Notizblog (26)

Von der Sinnlosigkeit, die Umfragen zur US-Wahl zu verfolgen

Exklusiv für Übonnenten
Umfragendurchschnitt in Swing States
Ist knapp Screenshot: „New York Times“

Selten war es so uninteressant, sich mit Meinungsumfragen zu beschäftigen, wie in dieser Schlussphase des amerikanischen Wahlkampfes. Nicht weil das Rennen schon gelaufen wäre – im Gegenteil: Es ist ganz außerordentlich knapp. Kamala Harris und Donald Trump liegen in den meisten Swing States, die für den Wahlsieg entscheidend sind, ungefähr gleichauf, und das seit Wochen. Aber genau das, was die Wahl – nach Unterhaltungskategorien – spannend macht, macht die Umfragen langweilig. Seriös lässt sich aus ihnen nicht mehr ablesen, als dass die Chancen ungefähr fifty-fifty stehen, und wenn nicht noch etwas Gravierendes, Überraschendes passiert, wird sich daran wohl auch in den nächsten zwei Wochen nichts ändern.

Ich liebe es eigentlich, mich mit Meinungsumfragen zu befassen. Ich mochte immer schon alles, was irgendwie mit Zahlen und Statistiken zu tun hat. Das bedeutet nicht, dass ich es nicht problematisch finde, in welchem Maße sich Medien von ihnen leiten lassen, wie oft sie sie zu billigem Content verwursten, wie sehr sie inhaltliche Auseinandersetzungen ersetzen.

Horse Race Journalism nennt man abwertend den Journalismus, der Politik nur als ein Wettrennen betrachtet, wobei das eigentlich noch ein Euphemismus ist. Der Politikwettrennenreporter ist in einer viel schlechteren Position als ein Sportreporter: Anders als bei einem Wettrennen kann er nicht sicher wissen, wer wirklich vorne liegt. Es ist, als würde man einen sehr weit entfernten Wettkampf durch eine sehr schmutzige Brille betrachten: Man kann eventuell erahnen, wer womöglich gerade in Führung liegt, aber es kann auch täuschen.

Meinungsumfragen sind naturgemäß ungenau. Sie versuchen mit allerlei Methoden sicherzustellen, dem tatsächlichen Wahlverhalten möglichst nahe zu kommen. Aber es bleiben Stichproben, die schon im idealen Fall nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit das Verhalten der Gesamtgröße abbilden.

Verdammtes Wahlsystem

Das amerikanische Wahlsystem ermöglicht es, dass Präsidentschaftswahlen durch sehr kleine Mehrheiten in sehr bestimmten Staaten entschieden werden. A…

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