Proteste gegen die Islamische Republik

Ein „Iran-Experte“ mit Nähe zum System

Dass das iranische Regime bei Protesten das Internet einschränkt, Social-Media- und Messenger-Dienste sperrt, passiert in diesen Wochen nicht zum ersten Mal. Schon häufig wurde es auf diese Weise Demonstrierenden erschwert, sich zu informieren und zu vernetzen.

Warum diese Kommunikationsmittel in diesem Fall so „lebenswichtig“ sind, wollte 2017, als es Proteste gab, eine CNN-Moderatorin bei einer Interview-Schalte vom deutsch-iranischen Politikwissenschaftler Adnan Tabatabai wissen. Der erklärte: Ja, Instagram und Telegram seien geblockt, aber nur temporär, das hätten die Offiziellen erklärt. „Unglücklicherweise“ müsse er sagen, dass Social Media zwar einerseits ein „Segen“ sei, weil Information freier verbreitet werden kann, es da aber auch „Fake News“ und „gefährliche Inhalte“ gebe. Wörtlich sagte er: „Den Missbrauch dieser Social-Media-Kanäle kann man nicht abtun.“

Adnan Tabatabai im CNN-Interview 2017
Adnan Tabatabai im CNN-Interview Screenshot: CNN

In diesem Kontext, in diesem Moment war das eine bemerkenswerte Aussage. In Iran ist die Meinungsfreiheit massiv eingeschränkt, staatliche Medien senden Regime-Propaganda, die Organisation „Reporter Ohne Grenzen“ bezeichnet das Land als „Feind des Internets“. Und ein „Iran-Analyst“ nutzt die wenigen Minuten eines CNN-Interviews, um auf Gefahren und Missbrauch von Social Media aufmerksam zu machen – und liefert damit eine Art Rechtfertigung für das Handeln des Regimes. Warum?

Das CNN-Interview ist ein gutes Beispiel dafür, wie Adnan Tabatabai in Medien auftritt. Er sagt im Grunde nichts, was falsch ist. Aber auffallend ist, was er weglässt und was er betont. Zuschauer:innen, die sich mit Iran nicht auskennen, halten ihn für kompetent. Und das ist er auch. Tabatabai reist regelmäßig beruflich nach Iran. Er hat einen Masterabschluss in Middle East Politics an der School of Oriental and African Studies der University of London und „berät europäische Politik und Wirtschaft zu Iran-Angelegenheiten“.

Das steht auf der Seite des „Orient-Forschungszentrums“ Carpo (Center for Applied Research in Partnership with the Orient), das in Bonn sitzt und dessen Geschäftsführer er ist. Dort steht außerdem: „Unsere Arbeit liegt an der Schnittstelle von Forschung, Beratung und Austausch und fokussiert auf die Durchführung von Projekten in enger Kooperation und Partnerschaft mit Stakeholdern im Orient.“ Die Organisation bezeichnet sich als ThinkTank, andere nennen sie „Iran-Lobby“.

In vielen Medien vertreten

Adnan Tabatabai ist ein häufig angefragter Interviewpartner. Alleine in den vergangenen Wochen der neuen Proteste nach dem Tod der Kurdin Mahsa Zhina Amini, war er im Deutschlandfunk (DLF), im WDR, im Schweizer Rundfunk und in der BBC, im Podcast von „The Pioneer“ und im „Zeit“-Podcast „Was jetzt“ zu hören. Er wurde vom „Tagesspiegel“ und vom „Stern“ interviewt. Auch in den vergangenen Jahren war Adnan Tabatabai bei Iran-Themen immer wieder präsent, sei es als Schreiber von Gastbeiträgen in der „Zeit“, als Autor für Stiftungen, als Host seines eigenen Iran-Podcasts oder Autor des Buches „Morgen in Iran – Die Islamische Republik im Aufbruch“.

Bei Twitter fordern aktuell vor allem Nutzer:innen aus der deutsch-iranischen Community Medien auf, Adnan Tabatabai nicht mehr als Experten einzuladen – oder zumindest seinen Background transparent zu machen. Sie werfen ihm Beschwichtigung und Entpolitisierung vor; dass er die Dimension des Protests klein rede und immer wieder so argumentiere, dass die wirtschaftliche Situation bedingt durch die Sanktionen das Hauptproblem in Iran seien. Dass er eine Kommunikationslinie fahre, in der es um Reformen und Lockerungen gehe, und nicht um eine grundsätzliche Systemfrage.

Der Berliner Grünen-Politiker Ario Mirzaie kritisierte auf Twitter Tabatabai als „zweifelhaften Experten“ mit dem Hashtag „IranLobby“.

Wir haben für diesen Text mit Personen gesprochen, die sich tiefer mit der Arbeit und dem Netzwerk Tabatabais beschäftigt haben. Alle bitten, namentlich nicht genannt zu werden. Eine Person begründet das so: Es sei „für Iraner:innen schwierig, offen über Adnan Tabatabai zu sprechen, weil das für die Familie oder für einen selbst gefährlich werden kann.“

Tabatabai sei „der wichtigste Lobbyist der Islamischen Republik“ in Deutschland, sagt ein Gesprächspartner. „Man muss ihn nicht interviewen, man kann auch einfach iranisches Staatsfernsehen schauen.“ Alles, was er sage, sei auf „Regime-Linie“. Eine weitere Person nennt das, was er sagt, „lupenreine Propaganda“.

Um diese Einschätzung nachzuvollziehen zu können, muss man sich anschauen, was Tabatabai sagt und wie er es sagt. Aber auch, wer er ist.

Netzwerk in höchste Kreise

Adnan Tabatabai ist in Deutschland aufgewachsen. Er ist der Sohn von Sadegh Tabatabai, einem sehr engen Vertrauen des Revolutionsführers Ruholla Khomeini. Nach der Islamischen Revolution 1979 war Sadegh Tabatabai kurz Minister und Regierungssprecher in Teheran. Anfang der 80er Jahre war er in Drogen- und Waffengeschäfte verwickelt. Aufgrund seines Status als Sonderbotschafter in Deutschland konnte er sich einer dreijährigen Haftstrafe, zu der er wegen Rauschgiftschmuggels verurteilt worden war, entziehen.

Adnan Tabatabais Cousin ist Hassan Khomeini, ein Kleriker und Enkel des Revolutionsführers. Khomeini wurde 2021 als Präsidentschaftskandidat gehandelt. Adnan Tabatabai „gehört den religiös-aristokratischen Machtstrukturen der Islamischen Republik (…) an“, schreibt Kazem Moussavi, ein in Deutschland lebender Mitbegründer der Exilopposition „Green Party of Iran“.

Tabatabai selbst schreibt auf Übermedien-Anfrage:

„Mein Familienhintergrund eröffnet mir Wege, ein weitreichendes Netzwerk an Gesprächspartner:innen in Iran aufzubauen. Denn neben der akademischen Ausbildung gehört zu jeder policyorientierten Forschung ein solches Netzwerk an Gesprächspartner:innen. Mit Blick auf Iran gehören dazu Iraner:innen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten mit diversen politischen Gesinnungen, Journalist:innen staatlicher und privater Medien, Akademiker:innen unterschiedlicher Universitäten, Kulturschaffende, aber eben auch Vertreter:innen des politischen Establishments. Als Forscher mit Policyfokus bin ich darauf angewiesen, auch in solchen politischen Kreisen Gesprächpartner:innen zu suchen. Solch ein Netzwerk von Gesprächspartner:innen auf verschiedenen Ebenen pflege ich aber auch zu vielen anderen Ländern der Region – wie etwa Saudi-Arabien, Oman, Katar oder Irak.“

Es wäre falsch, Tabatabai nur aufgrund seiner Verwandtschaft zu mächtigen oder ehemals mächtigen Personen als Propagandist abzustempeln oder ihn deshalb nicht nach seiner Einschätzung zu fragen. Doch wie und wozu er sich in Medien äußert, erscheint dann eben in einem anderen Licht, wenn man weiß, in welchen Kreisen er sich bewegt.

Kritik, aber harmlos

In Tabatabais Buch „Morgen in Iran – Die Islamische Republik im Aufbruch“ (erschienen 2016), das er seinem Vater gewidmet hat und in dem er sich bewusst dazu entschieden habe, „den Schwerpunkt auf die Potenziale, Chancen und vielversprechenden Dynamiken in der Politik, der Wirtschaft, den Medien und in der Zivilgesellschaft zu legen“, schreibt er über seine regelmäßigen Reisen zwischen Deutschland und Iran. Dass er seit jeher versuche, die unterschiedlichen Welten „in Einklang“ zu bringen.

In Interviews zu den aktuellen Protesten spricht Tabatabai immer wieder von einem Umdenken bei den Eliten und „solidarischen“ Reaktionen auf den Tod Mahsa Aminis, die mutmaßlich an den Folgen der Misshandlung durch die sogenannte Sittenpolizei starb. Im WDR sagte er Ende September zum Beispiel: „Mit Blick auf mögliche Veränderungen gibt es natürlich die leise Hoffnung, dass es zumindest beim Verschleierungsgebot und der strikten Umsetzung kleine Lockerungen gibt. Denn die derzeitigen Vorgaben werden sehr häufig und viel kritisiert – auch von Mitgliedern der politischen Elite.“

Eine Person, die sich mit der aktuellen Politik und Lage in Iran viel befasst, ordnet das, was er sagt, so ein:

„Er macht das geschickt und subtil, wenn man sich nicht mit Iran auskennt, hält man ihn für einen seriösen Experten. Er spricht immer wieder über die vermeintliche Reformfähigkeit des Regimes und verurteilt gleichzeitig die Gewalt. Er flankiert mit dieser vermeintlichen Kritik am Regime seine eigentliche Message: Dieses Regime ist Verhandlungspartner für Deutschland.“

Im Deutschlandfunk sprach Tabatabai von der „klaren Zunahme einer apolitischen Haltung“ im Land und dass politisches Handeln für junge Leute im Iran nicht interessant sei. „Die wesentlichen Themen sind wirtschaftlicher Natur.“ Die Breite der Bevölkerung wende sich von politischen Themen ab. Eine erstaunliche Einschätzung angesichts der Bilder von protestierenden Menschen in fast allen Provinzen; angesichts von Frauen, die auf der Straße Kopftücher verbrennen, sich symbolisch die Haare abschneiden, „Frau. Leben. Freiheit” skandieren und das Ende der Islamischen Republik fordern.

Im WDR prognostizierte er, dass es keinen Umsturz geben werde. Und man kann ihn da auch so verstehen, als spreche er der Protestbewegung im Iran den politischen Willen und die Fähigkeiten ab: „Sollen alternative Politiker kommen, die die Belange des Landes übernehmen? Da beginnt schon das erste wesentliche Problem: Es ist überhaupt nicht klar, wer diese anderen politischen Akteure sein sollen. Es gibt sie einfach nicht.“

Die „taz“-Journalistin Silke Mertins, die selbst als Korrespondentin schon aus Iran berichtet hat, kann diese Position nachvollziehen:

„Da verbreitet er aus meiner Sicht keine Propaganda. Er kommt zu anderen Schlüssen. Man wünscht sich seit 20 Jahren, dass die Proteste etwas bewirken. Das System der Islamischen Republik ist sehr ausgeklügelt. Das kann nicht so einfach ausgetauscht werden wie in anderen Ländern. Es ist wie beim Ukraine-Krieg, wenn jemand sagt, die Russen seien nicht besiegbar. Das hört man auch nicht gerne, aber es ist durchaus möglich. Auch das kann wahr sein.“

Der deutsch-iranische Journalist Omid Rezaee schreibt dagegen bei Twitter:

„Adnan Tababai ist der Sohn von Sadegh Tababi, einem der engsten Berater Khomeinis. Adnan steht dem Reformer-Lager sehr nah und praktisch repräsentiert er iranische Reformer in Deutschland. Natürlich sagt er, dass es keine Alternativen gebe. Gäbe es Alternativen, ist Adnan weg!

Kleine Erläuterung: ich habe nichts dagegen, dass Medien auch Menschen wie Adnan Tabatabai zu Wort kommen lassen. Das Publikum hat aber das Recht zu wissen, wem es zuhört. Die Vergangenheit von ‚Expert*innen‘ zu verschweigen ist für mich kein guter Journalismus.“

Tabatabai sagt zu solcher Kritik im Gespräch mit Übermedien:

„Wenn ich die Einschätzung habe, dass es keine alternative politische Figur gibt, die sich der Belange annimmt, ist es völlig legitim, das zu vermitteln. Da kann es aber unendlich gerne jemanden geben, der oder die sagt: doch, diese Person gibt es.“

Zu Forderungen, ihn nicht mehr als Experten einzuladen, sagt er: „Ich erwarte, dass man Einschätzung und Präferenz voneinander differenziert.“ Er sei keine „politische Figur“.

Perspektivwechsel?

Ein schärferes Bild des „Iran-Experten“ zeichnet sich ab, wenn man einen Blick in sein Buch „Morgen in Iran“ wirft. Zum Thema Kopftuch steht da zum Beispiel:

„(…) Frauen, denen die Einhaltung des hedjab besonders wichtig ist, fällt es nach der Revolution leichter, sich im öffentlichen Raum aufzuhalten, studieren zu gehen und einen Beruf in einer Gemeinschaft mit Männern auszuüben.“

Im Kapitel „Eine andere Zivilgesellschaft“ schreibt er:

„In westlichen Ländern wie Deutschland werden Grundrechte wie Presse- und Meinungsfreiheit, politische Mitspracherechte und faire Wahlen als prioritär angesehen. In Iran und der Region des Mittleren Ostens hingegen zählen viel grundsätzlichere Dinge, um die sich westliche Gesellschaften nicht mehr zu sorgen brauchen. So ist die überwiegende Mehrheit der Menschen bereits dann zufrieden, wenn sie in Sicherheit leben können, ein Dach über dem Kopf haben, der Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung gesichert ist und ein Mindestmaß an rechtsstaatlicher Ordnung herrscht.“

Ja, das kann man Perspektivwechsel nennen, wenn man der Ansicht ist, dass so etwas wie „faire Wahlen“ und Meinungsfreiheit einfach unterschiedliche, kulturspezifische Werte sind, die es bei uns im Westen gibt, aber in anderen Regionen der Welt nicht so wichtig sind. Man kann es aber auch relativierend und verharmlosend finden.

Es geht auf den 300 Seiten des Buches auch um Todesurteile. Dafür dass Iran neben China zu den Ländern mit den häufigsten Vollstreckungen der Todesstrafe weltweit zählt, findet das Thema allerdings, nun ja, recht dosiert statt. Und wenn, dann steht da zum Beispiel:

„Die Bekämpfung der Drogensucht ist auch deshalb so dringend geboten, weil etwa 75 Prozent der Todesurteile in Iran wegen Schmuggel und Handel von Drogen verhängt und vollstreckt werden.“

Auch das ist ein bemerkenswerter Perspektivwechsel: Als wäre Drogensucht das eigentliche Problem und die massenhafte Hinrichtung von Menschen eine unausweichliche Folge.

Es ist ein Buch mit viel Appeasement: Ist doch gar nicht so schlimm in Iran. Mal was anderes, als die „Negativschlagzeilen“, die sonst immer ein „besonders düsteres Bild“ des Landes zeichnen. Und halt einfach eine andere Kultur da.

Apropos Kultur: In seinem „Iran-Podcast“, den er gemeinsam mit der Journalistin Stephanie Rohde produziert und der in losen Abständen erscheint, bezeichnete er das strenge Kopftuchgebot als „wesentlichen Bestandteil der Kulturpolitik der Islamischen Republik“. Kulturpolitik. Ein Gesetz, das Frauen systematisch diskriminiert.

Mal mit „eigener Note“, mal ohne

Seinen Twitter-Account hat Adnan Tabatabai vor wenigen Tagen deaktiviert. Dort teilte er in den vergangenen Jahren immer wieder Tweets, die Kritiker:innen als Indiz für seine Nähe zu den Iranischen Revolutionsgarden interpretieren. Zum Beispiel im November 2019, bei Protesten ausgelöst durch Benzinpreiserhöhung, retweete er unkommentiert das Statement der sogenannten „Armee der Wächter der Islamischen Revolution“. Darin stand: Man lobe die Menschen, die „zwischen dem Recht der Menschen und der Notwendigkeit, auf ihre Forderungen einzugehen, und der Störung der Ordnung und dem Vandalismus“ unterscheiden können.


Dabei wäre Einordnung gerade bei diesen Ereignissen dann doch hilfreich. Über das, was damals passierte, schreibt die ZDF-Journalistin Golineh Atai in einem Gastbeitrag in der „Zeit“:

„Als im November 2019 Menschen in vielen Teilen des Iran gegen die steigenden Benzinpreise demonstrierten, das Regime angriffen und zwölf Tage lang das Internet abgeschaltet wurde, verübten Sicherheitskräfte ein Massaker. Die Leichen von Demonstranten wurden später mit zusammengebundenen Händen und Füßen in Flüssen wiedergefunden. Womöglich weit über 1000 Menschen wurden getötet, Hinweise und Belege werden immer noch gesammelt. Nichts davon ist in unseren Medien ein Thema gewesen.“

Tabatabai sagt zu dem Retweet: „Ich gebe das wieder, was in diesem Statement steht, um zu informieren. Für die Beobachter:innen, wie sich wer in Iran positioniert. Ich muss nicht jedesmal meine eigene Note dazu geben oder bewerten.“

Doch als am 8. Januar 2020 ein ukrainisches Passagierflugzeug nach dem Start in Teheran abgeschossen wurde (ein paar Tage später übernahm eine Einheit der Iranischen Revolutionsgarde die Verantwortung dafür) sah Tabatabai dagegen schon die Notwendigkeit, eine „eigene Note“ in seinen Tweet zu packen.

Einen anderen Tweet, bei dem er den antisemitischen Al-Quds-Tag in Berlin verteidigte, löschte er wieder. Dazu sagt er jetzt: „Man kann sich nicht schützend vor diesen Al-Quds-Tag und die Stimmung, die es da gibt, stellen. Schon gar nicht in Deutschland.“

Tabatabai teilt aber zum Beispiel auch Tweets der CNN-Moderatorin Christina Amanpour, deren Interview mit dem iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi in New York platzte, weil sie sich weigerte, dafür ein Kopftuch zu tagen. Nicht jeder seiner Kritiker hält das für aufrichtig: „Er ist nicht plump, er achtet darauf, dass er so rüberkommt, als wäre er unabhängig.“

Was sagen Medien, die ihn einladen?

Adnan Tabatabai kennt sich aus mit Iran. Es ist deshalb nachvollziehbar, wenn Redaktionen bei ihm anfragen. Aber sollten sie vor einem Interview nicht genauer anschauen, was er sagt, oder zumindest einordnen, wer er ist?

Wir haben beim Deutschlandradio angefragt, warum bei dem Interview in der Sendung „Weltzeit“, nicht transparenter erklärt wurde, wer Adnan Tabatabai ist. Die Pressestelle antwortete:

„In den drei Programmen von Deutschlandradio bilden wir in Interviews und Kommentaren ein breites Meinungsspektrum und somit die Vielfalt der Gesellschaft ab. Dies gilt auch für die Berichterstattung über die aktuelle Situation in Iran, zu der in unseren Programmen zahlreiche Gesprächsgäste bzw. Expertinnen und Experten zu Wort kommen, u.a. auch Herr Adnan Tabatabai als Gesprächspartner der Sendung „Weltzeit“. Die Vorwürfe von Kritikern bezüglich Verbindungen von Herrn Tabatabai zur iranischen Regierung hätten wir thematisieren sollen. Wir haben die Onlineabbildung des Beitrags nun mit einem redaktionellen Hinweis versehen.“

Redaktioneller Hinweis zum Interview mit Adnan Tabatabai im Deutschlandfunk
Screenshot: Deutschlandfunk Kultur

Bei einem anderen Interview, das der DLF mit Tabatabai zwei Wochen später veröffentlichte, fehlte dann allerdings wieder der Hinweis.

Der WDR sagte auf unsere Anfrage:

„Die Redaktion hat darauf geachtet, zu den Protesten in Iran vielfältige Blicke auf die Situation abzubilden, u.a. durch Einschätzungen von Katajun Amirpur von der Uni Köln, dem Schriftsteller Navid Kermani, Ex-Fußballprofi Ali Karimi, dem FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai oder der taz-Autorin Gilda Sahebi. Und durch ein Interview mit Adnan Tabatabai, einem viel zitierten Experten des Bonner CARPO e.V. Er berät EU-Institutionen, Bundesministerien und politische Stiftungen zu Iran-Angelegenheiten. Wir nehmen die aktuelle Debatte um seine Person jedoch zum Anlass, unsere Backgroundchecks zu Interviewpartner:innen zu überprüfen.“

Erst am Donnerstag erschien ein Beitrag mit ihm als Experte beim Bayerischen Rundfunk – über die Auswirkung der Proteste auf das Atomabkommen. Interessanterweise änderte die Redaktion nach der Veröffentlichung dann nochmal die Überschrift. Die Formulierung „Erschweren die Proteste in Iran die Verhandlungen?“ hätte zu Missverständnissen geführt, heißt es unter dem Text.

Wenn „Policy“ drauf steht

Seit einem „Bild“-Artikel am 8. Oktober steht der berufliche und persönliche Hintergrund von Adnan Tabatabai nun etwas mehr im Fokus. In dem Text geht es um offenbare Uneinigkeiten im Auswärtigen Amt über die Ausrichtung der Iran-Politik. „Bild“ kritisiert, dass im Ministerium immer noch auf Tabatabai gehört werde, der für das brutale Regime werbe und es verharmlose.

Es geht auch um ein Projekt, für das Carpo und ein Kooperationspartner des Vereins mit 900.000 Euro vom Auswärtigen Amt gefördert werden. In dem Projekt geht es laut Carpo um das Ziel, „mittels eines sich weiter verfestigenden Verständnisses (tafahum) über gemeinsame Interessen klare Wege für regionale Zusammenarbeit (tabadul) aufzuzeigen. Die für das Projekt relevante Region umfasst die Staaten des Golfkooperationsrats sowie Iran, Irak und den Jemen.“

Das, was im „Bild“-Artikel steht, sei „stark verkürzt“, sagt Tabatabai. Auf Nachfrage bleibt er aber unkonkret. „Für mich ist das sehr irreführend, weil mich meine Familienzugehörigkeit noch lange nicht zu dem macht, was man dort von mir behauptet. Das käme der Sippenhaft gleich.“

Das Bild der „Iran-Lobby“ sei falsch, die gebe es nicht. Das Wort „Lobby“ nutzt „Bild“ gar nicht. Aber der Hashtag #IranLobby steht in vielen Tweets, die nicht nur ihn angreifen, sondern auch andere Personen, die ein Leben im Westen führen und denen Nähe zum Regime vorgeworfen wird. Der kanadisch-iranische Menschenrechtsanwalt Kaveh Shahrooz hat dazu einen Thread geschrieben:

Adnan Tabatabai schreibt selbst in seinem Buch über sich, dass er Bundesministerien, Einrichtungen der EU und politische Stiftungen berät. „Beratung“, „Dialog“ oder „Policy“ klingen in dem Feld, in dem er tätig ist, natürlich immer besser als „Lobbyismus“.

Er nennt das Klima „vergiftet“ und sagt, dass bei seinem Verein Carpo Drohanrufe eingegangen seien. Man habe die Anrufe und einige bedrohliche Inhalte aus den sozialen Medien der Polizei gemeldet.

Es ist natürlich inakzeptabel, ihn zu bedrohen. Man muss Tabatabai auch nicht aus Sendungen ausladen. Redaktionen, die ihn interviewen, sollten sich ein genaueres Bild von ihm machen, sich fragen, wie man seine Perspektive aufbereitet und transparent macht, und mit welchen Fragen man ihn konfrontiert. Sonst laufen Medien Gefahr, eine Perspektive zu übernehmen, die das Handeln eines Regimes rationalisiert, das Frauen, Minderheiten und politische Gegner systematisch unterdrückt und auf brutalste Weise mit ihnen umgeht.

Das große Problem ist, wenn das Publikum nicht weiß, wer da spricht, sagt eine Person aus der exil-iranischen Community im Gespräch mit Übermedien: „Wer ihm zuhört, bekommt den Eindruck, dass sei jetzt eine kleine Protestwelle im Iran. Das Regime passt sich an und dann ist wieder gut. Das ist nicht die Abbildung der Realität. Was er sagt, beeinflusst die Meinung in der Bevölkerung und das beeinflusst die Politik.“

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