Kritisches AfD-Buch

Kanzleramtschef als Werbepartner: Bitte fragen Sie jetzt nichts

Was eine harmlose Frage auslösen kann, war mir bis gestern nicht bewusst.

Als ich am Dienstagabend durchs Internet spazierte, stieß ich auf Artikel über eine Buchvorstellung, die in den Räumlichkeiten der Bundespressekonferenz in Berlin stattgefunden hatte. Die Journalistin Melanie Amann stellte dort ihr Buch „Angst für Deutschland“ vor, eine kritische Auseinandersetzung mit der Alternative für Deutschland (AfD). Nico Fried, Redakteur der „Süddeutschen Zeitung“, moderierte die Veranstaltung, außerdem hatte sich Amann einen prominenten Partner gewünscht, der dann auch kam: Peter Altmaier (CDU), Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Kanzleramts.

Tweet von @maria_fiedler: ".@MelAmann stellt ihr Buch über die @AfD_Bund vor - mit @peteraltmaier. #AngstfuerDeutschland"
Screenshot: twitter.com/maria_fiedler

Als ich das las, stellte ich mir die Frage, ob es eigentlich so klug ist, dass ein hochrangiger Regierungspolitiker das AfD-kritische Buch einer Journalistin präsentiert, es also quasi bewirbt. Oder ob das nicht kontraproduktiv ist in einer Zeit, in der Menschen das Gefühl haben, Journalisten würden ohnehin eine zu große Nähe zu Politikern pflegen, vor allem zu den Regierenden.

Es geht dabei zunächst nicht darum, ob eine tatsächliche Nähe besteht, ob gekungelt wird, wie es viele annehmen – es geht darum, welcher Anschein hier zwangsläufig erweckt wird. Bei ntv.de ist zu lesen, Altmaier habe Amann für ihr „spannendes Buch“ gelobt, und schon vor der Veranstaltung hatte der Kanzleramtsminister auf Twitter freudig die Werbetrommel gerührt.

Tweet von @peteraltmaier: "Freue mich sehr, dass ich gleich das neue Buch von Melanie Amann vorstellen darf: "AfD: Angst für Deutschland". Selten so gut entzaubert!"
Screenshot: twitter.com/peteraltmaier

Wer dem publizistischen und politischen Establishment ohnehin misstraut, was ja nicht nur in Kreisen der AfD und ihrer Wähler angesagt ist, dürfte so noch misstrauischer werden. Nicht nur unter Altmaiers Tweet ist das nachzulesen. Einer schreibt: „Da sieht man mal, wie weit die Sitten verfallen. Amtierender Minister läuft Werbung für linke Journalistin. #Kopfschüttel“. Andere spekulieren über einen „Wahlkampf gemeinsam mit den Medien“ oder fragen, ganz sachlich, ob so einer in so einem Amt überhaupt werben dürfe.

Und natürlich lässt auch die AfD in Person von Beatrix von Storch die Steilvorlage nicht aus, diesen Termin so weit zuzuspitzen, dass aus einer gemeinsamen Buchvorstellung die „Auftragsarbeit der Polititaktivistin“ Melanie Amann wird, möglicherweise gekauft, also: bezahlt, wie von Storch twitternd insinuiert. Was einerseits eine unzulässige Übertreibung ist, aber andererseits zum Kern des Problems führt, dem des zwielichtigen Anscheins eines solchen Auftritts.

Tweet von @Beatrix_vStorch: "CDU stellte heute die Auftragsarbeit d Politaktivistin @MelAmann über die AfD vor.Unabhängige,kritische Hofberichterstattung.Kann man kaufen"
Screenshot: twitter.com/Tweet von @Beatrix_vStorch

Ich wollte also wissen, wie das die Beteiligten sehen, deshalb schrieb ich die Autorin Melanie Amann und Kanzleramtsminister Altmaier an. Immerhin ist die Konstellation hier besonders pikant, wenn Merkels engster Mitarbeiter ein Buch über die Merkel-Hasser-Partei AfD vorstellt. Ich fragte per Mail, wie denn der Kontakt zustande gekommen sei, weshalb ausgerechnet Altmaier Amanns Buch präsentiere, und ob sie darin ein Problem sehen.

Ab da wurde es dann abenteuerlich.


Melanie Amann antwortete prompt auf meine Mail. Als ich dann noch eine Nachfrage schickte, rief sie an, weil das am Telefon doch vielleicht besser zu klären sei. Wir redeten ein bisschen und Amann machte schnell klar, dass sie das nicht als Problem empfinde. Am Ende des Gesprächs vereinbarten wir, dass ich ihr Zitate schicke, wie das so Usus ist, damit Sie prüfen kann, ob ich ihre Position korrekt wiedergebe. Das habe ich gemacht.

Frau Amann hat daraufhin mehrere Zitate freigegeben. Sie sagt, dass es „normal“ sei, „dass politische Bücher auch von politischen Gegnern vorgestellt werden“. Das sei in der Vergangenheit bei vielen anderen Büchern so gewesen. Zudem habe sie mit Peter Altmaier jemanden ausgewählt, „der kein unfaires AfD-Bashing betreibt, der aber in Sachen Flüchtlingskrise einen sachlichen Anknüpfungspunkt hat“. Dazu habe er sich ja dann auch geäußert. Und was den Vorwurf einer Nähe zwischen ihr und der Politik betrifft, sagt Amann: „Ich möchte mich da nicht den Frames der AfD unterwerfen. Wer sich mit mir und dem Buch beschäftigt, wird sehen, dass es da keine Nähe gibt.“

Das mag stimmen, aber, wie gesagt: Es geht um den Anschein. Am Telefon hatte Frau Amann Wert darauf gelegt, dass sie das Buch nicht als „Spiegel“-Redakteurin geschrieben habe, sondern als Privatperson, was sie sicher vertragsrechtlich meinte. In der Klappenbroschur nämlich, mit der ihr Verlag für das Buch wirbt, steht: „Die Spiegel-Redakteurin Melanie Amann kennt die AfD […] wie keine andere Beobachterin.“ Logisch. Eben weil Amann die Partei als Redakteurin seit langem beobachtet und im „Spiegel“ darüber schreibt. Der Politikchef von „Spiegel Online“, Roland Nelles, schrieb deshalb am Dienstag im „Spiegel“-Newsletter auch: „Meine SPIEGEL-Kollegin Melanie Amann hat gerade ein lesenswertes Buch über die AfD geschrieben.“

Ein paar Stunden nach dem Telefonat mit Amann rief dann Dominik Geißler an, der Pressesprecher des Kanzleramtsministers. Eigentlich darf ich Ihnen nicht erzählen, was er mir so erzählt hat; Herr Geißler hat es mir untersagt. Weil ich den Vorgang aber, in all seinen Facetten, problematisch finde, um es sanft auszudrücken, möchte ich ihn hier trotzdem schildern.

Geißler rief also an. Er wusste bereits, dass ich mit Frau Amann telefoniert hatte. Der Pressesprecher verteidigte die Praxis, dass ein Politiker, in diesem Fall sein Chef, ein Buch vorstellt, ebenfalls mit dem alten Stillstand-Satz: Das haben wir doch immer so gemacht! Wörtlich sagte Geißler, dass dies „seit Jahrzehnten gang und gäbe“ sei. Peter Altmaier habe schon viele Bücher vorgestellt und werde dies auch weiterhin tun, zumal das ja auch, Achtung: gar nicht der Kanzleramtsminister sei, der die Bücher vorstelle, auch nicht ein Vertreter der CDU, sondern: „Peter Altmaier, die Privatperson“.

Auch das ist natürlich Unsinn: Amann sagt ja, sie habe Altmaier eingeladen, damit er – der auch im Buch vorkommt, als Politiker –  Position beziehe. Das Kalkül dahinter ist klar: Ein so prominenter Gast zu einem solchen Thema – da kommen gleich ein paar Journalisten mehr, und wenn alles klappt, wie hier, macht die Deutsche Presseagentur daraus eine schöne Meldung.

Da hilft es auch nicht, dass Altmaier zu Beginn der Veranstaltung gesagt haben soll, dass er nicht für das Buch werben wolle. Er wirbt ja trotzdem, durch seine Anwesenheit und die warmen Worte. Im Terminkalender der Bundespressekonferenz steht übrigens: „Buchvorstellung: […] mit Peter Altmaier, Chef des Bundeskanzleramtes sowie Bundesminister für besondere Aufgaben, und Spiegel-Journalistin Melanie Amann“. Aber das wird bestimmt ein Fehler sein: Die beiden waren ja angeblich privat da.

In dieser Logik, fiel Pressesprecher Geißler dann plötzlich auf, sei er ja auch eigentlich gar nicht zuständig. Weil er ja nicht für die Privatperson Altmaier spreche. Wieso Geißler, der Pressesprecher des Kanzleramtsministers, dann angerufen hat, nachdem ich eine Anfrage an den Kanzleramtsminister gestellt hatte, wurde leider nicht ganz klar. Jedenfalls haben wir noch eine Weile diskutiert, Geißler blieb bei seiner Haltung, und am Ende vereinbarten wir, wie bei Amann, dass ich Zitate schicke. Was dann geschah, habe ich bis dato so noch nicht erlebt. Die Mail mit den Zitaten beantwortete Geißler so:

Sehr geehrter Herr Rosenkranz,

wie schon erwähnt, war unser Telefonat ein Hintergrundgespräch, weshalb es keine Zitatfreigabe von mir gibt.

Herzliche Grüße,

Dominik Geißler

„Wie schon erwähnt“? Nein. Ich habe Herrn Geißler zurückgeschrieben:

Sehr geehrter Herr Geißler,

ich darf Sie darauf hinweisen, dass Ihre Behauptung unwahr ist.

Es war nie die Rede von einem Hintergrundgespräch. Ich habe schriftlich bei Herrn Altmaier angefragt; Sie, als sein Pressesprecher, haben mich daraufhin angerufen und am Ende des Telefonats gesagt, dass ich Ihnen bitte Zitate zuschicken soll, damit sie diese autorisieren können.

Sie sagten auch, dass Sie eine „Sprachregelung“ finden würden, wie ich Sie zitieren darf – als Privatperson, Buchvorstellungsteilnehmer oder als Pressesprecher des Kanzleramtsministers, der Sie ja sind.

Wie soll ich mit diesem Vorgang nun umgehen?

Mit freundlichen Grüßen
Boris Rosenkranz

Darauf hat sich Herr Geißler nicht mehr gemeldet.


Nun ist mir also bewusst, was eine harmlose Frage alles auslösen kann.

Ich finde diese Geschichte in mehrfacher Hinsicht bedenklich und an manchen Stellen unverschämt. Politiker wie Journalisten fragen sich seit einiger Zeit, wie sie das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen können. Dass es schwindet, immerhin, haben viele erkannt. Aber müsste der Schluss daraus nicht sein, etwas gegen den Vertrauensverlust zu tun?

Zum Beispiel solche Auftritte zu lassen, weil sie ein Geschmäckle haben? Und, falls man sie doch macht und dann (kritische) Fragen dazu kommen, offen und transparent darüber zu diskutieren, und sich nicht hinter der albernen Behauptung zu verstecken, man mach das als Privatperson? Oder, wie im Fall des Pressesprechers, nachträglich zu behaupten, man habe im Hintergrund gesprochen? Offenbar nicht. Denn: Wir haben das ja so immer gemacht!

Das ist einer dieser Sätze, der Menschen politik- und medienverdrossen werden lässt. Es immer so gemacht zu haben, ist außerdem auch eines der traurigsten Nicht-Argumente. Hätten wir immer alles so gemacht wie immer, liefen wir heute noch gebückt mit Keule durch die Gegend. Und, falls noch mal jemand fragt, wie das bloß alles weitergehen soll – ich glaube: so nicht.

35 Kommentare

  1. Auf mich wirkt das schon eher wie eine versuchte Einschüchterung, von Seiten des Pressesprechers und insgesamt ergibt sich das Bild, eines Stiches in das Wespennest, sonst würde man sich sicher nicht soviel Mühe geben.

    Mich interessiert aber der Hintergrund dieser Zitat Freigabe. Unterstellt man erfindet nichts, was nicht gesagt wurde, weshalb lässt man dem Gesprächspartner die Möglichkeit, Dinge die gesagt wurden, aber nicht so schön wirken, wieder rauszunehmen? Die Frage ist völlig neutral gemeint.

  2. „Nun ist mir also bewusst, was eine harmlose Frage alles auslösen kann.“

    Und deswegen hat er auch sorgsam darauf geachtet, der Boris Rosenkranz, dass ja keine noch so kleine Nebensächlichkeit unterschlagen wird. Liest sich aufregend, so eine Spezialrecherche. Und dann auch noch diese heroische Haltung gegenüber dem Kanzleramts-Mitarbeiter! Es ist, das sollte hier nicht unerwähnt bleiben, schon für deutlich weniger ein Hosenbandorden verliehen worden.

    „Es geht um den Anschein.“

    Obacht also in Sachen journalistische Frömmigkeit. Pietkong bei Übermedien.

  3. Ich als halbwegs mündiger Bürger kann es schon einordnen, wenn eine Redakteurin ein Buch schreibt und ein Politiker dieses Buch lobt.
    Klar findet der das gut.

    Wenn ich den Politiker, seine Partei oder die Zeitung, bei der die Autorin Redakteurin ist, eh‘ nicht mag, werde ich sie auch nicht lesen.

    Frau Storch ist herzlich eingeladen, ein SPD-kritisches Buch zu bewerben.

    Das Rumgezicke wie von Geißler kriegt sie sicher auch noch hin.

  4. @3 BR: Ich bin wohl zu alt, um damit einen Ballon zu füllen. Und wenn die AfD sich darüber aufregt, meine Güte, soll das der Maßstab sein? Gibt es denn irgendwas, worüber sich die AfD und ihre Fans nicht empören? Ein Buch vorstellen heißt ja nicht, gemeinsame Sache zu machen (Gregor Gysi hat mal ein Buch von Rainer Brüderle und Hugo Müller-Vogg vorgestellt).

  5. Ereignis und Reaktion auf die Recherche wirken merkwürdig, das stimmt. Es wirkt wie eine seltsam unsensible PR, die den Beteiligten nun ein bisschen peinlich ist. Trotzdem gibt es sicher Konstellationen, bei denen eine Politiker-Einladung gerechtfertigt ist. Stets nur „Anschein“ vermeiden zu wollen, hielte ich für heikel. Das ist der sanfte Einstieg in die Beweislast-Umkehr. Den Systemkritikern dadurch belegen zu wollen, dass nicht „alle unter einer Decke stecken“, halte ich für aussichtslos. Beispiele für Ihre Establishment-Theorie finden die Storchs der Welt immer. Sonst wird eben gefaked.

  6. Chapeau, Boris Rosenkranz!
    Nicht die Buchvorstellung, inclusive der Akteure, ist vordergründig jämmerlich, sondern vielmehr , wie Sie es sehr treffend nacherzählen, der Umgang mit den daraus entstandenen (Nach-)Fragen. Dass diese berechtigt sind, erklärt sich für jeden, der ernsthaften Journalismus ernst meint.
    Die AFD spielt in diesem Zusammenhang ja nur eine unmittelbare Rolle. Erst durch die schlechte Medienkommunikation seitens des Pressesprechers BKAmt bekommt sie Wasser auf die schlappe Mühle.

    (Ach, ich nenn mich jetzt einfach auch mal TH, obwohl ich der obige nicht bin…aus Daffke ;-))

  7. @Boris Rosenkranz: Zum Skandal reicht diese Geschichte nicht (das soll nicht klingen, als wünschte ich mir einen); es ist auch zu früh, um dahinter ein System zu erkennen, aber den Tadel, den Sie hier aussprechen, verdient sie meines Erachtens schon.

    Ihr Verhältnis zu Herrn Geißler wird es nicht verbessern, aber mit der Alternative, nichts dazu zu sagen, hätte ich mich an Ihrer Stelle auch nicht wohlgefühlt.

  8. Klar, ist ne kleine Story, die zu mehr zu vergrößern es nicht wert ist. Aber so ’nen Einblick in die Situation da find ich sehr interessant.

    Und: Ein nicht-medienjournalist hätte nach den telefonaten doch gesagt, da hat sein Medium keinen platz für und er hat wichtigeres zu tun als jetzt dieses Fass aufzumachen. Das hier sind aber die Art von Artikeln, für die ich gerne bezahle.

  9. @Vetero – das sehe ich auch so, die Story an sich erstmal eine Nachfrage wert, aber das die Beteiligten scheinbar mehr drin sehen als man selbst (sonst würde man nicht telefonieren), ist sehr interessant.

    @Rosenkranz – Ich würde mich wirklich für den Hintergrund interessieren, weshalb man bei Interviews und auch ansonsten gesagtes, autorisieren lässt. Ist nicht gerade die spontane Antwort die, die wir hören möchten? Weiterhin, eine neugierige Frage, um zu verstehen.

  10. Das mit der Autorisierung ist ja ein Dauerbrenner. Und ich möchte diese deutsche Eigenart nicht über Gebühr verteidigen, aber als jemand der schon auf beiden Seiten gestanden hat, finde ich sie ganz praktisch.
    Die wenigsten Menschen reden druckreif. (Politiker vielleicht noch am ehesten.) Wenn man nicht lauter endlose, halbe oder grammatikalisch krumme Sätze schreiben möchte, muss man beim Verschriftlichen eines mündlichen Gesprächs zwangsläufig den Satzbau verändern, um ein lesbares Ergebnis zu haben. (Sonst wäre es ein Transkript.) Oft muss man auch kürzen oder zusammenfassen. (Das könnte man auch in indirekter Rede, aber die direkte ist eben lesefreundlicher.)
    Das Ergebnis nochmal kurz gegenprüfen zu lassen, halte ich für den fairen Umgang miteinander und erspart einem hinterher den Streit darum, ob das jetzt verfälscht ist oder nicht. Die Bestätigung der inhaltlichen Richtigkeit dient einem also auch als Schreibendem als Absicherung.
    Gegen einen Anspruch darauf in irgendeiner Art würde ich mich aber auch verwehren. Wenn einem die zukünftige Zusammenarbeit egal ist und man hat die Sensation schlechthin auf dem Tonband, muss man das abwägen…

    Und nächstes Mal enthülle ich: Zitate in Pressemitteilungen hat derjenige auch nie gesagt, sondern nur dem Pressesprecher autorisiert. Pssst! ;)

  11. Magna cum laude, Herr Rosenkranz. Und nebenbei wirft diese ganz und gar nicht nebensächliche Geschichte ein Schlaglicht auf die Praxis der Autorisierung, die nicht nur auf Bundesebene zum Unwesen verkommen ist.

  12. Das Argument mit der Beweislastumkehr wiegt schwer (siehe oben). Ich würde es auch begrüßen, wenn man nun nicht in allzu vorauseilendem Gehorsam versucht, es einem Haufen wahrhafter Spinner möglichst immer recht zu machen. Daher habe ich ein bisschen Verständnis für die kritischen Kommentare.

    Aber darum geht es hier m.E. nicht. Es geht auch nicht nur um den Anschein. Das sehe ich anders, oder es ist das falsche Wort. Es geht m.E. schon um die Frage, ob Politiker sich mit solchen Sachen gemein machen sollten. Politiker sind „prominent“, aber aufgrund anderer Umstände als andere Prominente. Sind sind gewissermaßen zwangsläufig öffentlich, weil sie sich zu Wahlen stellen müssen und mir klar sein muss, welches politische Konzept sie verkörpern. Diese besondere Form der Öffentlichkeit als Prominenz misszuverstehen, ist schon der erste Fehler. Es sollte so wenig wie nur irgendmöglich um Äußerlichkeiten gehen. Dieses Ideal sollten Politiker anstreben. Wenn man nun als Werbepartner auftritt, zeigt man damit, dass man sich als Prominenten ansieht, der für ein bisschen Öffentlichkeit sorgen kann. Das finde ich peinlich, weil sachfremd, unpolitisch. Ganz generell. Es ist nicht tödlich schlimm, nicht verboten, aber jedenfalls für mich beeinflusst das die Einschätzung ob ich die Person als Politiker für charakterlich geeignet halte oder nicht.

    Ich will nur einmal darauf hinweisen, dass Kellyanne Conway in den USA gerade massiv in die Kritik geraten ist, weil sie bei FOX in einem Interview Werbung für Ivanka Trumps Produkte gemacht hat. Ich finde die Empörung nachvollziehbar. Wo genau liegt da aber nun der Unterscheid, wenn Peter Altmeier für das Buch einer Autorin Werbung macht? Über diesen „Als-Privatperson“-Unsinn müssen wir uns ja bitte nicht wirklich ernsthaft unterhalten.

  13. Die Politiker vermischen doch seit jeher privates und berufliches, zumindest da wo es sich finanziell lohnt.

  14. @Maximillion:
    Wenn Trump sagt, „Kauft das Zeug von meiner Tochter!“ wäre das für mich noch ein bisschen etwas anderes, als wenn jemand, der Trumps Politik verkaufen soll, Trump seiner Tochter ihr Zeug verkauft.
    Es hat ja absolut nix mit Politik zu tun.

    Bei einem Buch, das „Angst für Deutschland“ heißt und in welchem es über die AfD geht, gehe ich fast automatisch davon aus, dass Altmaier das gut findet. Wenn nicht, wäre das Buch entweder richtig schlecht, oder er hat’s nicht gelesen. (Oder der Privatmann Altmaier hat viel mehr Sympathien für die AfD, als seine Partei ihm durchgehen ließe.)

    Soll er eine Offenlegung dazuschreiben: „Beruflich arbeite ich als CDU-Kanzleramtsminister.“?

    Dass es vllt. aus strategischen Gründen besser wäre, sich trotzdem mit Lob zurückzuhalten, ist eine andere Frage. Und das Telefongespräch ist in Hinblick auf die Glaubwürdigkeitsfrage ein Eigentor gewesen..

  15. Irgendwie kleinlich und Mücke-zum-Elefanten, dieser Artikel? Vielleicht.
    Aber es sind genau solch kleine, beiläufige, ist-doch-nicht-besonders-schlimm-Vorgänge, die ein Polit-Weltbild festigen, in dem die da oben doch eh alles untereinander und zum eigenen Vorteil ausmachen.

    Da stellt sich ein hochrangier Regierungsvertreter zur Verfügung, um ein Buch, das den politischen Gegner seziert, zu bewerben, und das ganze findet in Räumlichkeiten der BPK (also mit staatlichen Ressourcen unterstützt) statt. Und daran soll man so gar nichts eigenartig oder problematisch finden?

    Und ja, wenn ein Hr. Geißler das nach einem Telefonat einfach ohne jede Öffentlichkeit in den Mantel des Schweigens hüllen will, dann muss man halt einen etwas kleinlichen Artikel draus machen.

  16. @Dominik – Danke, dieser Hintergrund hat mir gefehlt. Man feilt am Wortlaut und sichert das ab, um sich nicht dem Vorwurf des „Um Interpretierens“ auszusetzen. Rein theoretisch könnte man das ja dann so machen, nur alle Stelle die nicht autorisiert wurden, wie „Gestammelt (original)“ abdrucken. Dann weiß auch gleich jeder Bescheid :-)

    Aber danke nochmal.

  17. @Mycroft:
    Wenn ich Ihren letzten Absatz lese, denke ich, dass wir uns fast einig sein könnten. Vielleicht nicht bei Kellyanne Conway. „Das hat nichts mit Politik“ zu tun, ist für mich gerade der springende Punkt. Und ich finde Zurückhaltung nicht aus „strategischen Gründen“ richtig, sondern aus moralischen. Oder so: Es ist wohl eine Frage der „Eleganz“. Vielleicht eh nicht so das Kernthema von Altmeier.

  18. @12 Dominik
    „Wenn einem die zukünftige Zusammenarbeit egal ist und man hat die Sensation schlechthin auf dem Tonband, muss man das abwägen…“

    Bei einem Telefonat (um das es ja hier geht) läuft ein Band nur nach vorheriger Absprache, sonst macht sich der Fragensteller strafbar.

    Ansonsten möchte ich allen ( die sich nun an dieser Stelle so sehr um die Ethik unserer Politiker sorgen) wünschen, dass sie selbst ihren eigenen Maßstäben stets gerecht werden mögen.

  19. Tja, eine Hand wäscht die andere. Welche Gegenleistung wird Herr Altmeier für die wohlwollende Unterstützung bei der Buchvorstellung wohl bekommen? Einen freundlichen Artikel im SPIEGEL vor der Bundestagswahl? Natürlich über ihn als „Privatperson“.

  20. Warum bewirbt Altmaier dieses Buch (mit dem schrägen Titel) und ziert sich anschließend ziemlich holprig, es getan zu haben?
    Die Frage ließe sich vielleicht politisch tiefgründiger angehen, wenn man das Buch lesen und die Passagen, in denen es im Zusammenhang um die Regierungspolitik geht, analysierte.
    Ich habe das Buch nicht gelesen, bin aber schon gespannt, ob es da evtl. Verweise Auf eine Mit“schuld“ der Regierung am AfD-Aufstieg gibt, die Altmaier bei der Buchvorstellung hätte relativieren können, oder ob eine regierungspolitische Mitverantwortung (auf welche Weise auch immer) im Buch so sanft daherkommt, dass es sich für die Regierung lohnt, gerade dieses Buch aus der Menge gleicher herauszuheben.

  21. @17 ÜberFall

    „und das ganze findet in Räumlichkeiten der BPK (also mit staatlichen Ressourcen unterstützt) statt“

    Die BPK ist ein Verein von Journalisten und keine staatliche Stelle. Bissi Factcheck schadet nicht.

  22. @Maximillion, #19:
    Ja, „Eleganz“ ist wohl das Stichwort. Elegant war’s nicht. Altmaier hat sowohl als Privatmensch als auch als Spitzenpolitiker das Recht, Bücher gut zu finden und diese Meinung auch öffentlich zu äußern. Außerdem darf er Eiskunstlaufen und beim Stadtmarathon mitmachen. Wenn er bei einer dieser Sachen blöd aussieht, ist das sein Problem.

    Soll Frau Storch halt ein Buch loben, dass die CDU kritisiert, dann sind sie wieder quitt.

  23. @Maximillion, #19:
    Ja, „Eleganz“ ist wohl das Stichwort. Elegant war’s nicht. Altmaier hat sowohl als Privatmensch als auch als Spitzenpolitiker das Recht, Bücher gut zu finden und diese Meinung auch öffentlich zu äußern. Außerdem darf er Eiskunstlaufen und beim Stadtmarathon mitmachen. Wenn er bei einer dieser Sachen blöd aussieht, ist das sein Problem.

    Soll Frau Storch halt ein Buch loben, dass die CDU kritisiert, dann sind sie wieder quitt.

  24. Ich kann den Skandal im Vorgang selbst nicht erkennen: Der CDU-Kanzleramtsminister stellt das Buch einer Journalistin vor, die den politischen Hauptgegner der CDU sachlich analysiert (davon gehe ich jetzt einmal aus, ohne das Buch gelesen zu haben; andernfalls hätte auch Herr Altmaier nicht für die Vorstellung zugesagt). Ich halte das für legitim, weil es zum Job eines Kanzleramtsministers gehört, die Politik seiner Regierungspartei zu erklären (vulgo: zu preisen) und die des politischen Gegners zu kritisieren. Dass er das auf der Meta-Ebene macht – nämlich durch die Vorstellung eines Buches einer renommierten Journalistin über eine gegnerische Partei, die außerdem gerade das politische Deutschland aufwühlt – finde ich in Ordnung. Frau Amann als Autorin müsste sich auf der anderen Seite vielleicht eher fragen, ob sie so eine Vereinnahmung ihres Buches für eine politische Seite will.

    Fragwürdig ist die Reaktion des Pressesprechers, die unnötig und unsouverän ist. Warum das Geschwurbel mit der „Privatperson Altmaier“? Und dann der Tanz um die Zitatfreigabe? Schlecht reagiert. Hier müsste Herr Altmaier vielleicht mit seinem Pressesprecher ein intensives Gespräch führen.

    Ein sehr kritisches Wort zu der These des Herrn Rosenkranz: „Es geht um den Anschein.“ – Das ist falsch, denke ich. Wenn es soweit kommt, dass nur noch der Anschein von irgendetwas zählt – egal, ob die Sache an sich legitim oder nicht ist – dann wird es wahrscheinlich unmöglich, komplizierte politische Entscheidungen zu treffen, die Abwägungen, Argumentieren und Diskutieren erfordern. Wenn es nur nach dem Anschein geht, wird jedes und jeder nicht mehr sachlich beurteilt, sondern im Affekt. Das wäre die Welt einer AfD.

    Die These „Es geht um den Anschein“ also gerade in einem hintergründigen und kritischen Blog wie Übermedien zu lesen, das sich tagein tagaus damit beschäftigt, die Fakten hinter dem Anschein zu enthüllen, hat mich sehr überrascht. Leider negativ.

  25. der vorgang ist durchaus bemerkenswert. ob das früher schon immer so war, spielt doch gar keine rolle. was hat ein kanzleramts-chef da zu suchen?
    in der tat bildet sich dabei aber noch viel mehr heraus, als man im ersten moment denkt. denn: es geht ja auch um das zitatrecht und damit ist es nicht weit her in unserem land.
    bitte nicht falsch verstehen: ich halte hintergrundgespräche zwischen politikern und journalisten für sehr sinnvoll, aber das ist hier nicht der fall.
    es hat sich ja schließlich nicht br auf dünnes eis begeben, sondern unser aller kanzleramts-chef peter altmaier – ganz privat.

    es gibt in deutschland kaum veröffentlichte interviews, die nicht abgesegnet sind vom jeweiligen interviewpartner. das ist eine völlige unsitte, aber absolut gängig, leider. so ist journalismus natürlich auch nur schwer möglich.

    insofern bin ich sehr dankbar für solcherlei petitesse:
    Sehr geehrter Herr Rosenkranz,

    wie schon erwähnt, war unser Telefonat ein Hintergrundgespräch, weshalb es keine Zitatfreigabe von mir gibt.

    Herzliche Grüße,

    Dominik Geißler

  26. Was den ursprünglichen Anlass des Artikels betrifft, so sehe ich allerdings auch kein Problem bei der Konstellation. Die Motivation, darüber einen Artikel schreiben zu wollen, kommt der Einordnung „Frames der AfD unterwerfen“ der besprochenen Journalistin auch in meinen Augen schon sehr nahe. Warum sollte man Rücksicht auf Hirngespinste von AfD-Wählern nehmen? Damit bestätigt man doch etwas, was so nicht zutrifft. Natürlich ist der Nachklapp dazu schon eher kritisierbar, es stellt sich aber auch hier die Frage, ob das Thema ein so hohes Watergatelevel hat, dass man aus explizit vertraulich markierten Gesprächen zitieren muss. Ich weiß wirklich nicht, ob es die Lappalie wert ist.

  27. Kritische Berichterstattung erfordert Distanz. Daher sind Politiker und Manager (und deren Pressesprecher) immer bemüht, Nähe herzustellen. Die Journalisten wiederum brauchen, um mehr über das Objekt der Berichterstattung herauszufinden.
    In diesem Spannungsfeld bewegen sich alle Journalisten.
    Wenn Frau Amann aus kommerziellen Gründen die Nähe sucht, hat das mehr als nur ein Geschmäckle.
    Und wenn ein Pressesprecher auf eine Medienanfrage nur nicht zitierbar antwortet (also gar nicht), widerspricht dies dem Transparenzgebot, dem die Verwaltung unterliegt. Davon unbenommen ist sein Recht, zusätzliche Hintergrundinformationen zu geben.

  28. Danke für die Recherche und (so sieht es aus) saubere Darstellung!
    Ich stimme dem Autor voll und ganz zu: Es hat sein „Geschmäckle“ und solche Sachen sollten vermieden werden.

    Ich denke, diese Sache ist zwar kein Skandal. Aber es ist ein Vorgang, an dem die Beteiligten Altmeier und Amann lernen können (und sollten!).

  29. @23 Schnellinger:

    Mea culpa, habe mich von „Bundes-“ in Kombination mit dem üblichen line-up mit Seibert & Co. zu falscher Annahme verleiten lassen und ziehe das Teilargument zurück.

  30. „Merkel-Hasser-Partei AfD “ ist üble Hetze.
    Es geht um Missbrauch des Asylrechts insbesondere um Verstöße gegen die Verfassung. Das Grundgesetz wurde um die Jahrtausendwende geändert um Zustände wie jetzt zu verhindern. Die Verfassungsfeinde verteufeln die Gesetztreuen.
    Die ARD manipuliert Bilder nach Bildzeitungsmanier um Täter und Opfer zu vertauschen.
    https://propagandaschau.wordpress.com/2017/03/07/manipulation-der-leser-durch-die-ard-heute-die-schlaeger-verschweigen/
    Oben: ARD-Propaganda zeigt Opfer von Schlägern – Rechts: Erst das ganze Bild zeigt, dass es sich um einen Trump-Anhänger handelt

  31. @Juga
    Um was geht es Ihnen nun genau? Worin liegt genau der Verfassungsverstoß? Und was sollen die Bilder beweisen, dort ist links zu lesen: „USA: Krawalle bei Pro Trump Demo“. Mehr lässt sich da auch nicht rein interpretieren. Nicht aus den Bildern. Und wenn eurer „Kampfruf: Merkel muss weg“ ist, sollen wir euch für Merkel Freunde halten? Tja, Fragen über Fragen.

  32. @Juga

    Sie sind sich auch für nichts zu doof, oder?
    Ihre Vorwurf der Täter-Opfer-Umkehr ist Quatsch mit Soße, wenn man sich den ursprünglichen Tagesschau-Artikel durchliest. Da steht nichts dergleichen im Artikel.
    Die Eingangsfrage war rhethorisch, bemühen Sie sich nicht.

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