Verlegerkongress

Das einzige, was hilft gegen die Apokalypse: Zeitungen

Da wurde es dann selbst manchem gestandenen Verlagsvertreter zu viel. Als die Moderatorin ankündigte, Bundestrainer Jogi Löw würde nun vor den versammelten Verlegern von seinem eigenen Pressesprecher interviewt, stürmte der Herausgeber der „Badischen Zeitung“, Thomas Hauser, wutentbrannt aus dem Saal. Das sei ja wohl ein Witz, ereiferte er sich. Gerade vorher hatte noch Mathias Döpfner, Springer-Chef und Präsident des Zeitungsverlegerverbandes BDZV, das hohe Lied auf die kritische Presse gesungen und von den Verlegern Mut eingefordert, für kritische Berichterstattung auch mal auf einen Anzeigenkunden zu verzichten. Aber schließlich tagte der Kongress im Soutterrain des Stuttgarter Fußballstadions, und da es Löw zur Bedingung gemacht haben soll, nicht von Journalisten interviewt zu werden, taten die Verleger ihm diesen Gefallen.

Wie bei diesem PR-Auftritt des Bundestrainers pendelte der ganze Jahreskongress der Zeitungsverleger zwischen dem hehren Eigenanspruch der Zeitungsverleger und der schnöden Wirklichkeit der Zeitungsverlage.

Foto: BDZV/David Ausserhofer

Döpfners Rede klang in der ersten Hälfte so apokalyptisch, als hätte sie sein früherer Chefredakteur Claus Strunz geschrieben. Huntingtons „Kampf der Kulturen“ sei Wirklichkeit und die Situation aus Michel Houellebecqs Roman „Unterwerfung“ nicht mehr weit. Döpfner warnte vor den Risiken der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz für eine freie Gesellschaft. Die Stimmung sei weitaus besser als die Lage, klagte der Verleger-Präsident. Die einzige Rettung, das sagte Döpfner allen Ernstes, sei der Journalismus: als „Scheinwerfer der Aufklärung“ oder wenigstens als „Taschenlampe des mündigen Bürgers“.

Dabei glimmt dieses Licht in vielen Regionalverlagen nur noch auf niedriger Wattzahl. Regionalredaktionen werden geschlossen und Ressorts ausgedünnt. Döpfner appelliert hier an den Mut von Unternehmern, von denen die meisten in den vergangenen Jahrzehnten bequem als Regionalmonopolisten agiert haben und die sich jetzt sogar vor der Konkurrenz von Amtsblättern und Newsangeboten von Stadtwerken fürchten. Hier sitzen Verleger, die das hohe Lied auf die Qualität ihrer Printausgabe singen, aber gleichzeitig die Ausnahmen beim Mindestlohn für Zeitungsausträger fordern.

Döpfner forderte seine versammelten Kollegen auf, zu „sparen wo sie wollen“ – nur nicht an Reportern, exzellenten Autoren und investigativer Recherche. Gleichzeitig hat der BDZV in diesem Frühjahr die mühsam ausgehandelten Vergütungsregeln gekündigt, die zumindest so etwas wie ein Mindestlohn für freie Autoren darstellen sollten. Und Gastgeber des Zeitungskongresses war der Chef der Südwestdeutschen Medienholding Richard Rebmann. Dessen Haus, zu dem die „Stuttgarter Zeitung“ und die „Süddeutsche Zeitung“ gehört, vertreibt seit Jahresanfang die Texte freier Autoren an ausländische Zeitungen, ohne die Urheber an den Einnahmen zu beteiligen. Ob das Enteignung oder rechtens ist, werden wohl erst Gerichte klären. Und dann ist da noch der Verdacht des Sozialversicherungsbetrugs in renommierten Häusern wie DuMont Schauberg, dem seit vergangenem Jahr die Staatsanwaltschaft nachgeht. Weil dort freie Journalisten als Scheinselbständige beschäftigt gewesen sein könnten.

Doch solche Themen wurden höchstens in der nichtöffentlichen Mitgliederversammlung diskutiert. Öffentlich beschäftigten sich die Verleger lieber mit anderen. Zum Beispiel dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, weil dessen kostenloses Angebot im Netz angeblich verhindert, dass Verlage Journalismus verkaufen können. Döpfner nannte die Sender und ihre Aktivitäten im Netz „Staatsfernsehen und Staatspresse“ und warnte: Wenn es im Internet nichts anderes mehr gebe, sei das ganz nach dem Geschmack von Nordkorea.

Foto: BDZV/David Ausserhofer

So wichtig war den Verlegern dieses Thema, dass sie sich den halben Nachmittag mit ARD und ZDF derart detailliert beschäftigten, dass es auch manchen Verleger an die Kuchenbar trieb. Immerhin relativierte eine Untersuchung der Unternehmensberatung McKinsey die Bedrohung durch die Öffentlich-Rechtlichen ein bisschen. Sie zeigte, dass unter den 40 meist genutzten Webseiten 14 Verlagsangebote seien, aber gerade einmal zwei Seiten der öffentlich-rechtlichen Sender (tagesschau.de und sportschau.de).

Schützenhilfe bekamen die Verleger, deren Meinungsmacht gerade im Wahlkampf kein Politiker mißachten kann, wie bestellt aus der Politik. Begleitend zum Kongress-Start veröffentlichte die „Stuttgarter Zeitung“ ein Interview mit dem ehemaligen EU-Kommissar für Medienwirtschaft, Günther Oettinger (CDU). Thema war das europäische Verlegerrecht, früher bekannt als Leistungsschutzrecht, das wohl richtig Verlegerschutzrecht heißen müsste. Oettinger macht sich weiterhin auf EU-Ebene stark dafür, dass Verleger für die Nutzung kürzester Textausschnitte Geld von Internet-Plattformen und Suchmaschinen erhalten sollen. Oettinger ist zwar längst Haushaltskommissar. Aber nach eigener Aussage berät er seine Nachfolgerin Marija Gabriel weiter in Verlegerfragen.

Nicht nur Oettinger, auch der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann verwechselte angesichts der geballten Verlegerpräsenz, die Systemrelevanz des Journalismus in einer Demokratie mit einer Bestandsgarantie für das traditionelle Geschäftsmodell der Presseverlage. Er sprach sich in seiner Rede dafür aus, den Lohn der Zeitungsausträger günstiger zu besteuern: als haushaltsnahe Dienstleistung.

Schließlich brach auch Renate Köcher vor den Verlegern eine Lanze für die Zeitung in gedruckter Form. Die Chefin des Allensbach-Instituts hatte verglichen, wie gut informiert sich die Bevölkerung in Zeiten des Internets fühlt – und wie gut informiert sie tatsächlich ist. Eine wesentliche Erkenntnis: Zeitungsleser nutzten nicht nur ihre Zeitung, sondern auch alle anderen Informationsquellen intensiver und seien dadurch besser informiert als Menschen, die dafür nur Fernsehen, Radio und Internet nutzen. Köcher riet, im Sinne der Demokratie sollte die „kontinuierliche Nachrichtenernährung“ in Schulen trainiert werden. Denn für wirkliche Information seien Zeitungen unverzichtbar.

Abends dann wurden bei der „Langen Nacht der Zeitungen“ im Mercedes-Museum nach dem Dinner ein Trikot und ein Fussball verlost, jeweils von der Nationalmannschaft signiert. Ein Präsent von Jogi Loew, vom Vormittag. Doch es dauerte bis spät am Abend bis die Lose, das Stück für 25 Euro, endlich ausverkauft waren und man zur Ziehung schreiten konnte. Auch hier scheuten offenbar viele die Investition.

Benno Stieber ist freier Korrespondent in Baden-Württemberg. Bis April dieses Jahres war er Vorsitzender des Verbandes Freischreiber.

7 Kommentare

  1. Hinweis: Houellebecqs Romantitel lautet nicht „Die Unterwerfung“ wie der Autor es schreibt, sondern schlicht nur „Unterwerfung“.

  2. Ich habe mal gehört, im Falle einer Apokalypse solle man sich eine Zeitung über den Kopf legen. Leider meinte Ford Prefect, dass man das ja gerne machen könne, es aber absolut nichts nütze…

  3. Waren das keine Kartoffelsäcke?
    Naja, wenns so weiter geht machts bald keinen Unterschied mehr…

    P.S. Kann leider nicht einschätzen ob es da Unterschiede zur Papierversion gibt – kenne den Hitchhiker nur von der Flimmerkiste. :P

  4. Ok, in irgendeiner Version (Radio, Buch, Fernsehen, Comic, Kino) waren es mWn auch Papiertüten. Es kommt wohl so oder so nicht darauf an, ob auf dem Papier noch was geschrieben steht…

  5. Ich fand es sehr schön, wie der Deutschlandfunk diese Rede von Döpfner und seine dumme Behauptung von wegen „STaatspresse“ auseinander genommen haben und ihm da mit Sicherheit kein Versehen unterlaufen ist.

    Der ÖR ist eben kein Staatsrundfunk, auch wenn die Parteien in der Besetzung der Gremien sicherlich zu viel Einfluss haben.
    Aber hier ist es dann auch wichtig, dass möglichst viele Bundesbürger sich in Parteien einbringen und diese mitgestalten

  6. Wer es mit kritischer Presse ernst meint, der muss dem öffentlichen Rundfunk eine öffentliche Presse zur Seite stellen. (Mit anständigen Löhnen, darf dann halt auch Verlustgeschäft machen, wird aus Steuergeldern gepäppelt.) Privatfernsehen gibt’s ja auch trotz ÖR. Denn bei der privaten Presse kann es einem angesichts dieses AfD-Sprechs deren Chefs echt mulmig werden.

    Die Aufgabe für die Gesellschaft, die Qualität und Neutralität des öffentlichen Rundfunks zu verbessern bzw. zu gewährleisten, ist groß genug. Da kann man sich nicht auch noch Sorgen um die Privaten machen, zumal deren Erzeugnisse überwiegend Dreck sind. Lasst sie pleite gehen, ist auch besser für die Bäume…

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