Der Autor

Stefan Niggemeier ist Gründer von Übermedien und „BILDblog“. Er hat unter anderem für „Süddeutsche Zeitung“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ und den „Spiegel“ über Medien berichtet.
Anfang des Jahres war der bayerische Ministerpräsident Markus Söder zu Gast im „Promi Deep Talk“ von „Bild“. Der stellvertretenden Chefredakteurin Tanja May erzählte er ausführlich von seinem Glauben, vom frühen Tod seiner Mutter und auch davon, dass er kein Freund von Lob sei, das über ihm ausgeschüttet werde. Er setzte an: „Als ich den Bayerischen Verdienstorden bekommen habe, damals, da geht man so einen langen Gang vor, Sie waren ja schon ein paar Mal dabei …“
„Ich hab ihn aber noch nie gekriegt“, warf May ein und lachte.
„Okay, ich höre den Ehrenwunsch heraus“, notierte Söder.
Als Söder in dieser Woche den Bayerischen Verdienstorden 2025 verlieh, im Antiquarium der Münchner Residenz, da war Tanja May wieder dabei, aber diesmal hat sie ihn auch gekriegt. Der Bayerische Ministerpräsident ehrte die Boulevardjournalistin gemeinsam mit 62 anderen Menschen „für hervorragende Verdienste um den Freistaat Bayern und das bayerische Volk“.
Ausgezeichnet wurden unter anderem eine Frauenaktivistin, die sich für Opfer weiblicher Genitalverstümmelung einsetzt, ein Senner, der auf seiner Alm Führungen für Schulklassen gibt, eine Frau, die seit über 60 Jahren ihre schwerstbehinderte Tochter pflegt, Fußballtrainer, die Sänger Michael Holm und Jürgen Drews, die sogenannten Kessler-Zwillinge – und eben Tanja May.
In der Laudatio auf sie heißt es:
„Tanja May aus München hat sich als führende Journalistin in der deutschen Medienlandschaft einen festen Platz erarbeitet. (…) Sie versteht es, Geschichten so zu erzählen, dass sie bewegen und ein breites Publikum erreichen. Dabei gelingt es ihr, private Lebenswelten sichtbar zu machen, ohne den Respekt vor den Menschen zu verlieren. Für ihr publizistisches Wirken und ihren bedeutenden Beitrag zur Gestaltung des modernen Journalismus verdient Tanja May Anerkennung und Dank.“
Es ist eine Würdigung und ein später Erfolg für eine Frau, die seit Jahren mit bewundernswertem Engagement dafür kämpft, dass man ihren fehlenden Respekt vor den Menschen mit Respekt verwechselt.
Die Kommentare mit Überschriften wie „Es geht immer um Werte, Vertrauen und Herzensbildung“ schreibt, wenn sie nicht gerade daran arbeitet, das Privatleben von Menschen in ihren düstersten intimen Momenten in die Öffentlichkeit zu bringen.
Die erzählt, sie müsse trotz ihrer Arbeit „immer in den Spiegel gucken können“, und niemand fragt, wie es dem Spiegel damit eigentlich geht.
Die es nicht dabei belässt, über Prominente zu schreiben, sondern auch Privates über Menschen veröffentlicht, die ihnen nahe stehen, aber in keiner Weise in der Öffentlichkeit.
Zu deren beruflichen Höhepunkten eine Titelgeschichte in „Bunte“ gehört, in der sie von einem „Weihnachtswunder“ bei Michael Schumacher kündete: „Er kann wieder gehen“, eine unwahre Behauptung, wie ein Gericht später feststellte, das die Zeitschrift zu einer Zahlung von 50.000 Euro verurteilte.
Und natürlich, Jahre vorher schon, die überaus vorverurteilende und unzulässige Berichterstattung über den Wettermoderator Jörg Kachelmann.
Es ist nicht so, dass die Arbeit von Tanja May sonst nicht gewürdigt wird, wenn es der Bayerische Ministerpräsident nicht gerade tut. Gerichte tun es häufiger. Und der Presserat, gerade erst wieder. Am 23. Juni sprach er eine Rüge aus gegen „Bild“ wegen mehrerer Beiträge über den mutmaßlichen Suizid des Freundes einer Schauspielerin, an denen auch Tanja May mitwirkte. Die Berichterstattung habe Prinzipien der Suizidberichterstattung „grob missachtet“, sei „unangemessen sensationell“ gewesen und habe die „Menschenwürde und das Ansehen der Presse“ verletzt.
„Bitte machen Sie weiter so!“, rief der Bayerische Ministerpräsident den Ausgezeichneten am Mittwoch in der Residenz noch zu.
Der Bayerische Verdienstorden ist eine verhältnismäßig große Sache. Er wird seit 1957 jedes Jahr vom Ministerpräsidenten verliehen; die Zahl der lebenden Ordensinhaber soll zu keinem Zeitpunkt 2000 überschreiten. Ein eigenes Gesetz regelt die Details: Vorschlagsberechtigt sind der Ministerpräsident und die Minister der Landesregierung. Ein Ordensbeirat, der aus der Präsidentin des Landtags und dem stellvertretenden Ministerpräsidenten besteht, prüft die Vorschläge und spricht Empfehlungen aus.
Jedermann kann eine „Anregung“ auf Verleihung eines Ordens einreichen. Die Staatskanzlei weist vorsorglich darauf hin, dass die „reine Erfüllung von Berufspflichten“ allein nicht genügt. Dieses Kriterium erfüllt die „Bild“-Vizechefin zweifellos: Dass sie nur ihre journalistischen Pflichten erfüllt, kann man ihr beim schlechtesten Willen nicht vorwerfen, so konsequent und spektakulär wie sie bei ihrer Arbeit die Grenzen von Anstand, Ethik und Recht überschreitet.
Tanja May ist nicht die einzige, nun ja: Journalistin, die in diesem Jahr mit dem Verdienstorden ausgezeichnet wurde. Auch „Bunte“-Chefredakteur Robert Pölzer darf sich fortan mit dem Malteserkreuz schmücken und lebenslang zusammen mit einer Begleitperson unentgeltlich alle staatlichen bayerischen Schlösser, Gärten, Seen und Museen nutzen und kostenlos die Bayerische Schifffahrt auf Ammer-, Königs-, Tegern- und Starnberger See nutzen. Seine Vorgängerin Patricia Riekel hatte den Verdienstorden vor zwei Jahren bekommen.
In der Laudatio auf Pölzer heißt es:
„Robert Pölzer aus Starnberg gehört zu den erfahrensten und prägendsten Blattmachern Deutschlands. Von führenden Positionen bei ‚Neue Revue‘ und ‚Bild am Sonntag‘ bis zur Chefredaktion der ‚Bunten‘ steht sein Name für journalistische Qualität, Verantwortung und Haltung. Mit klarer Linie und menschlicher Handschrift gibt er dem People-Journalismus Richtung und Maß. Seine Kolumnen und die von ihm geprägte ‚Bunte‘ bereichern den öffentlichen Diskurs. Für sein publizistisches Wirken und seinen wichtigen Beitrag zu Verantwortung und Haltung im Journalismus verdient Robert Pölzer Anerkennung und Dank.“
Das hier muss mit der „menschlichen Handschrift“ gemeint sein:
Jede Woche steht Pölzers Unterschrift in „Bunte“ unter seinem Editorial, das immer mit einem selbstgeklöppelten Sinnspruch endet. Ich habe diese Pölzerismen schon vor ein paar Jahren gründlich zu würdigen versucht, obwohl ich nicht sicher bin, ob seine Lebensweisheiten wie „Ein Zaun ist nur ein Zaun, wenn du davorstehst“ und „Eine Tür ist erst eine Tür, wenn man durch sie hindurchgeht“ wirklich „den öffentlichen Diskurs“ bereichern und nicht doch nur meine persönliche Freude an Cringe, der schlimmer ist als jeder Abreißkalender.
Doch die „Bunte“ besteht ja nicht nur aus Pölzers Vorwort. In dieser Woche zum Beispiel feiert sie auf sechs Seiten München als „das zweite Hollywood“. Das ist ein Gedanke, den niemand geringerer als der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder anlässlich des Filmfests formuliert hat, und „Bunte“ zitiert begeistert seine Begeisterung und gibt ihm recht und freut sich über die angekündigten Steuererleichterungen für die Branche.
Ist doch schön, wenn in der Woche der Ordenspreisverleihung nicht nur der „Bunte“-Mann beim Ministerpräsidenten gefeiert wird, sondern auch der Ministerpräsident in „Bunte“.
Und was Pölzers angeblichen „wichtigen Beitrag zu Verantwortung und Haltung im Journalismus“ angeht, lohnt vielleicht ein Blick in paar frühere Ausgaben oder jedenfalls das, was von ihnen übrig geblieben ist, wenn Gerichte über „Richtung und Maß“ des von Pölzer verantworteten menschlichen Journalismus entscheiden haben:
Besonders bemerkenswert war die Titelgeschichte vom 8. Mai, in der zwei „Bunte“-Redakteure voller Besorgnis fragen, wie es der Sängerin Lena Meyer-Landrut geht, die sich vor knapp einem Jahr aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat; „aus gesundheitlichen Gründen“, wie sie selbst bekannt gegeben hatte. „Exklusiv“ enthüllte „Bunte“, wo dieser „geheime Rückzugsort“ liegt – und veröffentlichte Fotos, die sie zeigten, wie sie dort privat herumschlendert und „neue Energie“ tankt, offenbar verfolgt von Paparazzi. „Abgetaucht! Hier soll ihre Seele heilen“, titelte „Bunte“.
Die Fotos sind inzwischen auf gerichtlichen Beschluss hin verschwunden, aber was bleibt, ist ja die Würdigung des „Bunte“-Chefredakteurs, der nach Ansicht des Bayerischen Ministerpräsidenten „Anerkennung und Dank“ verdient für sein publizistisches Wirken.
Oder um es mit einem Pölzerismus zu sagen: „Du bist, wie du bist, weil du bist, wie du bist.“
Stefan Niggemeier ist Gründer von Übermedien und „BILDblog“. Er hat unter anderem für „Süddeutsche Zeitung“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ und den „Spiegel“ über Medien berichtet.
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Ein weiterer Tropfen in mein Fass „Warum ich keinen Unterschied sehe zwischen Großjournalisten und Politikern“.
Krieg ich jetzt den Bachmann-Preis?
#1 Nö, weil das Fass unsachlich pauschalisierend benannt ist.
May und Pölzer stehen nicht für Journalismus (was ist „Großjournalismus“?) und schon gar nicht stellvertretend für den gesamten Journalismus und Markus Söder glücklicherweise auch nicht stellvertretend für „die Politiker“.
Ansonsten: Wie schafft man es nur, solche absurd unwahren Laudatios zu schreiben?
Ausbeinen kann man auch nur mit Armen. Und gar Händen. Schon mal drüber nachgedacht?
Ein besinnliches Wochenende wünscht herzlich
Ihr KK
Würde mich nicht wundern, wenn sich einige aufrechte und wirklich verdiente Frauen und Männer dazu durchringen, ihre by. Verdienstorden zurückzugeben. Sicherlich gibt es weitere Fälle in denen die Vergabe dieses Ordens berechtigt in Frage gestellt werden kann, aber sichtbarer als bei den beiden beschrieben Personen kann der Missbrauch und damit die Entwertung einer solchen Auszeichnung nicht mehr gemacht werden.
Anton Sahlender, Journalist
Bah, danke für die Anti-Laudatio.
Was anderes: Der Ausriß aus der Bunten wird mir nicht angezeigt und der Alt-Text sagt mir nicht, was der Inhalt ist. Das solltet ihr verbessern.
„Geschichten so zu erzählen, dass sie bewegen und ein breites Publikum erreichen (…)“
Immerhin ehrlich: Sie ist für Emotionalisierung und Reichweite ausgezeichnet worden, nicht für Recherche oder Wahrheitsgehalt.
„(…) private Lebenswelten sichtbar zu machen, ohne den Respekt vor den Menschen zu verlieren.“
Auch hier: Gutes Wording, Herr Redenschreiber vom Laudator. Nirgends steht hier, dass sie Respekt vor den Menschen hat, von denen sie Privates ungefragt in die Öffentlichkeit zerrt. So stellt man auch keine falschen Tatsachenbehauptungen auf.
Man kann gar nicht so viel essen …
„Ein Kackhaufen ist nur ein Kackhaufen, wenn Du auch reintrittst.“ (Bekomme ich jetzt den Pölzer-Preis?)
Söder scheint konsequent an der Erweiterung seiner Reichweite zu arbeiten. Demnächst (einmal) als Co- Moderator eines Münchener Lokalsenders. Dafür ist das „Kuscheln“ mit der Bild sicher auch hilfreich.