Verwertungsgesellschaften mit Verlegerbeteiligung vertreten nicht die Interessen der Urheber

Stellungnahme von Dr. Martin Vogel zum BGH-Urteil zu seiner Klage gegen die VG Wort

Man wird verstehen, wenn ich nach viereinhalb Jahren erleichtert bin, dass meine Rechtsauffassung, von deren Richtigkeit ich stets überzeugt war – sonst hätte ich nicht geklagt -, nun auch eine höchstrichterliche Bestätigung gefunden hat; aber Jubilieren, das ist meine Sache nicht.

Es ist sehr bedauerlich, dass weder das Bundesministerium der Justiz, einschließlich die ihm unterstehende Staatsaufsicht über Verwertungsgesellschaften durch das Patentamt DPMA, noch der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages einen Anlass gesehen haben, den Ausschüttungen der VG Wort, der VG Bild-Kunst und der GEMA Einhalt zu gebieten. Das hat mit rechtsstaatlicher Aufsicht ebenso wenig zu tun wie mit einer dem Treuhandprinzip verpflichteten Rechtewahrnehmung, der sich diese Gesellschaften mehr als ein Jahrzehnt beharrlich widersetzten.

In diesem Zusammenhang kommt mir ein bedeutender Ausspruch des Bundesjustizministers in Erinnerung: „In einem Rechtsstaat können wir die Probleme, die wir in überforderten Behörden haben, nicht dadurch lösen, dass wir das Recht einfach außer Kraft setzen.“ Nur macht diese Verpflichtung nicht vor der eigenen Haustüre halt.

Aber mit den Verlagen will sich niemand anlegen, schon gar nicht, wenn es um Macht und politischen Einfluss geht und nur ein einzelner Autor seinen Zielen im Wege steht. Da ist es ein Leichtes, den Urhebern das wegzunehmen, was ihnen nach dem Gesetz unzweifelhaft gehört, und rechtsstaatliche Pflichten geraten schnell in Vergessenheit – erst recht, wenn man die Gewerkschaften auf seiner Seite weiß. Aber die Urheber haben keine Lobby, wie der gerade beendete Rechtsstreit belegt. Verwertungsgesellschaften mit Verlegerbeteiligung vertreten eben nicht deren Interessen, sondern mit dem Geld der Urheber die massiv die der Verleger.

Regierung und Gewerkschaften auf der Seite der Verleger

Wie der Justizminister äußert sich auch die Kulturministerin, die ebenfalls vergisst, dass auch Autoren zur Kultur gehören. Auffällig ist, wie die beiden Regierungsmitglieder nicht müde werden, bis in den Wortlaut hinein das wiederzugeben, was die Verwertungsgesellschaften- und Verlegerlobby ihnen vorgetragen haben.

Für die Urheber macht niemand in der Öffentlichkeit deutlich, was des Urhebers ist. Im Gegenteil. Die für die Kultur zuständige Ministerin erklärt zwar, dem Mainstream und ihrem Kollegen der Justiz folgend, die kollektive Rechtewahrnehmung von Verlegern und Autoren in einer Verwertungsgesellschaft wie bei VG Wort, VG Bild-Kunst und GEMA habe sich bewährt. Bei genauerem Hinsehen freilich beruht dies darauf, dass nach der Satzung der VG Wort die Verteilungsschlüssel die Verteilungsquoten für die Ewigkeit festlegen, weil sie nur einheitlich, also mit Zustimmung der Verleger, geändert werden können. Das bedeutet, dass Verleger an den gesetzlich allein den Urhebern zustehenden Vergütungen bis zur Hälfte beteiligt werden – und dies in den Gremien der VG Wort mit Zustimmung von ver.di und DJV, die vorgeben, für die Urheber zu sprechen. Dass dies rechtlich nicht zulässig ist, liegt auf der Hand.

Ver.di, der DJV und die Initiative Urheberrecht haben sich aber auf die Seite der Verleger geschlagen. Sie fürchteten, dass sie bei einem Erfolg der Klage beim BGH in kollektiven Vertragsverhandlungen mit den Verlegern für ihre Mitglieder nichts Nennenswertes mehr erreichen und in Folge dessen die Macht und Bedeutung ihrer Funktionäre in den Gremien der VG Wort nicht steigern können. Deshalb haben sie dort in ziemlich übler Weise gegen die unbestreitbaren Rechte der Urheber agiert und die auch ihnen bekannte Rechtswidrigkeit der Verteilung der VG Wort unterstützt, obwohl auch ihre Stimmrechte im Verwaltungsrat an den Treuhandgrundsatz gebunden sind.

Verleger bringen in die VG Wort keine eigenen Rechte ein

Zusammen mit den Verwertungsgesellschaften und den Verlegern spiegeln sie weiterhin der Öffentlichkeit und ihren Mitgliedern vor, Verleger würden der VG Wort Rechte an gesetzlichen Vergütungsansprüchen übertragen. Das Gegenteil ist der Fall. Verleger bringen in die VG Wort entgegen der Satzung überhaupt keine Rechte an Vergütungsansprüchen ein, weil das von ihnen gar nicht verlangt wird. Sie bekommen vielmehr ihr Geld einfach so, wie der BGH soeben den Vortrag des Klägers bestätigt hat.

Für die Verleger gibt es nach der Urteilsverkündung nichts zu beklagen. Sie wissen spätestens seit 2002, dass sie nichts zu beanspruchen haben. Sie bringen keine Rechte in die VG Wort ein. Nach dem Verteilungsplan der VG Wort brauchen sie das nicht, um am Aufkommen der Urheber beteiligt zu werden, weil sie dies auch nicht könnten.

Die Rechteeinbringung ist jedoch spätestens seit dem Urteil „Bandübernahmeverträge“ des Bundesverfassungsgerichts von 1997 ein unumstößlicher Grundsatz der treuhänderischen Rechtewahrnehmung, den Verwertungsgesellschaften unbedingt zu beachten haben. Angesichts dessen kann die VG Wort als Treuhänderin nicht hingehen und unter Berufung auf ihre Satzung behaupten, diese gehe dem Gesetz vor. Es fällt schwer, darin nicht eine eindeutige Missachtung der elementaren, vom Urheberrechtsgesetz verliehenen Rechte der Urheber zu sehen. Das müsste eigentlich jedermann unmittelbar einleuchten, auch wenn viele hochbezahlte Gutachter der Verwertungsgesellschaften etwas anderes behaupten.

Zweckgerichtete Schwarzmalerei

Wenn nun von Verlegerseite beklagt wird, der BGH-Urteil zerstöre eine lang bewährte Verlagskultur, so ist dies ein wenig überzeugender und durchsichtiger Einwand. Denn die beschworene bewährte Kultur beruht darauf, dass die Verleger mit Unterstützung der VG Wort und den in ihren Gremien mit einem Vetorecht ausgestatteten verlegerischen Berufsgruppen eine Verteilung aufrechterhalten, die rechtlich nicht zulässig ist. Rechtswidrige Statuten sind allerdings eine recht fragwürdige Kultur, sie haben keine Bestandsberechtigung.

Auch das Gerede, die VG Wort werde durch das VG-Wort-Urteil geschwächt, gehört zu der zweckgerichteten Schwarzmalerei der VG Wort im Verein mit den Gewerkschaften ver.di und DJV. Die Verhandlungsmacht einer Verwertungsgesellschaft beruht auf dem Umfang der von ihr vertretenen Rechte, gleich, wer sie ihr übertragen hat. Weshalb die VG Wort geschwächt werden soll, wenn die von ihr vertretenen Rechte allein von Urhebern eingebracht werden, erschließt sich wirklich nicht. Oder schätzen ihre Funktionäre sich selbst nicht stark genug ein, angesichts des Umfangs der von ihnen vertretenen Rechte (100 Prozent aller Rechte) mit der Industrie auf Augenhöhe zu verhandeln und zu einem akzeptablen Abschluss zu kommen?

Die Industrie kann aus dem Ausscheiden der Verleger keinen Vorteil ziehen, weil das Rechtepaket der VG Wort durch das BGH-Urteil unverändert bleibt. Sie schulden weiterhin dieselbe Summe wie vor dem Urteil.

Empörung trifft die Falschen

Nach dem Urteil des BGH druckt die Presse haufenweise Klagen der Verlage über ihre Existenznot ab. Das war schon angesichts des drohenden Urhebervertragsgesetzes von 2002 so. Diese bekannten und abgenutzten Klagen sind ein allzu deutlicher Ausdruck dessen, wie mächtig die Verleger sind. Sie künden die Schließung ihrer – nicht zuletzt mit dem Geld aus der Privatkopie, das den Urhebern gehört, finanzierten – Ausbildungsstätte für Journalisten an. Nirgendwo in der Presse steht zu lesen, dass die Urheber seit 50 Jahren erstmals das bekommen, was ihnen gehört, und dass ihre Verwertungsgesellschaften sie jahrzehntelang um bis zur Hälfte der ihnen zustehenden Vergütung gebracht haben – von einem Bedauern eines redlichen Kaufmanns darüber ganz zu schweigen.

Wenn in der Vergangenheit die Verlegervertreter in den Gremien der VG Wort von Ihrem Berufsverband, dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels, über die Rechtslage nicht richtig über die Rechtslage informiert worden sind, kann das nicht den Urhebern zur Last gelegt werden

Die jetzige Empörung trifft die Falschen. Spätestens seit 2002 hätte die VG Wort nichts mehr an Verleger ausschütten dürfen. Denn die Rechtslage hinsichtlich der Verlegerrechte war seitdem nicht einmal unsicher. Für die mit Billigung der Aufsicht zu Unrecht erfolgten Ausschüttungen, die nicht mehr zurückbezahlt werden können, haften die VG Wort, ihr Vorstand, und wohl auch die Mitglieder ihres Verwaltungsrats. Das ist der VG Wort bekannt, trotzdem haben sie die Urheber bei der Ausschüttung übervorteilt. Die Politik ist nach der Billigung des jahrelangen Fehlverhaltens der Verwertungsgesellschaften mit Verlegerbeteiligung gefordert, alles daranzusetzen, dass die Urheber wenigstens nachträglich zu ihrem Geld kommen. Ein willfähriges Erfüllen der Verlegerforderungen ist nicht am Platze.

Es ist unverständlich, wenn nach dem gerade verkündeten Urteil des BGH das Schicksal der kleinen Verlage beklagt wird. Auch sie hätten mit einem für sie negativen Urteil rechnen müssen. Alle Beteiligten in den Gremien sowie der Börsenverein haben ihnen Sand in die Augen gestreut, nicht anders die staatliche Aufsicht. Sollten die kleinen Verlage jetzt wirtschaftlich in Schwierigkeiten geraten, mag das bedauerlich sein gerade für die Freunde gedruckter Lektüre, zu denen sich der Kläger des Verfahrens zählt. Jedoch dürfen bei allem Wehklagen der Verleger diejenigen Autoren nicht in Vergessenheit geraten, die weit unter dem gesellschaftlichen Durchschnitt verdienen und in prekären Verhältnissen leben. Es war in ihrem Interesse notwendig, wenigstens die ihnen gesetzlich zustehenden Rechte vor Gericht durchzusetzen, weil sich sonst niemand darum gekümmert hätte.

Der irreführende Begriff der „Symbiose“

 

Kein Verlag konnte ernsthaft davon ausgehen, dass nach dem Urteil des BGH alles so bleiben würde wie bisher, denn Verlage haben eben keine Vergütungsansprüche der VG Wort übertragen (können). Die Verleger haben sich mehr als vier Jahre auf die Rechtslage einstellen können und müssen. Wenn sie das nicht getan haben, müssen sie nun kurzfristig neu kalkulieren. Über jetzt fällige Rückzahlungen dürfen sie sich nicht beschweren. Das liegt in der Natur von unter Vorbehalt geleisteten Zahlungen. Als sorgfältige Kaufleute hätten Verleger – kleine wie große – mit Rückforderungen rechnen und sie in ihre wirtschaftlichen Überlegungen einbeziehen müssen. Die größere Bedrohung der kleinen Verlage scheint darin zu bestehen, dass, haben sie einmal eine guten Autor entdeckt und aufgebaut, er ihnen von großen Verlagen weggeschnappt wird.

Es geht nicht an, den ebenso versöhnlich klingenden wie die Rechtslage verschleiernden Begriff der Symbiose ins Feld zu führen, um den Urhebern die Hälfte der ihnen kraft Gesetzes zustehenden gesetzliche Vergütung abzujagen. Der Begriff der Symbiose wird in der Praxis von den interessegeleiteten Funktionären, sei es der Verleger, sei es der Gewerkschaften, gerne zur Selbstberuhigung herangezogen, um zu rechtfertigen, dass sie den Urhebern etwas von ihren Rechten abgenommen haben. Bedauerlich, aber unbestreitbar, ein Blick ins Netz genügt!

Dass die Urheber als solche keine Lobby haben, wird besonders deutlich daran, wie es den Verlegern gelingt, völlig unbedarfte UrheberInnen für ihre Propagandazwecke einzuspannen. Wenn die Urheber verbandsmäßig stark vertreten wären, könnten solche missbrauchten Personen darauf hingewiesen werden, wie die Verbände derVerleger und der Urheber im Zusammenwirken mit der VG Wort die nichts ahnenden Urheber über Jahre um große Teile der ihnen zustehenden Einkünfte gebracht haben. Die jetzige Misere der kleinen Verlage ist doch das Ergebnis der katastrophalen „Aufklärungs“-Politik der Verlegerverbände gegenüber ihren eigenen Mitgliedern.

Problemlindernd ist endlich doch wohl davon auszugehen, dass die Gewerkschaften und Verbände ver.di und DJV, die sich mit Nachdruck für eine Beibehaltung der für rechtswidrig erklärten Verlegerbeteiligung ausgesprochen haben, ihre Autoren konsequenterwiese auffordern werden, die Verleger ihrer Werke an den Ausschüttungen der VG Wort aus den gesetzlichen Vergütungsansprüchen wie bisher beteiligen – nur eben nachträglich.