Umstrittene Reality-Soap

Das Geschäft mit der Frauenverachtung

Der österreichische Privatsender ATV hat über Jahre hinweg Sexismus zum TV-Event gemacht. Im Frühjahr wurde die Kritik an „Das Geschäft mit der Liebe“ aber so laut, dass ATV Besserung gelobte. Hat das geklappt?
Szene aus der ATV-Reality-Soap „Das Geschäft mit der Liebe“: Heinz (r.) und die Thailänderin Aple sitzen an einem Tisch und halten sich an den Händen.
Heinz (r.) beim ganz ungezwungenen Date mit Aple in ThailandFoto: ATV

Man muss sich ATV vorstellen wie RTL2 auf Speed. Der österreichische Privatsender, der zur deutschen ProSiebenSat.1-Gruppe gehört, setzt im Wettkampf um Aufmerksamkeit vor allem auf günstig produzierte Reality-Formate, die allesamt noch etwas extremer sind als das, was man in Deutschland kennt. In einem ATV-Dating-Format fahren Männer ins Ausland, um sich dort über Tinder zu verabreden, in einer anderen Sendung dürfen sich Singles erst dann daten, wenn sie einen gewissen Alkoholpegel erreicht haben. Der Titel: „Drunk Dates – Ein Rausch für 2“.

Und dann gibt es da auch noch „Das Geschäft mit der Liebe“. 

Seit 15 Jahren läuft das Format bei ATV und wurde immer wieder kritisiert, weil es frauenverachtenden Sichtweisen und teils sexistischem Verhalten der teilnehmenden Single-Männer eine Bühne bot – zur familienfreundlichen Sendezeit um 20:15 Uhr.

Das Konzept ist schnell erklärt: ATV karrt eine Handvoll Männer ins Ausland, um sie dort mit der Hilfe von Vermittlungsagenturen Frauen vorzustellen. Über die sie sich dann oft derart abwertend äußern, dass man schnell einen Eindruck vom meist fragwürdigen Welt- und Frauenbild dieser Herrschaften bekommt. Den größten Shitstorm für sein „Geschäft mit der Liebe“ bekam ATV erstaunlicherweise dennoch erst in diesem Jahr ab, zur Ausstrahlung der nunmehr elften Staffel und ausgelöst durch Florian Klenk, den Chefredakteur der linksliberalen Wiener Wochenzeitung „Falter“. 

„Zuhälterfernsehen“

Klenk wurde auf Instagram zufällig auf Ausschnitte der Sendung aufmerksam und regte sich öffentlich so lange darüber auf, bis die Debatte in die höchsten politischen Kreise schwappte – und sich die ATV-Führung nicht mehr länger wegducken konnte. Anders als früher, als sich immer wieder Kritik regte, auch von Frauen. Was die Verantwortlichen bei ATV aber wohl nicht juckte.  

Die Ausschnitte, die Klenk sah, sind zweifelsohne verstörend. Ein Teilnehmer der Sendung brachte etwa zum Ausdruck, am liebsten sofort Sex haben zu wollen mit einer der ihm zugedachten Frauen. In Thailand wiederum wurde eine der Frauen in einem sichtlich alkoholisierten Zustand Huckepack weggetragen – von einem Mann, der sich zuvor noch vulgär über ihre angebliche sexuelle Verfügbarkeit äußerte und einzelne Sex-Praktiken beschrieb. Wie es danach weiterging, konnte das Fernsehpublikum nicht sehen, weil in diesem Moment die Folge endete. 

Von „Zuhälterfernsehen“ und „Vergewaltigungs-TV“ sprach „Falter“-Chefredakteur Klenk; die Show sei „frauenverachtender Müll, eine Verharmlosung von Rape-Culture, Ausbeutung und Frauenhandel“. 

Kritik aus der Politik

Nach seiner Kritik schalteten sich die Frauensprecherinnen und Frauenvorsitzenden zahlreicher Parteien in die Debatte ein und der sozialdemokratische Medienminister Andreas Babler kritisierte nicht nur die „sexualisierte Gefügigmachung von Frauen“, sondern kündigte auch Gespräche mit der ATV-Geschäftsführung an. Die Medienbehörde KommAustria wollte sogar das Format überprüfen, was bis heute nicht abgeschlossen ist. Kein Wunder angesichts dutzender Folgen, die seit dem Start im Jahr 2010 ausgestrahlt wurden.

Die auch für den österreichischen Medienmarkt scharfen Reaktionen machten Eindruck beim Sender: ATV nahm alle bis dato gezeigten Folgen der aktuellen Staffel aus dem Netz und versprach, sie und bestehende Richtlinien zur Produktion von TV-Formaten zu überarbeiten. ATV-Chef Thomas Gruber entschuldigte sich und räumte ein, mit einigen Szenen die „Grenzen des ethisch Vertretbaren überschritten“ zu haben. Eine späte Erkenntnis, die jedoch nicht zu einer generellen Abkehr vom „Geschäft mit der Liebe“ führte – dafür waren die Quoten in der Vergangenheit schlicht zu gut. 

Ein Mann aus Österreich und eine Frau aus Thailand im Pool. Der Mann präsentiert seine Oberarmmuskeln, die Frau lächelt.
Pluster: Michael zeigt, was er hatFoto: ATV

Und so kehrte das Format also vor wenigen Tagen ins ATV-Programm zurück. Die frauenverachtenden Aussagen der Protagonisten sind zwar geblieben, sie werden aber nun auffällig häufig eingeordnet, vom Off-Sprecher etwa oder mittels einer Einblendung. „Fordert das Maximum, liefert das Minimum“, steht da jetzt beispielsweise über einen der Single-Männer in einer Bauchbinde, als er über seinen Frauen-Typ philosophiert. Ein anderer bekommt den schriftlichen Zusatz: „Bodybuilder und Empathie-Leichtgewicht“. Und über zwei weitere Männer witzelt der Off-Sprecher: „Ob sich überhaupt ein Wesen diesen beiden Geschöpfen hingeben wird, bleibt ernsthaft fraglich.“

Die neue Distanz

Wirklich ernsthafte Kommentare zu problematischen Szenen oder Äußerungen sind diese oft ironischen Anmerkungen eher nicht, sie passen sich vielmehr nahtlos in den gewohnten Tonfall der Sendung ein. Zumal sie vom selben Sprecher vorgetragen werden, der seit Jahren als Off-Stimme der Sendung fungiert. Aber die neuen Einordnungen wirken dennoch nicht nur wie ein Feigenblatt, um mögliche Kritik abzufedern. Sie ändern den Gesamteindruck der Show, schaffen etwas Distanz. Es wird eben nicht mehr alles nur noch unmittelbar gezeigt. 

Neu ist auch ein kurzer Warnhinweis zu Beginn der Folgen, der auf „schockierende Verhaltensweisen“ hinweist, die die Partnersuche „unnötig verlängern“ würden. Und ATV hat eine weitere Meta-Ebene eingezogen: Ehemalige Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommentieren nun das Geschehen. Wobei in der ersten Folge davon noch nicht viel zu sehen war. Kurz wurde die öffentliche Kritik an der Sendung thematisiert, aber gleichzeitig auch Kritik an der Kritik geübt. In dem Sinne, dass diese doch vielleicht auch etwas überzogen gewesen sei. In der zweiten, gerade ausgestrahlten Folge ist die Einordnung durch ehemalige Teilnehmer etwas präsenter.

Immerhin: Aussagen, die aus Sicht des Senders gar nicht mehr zu rechtfertigen waren, wurden nach Angaben von Oliver Svec, Unterhaltungschef bei der Österreich-Tochter von ProSiebenSat.1, komplett rausgeschnitten. Die vielfach kritisierte Huckepack-Szene hingegen geht nun weiter: Nach Angaben des Unterhaltungschefs wird in einer späteren Folge der Staffel zu sehen sein, dass die Gruppe gemeinsam in ein Hotel fährt. Die Frau soll dort angeblich nicht mehr so betrunken gewesen sein wie im gezeigten Ausschnitt, in dem es auch aussah, als hätte der Mann sie einfach so mitgenommen. ATV hatte bewusst Interpretationsspielraum gelassen, als Cliffhanger.

Bei einer Presse-Vorschau der ersten Folge, bei der Übermedien dabei war, erklärte Unterhaltungschef Oliver Svec, man habe erst überlegt, den gesamten Thailand-Strang aus der Staffel zu streichen. Nachdem man das ganze Rohmaterial gesichtet und analysiert habe, nach Unternehmensangaben zusammen mit den thailändischen Frauen, sei man aber zu dem Schluss gekommen, dass alle Teilnehmer freiwillig handeln würden. Den schweren Vorwurf des Menschen- bzw. Frauenhandels sieht ATV deshalb entkräftet. Dass man dazu erst noch mal alles ansehen musste, sagt viel aus über die Qualitätskontrollen der Vergangenheit. 

Erst mal „durchtesten“

Und auch wenn „Das Geschäft mit der Liebe“ jetzt spürbar anders daherkommt – harmlos ist die Sendung nach wie vor nicht. In der neuen Folge gibt einer der teilnehmenden Männer zu Protokoll, er suche eine Frau mit „fettem Oarsch“, ein anderer sagt, er erwarte schon, dass seine Frau die Wäsche aufhängt, verbunden mit der Frage: „Wofür hab‘ ich sie dann?“ In Thailand will sich der Mann erst mal „durchtesten“ – und es muss gar nicht näher ausgeführt werden, was er damit meint.

Frauen werden in „Das Geschäft mit der Liebe“ also auch weiterhin von Männern zu Objekten degradiert. Dennoch dürften Fans des Format den Unterschied zu früheren Folgen bemerken, die ATV übrigens nicht noch mal überprüft hat, weil sie verbal angeblich weniger extrem gewesen sein sollen als die aktuellen Folgen.

Dass ein Mann noch im vergangenen Jahr ohne jegliche Einordnung erklärte, Frauen werde langweilig, wenn man sie nicht beschäftige, weshalb sie Sex mit anderen Männern hätten? Offenbar geschenkt. Die Beschwerde eines Teilnehmers, dass eine der thailändischen Frauen Haare an den Beinen habe, „normale Frauen“ das aber nicht hätten? Stört ATV auch nicht.

Und dann war da ja auch noch ein Mann, der in einer weiteren Folge einem sogenannten Ladyboy erst in den Schritt greifen wollte, ihm kurz darauf einen Kuss aufdrängte und schließlich auf den Po haute. Währenddessen zoomte die Kamera zwischen die Beine der Person. Nichts davon erweckt den Anschein, als heiße der Thai das Vorgehen gut. Bei ATV aber läuft sowas locker über den Sender. 

In seinen überarbeiteten Richtlinien hat ATV inzwischen übrigens auch festgehalten, dass die Freiwilligkeit der Teilnahme eines jeden Protagonisten dokumentiert sein muss. Außerdem wird allen Beteiligten erklärt, wo sie da genau teilnehmen – inklusive der Info, worum es geht. Offenbar ein Punkt, den man in der Vergangenheit kurioserweise anders gehandhabt hat. Für Teilnehmerinnen und Teilnehmer an ATV-Formaten besonders relevant: Die Protagonisten erhalten eine Art Veto-Recht bei Szenen, die unter Alkoholeinfluss entstehen. Da einige der Teilnehmenden durch ihre frauenverachtenden Verhaltensweisen aber mittlerweile so etwas wie, nun ja, Kult-Figuren in gewissen Schichten geworden sind, muss man beim Sender eher nicht befürchten, künftig ohne Material dazustehen. 

Schwache Quote

Den TV-Quoten hat die Überarbeitung des Formats und der Rummel der vergangenen Monate übrigens nicht geholfen. Die ersten beiden Folgen erreichten im Schnitt nur 85.000 Zuschauerinnen und Zuschauer – keine sonderlich überragende Reichweite für ATV. In der Vergangenheit erreichte das Format regelmäßig weit mehr als 100.000 Personen, auch Reichweiten von über 200.000 im Staffelschnitt waren schon drin. Durch die Überarbeitung der Folgen ist „Das Geschäft mit der Liebe“ jetzt aber erstmals im generell zuschauerschwächeren Sommer zu sehen. 

Die Sendung komplett einzustellen, das wird der Sender wohl auch künftig nicht in Erwägung ziehen. „Wir sind ein privatwirtschaftliches Unternehmen“, sagt Unterhaltungschef Oliver Svec und verweist auf den Erfolg in der Vergangenheit. Ohnehin sei es nicht so einfach, Formate zu produzieren, die gute Quoten holten. Reality, ist Svec überzeugt, dürfe auch Verhalten zeigen, das nicht vorbildhaft sei. Ob die eingefleischten Fans langfristig mitziehen werden, wenn dieses Verhalten nun in der Sendung eingeordnet und sexistisches Verhalten benannt wird – mal sehen.

Nachtrag, 9.9.2025. ATV wird vorerst keine neue Staffel von „Das Geschäft mit der Liebe“ beauftragen. Das hat Unterhaltungschef Oliver Svec gegenüber DWDL.de bestätigt. Man schließe aber einen Relaunch des Formats in der Zukunft nicht aus.

6 Kommentare

  1. Ist Österreich eigentlich Bayern hoch zwei oder fühlt sich das nur so an, wenn man im Norden wohnt? Alles was hier schlimm ist ist da noch schlimmer – oder?

  2. #2
    Wenn man den Kanälen des österreichischen Journalisten Michael Bonvalot folgt, drängt sich dieser Eindruck durchaus auf.

  3. #1 – das kann man nicht pauschal sagen. Die Blödheit in Bayern ist selten zu überbieten – bei den Österreichern kann man ab und an wenigstens mal lachen.

  4. Beim Unmenscheln wird’s erst interessant, erklärte mir Sarah Kuttner noch vor einigen Jahren hier.

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