Der Presserat macht es weiter künstlich schwer, nachzuschlagen, welche Medien er gerügt hat
In diesem Herbst war der Deutsche Presserat einmal sehr stolz auf sich. Der Anlass: die Renovierung der eigenen Datenbank. „Mit der Publikation der Volltext-Entscheidungen machen wir unsere Arbeit für eine breitere Öffentlichkeit noch transparenter und im Detail nachvollziehbarer“, freute sich Manfred Protze, der Sprecher des Presserats.
Der konkrete Fortschritt, der mit dieser Neuregelung verbunden ist: Bis dahin waren für die Öffentlichkeit bloß kurze Zusammenfassungen der Entscheidungen zugänglich. In vollständiger Form verschickte sie der Presserat nur an die unmittelbar Beteiligten. Die seit der Neuregelung veröffentlichten Texte geben dagegen einen genaueren Einblick in die Argumentation derjenigen, die sich beschwerten, und der Medien, über die sie sich beschwerten – sofern sie zu den Vorwürfen Stellung genommen haben.
So kann man jetzt nachlesen, wie eine Zeitschrift rechtfertigte, dass sie nach dem Tod des Schauspielers Fritz Wepper auf dem Titel mit den Worten „Sein geheimes Testament – Jetzt kommt die ganze Wahrheit ans Licht“ geworben hatte, obwohl der Beitrag selbst keinerlei Fakten zu einem (geheimen) Testament enthielt. Der Chefredakteur erklärte gegenüber dem Presserat, man habe damit gar keine „Enthüllung“ angekündigt: Man habe zusammengetragen, was über den letzten Willen Weppers bekannt gewesen sei. Dazu gehörte auch die Existenz eines Testaments – dessen Inhalt unbekannt sei (daher „geheim“).
Es sei im Grundsatz verständlich, dass der Beschwerdeführer gerne noch mehr erfahren hätte, schrieb der Chefredakteur laut Presserat. Wenn es jedoch ein Verstoß gegen die journalistische Ethik wäre, dass Leser vom Informationsgehalt eines Artikels enttäuscht sind, hätte der Presserat viel zu tun.
(Der Presserat sprach dennoch eine Rüge aus, weil die Leser durch den Titel „grob in die Irre geführt“ worden seien. Der Beschwerdeausschuss sah darin eine „unwahrhaftige Berichterstattung und eine Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht.)
Das haben wir schon immer so gemacht
Dieser Fortschritt bei der Transparenz verblasst allerdings, weil der Presserat das Aufpimpen seiner Datenbank nicht dafür genutzt hat, eine ihrer Kardinalschwächen zu beseitigen. Die Regel, die gerügten Medien hier – anders als an anderen Stellen auf der Website – nicht namentlich zu nennen, bleibt bestehen. Deshalb taucht auch beim genannten Beispiel zur Rechtfertigung des Fritz-Wepper-Covers nicht auf, um welche Zeitschrift es sich handelt (die „Freizeit Revue“ von Burda), deren Chefredakteur hier so originell argumentierte (Kai Winckler).
Über Rügen
Die Entscheidungen des Presserats finden, von wenigen spektakulären Ausnahmen abgesehen, selten große Aufmerksamkeit. Dabei wäre das eine der besten Wirkungen, die sie auslösen können: eine breite öffentliche Debatte. W…
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