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Taugt der Name Henri Nannen noch als Qualitätssiegel?

Henri Nannen – "Stern"-Gründer und Namensgeber des renommierten Journalistenpreises
Henri Nannen – „Stern“-Gründer und Namensgeber des Journalistenpreises Foto: IMAGO

Am Mittwoch wurde in Hamburg der „Stern Preis“ verliehen, der ja bislang „Nannen Preis“ hieß. Die kurzfristige Umbenennung der Journalistenauszeichung hat mit einem Film von „STRG_F“ zu tun, der die NS-Vergangenheit des „Stern“-Gründers beleuchtete. Henri Nannen war während des Zweiten Weltkriegs unter anderem in einer Propagandakompanie der Waffen-SS tätig. Nach dem Krieg wurde er zu einem der einflussreichsten deutschen Verleger und Publizisten.

Der Historiker Tim Tolsdorff sagt über Nannes Umgang mit der Vergangenheit: „Henri Nannen hat das gemacht, was alle gemacht haben.“ Und zwar: Unterlagen über Tätigkeiten während des Nationalsozialismus frisiert, Entlastungsschreiben gesammelt. Tolsdorff hat seine Dissertation über Henri Nannen und den „Stern“ geschrieben – die bundesrepublikanische Illustrierte und ihre erstaunliche Vorgeschichte als gleichnamiges Blatt aus NS-Zeiten.

Wirklich neu sind die Erkenntnisse der NDR-Doku nicht, sagt Tolsdorff. Aber sie haben eine neue Debatte entfacht – und viel Empörung. Im Podcast mit Holger Klein spricht er über die Frage, wie es sein kann, dass Nannen als Genie gefeiert wurde, dessen Name stets als Siegel für journalistische Qualität stand. Auch die Henri-Nannen-Schule, die renommierte Ausbildungsstätte für Journalist:innen des Verlages Gruner+Jahr, trägt seinen Namen. Wie geht man damit um? Und warum hat sich der „Stern“ nicht längst selbst besser um die Aufarbeitung gekümmert?

Tolsdorff sagt: „Im Verlag und der Redaktion fehlt es an Archivalien und systematisch gesammelten Quellen aus der Frühzeit des ‚Stern‘ und zum Gründer. Bei den Recherchen zu meiner Dissertation stand ich vor verschlossenen Türen.“ Aber auch andere Verlagshäuser agierten nicht gerade transparent, wenn es um ihre Geschichte geht. „Grundsätzlich ist es ein großer Makel der deutschen Elitepublizistik, dass man die eigenen Vergangenheiten nie aus eigenem Antrieb aufgearbeitet hat.“

Den Podcast mit Holger Klein und Tim Tolsdorff hören Sie hier:

(Sie können den Podcast auch über die Plattform oder App Ihrer Wahl hören. Hier ist der Feed.)


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