Holger ruft an (24)

Video-Aktion #AllesDichtMachen gegen Corona-Maßnahmen: Was soll das?

Die Schauspieler*innen Ulrike Folkerts, Jan Josef Liefers und Richy Müller
Screenshots: allesdichtmachen

Mehr als 50 Schauspieler*innen – unter ihnen „Tatort“-Berühmtheiten wie Richy Müller, Ulrike Folkerts und Jan-Josef Liefers – haben in der Nacht von Donnerstag auf Freitag unter dem Motto „Alles dicht machen“ Videos veröffentlicht, in denen sie sich sarkastisch über die Regierung, die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, die Medien und die Menschen, die die Maßnahmen befolgen, hermachen. Dafür gab es Kritik – und zwar nicht zu knapp.

Die Zahl der Beteiligten schrumpft bereits. Rapide. Einige bitten um Entschuldigung, andere distanzieren sich von AfD, Querdenken und dem rechten Rand.

Denn das ist der Hauptvorwurf: Dass viele Schauspieler*innen nichts anderes als Narrative der Querdenken-Bewegung wiederkäuen würden.

Naivität oder mangelnde Reflexion?

„Die Performance wollte auf drei Ebenen funktionieren – und auf drei Ebenen hat sie komplett versagt“, sagt Samira El Ouassil zu den Videos: Sie seien inhaltlich nicht treffend, in ihrer Form unverständlich und in ihrer Wirkung „ein Affront gegenüber allen Menschen, die von der Pandemie seit Monaten betroffen sind: für Menschen aus den Gesundheits- und Pflegeberufen – und Menschen, die andere verloren haben“.

Applaus gibt es von Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen, von der AfD, von rechts. El Ouassil sagt: „Die Schauspieler haben den Fehler gemacht, diese rechten Resonanzräume offen zu lassen. Diese Interpretationsflanke ungeschützt zu lassen.“

Im Gespräch mit Holger Klein geht es um Narzissmus, um „Opinionship Leader“, um die Wirkung, die ein lustiger Pathologe aus dem „Tatort“ auf Menschen haben kann – und darum, wie schnell Überzeugungsarbeit im Familien- und Freundeskreis fürs Tragen von Masken, fürs Impfen von Prominenten unterminiert werden kann.

„Am Ende schaut man sich diese 53 Videos an – und fühlt nur diesen schneidenden Effekt der Bitterkeit. Sie haben mit dem Messer nicht nur gekitzelt, wie es Künstler normalerweise machen, sondern sie haben zugestochen, in den Diskurs hineingestochen. Ohne Rücksicht auf Verluste. Und wir wissen am Ende nicht, wofür? Und warum? Was wollen sie denn jetzt genau?“

Aber: „Wir müssen Menschen auch zugestehen, Sachen komplett falsch zu machen.“

(Sie können den Podcast auch über die Plattform oder App Ihrer Wahl hören. Hier ist der Feed.)

Links

19 Kommentare

  1. Draußen in den sozialen Medien ist seit gestern die Hölle los. Jedes Posting zum Thema »nichtganzdicht« generiert mehrere hundert Kommentare in einer halben Stunde.
    Und alle jammern wieder rum, dass man nichts mehr sagen darf, nachdem sie alles, wirklich alles gesagt und geschrieben haben, was sie zu sagen haben. Das ist so nervig!

  2. Hätte man in den Videos beide Seite aufs Korn genommen. Sprich die Querdenkerfraktion die meint wir leben in einer Diktatur und die „Hysteriker“ die gleich die Polizei rufen sobald der Nachbar mal Besuch bekommt. Leider kommen in den Videos nur die Hysteriker vor……Sich jetzt zu wundern, dass dann aus der Ecke der QuerAFDer Applaus kommt ist meiner Meinung nach ziemlich naiv. Von daher wer in seinen Filmen einen intelligenten Charakter spielt, muss es nicht selber auch sein.

  3. Bedenklich ist der „Rudeleffekt“, der durch 50 Kurzfilme immmergleicher message entstanden ist, das hat die Wirkung potenziert.
    Zudem haben viele Einstellungen offensichtlich denselben Drehort-weiß, Treppe, sparsame Möblierung – zu fragen ist, ob und wie die Einzelfilme in einer Art Gruppeneuphorie des Draufhauens entstanden sind, die das individuelle Reflektieren, was man da eigentlich macht, unterdrückt. Ich bezweifle, dass es sich um 50 Einzeldrehs der Schauspieler handelt, inszeniert wurde der Effekt der „Masse“ einer immergleichen Botschaft.
    Kleine Nebenfrage: Sind die von Holger Angerufenen wirklich so überrascht, oder ist das Intro ein kleines Hörspiel für uns?

  4. @5: Das ist ein kleines Hörspiel. Ich finde es ganz amüsant, vor allem wenn sich dann nach kurzer Zeit der Ton Telefon zum normalen Podcast ändert. Ich glaube beim Geburtstagspodcast hat Holger es kurz kommentiert, weil er zwei „Anrufer“ hatte.

    Zum Topic: Sehr schönes Gespräch. Die Analyse deckte sich größtens Teils auch mit meinem Empfinden

  5. Kluge Analysen von Samira. Aber.

    Ihr unterschätzt Till Schweiger, weil seine schauspielerischen Fähigkeiten limitiert sind. Eine Art negativer Halo.

    Er hat einige Filmprojekte auf die Beine gestellt, die gut funktionieren. Eine Dumpfbacke schafft das nicht unbedingt.
    Er hätte die Macher cool gefragt, was wollt ihr mit den Videos? Was sich jetzt halt jeder fragt.

  6. Wow, ist es nun doch soweit gekommen. Das die Zeitungswissenschaft vom letalen Framing-Virus befallen wurde (Ironie, nicht Sarkasmus, ein feiner Unterschied, aber eben doch ein Unterschied). Wenn man jetzt Regierungsmaßnahmenkritik, Kritik eigentlich der hohe Auftrag der Medien, verpackt in der Kunstform Satire, darauf ausrichten muss, ob sie möglicherweise von der Linken nach rechts geframt wird oder von der Rechten nach links, na dann sollten wir eigentlich alles was irgendwie Meinung ist von vornherein sein lassen. So funktioniert eine effektive Etikettierung, die auch bei denen greift, die sie analysiren, erkennen und bloßstellen müssten. Beste Grüße und auf ein gesundes Weiterdenken, Ralf Spielmann

  7. @Samelou ist ja kein Geheimtipp mehr, aber ihr würde gerade im TV noch eine viel größere Bühne gebühren. Hoffen wirs.

  8. @9
    Ich finde Ihre Schlüsse nicht logisch.

    Btw: Wieso Ironie? Sie meinen es doch so wie es sagen mit dem „Framing-Virus“ , oder? Das ist also eben gerade Sarkasmus (spöttische Übertreibung) und nicht uneigentliche Rede.

  9. Sarkasmus hat immer den Moment den kritisierten Anderen verletzend herabzusetzen und lächerlich zu machen. Das kann ich weder in den Videos noch in meinem Kommentar erkennen.
    Ironie ist eine Form von spielerischem Humor, die dem Sarkasmus fehlt. Mich wundert nur, dass eine kritische Aktion gegen die Regierung zu solchen Diffamierungen und Erpressungen gegen die Künstler führt. Das ist in meinen Augen sarkastisch. Mein Schlusswort zu diesem Thema

  10. Naja, wenn „vom letalen Framing-Virus befallen“ in Ihren Augen keine spöttische bzw. lächerlich machende Herabsetzung ist…
    Und sonst: Titanic und Co ernten solche und schlimmere Ausfälle wie jetzt die Schauspieler seit Jahrzehnten regelmäßig für etwaige Titelbilder. Einfach mal googeln: Titanic-Leser stellen sich vor. (Oder bei Karl Lauterbach fragen)
    Sicher traurig, dass es so viele agressive Menschen gibt, sie sind trotzdem eine sehr kleine Minderheit. Das Phänomen ist aber jedenfalls nicht neu und auf kein „Lager“ beschränkt.
    Der absolute Großteil der Kritik war aber so sachlich und gewaltfrei wie hier auf Übermedien.

  11. #9
    Wenn die Tütenatmung bspw. für Sie „Ironie“ sein soll, dann fragen Sie doch beizeiten mal einen Genesenen, der invasiv beatmet werden musste, ob, er das auch so sieht. Oder die Intensivärzte der Unikliniken, die die wirklich schweren Covid-19 Fälle bekommen.
    Man kann da ja viel zu anmerken, „feinsinnig“ dürfte aber den wenigstens dazu in den Sinn kommen.

    Übrigens ist Information natürlich die vordringlichste Aufgabe der Medien. Kritik da, wo sie Sinn macht. Sicher nicht als Selbstzweck.
    Und nein, ein Liefers muss sich nicht vorher überlegen, wer sein Gestümper später mißbrauchen könnte. Er soll dann aber auch das Gejammer lassen, wenn es dann passiert und nicht rumnölen, dass er diese Kreise ja niemals unterstützen würde. De facto hat er das gemacht und damit auch den Medien die Gelegenheit geboten, zu kritisieren ( was wollen Sie da eigentlich )? Und da gibt es auch tatsächlich einen Grund. Ebenso wie bei dem Rundfunkrat, mit seinen aberwitzigen Kündigungsphantasien. Und auch der wurde kritisiert.
    Feinsinnig … darauf muss man erstmal kommen.

  12. #14
    »Feinsinnig« ist genauso schwachsinnig wie »spielerischer Humor«.

    Der Zweitütenatmer Müller hatte – nach eigenen Angaben – keine Ahnung von Konzept und Initiator. Er hat den Tütentext vorgelegt bekommen und nachgespielt. Hinterher fiel ihm ein, dass das vielleicht doch nicht so passend war. Weil die Tochter seiner Frau nach ihrer Corona-Erkrankung ein halbes Jahr Atemprobleme hatte. 🙄

    Andere Schauspieler*innen gingen ähnlich unüberlegt zu Werke. Man denkt willkürlich an Sauerstoffunterversorgung der Gehirne.
    Die kriegen alle zu Recht auf den Sack.

  13. Ich hatte nur wenige der Videos angesehen und da waren neben solchen, die sich auf unsägliche Weise mit Atmung beschäftigen (drei) auch zwei darunter, die sich direkt und allein mit dem Thema „Applaus von der falschen Seite“ auseinandersetzen. In mindestens zwei der Videos wird also die Rezeption der Filmchen bereits antizipiert. Das fand ich erstaunlich. Warum sollten sich Schauspieler /-innen überhaupt mit diesem Thema auseinandersetzen, in ihrer sonstigen Theater- und Film-Arbeit spielt das doch kaum eine Rolle? Es muss also im Fokus der Texter gestanden haben. Diese wussten, wo der Hase lang laufen würde. Und ich würde weitergehen: Genau das war ihr Ziel: Sie wollten bewusst Anschluss an die Leerdenkerszene finden.

  14. Auch nach mehreren Tagen Dachdenken verstehe ich diese Metapher nicht:
    „Sie haben mit dem Messer nicht nur gekitzelt, wie es Künstler normalerweise machen, sondern sie haben zugestochen, in den Diskurs hineingestochen.“
    Was ist der Unterschied zwischen Drohen mit dem metaphorischen Messer und Angreifen mit demselben? Ist nicht beides erlaubt, weil beides keine realen Wunden erzeugt?
    Wozu ich allerdings sagen muss, dass ich Kunst generell nicht als „Kitzeln mit dem Messer“ verstehe.

  15. Habe gestern beim Joggen den Podcast gehört. Und halte das Maß moralischer Entrüstung von Holger Klein für beinahe lächerlich. Konnte beinahe die feuchte Aussprache hören. Noch nie etwas falsch gemacht, Holger Klein? Noch nie geirrt? Noch nie einen peinlichen Witz gerissen, über den niemand gelacht hat? Come on, es sind Schauspielende. Die werden dafür bezahlt, sich in andere hineinzuversetzen. Außerhalb ihrer Spielzeiten sind sie dazu nicht verpflichtet.
    Die Tonnen von moralischem Mist, der über den Teilnehmenden nach #allesdichtmachen ausgekübelt wurde, ist völlig übertrieben.

  16. #18
    Nee, ist klar: Orchestrierte 52 Drehs mit einigen der Reichweitenmonster des deutschen TVs, ist mit einem verunglückten Witz zu vergleichen.
    Das kommt dann schon nahe an das „das ist Kunst“ Gestammel des Herren Mitorganisator aus München heran.
    Nein, die Damen und Herren Schaupieler müssen so wenig Empathie beweisen, wie irgendjemand sonst das muss.
    Dann sollen sie sich aber auch ihre Empfindlichkeit stecken, wenn es Gegenwind gibt.
    So gepudert, mit Einladungen in alle Talkshows der Nation, möchte so manch einer mit Kritik umgehen dürfen.

Einen Kommentar schreiben

Mit dem Absenden stimmen Sie zu, dass Ihre Angaben gemäß unseren Datenschutzhinweisen gespeichert werden. Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.