Österreich

TV-Experiment geglückt

So, ich habe dann nun auch mal das TV-Duell gesehen zwischen den beiden, nun ja, Herren, die gerne in Österreich Bundespräsident werden wollen. Am Sonntag sind sie im österreichischen Sender ATV aufgetreten, und zwar nur die beiden, zu zweit: Norbert Hofer von der FPÖ und der Grüne Alexander van der Bellen. Dass sie ohne Moderator diskutiert haben, ist nicht neu, das gab es früher schon einmal, in den Siebzigern im ORF. Trotzdem hieß es vorab, dies sei ein „TV-Experiment“, also: gewagt – und alle waren mächtig gespannt.

Van der Bellen (links), Hofer (rechts)
Alexander van der Bellen (links), Norbert Hofer (rechts) Screenshot: atv.at

Um es kurz zu machen: Es war ein schreckliches Gespräch.

Über weite Strecken schien es, als hörte man nicht zwei Männern zu, die bald Staatsoberhaupt der Republik Österreich werden möchten, sondern Jungen, die sich streiten, wer zuerst ins Tor darf. Und gerade weil das so war, ist es gut, dieses Format wiederbelebt zu haben. Das „TV-Experiment“ ist geglückt. Man sollte es in Deutschland adaptieren, gleich zur nächsten Bundestagswahl.

Viele sehen das anders: Ein „heikles Medienexperiment“, nennt es „Die Zeit“. „Ein Experiment, das scheitern musste“, schreibt der „Kurier“. Und die „Welt“ seufzt: „Nach 45 Minute ertönt der Gong, er ist die Erlösung.“

Das stimmt, aber: Das TV-Format an sich ist hier nicht gescheitert.

Mag sein, dass es nicht gerade dem ehrwürdigen Amt dient, zwei Hähnen beim Streiten zuzusehen; mag auch sein, dass dies nicht unbedingt dazu beiträgt, Politiker gut zu finden – aber: Ja, und? So ist das dann eben.

Das Gute an diesem Format ist, dass es entlarvt, wie die Kandidaten ticken, was sie fachlich drauf haben – beispielsweise: wenig –, und wie sie in einer Unterhaltung agieren. Ob sie, vor allem, sachlich miteinander diskutieren können, wie Staatsmänner (oder -frauen) – auch wenn man sie alleine lässt.

Das damals traditionelle "TV-Duell" im ORF, 1975
Das damals traditionelle „TV-Duell“ im ORF, 1975 Screenshot: ORF

Dass sie es es nun, wie bewiesen, nicht vermögen, sachlich zu diskutieren, ist kein Problem des Formats, es ist ein Problem der Diskutanten. Als 1975 die damaligen Kanzlerkandidaten Kreisky und Taus im unmoderierten Duell aufeinander trafen, lief es noch anders ab: Beide hatten Akten vor sich, aus denen sie zitierten. Sie diskutierten spitz, aber ruhiger, mit Format. Und über Themen, wofür damals auch noch mehr Raum war: mehr als eine Stunde.

Gut, das war eine andere Zeit damals. Aber auch der desaströse Verlauf jetzt hat einen Wert. Spätestens seit Sonntag weiß man nun also sicher, wer genau da Bundespräsident werden möchte, auf der einen wie auf der anderen Seite: Zwei Politiker, die um sich kreisen statt um Österreichs Gemeinwohl, wie sie natürlich vorgeben.

Die Wochenzeitung „Falter“ hat, mit Hilfe eines Kommunikations-Trainers, sehr lesenswert analysiert, wie der stellvertretende FPÖ-Obmann Norbert Hofer in (Fernseh-)Debatten auftritt und welche rhetorischen Tricks er dabei anwendet. Gelernt hat er seine Praktiken offenbar schon früh:

Von 1995 bis 1999 besuchte er Seminare wie Rhetorik, Kommunikation, Crash-Rhetorik, Team-Design, Medienarbeit, Projektmanagement und NLP – eine Kommunikationstechnik, die nicht nur in Therapien eingesetzt wird, sondern auch missbraucht werden kann, um andere Menschen zu manipulieren.

Einiges von dem, was Hofer immer anwendet, war nun auch im TV-Duell zu sehen, quasi in Reinform: das Lachen zum Beispiel, mit dem er einen Angriff seines Gegenübers abzuwehren sucht; das Belehren, die Gestik des anderen sei unhöflich; oder seine Behinderung, der schlimme Unfall – auch darauf greift Hofer, zum Zwecke der Emotionalisierung, gerne zurück.

Und doch wirkte der FPÖ-Mann eben gar nicht wie ein Kommunikationsprofi, und unsympathisch obendrein. Ganz zu schweigen von seinem Kontrahenten van der Bellen, der bisher als die bessere Wahl galt und sich am Sonntag zum kleineren Übel degradiert hat. Immer wieder singsangte er, dass er aber nun dra-han sei, und dass er eine Fra-hage gesteeelt habe! Was Herrn Hofer dazu bewegte, van der Bellen ein Gespräch mit der Wasserflasche zu empfehlen:

Schau’n Sie, reden Sie mit der Flasche, weil die redet nicht zurück. Des is‘ sicher spannender.

Wie gesagt: Das alles war ganz schön inhaltsleer und deppert. Nur wenige der 45 Minuten verwendeten die Kontrahenten darauf, über Themen zu reden. Meistens ging es um sie selbst: Sie haben aber! Ich habe aber! Und von vorn.

Doch: Ist das ein Argument gegen das Format? Ich finde: Nein. Eher dafür.

Stefan Niggemeier hatte 2013, anlässlich der vorigen Bundestagswahl, bereits dafür plädiert, es so zu machen wie nun ATV in Österreich. Damals kam es hierzulande zu der Absurdität, dass vier Moderatoren das Duell zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück moderierten. Was dazu führte, dass wir dann – unwichtigerweise – auch über die Performance der Moderatoren diskutierten, statt bloß über das, was die Kandidaten so erzählt haben.

Ein Gespräch ohne Redezeiten aber, ohne vereinbarte Themen und ohne Moderatoren ist ungleich spannender, auch wenn die Kandidaten damit nicht umgehen können und sich, wie hier, ganz alleine zerlegen.

Zumal die ATV-Sendung in ihrem Ausgang eben nur eine Möglichkeit darstellt. Eine Diskussion zwischen Angela Merkel und einem Kanzlerkandidaten der SPD würde ganz anders verlaufen. Und das Beste daran wäre: Man wüsste nicht, wie. Das ist dann Fernsehen, wie es spannender nicht sein kann.

Und wenn nach einem solchen Gespräch die Zuschauer, also: die Wähler, finden, dass sie aber keinen der beiden wählen können, weil beide so doof und kindisch sind, tja – wessen Problem ist das dann nochmal?

Nachtrag: ARD-Chefredakteur Thomas Baumann hat in der „Welt“ durchblicken lassen, dass es mit ihm kein TV-Duell ohne Moderator geben werde. „Eine Duellsendung braucht Struktur und Führung – inhaltlich und strukturell“, so Baumann. Das Duell zur Bundestagswahl vor drei Jahren, das von vier Moderatoren der Sender ARD, ZDF, ProSiebenSat.1 und RTL geleitet wurde, habe sich „im Kern bewährt“. Ob man allerdings vier fragende Journalistinnen und Journalisten brauche, „das lasse ich dahingestellt“. Baumann ist noch bis Ende Juni Chefredakteur der ARD. Dann übernimmt der amtierende Chef des Hauptstadtstudios, Rainald Becker.

Der Sender RTL erklärt indes in der „Welt“, man sei „generell daran interessiert, Formate für unsere Zuschauer weiterzuentwickeln“. ProSiebenSat.1 und das ZDF wollen sich derzeit nicht äußern. ZDF-Chefredakteur Peter Frey sagt bloß, dass Fernsehduelle in Deutschland „ihre eigenen Spezifika“ hätten. Was immer das bedeutet.

17 Kommentare

  1. In der Tat. Ich habe mich auch über die Kommentare der deutschen Zeitungen gewundert und – ohne jetzt Verschwörungen postulieren zu wollen, wo Dummheit als Erklärung genügt – mich dabei gefragt, ob die es wirklich für die Aufgabe von Medien halten, unreife, arrogante, ahnungslose Unsympathen nicht als solche zu zeigen, damit das Amt, das sie demnächst wahrscheinlich bekleiden werden, nicht an Achtung verliert, oder so.

  2. Die Frage ist doch, was macht ein etabliertes Medium, das gerne mal einem Kandidaten und Partei hinterschreibt, wenn sich beide Kandidaten bei einem solchen Format derart demontieren?
    Das hilft auch die beste Schönschreiberei nichts mehr.
    Wie es in Deutschland aussehen könnte, ist fraglich. Würden Merkel und Gabriel sich gegenüber sitzen, ich glaube, das wäre ein voreinstudiertes Geplänkel, je nachdem, wie tief man mit dem Hintern jeweils auf Grundeis sitzt.
    Gehen jedoch andere Kandidaten ins Rennen, könnte es etwas anders aussehen, je nachdem, wie groß der Koalitionsdruck vielleicht noch ist.

  3. @2 Jinsu: Aber wie sollte man das „Geplänkel“ denn „einstudieren“, wenn es keinerlei Vorgaben gäbe, wenn alles völlig frei wäre und man auch nicht wüsste, was das Gegenüber so plant? Schwierig. Und deshalb spannend.

  4. Das Problem ist einfach, dass so ein Format nur mit zwei Kontrahenten gut funktioniert (in der heutigen Parteienlandschaft in Österreich und in Deutschland illusorisch), und dann auch nur, wenn die beiden – siehe Taus und Kreisky – entsprechend gute Diskutanten sind. Das ist von heutigen Politikern leider etwas viel verlangt, selbst von solchen die wie VdB als honorige Intellektuelle gelten.

  5. @Strabo: Ganz im Gegenteil, das Format funktioniert ja.

    Das Format kann nichts dafür, dass diese Dilleta … äh … Diskutanten so schlecht agieren.

    Auch ich hätte es gerne als normales Duell-Format im deutschen Fernsehen.

    Das wäre klasse. :o)

  6. Es tut weh, sich das anzuschauen. Geradezu abstrus einstudiert ist es, wie Hofer relativ am Anfang rein rhetorisch kooperativ ansetzt, sie beide könnten sich bestens unterhalten, aber bei ihren Anhängern tobe ein Glaubenskrieg. Bei jedem seiner Anhänger müssten da die Alarmglocken klingeln: der Mann denkt genauso von oben herab über sie, wie sie es den Etablierten immer vorwerfen. Das Risiko, dass sie diesen Satz gemeinsam innerhalb weniger Minuten widerlegen würden, hätte er auch einkalkulieren müssen. Van der Bellen wirkt alt und wie jemand, der es sich in seinen Gewissheiten unglaublich bequem gemacht hat, ein müder grüner Elitist vor dem Herrn. Sein Dünkel ist paternalistisch und weniger aggressiv als der von Hofer. Gegen einen guten Kandidaten von Rechts hätte er keine Chance. In diesem Duell könnte es ihm aber als kleineres Übel den Sieg bringen.
    In der Haut der österreichischen Wähler möchte ich nicht stecken. Es ist ein Jammer, dass es Frau Griss nicht in die Stichwahl geschafft hat. Griss gegen Hofer wäre eine klare Sache gewesen, Griss gegen van der Bellen auch.
    Die AfD hätte übrigens für solche Gelegenheiten wesentlich vorzeigbarere Kandidaten: Meuthen, Gauland und Petry. Und in den anderen Parteien sieht es auch viel besser aus: Gysi, Wagenknecht, Kretschmann, Özdemir, Scholz, Lindner, Spahn, Stoiber und andere spielen in einer ganz anderen Liga. Immerhin.

  7. Hmm.
    Vorab: ich habe das Duell nicht gesehen und kann daher zu den konkreten Personen nix sagen. Allerdings halte ich das Format an sich schon für problematisch. Wenn man 2, sich gegenseitig akzeptierende Personen hat, kann das sicher gut funktionieren. Hat man aber einen dabei, der nur provoziert oder von oben herab redet, funktioniert das vermutlich nicht, auch wenn die 2.person noch so gut und professionell ist. Wenn ich mir z. B. Petry dort sitzend vorstelle, wüsste ich nicht mit welchem Gegenpart das ein sinnvolles Gespräch werden sollte. Und ob der gegenüber da ein gutes Bild abgibt wage ich auch zu bezweifeln.
    Und wenn man 2 vom schlage petrys dort sitzen hat wird es wahrscheinlich nur eine schlammschlacht.
    Aber vielleicht wäre es den Versuch tatsächlich wert und ich würde überrascht werden, wer weiß…

  8. Ich finde das Format klasse, da es die Protagonisten entweder gut dastehen lässt, oder entlarvt.

    Beides ist besser, als ein Moderator, der es nicht hinbekommen etwas anderes außer wohlbekannte Worthülsen aus den Anwesenden zu pressen.

  9. Überhaupt frage ich mich, was eigentlich sein soll, wenn die AfD in Umfragen irgendwann gleichzieht mit der SPD (oder sie gar überholt) – müsste es dann nicht auch ein Kandidatenduell Union/AfD geben? Oder werden wir tatsächlich wieder wie 2009 ein „Duell“ von Kanzlerin und Vize-Kanzler erleben, während beide mit der Opposition im gesamten Wahlkampf nicht einmal vor die Kamera treten?

  10. Das Format ist natürlich zu begrüßen und weiter zu führen, auch wenn Transparenz direkt ins Dschungelcamp führt. Allerdings kann es nur eine Form sein, denn wer will denn, dass Rhetorikfähigkeiten über Politikkompetenz stehen?
    Und einem eloquenten aggressiven Populisten (oder allgemein Wortverdreher) gegenüber kann man schnell ins Aus geraten, habe ich selber erlebt. Der weckt archaische Gefühle in dir. Da gehört danach schon noch eine moderierte Diskussion, finde ich. Wenn man zu den Inhalten gelangen will.
    Oder man will eine Knockout-Politik. Wer es nicht packt, fliegt raus.
    Hat auch seinen Charme.

  11. @Kasimir:

    Letztendlich wird auch in einer moderierten Diskussion der Zuschauer unterbewusst, die Sympathiewerte vergleichen. Dagegen ist kein psychologisches und soziologisches Kraut gewachsen.

    Aber dieses Format vergleicht auch das können sich verbal behaupten zu können und das ist meiner Meinung nach ein „Hard“-Skill für Politiker.

    Ohne diese Fähigkeit, werden leider auch die guten Politiker vom Gegenwind der Opposition hinweggefegt werden.

    Worte sind zwar nur Schall und Rauch, aber trotzdem sollte man sie beherrschen. :o)

  12. Gut, das war eine andere Zeit damals.

    Ich finde ja, Sie beschreiben in Ihrem Artikel schon selbst ganz gut, warum das Format eben nicht geglückt ist (außer vielleicht als soziologisches Experiment).

    Es gab eben, anders als damals, keine zwei gleich an einer Argumentation interessierte Teilnehmer, sondern einen, der es rhetorisch auf persönliche Konfrontation angelegt hatte.

    Bei einem stark personalisierten Wahlkampf käme eben gerade der Moderation die Aufgabe zu politische Wertvorstellungen und Programme* mehr in den Mittelpunkt zu stellen und den Zusehern damit eine inhaltliche Orientierung zu geben.

    Und natürlich ist so ein Fernsehlabor interessant, um die Durchsetzungsfähigkeit und Eloquenz einer Person zu beurteilen, die in Zukunft noch viele Reden halten soll. Einem öffentlich-rechtlichen Auftrag, eine politische Meinungsbildung zu ermöglichen, wird das aber nicht gerecht. Und damit ist es nicht geglückt.

    *zweites auch, weil Sie es mit dem Kanzlerduell vergleichen

  13. Ein solches Format hatte die ARD übrigens schon mal, vor einigen Jahren zur Bundestagswahl. Ich erinnere mich, dass da zwei Politiker einander gegenübersaßen und miteinander redeten. Gesittet, ruhig, sachlich. Das müsste man einfach wiederbeleben. Lief damals allerdings relativ spät in der Nacht.

  14. Ich, Schweizerin in der Schweiz wohnhaft, wundere mich über die abgehaltenen Analysen – die ich im Proporz völlig einseitig empfand. Herr Dr. Van der Bell`s Wahlkampf wird offensichtlich von der österreichischen Medienlandschaft unterstützt. Leider keine unparteiische Sendung!!! Es ist demnach davon auszugehen, dass Herr Dr. Van der Bell die Interessen der Medien besser bedienen wird als Herr Hofer. Es wäre dem österreichischen Volk jedoch zu wünschen, mutig das inner- und ausserpolitische Handeln und Planen der Exekutive zu „überprüfen und entsprechend zu reagieren“. Die Steuerzahler sind die Lohnzahler der Politiker und es sollten auch in erster Linie deren Interessen und Wohlergehen kurz- wie langfristig befriedigt werden.

  15. @13 Vonfernseher: Es gab ja auch noch TV-Duelle, in denen Hofer und van der Bellen moderiert aufeinander trafen und in denen es stärker um Fakten ging, um Themen. Da ist es doch, im Vergleich, spannend und von Wert, zu sehen, wie das die Kandidaten alleine nicht gebacken kriegen.

  16. #16
    So ähnlich hatte ich das ja auch schon geschrieben: als Labor für den zukünftigen Bundesredenschwinger ein gutes Format, aber halt nicht alleinseeligmachend.

Einen Kommentar schreiben

Mit dem Absenden stimmen Sie zu, dass Ihre Angaben gemäß unseren Datenschutzhinweisen gespeichert werden. Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.