Die Kolumne

Der Begriff ist wieder in aller Munde. Alle wollen über Gaza sprechen, aber keiner über Genozid. Übrig bleibt ein Ausdruck – erfunden, um Mord nach Ordnung klingen zu lassen: „ethnische Säuberung“.
Politiker, Journalisten und sogar die Vereinten Nationen verwenden ihn. Woher der Begriff stammt? Vom serbischen Kriegsverbrecher Slobodan Milošević, der mit nur zwei Wörtern die wohl erfolgreichste Genozid-Propaganda der vergangenen Jahrzehnte erfunden hat.
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Danke für den Beitrag! Das klang für mich immer schon ein bisschen verharmlosend und seltsam klinisch. Aber das die Tagesschau da so ganz unreflektiert solche Propagandabegriffe benutzt ist schon eigentlich ein Skandal.
Volle Zustimmung! Diese niederträchtige Formulierung gehört auf den Müllhaufen! Danke für den Beitrag.
(Und wenn wir schon dabei sind: „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ ist niedlich – irgendwie wird da eine zarte Idee von Menschlichkeit verletzt – und sprachlich schlimm. „crime against humanity“ lässt sich sinnvoller übersetzen mit „Verbrechen gegen die Menschheit“ – und damit wird dann auch das Opfer des Verbrechens klarer. Aber dieser Sprachkampf ist wohl schon lange verloren. Stößt mir aber immer wieder auf.)
Ich stimme etwas skeptisch eher nicht zu. Für mich schwingt bei dem Begriff immer überheblicher Rassismus mit, er hallt stärker in mir nach als Genozid, was für mich klinischer klingt. Da würde mich interessieren, inwieweit hier eine Bedeutungsverschiebung stattgefunden hat… wenn zB die Tagesschau den Begriff verwendet, wie argumentiert sie das?
Aber ich bin zögerlich, weil es auch sehr gut möglich ist, dass tatsächlich Genozid vermieden werden soll. Dann passt die Kritik natürlich voll.
Ich sehe das ähnlich wie #3. Der Begriff wurde wie Sie schreiben ursprünglich gewählt weil er positive Assoziationen auslösen soll. Aber die beschönigende Wirkung hat er mMn längst verloren. Jeder denkt direkt an die schlimmsten Verbrechen, die die Menschheit begangen hat weil der Begriff nur in diesem Zusammenhang verwendet wird. Und es werden die rassistischen Motive der Täter hervorgehoben. Werden Aussagen wie die von Smotrich nicht auch einfacher durchschaubar, weil ethnische Säuberung ein bekannter Begriff ist?
Das ist die Wirkung des Begriffs auf mich persönlich. Was die völkerrechtliche Dimension angeht will ich aber auch nicht widersprechen.
Wie unter anderem ein einfacher Blick in die Wikipedia gezeigt hätte, stimmt an diesem Artikel leider vieles nicht:
1. Der Begriff wurde nicht von Slobodan Milosevic erfunden.
https://en.wikipedia.org/wiki/Ethnic_cleansing#Etymology
2. Der Begriff hat sehr wohl Eingang i.d. völkerrechtlichen Kanon gefunden, u.a. in UN-Sicherheitsrats-Resolution 780:
https://docs.un.org/en/S/RES/780(1992)
und hier auf der Seite der UN mit entsprechenden Kommissionsberichten, dort steht auch, dass der genaue Ursprung unklar sei:
https://www.un.org/en/genocide-prevention/definition
3. Der zitierte NYT-Artikel ist keinesfalls der erste mediale Gebrauch. Bereits 1982 zitierte die NYT einen albanischen Funktionär mit den Worten „ethnically clean“.
https://www.nytimes.com/1982/07/12/world/exodus-of-serbians-stirs-province-in-yugoslavia.html
Und 1991 benutzte die WaPo den Begriff bereits im Kontext der Balkankriege, und zwar als Zitat eines kroatischen Vorwurfs an die serbische Seite:
https://www.washingtonpost.com/archive/politics/1991/08/02/croatian-militia-falling-back-as-conflict-with-serbs-intensifies/afa856a2-7aa1-4986-a765-3f7c16811bfb/
Schon interessant, dass eine vermeintliche Medienkritik derart viele unbelegte, schlecht recherchierte und schlicht falsche Behauptungen enthält und für die vermeintliche Urheberschaft Milosevics noch nicht mal eine Quelle nennt.
An #5:
Wikipedia ist für uns keine journalistische Quelle für Faktenchecks, sondern höchstens Ausgangspunkt für die Recherche. Der deutsche und englische Wikipedia-Beitrag zum Thema unterscheiden sich zum Teil in ihren Inhalten. Unstrittig ist, dass der Begriff „ethnische Säuberung“ im Kontext der Jugoslawien-Kriege weithin bekannt wurde.
Zu 1: Quelle für die Erfindung durch Milosevic ist dieser Aufsatz des Genozidforschers und – aktivisten Gregory Stanton aus dem Jahr 2023: https://publuu.com/flip-book/943590/2071007
Zu 2 : Dass die UN den Begriff selbst verwenden, steht im ersten Abschnitt unseres Textes. Eine Erwähnung in einer Resolution oder auf einer Webseite macht den Begriff nicht zum Teil des Völkerrechts. Auf der von dir verlinkten UN-Seite schreiben die UN selbst, dass es keine offizielle Definition für den Tatbestand „ethnische Säuberung“ gibt.
Zu 3: Danke für den Hinweis auf die früheren Erwähnungen in Medien, die wir nicht gefunden haben. Unsere Quelle für die erste Erwähnung durch die „New York Times“ im Jahr 1992 war der bereits erwähnte Aufsatz.
Bisschen hin- und hergerissen bin ich schon: einerseits verstehe ich das Argument, aber andererseits verwendet (oder versteht) doch niemand „ethnische Säuberung“ positiv, oder?
Nun, vielleicht liegt eben doch ein Bedeutungsunterschied vor -zumindest im Verständnis vieler Empfänger der Botschaft:
Genozid – VERNICHTUNG eines Volkes
enthnische Säuberung VETREIBUNG eines Volkes (die [meisten] Angehörigen dieses Volkes könnten danach noch mit ihrem Leben davongekommen sein.
Ich denke, wenn Netanjahu tatsächlich einen Genozid im Sinn hätte, wären die Opferzahlen noch weit höher. Was wir sehen, sind Kriegsverbrechen und der Plan einer „ethnischen Säuberung“ von Gaza und dem Westjordanland.
Einen treffenderen Begriff für dieses Verbrechen kenne ich nicht. Gerade die scheinbare Harmlosigkeit der Formulierung macht deutlich, wie scharfsinnig Hannah Arendt die „Banalität des Bösen“ beschrieben hat.
Auch vor der Wannsee-Konferenz wäre wohl niemand auf die Idee gekommen, den Ausdruck „Endlösung“ mit einem derartigen Zivilisationsbruch, mit einer solchen Singularität zu verbinden. Es ist seine Profanität im eigentlichen Wortsinn, die ihn zum Inbegriff des Grauens macht.