist in einer Großstadt nicht besonders schwer. Wenn ich vor die Tür gehe, bräuchte ich dafür wahrscheinlich fünf Minuten. Das ist das eine. Das andere: Wenn der Gemüsehändler mit türkischen Wurzeln sagt, er kenne „so viele Familien, die nicht zur Arbeit gehen“, und wenn eine Friseurin mit ebenfalls türkischen Wurzeln findet, jene, die sich ein „gemütliches Leben aufbauen“, aber „nicht arbeiten wollen“, sollten „abgeschoben werden“ – dann bleiben die beschriebenen Personen und Familien ziemlich diffus. Ohne Kontext (Staatsangehörigkeit, Aufenthaltsstatus, Lebensverhältnisse) haben solche O-Töne überhaupt keinen Aussagewert. Passt aber natürlich in eine Sendung, die Stimmungsfernsehen sein will, und nie den Eindruck erweckt, Informationsfernsehen sein zu wollen.
An jeder Sendung kann man etwas kritisieren. Entweder gefällt einem die Grundhaltung nicht oder es gibt einzelne Punkte, die nicht korrekt dargestellt erscheinen. Das gilt insbesondere für die politischen Magazine wie Panorama oder Monitor. Früher gab es zum Ausgleich noch das ZDF-Magazin mit Gerhard Löwenthal. Man stelle sich das heute vor. Der Mann würde wegen Volksverhetzung vor Gericht gezerrt. Straßenblockaden würden das ZDF blockieren. Heute halten die NDR-Kollegen nicht einmal eine junge Frau wie Julia Ruhs aus. Wenigstens der BR steht zu ihr. Das macht mir Hoffnung. Das ZDF täte gut darin, auch Konservativen und Liberalen wieder mehr Raum zu geben. Ja, selbst AfD-Wähler finanzieren den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dürfen die nur zahlen und haben sonst keine Rechte? Oder verzichten ARD und ZDF lieber auf dieses schmutzige Geld?
@Florian Blechschmied:
Der Antigone Löwenthals war Karl Eduard von Schnitzler, beide waren Produkte des Kalten Krieges und Propagandatröten vor dem Herrn. Wir müssen im ÖRR den einen ebensowenig aushalten wie den anderen.
Dem großen unsichtbaren Freund sei es getrommelt!
Anerkennenswert hat sich indes Frau Reichinnek von den Linken geäußert. Sie fand die Sendung selbst erwartungsgemäß „nicht gut“, hält es aber für hochproblematisch, einseitig Formate abzusetzen.
https://www.welt.de/kultur/medien/article68cbe6ccc914d40a280ec71e/Fall-Julia-Ruhs-Reichinnek-nennt-Absetzung-von-NDR-Sendung-hochproblematisch.html
@ Florian Blechschmidt, #7
(„Wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk von allen bezahlt werden muss, dann muss er auch alle Meinungsströmungen angemessen abbilden. Tut er aber nicht. Deshalb sollten alle, die sich nicht gesehen fühlen, ihr Geld auf ein Sperrkonto einzahlen. Nur dann wird sich was ändern.“)
Er bildet ja die Meinungsströmungen ab. Er berichtet darüber. Bedeutet aber nicht, dass er das in einer Weise tun muss, dass alle zufrieden sind. Ansonsten könnten ja z.B. die Reichsbürger mit Fug und Recht eine Gebührenzahlung verweigern.
und zu #14:
Nach dem Ende von Löwenthals Propaganda-Show war innerhalb vom ZDF klar, dass man so einen journalistischen Müll nicht weiter anbieten konnte, das hätte das Publikum nicht mehr goutiert. Abgesehen davon war schon Löwenthals aktives Engagement in einer Partei („Bund Freies Deutschland“) und in parteinahen Kampagnen („Konservative Aktion“) – parallel zum ZDF-Job – ein No-Go.
@Niggi
Du schreibst: „Die Behauptung, dass unliebsame Themen und Meinungen ausgeblendet wurden, diese Erzählhaltung, jetzt eine Lücke zu füllen, ist das wirklich Brisante an „Klar“. Die Sendung versucht so, von der Polarisierung der Gesellschaft zu profitieren, und befördert sie zugleich. Dabei ist diese Behauptung in weiten Teilen nicht einmal wahr.“
Wenn das so ist, wäre die Show dann aber auch kein „vermeintlich“ (S.N.) rechtspopulistisches Magazin.
Ganz unabhängig von der Beurteilung der Sendung finde ich einen Großteil der Medienberichterstattung problematisch, weil – wie Stefan schon schreibt – viele irreführende Formulierungen verwendet werden.
Die Sendung war von vorneherein auf drei Folgen angelegt, dann wollte man weitersehen. Julia Ruhs hatte also erst mal nur eine Perspektive auf die drei Ausgaben, die sie gemacht hat. Insofern ist das kein Rauswurf, auch deshalb nicht, weil sie freie Mitarbeiterin ist. Zumal sie auch gar nicht rausfliegt, sondern weitermacht – halt nur beim BR. Der NDR hat das natürlich schlecht bis gar nicht kommuniziert und damit viel Raum gelassen für genau jene Spekulationen, die es jetzt gibt. Aber es rein so darzustellen, wie es viele Medien tun, als läge es an ihrer konservativen Haltung, ist auch irreführend, weil es ja auch qualitative Mängel gibt.
Damit geben sie leider auch Politikern Raum, die dieses und allein dieses Framing bedienen. Und lassen CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann fordern, nämlich den Rundfunkbeitrag einzufrieren, um die Sender unter Druck zu setzen. Ohne Einordnung, dass das verfassungswidrig ist. Und dass die Politik das seit fast neun Monaten ohnehin tut.
Dass heute (in Deutschland) auch die Absetzung der Talkshow von Jimmy Kimmel bekannt wurde, führte dann auch zu merkwürdigen Gleichsetzungen und Verbindungen beider Themen, dabei liegen da sowohl die Protagonisten auf beiden Seiten als auch die Inhalte völlig anders.
Und bei all dem geht verloren, wo die Presse- und Meinungsfreiheit wirklich bedroht ist: wenn Dunja Hayali bedroht wird, wenn Elmar Theveßen mit der Ausweisung gedroht wird, wenn Lokaljournalisten geschlagen werden. Zu diesen Fällen habe ich aus der Politik nichts gehört. Vielleicht, weil sie da selbst tätig werden müssten. Aber die Öffentlich-Rechtlichen kritisieren ist halt billig und schnell gemacht. Muss man auch, aber sich dann eben auch um die anderen Themen kümmern.
#18 Stefan Fries
Danke für diese Hintergründe im zweiten Absatz, die mir völlig unbekannt waren.
Ich sag mal so: Wenn ich als freier Copywriter drei Probejobs für eine Werbeagentur mache und danach nicht mehr gebucht werde, weil ich einen Granatenscheiß abgeliefert habe, dessentwegen die halbe Agenturmannschaft auf den Barrikaden steht und um ihren kreativen Ruf fürchtet – dann … ja, dann würde ich mir ernsthaft Gedanken machen, ob ich den Anforderungen meines Berufs überhaupt gewachsen bin. Dazu braucht’s natürlich ein wirklich breites Kreuz. Hätte ich mit 30 auch nicht gehabt.
Eins muss ich noch loswerden: Ich lese da oben etwas von „regierungskritische Perspektive auf die Themen“.
Wo ist denn da die Regierungskritik versteckt? Der Regierungswechsel ist schon bis in die Übermedien-Redaktion vorgedrungen? Das ist doch geradezu ein Potpourri der Talking-Points dieser Regierung. Inklusive Verfälschung im Sinne des Kanzlers, der in der Opposition angeblich wegen der „mangelnden Kompromissbereitschaft“ der SPD und Grünen sein „Zuwanderungsbegrenzungsgesetz“ mit Hilfe der AfD durchbringen wollte. Das habe ich irgendwie ganz anders in Erinnerung bzw. kann mich nicht daran erinnern, dass Kompromisse da irgendwie erwünscht gewesen wären?!
Wo also in diesen Sendungen die Regierungskritik versteckt sein soll, kann ich beim besten Willen nicht entdecken.
@Frank Gemein
Die SPD sitzt aber nun in der neuen Regierung und viele Dinge, die die AgD so aufgeblasen haben, auch mit der CDU laufen weiter. Die „Migrationswende“, die sich viele Bürger wünschen, passiert nicht.
Tatsächlich hat die CDU ja noch das abgewählte Parlament benutzt, um das exakte Gegenteil ihrer Wahlversprechen mit Verfassungsänderung durchzusetzen.
Daher gibt es aus dem konservativen Lager auch weiterhin Kritik „an der Regierung“.
Ausnahmsweise sehe ich diese Thematik ganz wie Reichinnek. Man kann das „nicht gut“ finden, aber die Sendung war beliebt. Sie wird aus politischen Gründen abgesetzt. Das ist auch bei einer politisch zu anderer Tendenz neigenden Sendung nicht okay!
Die Sendung wird nicht ab-, sondern fortgesetzt.
Sehr interessant zu beobachten, wie „Xennial“ und andere hier direkt die Überschrift und das Intro dieses Textes belegen, vermutlich ohne es zu merken.
„Abgesetzt“ wurde hier gar nichts. Kritik an einseitigen, irreführenden Formaten muss erlaubt sein. Und wenn diese Kritik berechtigt ist, dann müssen auch Konsequenzen gezogen werden. Die sind hier sehr überschaubar, aber für die Cancel-Culture-Keule reicht’s natürlich trotzdem.
Diese Sendung vertritt ja nicht einfach eine valide „konservative“ Meinung. Sie gibt vor, journalistisch zu sein, ist aber eher propagandistisch. Wenn man das in ein Satire/Comedy-Format verpackt, meinetwegen. Aber man sollte nicht so tun, als wäre das seriös, so wie Herr Reichelt das macht. Damit werden diese Inhalte künstlich überhöht und das widerspricht journalistischen Grundsätzen.
Ich würde mir ein Format wünschen, dass konservative Standpunkte auch mal ganz ohne Populismus darstellt. Aber die Konservativen (wenn dieses Wort überhaupt noch eine Bedeutung abseits eines Euphismus für rechts/rassistisch/homophob/… hat) haben völlig die Orientierung verloren, genau deswegen ist Populismus in den Kreisen ja so beliebt.
> Der frühere ZDF-Chefredakteur Peter Frey hat neulich zu der Frage, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu links geworden ist, einen guten, hilfreichen Kommentar geschrieben: „Wir brauchen nicht mehr konservativen, sondern mehr kritischen Journalismus“, forderte er.
Sehr ich genauso. Im Übrigen ist es auch ein rechtes Narrativ, dass der ÖRR links oder grün wäre. Wenn diese im Wesentlichen staatstragende und regierungsunkritische Bandbreite an Journalismus links sein soll, dann hat die Rechte schon gewonnen.
Ich sage mal, was heutzutage leider schon links ist:
– Menschenrechte für alle verteigen, inkl Recht auf Asyl, Privatsphäre, Gesundheit
– Kriegsverbrechen als solche benennen, Völkerrecht achten, UN-Institutionen und den Internationalen Strafgerichtshof achten, Stichwort Israel
– Wissenschaft ernst nehmen und im Einklang mit den Planetarien Grenzen zu leben, um uns allen zukünftige Lebenshrundlagen zu erhalten, wozu laut Art 20a GG der Staat verpflichtet ist und was laut IGH-Gutachten auch Menschenrecht ist
Also im Wesentlichen sehr „Konservatives“, die Bewahrung von Recht, Ordnung und Schöpfung. Gleichzeitig wollen die „Konservativen“ die rechtebasierte Ordnung weiter aufweichen und das Recht der Stärkeren hochhalten, ob international über Abschottung und Bruch von Klimazielen oder lokal gesellschaftlich als Erhalt von cismännlichen Privilegien.
Die konservative Vision erscheint mir wesentlich inkompatibler mit den angeblich vorsichhergetragenen christlichen Werten. Aber trotzdem hat sich die gesellschaftliche Linke meiner Meinung nach verrannt, weil sie als staatstragende Kraft wahrgenommen wird und die eigentlichen Gründe für Unzufriedenheit nicht mehr benennt und diskutiert.
Welche Linke Kritik so gar nicht oder kaum im öffentlich-rechtlichen Diskurs auftaucht:
– grundsätzliche Kritik am Kapitalismus, der neoliberalen Rechtfertigungsideologie, dem Wachstumsparadigma, obwohl das mittlerweile schon unter Klima- und Transformationsforschern normal ist
– Kritik an Grenzen und dem angeblichen Recht des Stärkeren, Menschen aufgrund ihres Geburtsortes die Bewegungsfreiheit zu nehmen
– Kritik an einem profitorientierten Gesundheitssystem und einer Pharmaindustrie, die durch jahrzehntelange belegte Betrüge und gezielte Krankrechnungen die Grundlage für Impfskepsis legt
– Kritik an großindustrieller Landwirtschaft (vor allem Tierindustrie, die mit zukünftigen Lebensgrundlagen inkompatibel ist) und Supermärkten, die zusammen für das Höfesterben auf dem Land sorgen
– wieder über Enteignung, Klassenkampf und Generalstreik reden
Das sind Dinge, die mir als links einfallen, als linksradikal, weil sie versuchen, an die Wurzel (radix) zu gehen. So breit ist das Spektrum in den ÖRR aber nicht und noch weniger ist es Konsens.
Im Vergleich dazu, wie radikal können Rechte sein?
– Menschen sind ungleich an Rechten geboren
– es gilt die Macht des Stärkeren, jeder gegen jeden, Gewalt ist legitimes politisches Mittel
– du bist nix, deine Nation alles
Jetzt finde ich södersches Wurstgefresse, ausländerfeindliche AfD-Talking Points, Aufrüstungskonsens bei Polizei und Heer, und Sorge um Deutschland bzgl Wirtschaftswachstum, Grenzen oder gesellschaftlicher Spaltung fast überall.
Im rechtsradikalen Spektrum ist fast alles sagbar und wird auch gesagt, solange man dabei freundlich guckt und niemanden direkt beleidigt.
Einerseits, weil das ja in Union und teilweise weitere Parteien Einzug gehalten hat, aber auch weil immer noch überall AfD eingeladen wird und weil Journalist*innen im ÖRR bis auf Nischenerscheinungen wie die Anstalt keine Kritik an den Mächtigen formulieren können.
@#19:
Jein – der NDR hätte ja den grottenschlechten Scheiß auch einfach nicht abnehmen können. Und der BR hält den Scheiß anscheinend nicht für so grottenschlecht.
Soll heißen, dass der Schwarze Peter nicht bei Ruhs liegt.
Was ich mir wünschen würde sind Gedanken wie dieser: „Wir beim ÖRR wollen natürlich das ganze _demokratische_ Spektrum abdecken, selbstverständlich haben wie auch konservative Stimmen, Sendungen und Meinungen.“
Was stattdessen gedacht wird: „Guckmal, wir bewerben KLAR damit, dass die Sendung dafür ausgelegt sei, linke Zuschauer zu ärgern, und hintenrum kommunizieren wir, dass das nur eine Alibiveranstaltung mit Quotenkonserve ist, die wir den blöden Rechten hinwerfen, damit die nicht dauern rumnölen, aber in Wahrheit ärgern wir uns selbst am meisten darüber. So ist wirklich JEDE/R unzufrieden und alle werden gleich behandelt.“
Danke an #18 für die interessanten Hintergründe
Und zu #24 da kann ich nur zustimmen.
Man sehnt sich ja schon fast zurück in die 90er und 00er Jahre als rechtes Gedankengut eigentlich nur von geistig minderbemittelten Menschen kam und dadurch gut erkennbar und auch leicht zu ignorieren war.
Heute ist das rhetorisch und intellektuell schön verpackt und hat sich so in den allgemeinen Diskurs reingemogelt.
„Die Sendung wird nicht ab-, sondern fortgesetzt.“
Wortklauberei. Die Hälfte des NDR wird aus politischen Gründen mit einer wahrscheinlich politisch genehmeren Person fortgesetzt. Das Magazin ist aber offensichtlich deshalb so beliebt, weil Ruhß es so macht wie sie es macht. (Bei mir übrigens nicht, auch wenn Ihr mich unbedingt reflexhaft da einordnen wollt.)
Das Zitat „Wir brauchen nicht mehr konservativen, sondern mehr kritischen Journalismus“ finde ich auch gut. Vermutlich aber aus anderen Gründen. Fakten darstellungen sollten auf Zahlen, Daten und Logik fußen. Damit kann man letztlich jede Nonsensforderung sowohl extremer Linker/Grüner als auch extremer Rechter auseinandernehmen.
Deine Definitionen linker oder rechter Merkmale finde ich nicht zutreffend. Man merkt sehr deutlich, dass sie von jemandem geschrieben wurden, der selbst sehr weit links steht.
Aber es wäre wichtig sie zu treffen, wenn man die Diskussionen führt!
Wenn Du in der AfD (!) rumfragst, ob sie denn grundsätzlich Umweltschutz wichtig finden, bekommst Du fast 90% „Ja“. (Quelle ist eine Forenumfrage mit 4400 Teilnehmern, von denen 890 angeben, AfD zu wählen).
Im selben Forum haben die meisten eher konservativen auch gesagt, dass sie z.B. das Asylrecht im Grundsatz keinesfalls ablehnen.
In beiden Fällen geht es darum, *wie* die Umsetzung von den jeweiligen politischen Richtungen durchgeführt werden soll.
Konservative lehnen Änderungen auch nicht per se ab. Allerdings speziell diejhenigen, die Nichtkonservative jeweils vorschlagen. Das gilt für alle strittigen Themen. Migration, Rechte von Queeren, Gleichberechtigung, Umweltschutz, Sozialabsicherung.
Deswegen ist der linke Reflex dümmlich, sie deshalb als Leute zu bezeichen, die mit Baseballschlägern Dunkelhäutige jagen oder von Lagern und Öfen schwadronieren. Ja, leider gibt es die auch, aber die haben ein Potential von unter einem Prozent!
Wer bestimmt was „Konservativ“ ist? Höcke, Weidel oder bspw. Xennial wären da schon mal krasse Fehlbesetzungen.
Sind nicht Politiker wie Ruprecht Polenz, Angela Merkel, Hendrik Wüst oder Daniel Günther konservativ?
Jahrzehntelang galt es als „links“, gegen den § 175 („Schwulenparagraf“) zu kämpfen oder Gleichberechtigungsthemen zu vertreten. Heute sind Unionspolitiker offen homosexuell und es ist offensichtlich, dass der Arbeitsmarkt ohne den massiven Anstieg erwerbstätiger Frauen noch schlechter dastünde. Migration wiederum war und ist eine wirtschaftliche Notwendigkeit – vom „Wirtschaftswunder“, welches ohne Arbeitsmigration ausgefallen wäre, bis in die Gegenwart. Sind Konservative plötzlich keine Freunde der Wirtschaft mehr?
Die AfD kann in diesem Sinne unmöglich konservativ heißen. Ihre monothematischen, rechtsradikalen Parolen laufen dem eigentlichen Wesen des Konservatismus zuwider. Man stelle sich vor: Frauen wieder nur am Herd, dazu „Remigration“, die die Gesellschaft überaltert und ausdünnt. Wer so etwas ablehnt, ist nicht „links“, sondern folgt schlicht gesundem Menschenverstand.
Das eigentliche Problem ist die mangelnde Ehrlichkeit. Die wachsende Ungleichverteilung von Kapital und Chancen verschlechtert das Leben großer Teile der (ehemaligen) Mittelschicht. Das können ehemalige Investmentbanker oder BlackRock-Leute nicht zugeben – also werden Sündenböcke gesucht: Gruppen ohne Geld, ohne Lobby und mit „fremd“ markierten Merkmalen. Früher waren es „die Juden“, heute sind es Migrant:innen, besonders Muslime. Probleme gibt es selbstverständlich, aber Kampagnen, die nicht einmal eine Lösung anstreben, sondern Ressentiments bedienen, sind nichts anderes als ein Spiel mit dem ganz rechten Rand.
Es ist nicht links, sich gegen entsprechenden Populismus einzusetzen.
Und nur zur Klärung:
Beschwichtigungen wie „das sind doch nur 1 % Radikale“ sind völlig fehl am Platz. In der Politik ist der Versuch, den Tiger zu reiten, noch immer gescheitert – und das Scheitern ist programmiert. Am Ende setzen sich in solchen Bewegungen stets die Radikalsten und Skrupellosesten durch.
Die AfD ist dafür ein Paradebeispiel: Sie besteht aus Strömungen, die sich eigentlich gegenseitig ausschließen. Was sie eint, ist nicht ein konstruktives Programm, sondern das gemeinsame Feindbild – und der Wille, Unzufriedenheit und Unruhe so weit zu eskalieren, dass eine Machtübernahme möglich erscheint. Und jede dieser Gruppen sieht sich insgeheim als legitimer Sukzessor, der die anderen irgendwann verdrängen wird.
Der NDR hat übrigens gerade bekannt gegeben, dass Ex-„Bild“-Chefredakteurin Tanit Koch die Moderation der NDR-Ausgaben von „Klar“ übernimmt. Ich finde das eine clevere Entscheidung: Sie ist eine erfahrene Journalistin und konservativ, hat 2021 für Armin Laschet im Wahlkampf gearbeitet. https://www.ndr.de/der_ndr/presse/mitteilungen/tanit-koch-verstaerkt-fuer-ndr-ab-2026-moderations-team-von-klar,pressemeldungndr-254.html
@#16 „Anerkennenswert hat sich indes Frau Reichinnek von den Linken geäußert. Sie fand die Sendung selbst erwartungsgemäß „nicht gut“, hält es aber für hochproblematisch, einseitig Formate abzusetzen.“
Ich weiß nicht, warum du dieses falsche Framing – letztlich eine falsche Behauptung – hier fortsetzt. Das Format wurde nicht abgesetzt! Auch die Journalistin wurde nicht abgesetzt. Sie moderiert weiter für den BR, und eine andere Journalistin moderiert für den NDR.
Das Magazin besteht weiter, und dann moderieren eben zwei Journalist:innen. Wo ist das Problem?
Danke an Stefan Niggemeier für den Artikel! Die Einordnung habe ich echt gebraucht.
Super Artikel! Und so schön ausgewogen. Für alle die eine ausgeprägte „cancel culture“ erleben möchten, gibt’s noch die Möglichkeit eines Besuchs beim CSD – vorzugsweise in Bautzen. Gern im Kostüm auch außerhalb der Polizeikette.
Grüße aus Sachsen
Die Journalistin wurde vom NDR gefeuert, aus politischen Gründen. Wäre es keine Coproduktion wäre sie ganz weg. Kein Framing, Tatsache.
Ich stimme aber zu, Frau Koch ist eine gute Wahl. Bleibt abzuwarten wie sie sich in dem Biotop behauptet.
Sie wurde gar nicht gefeuert. Es gab eine Vereinbarung über 3 Pilotsendungen. Die hat sie moderiert. In Zukunft moderiert sie die Sendung für den BR, bei dem sie ohnehin angestellt ist.
Dass sie aus politischen Gründen
gefeuertvom NDR nicht mehr engagiert wurde, ist eine unbewiesene Behauptung. Eine Tatsache hingegen ist, dass sie aus politischen Gründen engagiert wurde.Xennial muss jetzt ganz stark sein. Der Volksverpetzer hat geliefert: https://www.volksverpetzer.de/faktencheck/julia-ruhs-nicht-gecancelt/
# 19
Eine ehemalige Bild-Chefredakteurin ist also „genehmer“? Auch sie steht nur für Kampagnen“journalismus“ der Verdrehungen, Verleumdungen und Stimmungsmache.
@36 DWB
Nein, natürlich nicht. Der Gedanke, dass die Bildzeitung sich in den Öffentlich-Rechtlichen festkrallt, ist genauso unerträglich wie die »Ich-spreche-aus-was-man-heute-nicht-mehr-aussprechen-darf«Attitude der Vorgängerin.
Ich wollte in #19 nur ausdrücken, dass Ersetztwerden ein ganz normaler Vorgang im Leben eines Freelancer ist, der einen miesen Job macht. Gleichzeitig staune ich über das Cancelgeschrei der Rechten/Rechtsextremen. Das Rumopfern ist dieses Mal doch wirklich sehr, sehr laut.
Brownies: »immer werden wir unterdrühühückt!«
Sachsen-Anhalt: »Wie wär’s zum Trost mit 39%?«
Brownies: »Trotzdehehem!!«
Wenn man die Rechts-Links-Debatte einmal aus der Vogelperspektive betrachtet, wirkt die gegenwärtige politische Kultur von einer deutlich stärkeren Anti-Links-Haltung geprägt als von einer Anti-Rechts-Haltung.
Konservative und rechte Parteien (wobei „rechts“ ein weites Feld ist – die AfD vertritt dabei eine radikalere Position, während die CDU in Teilen rechts-konservativ einzuordnen ist) neigen oft dazu, vor allem zu betonen, dass Politik „zu links“ sei und dringend gegengesteuert werden müsse. Was das aber konkret bedeutet, bleibt meist vage. Soll das heißen: mehr soziale Ungleichheit? Weniger Gleichberechtigung? Stärkere Hierarchien? Wenn man es so klar benennen würde, dürfte das bei den meisten Menschen kaum auf Zustimmung stoßen.
Die großen gesellschaftlichen Errungenschaften, die wir heute schätzen – Gewerkschaften, der Sozialstaat, das allgemeine Wahlrecht, auch die Demokratie selbst – sind historisch überwiegend durch linke Bewegungen erkämpft worden. Sie gelten heute als selbstverständliche Grundpfeiler. Umgekehrt sind marktorientierte „rechte“ Schwenks, wie etwa der Neoliberalismus der 1980er Jahre (Thatcher, Reagan), im Rückblick höchstens ambivalent zu bewerten: kurzfristig mag es ökonomische Impulse gegeben haben, langfristig jedoch hat es für viele Menschen eher Unsicherheit und Ungleichheit verstärkt.
Gerade mit Blick auf die Herausforderungen der Gegenwart – Klimakrise, soziale Spaltung, Digitalisierung – ist schwer vorstellbar, wie eine Politik des „Weniger Staates“ tragfähige Antworten liefern soll. Märkte haben viele dieser Probleme überhaupt erst hervorgebracht oder verschärft, und ohne gezielte öffentliche Investitionen wären sie kaum zu lösen. Dass „mehr Staat“ heute fast automatisch mit „links“ gleichgesetzt wird, ist letztlich ein Effekt konservativer Rhetorik – obwohl viele staatliche Eingriffe in der Geschichte gerade von konservativen Regierungen umgesetzt wurden, wenn es ohne sie nicht mehr ging.
Vor diesem Hintergrund sehe ich die Bringschuld, die Debatte zu versachlichen, stärker bei der konservativ-rechten Seite. Es ist auffällig, dass linke Politik schnell als Gefahr für den Wohlstand problematisiert wird (zum Beispiel letzten Sonntag bei Caren Miasgo) – während die berechtigte Frage, ob nicht konservative Politik unseren Wohlstand gefährdet, nicht gestellt wird. Dabei hatten konservative Regierungen in den letzten Jahrzehnten weit größeren Einfluss auf die Weichenstellungen der Politik.
@Diskursdruide
Ich nehme an das Problem ist dass die meisten „unseren Wohlstand“ also gesellschaftlich verwechseln mit dem Wohlstand der Wohlhabenden. Und da sich die konservative Politik regelmäßig an die wohlhabende und reiche Oberschicht anbiedert denken viele, die Konservativen kämpfen für unseren Wohlstand obwohl sie nur für den Wohlstand derer kämpfen die ihn schon haben.
„Wer bestimmt was „Konservativ“ ist? Höcke, Weidel oder bspw. Xennial wären da schon mal krasse Fehlbesetzungen.“
Mich mit diesen Figuren in einen Topf zu werfen ist eine Beleidigung an sich. Ein gemeiner Frank ist sicherlich auch eine schlechte Besetzung!
„Sind nicht Politiker wie Ruprecht Polenz, Angela Merkel, Hendrik Wüst oder Daniel Günther konservativ?“
Ganz definitiv nein! Sie stehen sogar wesentlich weiter links als der Seeheimer Kreis der SPD es einmal war.
Was die Linken hier in Selbstbeweihräucherung als Errungenschaften ihrer grundgut-gesalbten Gesinnung feiern, sind mit wenigen Ausnahmen und so gut wie ausschließlich liberale Verdienste!
Liberal sein galt früher auch mal als links. Der §175 etwa ist Irrsinn, weil er etwas verbietet, was niemandem schadet.
Auch der moderne Rechtsstaat ist eine zutiefst liberale Sache. Der Staat (früher die Monarchen) dürfen nicht willkürlich ins Leben der Bürger eingreifen. Was nicht gesetzlich geboten ist, darf nicht erzwungen werden. Was nicht gesetzlich verboten, nicht verhindern.
Das – und die bösen bösen offenen Märkte – haben einen nie dagewesenen Wohlstand erzeugt.
Den klassischen Linken verdanken wir, das ist anzuerkennen, dass von diesem Wohlstand auch eine soziale Sicherung entstehen konnte. Der Besitz der Habenden kann so auch weniger als Hebel gegen die Freiheit der für sie Arbeitenden einwirken.
Das kann man allerdings auch übertreiben wie eigentlich alles im Leben.
„Weniger Staat“ bedeutet ja nicht „kein Staat“. Es bedeutet, dass der Staat seine eigenen Aufgaben erfüllt und eben gerade nicht die der Bürger und der Wirtschaft dirigiert, wie es die typische linke Forderung vorsieht.
Beispiel: CO2-Abgaben. Wenn die ein Staatsfunktionär willkürlich als Belastung festlegt, damit „die Leute weniger Auto fahren und heizen“, fließt der Ertrag dann meist in irgendeinen fremden Topf – und wird fest eingeplant.
Wenn man solche Abgaben aber zweckgebunden und vor allem an den Kosten orientiert, die CO2-Bindung verursacht, dann kann man den Markt, der dann entsteht für sich nutzen.
Aktuell kostet es je nach Ort und Art zwischen 100 und 300 Euro, eine Tonne CO2 zu binden und einzulagern. Ein „Wenig-Staat-Staat“ könnte festsetzen, dass man inkrementell über die nächsten 10 Jahre diese Kosten zu tragen hat, wenn man CO2 erzeugt. Dann entsteht dafür ein Markt, die Kosten werden geringer und damit auch die Kosten CO2-erzeugender Produkte. Dadurch werden auch die Produkte (Heizen, Fahren, …) wieder billiger und nicht nur wenn/falls der Staatsfunktionär eine Anpassung beschließt.
Vor 25 Jahren war dieser Vorschlag sehr links. Heute ist er angeblich „neoliberal“ oder sogar schon „rechts“ (keine Ahnung, wie man auf so einen BS kommt).
(Anmerkung der Redaktion: Diesen Kommentar haben wir gelöscht, auf Wunsch des Verfassers, aber auch nach eigener Einschätzung.)
Ich finde es interessant, dass dieser justiziable Kommentar von Frank Gemein stehenbleibt, in dem ich diesmal direkt als rechtsextrem hingestellt werde. Sowas nennen Linke doch normalerweise Hassundhetze ™.
Ich bin ganz socher nichts rechtsextrem und im Gegensatz zu Frank weiß ich, was das Wort bedeutet.
Was meine eigene Einstellung betrifft, habe ich dazu wenig gesagt. Kann Franky also gar nicht wissen und mot doesen Denkmustern erst recht nicht verstehen.
Da Ihr hier gerne anscheinend in Eurer eigenen Soße kochen wollt, kündige ich meine Unterstützung und lösche meinen Account wieder.
Steht diese Beleidigung am Freitag nächster Woche noch hier, erstatte ich Anzeige wie Euer Habeck das auch macht.
Oh Mann, da schreibt Stefan so einen guten, differenzierten Beitrag und dann lenken die üblichen Verdächtigen immer mehr vom Thema ab und enden in einem persönlichen Kleinkrieg.
Aber zurück (fast) zum eigentlichen Thema. Wie mies kann Kommunikation im Jahr 2025 sein? Man hätte bekannt geben können, wie wichtig einem dieses Format wäre und dass man nicht nur mehr Folgen ausstrahlt, sondern jetzt sogar ein ganzes Moderationsteam hat, idealerweise bei einem Termin mit beiden Moderatorinnen, stattdessen läuft man sehenden Auges ins offene Messer.
Nanu, nach so viel Eifer hier in den Kommentaren jetzt der rhetorische Death Drop von Xennial? Welcher Kommentar von Frank Gemein jetzt justiziabel sein soll, erschließt sich mir nicht.
Und Vorsicht mit populistischen Phrasen wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist „stark links dominiert“. Ich sehe in prominenten Sendungen wie Maischberger, Miosga und Lanz ein zunehmendes Anti-Links-Framing. Bei Maischberger darf Alice Weidel ungestraft behaupten, dass Hitler links war, beim Miosga musste sich Heidi Reichinnek letzten Sonntag die Frage gefallen lassen, ob linke Politik unseren Wohlstand gefährdet (obwohl die Frage eher hätte sein müssen, ob konservative Politik unseren Wohlstand gefährdet, denn die hatte in den letzten Jahrzehnten dort den deutlich größeren Einfluss auf die Politik und die Menschen) und Markus Lanz reagiert pikiert, wenn Janine Wissler nicht sofort zugibt, dass sie auch findet, dass Migration das größte Problem aller Zeiten ist, sondern der Meinung ist, dass es auch eine künstlich aufgeheizte Debatte ist (die nebenbei den letzten Wahlausgang entschieden hat).
Ganz zu schweigen von den diversen Klimaaktivisten, die sich in den letzten Jahren bei Markus Lanz verächtlichen Diskussionen stellen mussten, während die Selbstgerechten anderen Gesprächsteilnehmer nichts zu bieten hatten, außer ständig zu sagen, wie doof dieser Protest ja angeblich ist.
Und nur weil Figuren wie Böhmermann verschärft auf Rechtsruck und Co. hinweisen, ist dann nicht gleich das ganze ZDF links-grün versifft. Da wird nämlich auch nicht mehr richtig differenziert.
@44 Diskursdruide
Ich schaue mir das alles nur noch selten an. Die Rechtsdrift in vielen Bereichen der Gesellschaft – nicht nur den Medien – ist in diesen Zeiten wirklich unerfreulich; um nicht zu sagen besorgniserregend, wenn man diejenigen hinzunimmt, die gerade rechtsextrem aus der Kurve getragen werden.
Ein bisschen lustig ist es aber auch. Egal wieviel medialen Boden die (extreme) Rechte gewinnt, die Rumopferei hört einfach nicht auf.
Brownies (schluchzend): »Wir werden unterdrühühückt!«
Sachsen-Anhalt: »Wie wär’s zum Trost mit 39%?«
Brownies: »Trotzdehehem!!«
@Redaktion:
Dass ihr Ärger wegen mir bekommt, ist mir dann tatsächlich sehr unangenehm.
Bin natürlich fein damit, wenn mein Kommentar gelöscht wird.
Bisher konnte ich ja vielem, was Xennial so schreibt, etwas abgewinnen. Auch ich empfinde die Äußerungen von Frank Gemein oft als herablassend und beleidigend. Er hat eine überhebliche Art, seine Weltanschauung zur allein Seligmachenden zu verklären. Zur Selbstkritik erscheint er mir vollkommen unfähig. Aber ich würde mich doch nie herablassen, ihm mit Strafverfolgung zu drohen. Das überlasse ich Leuten wie Habeck, Baerbock oder Strack-Zimmermann (die ich ansonsten sehr schätze). Ich bin für die weitestgehende Meinungsfreiheit im amerikanischen Sinne. Es wäre schade, wenn diese Errungenschaft nun vom Trump-Lager beschädigt würde. Meinungsfreiheit nur im Sinne der Regierenden ist keine Meinungsfreiheit. Deshalb muss auch die AfD alles sagen dürfen, was sie sagen will. Sollte sie je regieren, dürfen die Linken und Grünen nicht in ihrer Meinungsfreiheit eingeschränkt werden. Überspitzt gesagt: Hass und Hetze gehören zur Meinungsfreiheit.
Tatsächlich fällt es mir schwer, mich NICHT aufzuregen, wenn ich den Kommentar des Merkur-Chefradakteurs Georg Anastasiadis unter der Überschrift „Der öffentlich-rechtliche Linksfunk hat die Rechten stärker gemacht“ lese.
Ausgehend von falschen Tatsachen (Bildunterschrift :“Die Journalistin und Autorin Julia Ruhs wurde vom NDR gekündigt.“; Zwischenüberschrift: „NDR wirft junge Moderatorin raus“; im Text: „Der NDR wirft eine junge Moderatorin raus, weil sie den links-grünen Kollegen zu konservativ ist. “ wird das Narrativ der (auch im Text wörtlich erwähnten) Cancel-Culture geritten. Damit (ganz in Ruhs‘ Manier, die ein Buch mit dem vielsagenden Titel: „Links-grüne Meinungsmacht. Die Spaltung unseres Landes.“ geschrieben hat) dann auch noch dem „Linksfunk“ die Stärkung der Rechten vorzuwerfen, ist schon ganz schön grell – man könnte auch sagen infam.
Man fragt sich, (eigentlich nicht mehr wirklich), von wem und wie die „Spaltung unseres Landes“ betrieben wird……
@T.Mido
Es sind ja eigentlich immer zwei Komponenten dabei.
Erstens (und ja auch von der AFD genauso gesagt) umso schlechter es Deutschland geht umso besser für die AFD. Und hier kann man nach Belieben das Land austauschen oder die AFD mit irgendeiner anderen extremistischen und demokratiefeindlichen Partei.
Zweitens (von vielen rechten/rechtsextremen auch schon öfters ganz frei gesagt) „flood The Zone with Bullshit“
Und die netten Links Grün Mitte Leute beschäftigen sich schön damit, in mühevoller Kleinstarbeit Gegenargumente zu finden, die Argumente der anderen ernstzunehmen (denn es sind sehr oft ganz wenige und tausendfach widerlegte Argumente dabei beim Bullshit) mit dem Gegner in ein konstruktives Gespräch zu gehen, sie zu „entzaubern“ usw. Und Währenddessen lachen sich die Rechten und Fäustchen, sind schon längst 5 Portionen Bullshit voraus und sehen genüsslich dabei zu wie er beim Bürger/Konsument verfängt da wir neurologisch so veranlagt sind.
Wir sind dabei den Kampf zu verlieren wenn wir nicht bald die Taktik ändern.
Wenn eine Zeitung wie der Merkur gegen den Pressekodex verstößt (Sorgfaltspflicht), kann man sich an den Presserat wenden, der in solchen Fällen die Redaktion rügt.
https://www.presserat.de/beschwerde.html
Ja. Hier sei die Frage erlaubt, was von einer Beschwerde zu erwarten ist. Was ich sicher weiß: der Presserat tagt nur wenige male im Jahr. Also wird er sich frühestens bei der nächsten Sitzung damit beschäftigen. Im schlimmsten Fall (für den Merkur) gibt es eine Rüge. Die wird dann Wochen bis Monate später beim Presserat veröffentlicht. Nochmal später wird sie im Online-Medium veröffentlicht. Merken tut man das eigentlich nur, wenn man explizit danach sucht.
Es wäre einigermaßen naiv zu glauben, dass eine (potentielle) Rüge auch nur annähernd die Reichweite des von @MT beschriebenen Shits erreichen würde. Selbst die Kommentare unter dem Artikel (die ja unter der „Veröffentlichungshoheit des Merkur stehen), dürften deutlich weniger Aufmerksamkeit erreichen, als der Artikel selbst. Die in einigen Kommentaren erwähnten Fakten ignorierenden Kommentare bezeugen das.
Will man den Unfug, den Anastasiadis da schreibt, möglichst effizient einfangen, dürfte der Leserbrief das geeignetste Mittel sein. Und da sind wir an der Stelle, die MT anspricht: wir (die linksgrünen?????) verlieren mit dieser Taktik.
@ 42 Xennial
Ich bedaure Ihren spontanen Rückzug. Zumal der Gegenwind ja so schlimm nicht war. Vielleicht kann Sie ja folgender Vorschlag zum Bleiben überreden: Sie kündigen Ihre Unterstützung nicht, sondern upgraden auf das 108-Euro-Abo. Darin ist ein gratis Gastzugang enthalten, den Sie an Mitkombattant:innen Ihrer Wahl vergeben können. Was meinen Sie?
Es ist sehr schade, dass diese eigentlich differenzierte und gute Diskussion am Ende doch wieder in persönlichen Angriffen mündet. Wir haben uns deswegen entschlossen, die Kommentarspalte an diesem Punkt zu schließen.
Grüße aus der Redaktion,
Annika Schneider