Fehlt die Opposition im ZDF-Fernsehrat? Die Antworten der Fraktionen im Wortlaut

Die AfD ist im ZDF-Fernsehrat nicht vertreten und wird es wohl auch nach dessen Neukonstituierung im Sommer nicht sein. (Mehr dazu in diesem Artikel.) Wir haben die medienpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen gefragt:

1. Wie bewerten Sie es, wenn die bundesweit größte Oppositionspartei nicht im Aufsichtsgremium des ZDF vertreten ist – prinzipiell und konkret bezogen auf die AfD?

2. Kritiker hatten schon bei der Novellierung des Staatsvertrages bemängelt, dass er die Opposition und kleine Parteien benachteilige. Wie bewerten Sie das? Ließe sich das ändern?

Ihre Antworten im Wortlaut:

Doris Achelwilm, Linke

„Wir als LINKE sind für eine breite Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Gruppen in die Aufsichtsgremien der Öffentlich-Rechtlichen. Diesen Anspruch gilt es weiterhin zu stärken. Auch bei der angemessenen Berücksichtigung parteipolitischer Kräfte besteht demokratietheoretisch noch Luft nach oben: Nach dem Verfassungsgerichtsurteil zum ZDF-Staatsvertrag hat sich die GroKo überlegt, Staatsferne zu gewährleisten, indem die Vertreter*innen der Parteien quasi durch Regierungsmitglieder der Länder ersetzt werden. Mehr Pluralität bedeutet dieser formale Zug nun genau nicht: Den ‚Politikblock‘ zu einem reinen Regierungsblock umzufunktionieren dürfte eher die staatsnahe Meinungsbildung im Fernsehrat befördern und eben kein Garant für mehr Pluralität und Staatsferne sein.

Als Beitrag zur Demokratisierung sehe ich definitiv nicht, dass ausgerechnet die offen antidemokratische AfD im ZDF-Fernsehrat repräsentiert sein sollte. Die medienpolitischen Beiträge und Kampagnen der AfD auf Landes- und Bundesebene haben durchweg zum Ziel, den Öffentlich-Rechtlichen abzuschaffen oder auf eigene Bedürfnisse zuzuschneiden, freie Berichterstattung zu gängeln und dergleichen. Parallel bedrohen AfD-nahe Kreise auf Twitter, Demos oder bei sonstigen Gelegenheiten unliebsame Journalist*innen aufs Schärfste.

Wenn es um den demokratischen Anspruch geht, neben den Landesregierungen auch wieder Oppositionsparteien im Fernsehrat zu repräsentieren, könnte ein Lösungsweg so gestrickt sein, dass eine Wahl stattfindet, bei der Abgeordnete von Bund und Ländern mehrheitlich darüber entscheiden, ob sie AfDler in einem Gremium haben wollen oder eben nicht. Auch so ein Verfahren schützt letztlich nicht vor Fehlentwicklungen, wäre aber ein Vorschlag, mit den Gegebenheiten transparent umzugehen.“

Thomas Hacker, FDP

1. „Wenn man den Fernsehrat aktuell und im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betrachtet, dann soll das Gremium die Vielfalt an Personen/Gruppen und Meinungen in der Gesellschaft abbilden. Zu einem Querschnitt der Gesellschaft gehört selbstverständlich auch die Politik – bestehend aus Regierung und Opposition. Bei aller richtigen und notwendigen Politikferne sollten prinzipiell auch Vertreter aus der Politik vertreten sein. Die Gretchenfrage ist, wo man den Schnitt machen sollte. Wenn wir nur die größte Oppositionspartei mit aufnehmen, dann klammern wir trotzdem große Teile anderer Parteien aus. Ich tendiere daher dazu nicht nur eine Oppositionspartei im Bundestag einen Platz im Fernsehrat zu geben. Ob ich persönlich mit den Parteien inhaltlich übereinstimme oder nicht, darf in einem demokratischen Rechtsstaat keinen Einfluss haben.“

2. „Änderungen wären in mehrerlei Hinsicht möglich. Einerseits könnte die Verkleinerung des Fernsehrates dadurch ermöglicht werden, dass Teile der 16 Vertreter der Länder jeweils einen Pool bilden und alternierend nach einem festzulegenden Schema beteiligt werden und zum Beispiel 10 Vertreter in den Fernsehrat entsenden. Die Vertreter könnten dann ähnlich der Regelung zu den Vertretern des Deutschen Landkreistages, Städtetages und des Städte- und Gemeindebundes rotieren.

Andererseits fordern wir Freie Demokraten einen grundlegenden dogmatischen Wechsel in der Aufsicht der Öffentlich-Rechtlichen. Die Aufsichtsgremien sind nicht kontrovers genug, sondern reihen sich in die Mentalität der Selbsterhaltung ein. Wir Freie Demokraten wünschen uns daher eine externe, unabhängige und staatsferne Stelle, welche die Aufsicht übernimmt. Diese sollte einerseits fachlich und andererseits die Vielfalt unserer Gesellschaft widerspiegeln.“

Elisabeth Motschmann, CDU

„Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem ‚ZDF-Urteil‘ 2014 festgelegt, dass die so genannte ‚Staatsbank‘, also die Zahl politischer Vertreter, in den Aufsichtsgremien der Rundfunkanstalten nicht mehr als ein Drittel betragen darf. Dieses Urteil wurde in der Öffentlichkeit weithin gelobt, Kritik allenfalls insofern geäußert, dass die Zahl politischer Vertreter – nach dem Geschmack mancher – noch weiter reduziert werden könnte.
Die für die Medien- und Rundfunkpolitik zuständigen Länder hatten darauf zu reagieren. Sie entschieden sich, im 60köpfigen ZDF-Fernsehrat jedem Land einen Platz, dem Bund und den Kommunen je zwei Plätze zuzuweisen. Damit war das zulässige Drittel ausgeschöpft. Dem Deutschen Bundestag wurden keine Sitze zugestanden. Insofern kommt auch die größte Oppositionsfraktion im Bundestag nicht zum Zuge. Da die AfD den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja bekanntlich ablehnt, dürfte ihr ja auch an einer Mitgliedschaft in den Sendergremien nicht sonderlich viel liegen.
Weder bei den Ländern noch beim Bund ist es eine Option, sie durch Vertreter der parlamentarischen Opposition zu repräsentieren. An den 16 Landesregierungen sind immerhin sechs verschiedene politische Parteien beteiligt. Darüber lässt sich die politische Vielfalt in Deutschland ausreichend abbilden.“

Martin Rabanus, SPD

„Die Zusammensetzung des ZDF-Fernsehrats ist in § 21 ZDF-Staatsvertrag geregelt, dieser wiederum ist durch Beschluss der 16 Bundesländer in Kraft gesetzt. Die Repräsentation einzelner Gruppen im ZDF-Fernsehrat obliegt somit der Hoheit der Bundesländer. Deshalb möchte ich mich dazu im Detail nicht äußern. Zudem besteht kein Entsenderecht der Parlamente – weder der Landesparlamente noch des Deutschen Bundestages – und somit auch weder für Regierungs- noch für Oppositionsfraktionen ein Recht auf Vertretung im ZDF-Fernsehrat. Das Benennungsrecht des Bundes obliegt nach §21 Abs. 1(b) der Bundesregierung. Im Hinblick auf die Gesamtkonstruktion des ZDF-Fernsehrates gehe ich davon aus, dass er den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an eine staatsferne Organisation des Gremiums vollumfänglich Rechnung trägt.“

Martin E. Renner, AfD

1. „Das ZDF steht beispielhaft für den Niedergang des öffentlich-rechtlichen Mediensystems: Immer unverhohlener ersetzt der sogenannte ‚Haltungsjournalismus‘ die einst ausgewogene Berichterstattung. Wenn aber ein öffentlicher Sender für gesellschaftlich strittige politische Ziele eintritt – und seine Botschaften unterschwellig über das gesamte Programm verbreitet – verlässt er den Boden, den das Bundesverfassungsgericht in seinen Rundfunkurteilen abgesteckt hat. Unsere Rundfunkordnung wollte aus guten Gründen keinen Regierungs- und keinen Propagandafunk. Um die Einhaltung der Grundsätze der Ausgewogenheit des Programms, der Objektivität und Multiperspektivität der Berichterstattung – also auch der gerade nicht wertenden Darstellung unterschiedlicher Meinungen – zu überwachen, sind die Aufsichtsgremien da. Deshalb ist die Beteiligung der Opposition in diesen Gremien essenziell für die Demokratie.“

2. „Das ganze deutsche Rundfunksystem ist nicht mehr zeitgemäß. Geboren wurde es aus der Frequenzknappheit heraus, die heute nicht mehr gegeben ist. In den heutigen Zeiten frei und nahezu unbegrenzt verfügbarer Informationen und Unterhaltungsangebote bedarf es keiner über allgemeine Zwangsgebühren finanzierter Sender mehr. Fielen die Zwangsgebühren einmal weg, würden sich die Sender von selbst um möglichst repräsentativ für ihre Nutzer besetzte Aufsichtsgremien bemühen. Solange es aber diese Zwangsgebühren für die politisierten Sender noch gibt, müssen die Gebührenzahler angemessen in den Gremien vertreten sein. Die richtige, demokratisch ehrliche Lösung wären also allgemeine Wahlen für die Rundfunkräte. Beispielsweise so organisiert wie die Sozialwahlen.

Das muss keineswegs zu einer Einflusssteigerung der Parteien führen. Es würde vielmehr die Transparenz erhöhen.“

Margit Stumpp, Grüne

„Der ZDF-Fernsehrat spiegelt schon heute nicht die Staatsferne und Vielfalt wieder, wie wir sie uns wünschen. Das Bundesverfassungsgericht hat 2014 geurteilt, dass der Fernsehrat das Gebot der Staatsferne nicht erfüllt. Dieser Auffassung schließe ich mich an. Es ist ein Problem, wenn die Deutungshoheit in den öffentlich-rechtlichen Gremien nach wie vor bei den Regierungen der Bundesländer liegt und viele Abgesandte von gesellschaftlich relevanten Gruppen vorrangig nach ihrem Parteibuch ausgewählt werden. Das ist nicht gut für das ZDF und schadet der Vertrauenswürdigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems insgesamt.

Es wäre aber nicht zielführend, die Anzahl der Ratsmitglieder zugunsten von mehr Parlamentarier*innen zu erhöhen und den Fernsehrat damit aufzublähen. Der wichtigste Schritt wäre, die Anzahl der Vertreter*innen gesellschaftlich relevanter Gruppen zu erhöhen. Daneben scheint es überlegenswert, ob die Anzahl der Landesregierungsvertreter*innen zugunsten von Parlamentarier*innen aus der Opposition verringert wird. Das würde der Vielfalt im politischen Bereich guttun. Ich halte nichts davon, solche Regelungen an die aktuellen politischen Machtverhältnisse und die Sympathie bzw. Antipathie mit bestimmten politischen Kräften zu koppeln. Den Feinden der liberalen Demokratie begegnen wir nicht, wenn wir uns wegducken und damit unsere eigenen demokratischen Prinzipien verleugnen.“