„Staatsversagen“ in der Pandemie?

Das Schimpfdesaster

Vor ein paar Monaten waren Kampfbegriffe noch Ausdruck eines maßlosen Tons gegen Politik und Staat und die Mehrheit der Gesellschaft: „Corona-Diktatur“ beispielsweise. Nur benutzt von selbst ernannten „Querdenkern“. Zuletzt jedoch griff der von ebenjenen gerne verunglimpfte Mainstream, also die etablierten Medien, selbst zu verbalen Bazookas: „Impfdesaster“, „Testdesaster“ und jüngst gar „Staatsversagen“.

Staatsversagen. Größer geht es nicht.

Schlagzeilen zu "Impfdebakel", "Impfdesaster" und "Staatsversagen"

Es ist die Übernahme dieser Rhetorik, diese Verabschiedung von der Kritik um des Schimpfens willen, diese zügellosen Zuspitzungen, die selbst dann fahrlässig wären, wenn sie einen größeren Realitätsgehalt hätten (als sie tatsächlich haben).

Gerade beendet eine bislang beispiellose staatlich organisierte Impfkampagne die größte Katastrophe innerhalb der Pandemie in Deutschland: Das Massensterben in den Alten- und Pflegeheimen. 29.000 Menschen tötete Sars-CoV-2 dort. Schon Ende Februar hatten 85 Prozent der Heimbewohner die Erst- und 60 Prozent die Zweitimpfung erhalten. Die Infektionszahlen unter ihnen sind stark gesunken. Ein Meilenstein im Weg aus der Pandemie! Man könnte sagen, das knappe Gut Impfstoff ist sehr effektiv eingesetzt worden.

Im Sommer werden wahrscheinlich auch die Urheber von Begriffen wie „Impfdesaster“ in den Genuss einer Impfdosis kommen, deren Beschaffung und Verteilung, sowie teilweise auch Entwicklung von einem Staat mitfinanziert wurden, dem sie in schriller Twitter-Tonlage ein Rundumversagen bescheinigen.

Natürlich gibt es viel zu kritisieren. Im Nachhinein etwa erscheint die Verhandlungstaktik der EU mit den Impfstoffherstellern wie ein Schuss ins Knie. Brüssel hat im letzten Sommer nicht auf einen der vielen Impfstoffe gesetzt, die schon in der Entwicklungs-Pipeline waren, sondern das Risiko gestreut und die Bestellungen auf viele Impfstoffe und viele Hersteller verteilt. Das hätte sich bewähren können, wären andere Produzenten schneller gewesen, aber es kam bekanntlich anders. Die Strategie brachte eine Phase der Knappheit mit sich, solange nur ein paar Impfstoffe zugelassen und lieferbar sind.

Und ja, per Notfallzulassung hätte man wie die USA und Großbritannien ein paar Wochen früher mit dem Impfen anfangen können, doch auch da ist man erst im Nachhinein schlauer: Würde es jetzt zu mehr und schwereren Nebenwirkungen kommen, würde eine Welle der Empörung über das „Zulassungsdebakel“ das Vertrauen in das Impfen an sich in Frage stellen. Und ja, keine Frage, natürlich kann man eine Impfkampagne sehr viel straffer organisieren als Deutschland das derzeit tut. Die Zeit bis zur Zulassung wurde nicht optimal genutzt, um Impfzentren und vor allem Anmelde- und Vergabeprozesse aufzubauen.

Ein „Impfdebakel“? Die wenigen Impfungen in Afrika

Doch selbst den noch moderaten Begriff „Impfdebakel“ sollte man sich für ungleich skandalösere Ereignisse aufsparen. Angemessen wäre er vielleicht dafür: Während eine Handvoll Länder schon ein Drittel oder mehr ihrer Einwohner mindestens eine Dosis verabreicht haben, bleibt ein ganzer Kontinent mit 0,38 verabreichten Impfdosen pro 100 Einwohner weit abgeschlagen. Gemeint ist Afrika, nicht Europa. Experten halten das für einen schweren Fehler in der Pandemie. Denn wo das Virus weiter zirkuliert, bildet es neue Mutanten, die schlimmstenfalls den andernorts vorhandenen Impfschutz umgehen. Auch wirtschaftlich bringt es einem Land wenig, eine Insel der Gesundheit zu sein.

Ein Szenario, das mit „Impfdesaster“ adäquat beschrieben wäre, muss man sich jedoch erst ausdenken. Wer wäre noch vor wenigen Monaten auf die Idee gekommen, dass unsere jetzige Lage mit mehreren zugelassenen Impfstoffen und angelaufener Impfung ein „Impfdesaster“ ist?

Normalerweise komponieren Ideologen die düstere Begleitmusik zur Impfkampagne selbst, etwa indem sie den Fokus auf Nebenwirkungen richten. Journalisten müssen darauf reagieren, indem sie die Dinge angemessen einordnen. Eine Gratwanderung, die derzeit aber oft zur falschen Seite kippt. So beim „Handelsblatt“ im Januar mit der Nachricht, der Impfstoff von Astra-Zeneca sei bei Senioren quasi unwirksam. Eine Ente – wie sich inzwischen zeigte. Schon vor der Veröffentlichung aber hätten die Autoren die Information als unplausibel erkennen können und müssen.

Die Nebenwirkungen

Im Februar folgte der Hype um Nebenwirkungen des Vakzins von Astra Zeneca bei Klinikpersonal. Die sinnverzerrende Headline „Zu viele Mitarbeiter mit Nebenwirkungen krank: Deutsche Kliniken stoppen Astrazeneca-Impfung“ könnte von einem Online-Portal von Impfgegnern stammen, fand sich aber beim „Münchner Merkur“. Experten wiesen darauf hin, dass es sich um erwartbare Impfreaktionen handle, die ein, zwei Tage anhalten. Inzwischen hat Deutschland laut RKI über eine Million Astrazeneca-Impfdosen geräuschlos verimpft, „Deutsche Kliniken“ haben gar nichts „gestoppt“. Trotzdem thematisiert die „Frankfurter Rundschau“ weiterhin „starke Nebenwirkungen“, garniert mit dem drastischen Leserbericht von „Vernichtungskopfschmerz“. Näher erläutert wird das nicht. Der Redaktion reicht es offenbar, dass das Vakzin „Fragen aufwirft“. Sollte Journalismus nicht auch die eine oder andere Antwort liefern?

Natürlich wäre es falsch zu erzählen, die Impfstoffe seien über jeden Zweifel erhaben und man könne Langzeitwirkungen ausschließen. Hundertprozentige Sicherheit gibt es nirgends, auch bei dieser Impfkampagne nicht. Doch sämtliche Scheinwerfer auf das Restrisiko zu richten und sei es nur theoretisch, ist das Geschäft von Impfgegnern und Verschwörungsmystikern. Ziel: Unkundige Menschen zu verunsichern. Wer ihre Narrative bedient, verschafft den Impfgegnern eine Reichweite, von der sie bis vor Kurzem kaum zu träumen gewagt hätten.

Dagegen erscheint es fast harmlos, wenn Journalisten ihre eingeübten Erzählungen auf die Coronaimpfungen anwenden. Etwa das ewige Klagelied vom bräsigen Deutschland, das im internationalen Vergleich gnadenlos zurückfalle. Doch das Klischee passt nicht zur Impf-Wirklichkeit. Unter der Überschrift „Germany, null Punkte“ zählt der „Spiegel“ die paar EU-Länder auf, die eine marginal höhere Impfquote haben als Deutschland (das sich ziemlich exakt im EU-Durchschnitt bewegt, was beim Eurovision Song Contest als Erfolg gälte). Der einseitige Blick soll die allzu steile These untermauern, Deutschland habe beim Impfen „versagt“.

Gerne kontrastieren Journalisten einen tatkräftigen Joe Biden, der bis Ende Mai Impfstoff für alle Amerikaner verspricht mit einer gemütlichen Kanzlerin, die allen Deutschen bis September ein „Impfangebot“ machen will. Was denken die Autoren eigentlich über die fast 100 Millionen Impfdosen, die bis Ende Juni insgesamt in Deutschland eingetroffen sein sollen? Dass diese bis September auf Halde liegen werden?

„Staatsversagen“ als düstere Grundstimmung

Am krassesten im Ton vergreift sich, wer von Staatsversagen spricht. Warum rechnet Sascha Lobo, Kolumnist beim „Spiegel“, unter der Überschrift „Staatsversagen in der Pandemie“ vor, dass das Impfen beim gegenwärtigen Tempo bis Februar 2022 dauern wird? Glaubt er im Ernst, dass das Impftempo trotz vervielfachter Liefermengen so bleiben wird wie jetzt? Oder dient die abwegige Prognose nur der düsteren Grundstimmung seiner Erzählung? Laut kassenärztlicher Vereinigung können alle Erwachsenen bis spätestens Mitte August geimpft sein.* Existiert wirklich ein substanzieller Unterschied zwischen dem amerikanischen und dem deutschen Zeitplan?

An einer Stelle indessen ist die Vokabel „Versagen“ adäquat: Beim schon erwähnten Massensterben in den Altenheimen. Eine minutiöse Recherche der FAZ zeigt jedoch, wie vielschichtig dieses Scheitern war, wie schwer bis unmöglich der Spagat dazwischen, alte Menschen nicht vollkommen zu isolieren und sie gleichzeitig zu schützen. Ratlos konstatieren die Autoren einen „kollektiven Kontrollverlust“.

Aber: Wie die „Querdenker“ verkennen die Nutzer des Begriffes „Staatsversagen“ die Dimension der Gefahr durch das Virus. Ohne einen funktionierenden Staat wäre die Gesellschaft wohl längst an dieser Seuche zerbrochen. Man braucht einen Staat, um das Wüten des Virus zu zügeln. Ungebremst hätte es das Gesundheitssystem kollabieren lassen und einer halben Million Menschen das Leben gekostet.

Keine Steigerung mehr möglich

Auch die Wirtschaft hätte das kaputtgemacht. Wer außer einem Staat ist in der Lage, mit hunderten Milliarden Euros Unternehmen zu retten oder mit Kurzarbeitergeld viele Jobs über die Krise hinweg zu erhalten? Wir können von Glück reden, dass der deutsche Staat weit von etwas wie „Versagen“ entfernt ist, anstatt ein solches herbeizuschreiben.

Die Medien, die jetzt von „Staatsversagen“ faseln, werden, sollte es wirklich einmal zu einem kommen, keine Wörter mehr übrig haben.

Es läge nahe, diesen Artikel mit dem Fazit zu schließen, der Journalismus versage in der Krise. Doch dafür gibt es viel zu viele positive Beispiele von glänzend recherchierten Artikeln. Artikel, die häufig sprachlich unspektakulär sind, die ohne brachiale Rhetorik auskommen – und deren Autoren deshalb auch nicht in die Talkshows eingeladen werden.


*) Nachtrag, 16.03. Die nach der Veröffentlichung dieses Textes bekannt gewordene Entscheidung der Bundesregierung, die Impfung mit dem Impfstoff von Astra-Zeneca auszusetzen, verschiebt die Durchimpfung der Bevölkerung nach einer Prognose des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung um einen Monat.

22 Kommentare

  1. „Natürlich wäre es falsch zu erzählen, die Impfstoffe seien über jeden Zweifel erhaben…
    …auf das Restrisiko zu richten und sei es nur theoretisch“
    Wäre das Restrisiko nur theoretisch, wären die Impfstoffe, also alle gleichzeitig und unabhängig in kurzer Zeit entwickelten, über jeden Zweifel erhaben: sehe ich das richtig oder ist das wirklich ein Widerspruch?
    Aber, Zustimmung, das relativ langsame Impfen ist noch lange kein Desaster und kein Staatsversagen, und schnelles Impfen kann es auch noch werden.

  2. Pandemie, nicht Pandmie, in der Dachzeile heißt das glaube ich.

    ääääh, ja, stimmt. Danke für den Hinweis! Ist korrigiert. -jk

  3. Lieber Christian Mieer,

    ich schätze deine Arbeit sehr, aber hier verfällst leider auch du dem Trend des Polarisierens. Selbstverständlich ist der Begriff „Staatsversagen“ etwas inflationär benutzt worden in den vergangenen Tagen – aber deutliche Kritik am Handeln der Regierungen schon im ersten Absatz in die Nähe von Querdenker-Tum zu rücken, ist das nicht ebenso eine „zügellose Zuspitzung“?

    Mir ist das hier (wieder einmal) zu sehr schwarz-weiß gemalt. Selbst Karl Lauterbach hat heftig die Impfstoff-Beschaffung kritisiert – steht er deswegen an der Seite von Querdenkern?

    Natürlich läuft die Impfung von alten Menschen in Heimen inzwischen gut. Aber darf man deswegen die chaotische Vergabe von Impfterminen für andere Senioren (die meisten dieser Altersgruppe wohnen nicht in Heimen) nicht mehr ansprechen?

    Die Kritik an der Kakophonie von Bundesregierung/Länderregierungen – lediglich ein „Schimpfdesaster“?

    Die Situation vieler zigtausend Solo-Selbstständiger, Künstler, Freiberufler – „Wir können von Glück reden?“ Tatsächlich, können wir das? Hätte die Umsetzung zahlreicher Hilfsmaßnahmen nicht vielleicht doch besser laufen können, nein?

    Übermedien und Riffreporter sind bekannt für so manche „glänzend recherchierte Artikel“. Für Artikel, „die häufig sprachlich unspektakulär sind, die ohne brachiale Rhetorik auskommen.“ Man sollte der Versuchung widerstehen, diesen Ruf durch undifferenzierte Kommentare zu verspielen.

  4. Christian J. Meier – 12 Points

    Ich glaube, die meisten schauen sich die exakten Zahlen und vor allem deren Entwicklung gar nicht exakt genug an.

    Ein Nebenaspekt:
    Wie sollen sich die große, hart arbeitende Zahl Menschen z.B. in der Impfkampagne fühlen, deren großer Einsatz mit beachtlichem Ergebnis unter den schwierigen Bedingungen quasi negiert wird, wenn ein plattes „Deutschland versagt“ o.ä. geäußert wird? Seien wir dankbar, dass diejenigen, die diesen Einsatz leisten, sich davon offenbar nicht irritieren lassen.

    Zu Sascha Lobo:
    Mit seinem Hintergrundwissen sollte er besser in der Lage sein, die Kurve der täglichen Impfungen (stets aktuell zu finden unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Impfquotenmonitoring.xlsx?__blob=publicationFile )
    zu extrapolieren. 500.000 – 1.000.000 Impfungen pro Tag sind nicht sooo weit entfernt, wenn wie zu erwarten die Steigung in der Kurve beibehalten wird. Scholz‘ 10 Mio Impfungen pro Woche im Sommer sind keine Ente.

    Und ja, sachlich zu kritisieren mit der passenden nüchternen Einordnung gäbe es viel. Auch das ist dem Autor sehr gut gelungen darzustellen.

  5. Beim letzten Absatz musste ich ein bisschen schmunzeln :-)

    Wichtiger Beitrag und wertvoller Hinweis, den Ball stellenweise mal etwas flacher zu halten.

    Und doch kann ich Lobo andererseits gut verstehen und muss mich fast schon aktiv dagegen wehren, nicht zu „vergrollbürgernen“.

    Ich werde den Eindruck nicht ganz los, dass Deutschland an zu vielen Stellen nicht wegen, sondern eher trotz der Politik noch einigermaßen annehmbar dasteht. Bei der ersten Welle war es im Nachhinein doch reines Glück, dass „wir“ da so gut durchgekommen sind und seitdem wurden viele fragwürdige Entscheidungen getroffen und Dinge nicht adäquat geplant (insb. die Schulen stechen da ganz besonders hervor). Klar, es wurde und wird viel Geld zur Verfügung gestellt, aber Art und Modus der Verteilung sind doch trotzdem kritikwürdig? (Soloselbstständige, Novemberhilfen, um nur zwei Stichworte zu nennen.)

    Eigentlich seit der Reevaluation des als Wellenbrecher geplanten Shutdowns Mitte November, bei der trotz absehbaren Nichtausreichens der Maßnahmen mangels Einigkeit ein „weiter so“ entschieden wurde, spätestens aber seit den noch viel schlechteren letzten Entscheidungen zum Thema „Öffnungsstrategie“ finde ich den Begriff Versagen für diesen Bereich nicht unzutreffend. Von mir aus ist es kein Staatsversagen, ein Politik(er*innen)versagen aber doch allemal.

  6. Wir leben halt in aufgeregten Zeiten. Seit mehreren Jahren schon. Die Journalist*innen sind aufgeregt. Die Leser*innen sind aufgeregt. Die sozialen Medien einschließlich der Kommentarspalten sind aufgeregt. Politik und Wirtschaft sind aufgeregt. Selbst meine Wetter-App ist aufgeregt und kündigt Wind, der nicht einmal den Hut hebt, mit »EIL: EXTREME STURMBÖEN IN ERKRATH« an.

    Schon das Grundrauschen ist schrill und laut. Wer gehört werden will, muss zur Dramaqueen mutieren, sonst klickt und blättert alles gelangweilt weiter.

    Mir geht das ziemlich auf die Nerven. Zumal wir Deutschen führend im defizitären Denken sind und unsere Aufmerksamkeit am liebsten auf das richten, was schiefläuft. Übertreibungen in positiver Richtung finden kaum statt. Selbst wenn eine Herde Einhörner durchs Land trampelte, würden wir vermutlich die verheerende Bodenverdichtung beklagen.

  7. „Existiert wirklich ein substanzieller Unterschied zwischen dem amerikanischen und dem deutschen Zeitplan?“ Vorbehaltlich, dass beide so umgesetzt werden, ist der Unterschied zwischen Mai und August ein Viertel Jahr.
    Ein Viertel Jahr Lockdown ist ein substanzieller Unterschied für mich.

    Bzgl. der allzu überspitzten Rhetorik wäre ich auch vorsichtig, aber nunja.

  8. Staatsversagen ist durchaus eine Nummer zu groß. Es gibt viele Bereiche, und zwar gerade auf kommunaler Ebene, wo enorm viel gestemmt und organisiert wird, und wo auch mit Hilfe von Freiwilligen der Laden am Laufen gehalten wird.
    Was aber dennoch stimmt ist, dass Krisenmanagement weder vom Bund noch von den Ländern anscheinend noch beherrscht wird. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wir hätten ein schlimmeres Virus gehabt. Oder einen Stromausfall länger als eine Woche. Das sind extreme Ausnahmesituationen (aber das haben die Texaner auch gedacht, bevor sie kurz vorm Black Out waren), auf die wir weder praktisch noch institutionell noch mental vorbereitet sind.
    Des weiteren zeigen sich jetzt in der Coronakrise sehr viele Probleme und Versäumnisse in fast allen Bereichen der Administration und Politik aus den letzten 10/15 Jahren, entstanden durch meiner Meinung nach exakt die im Artikel gezeigte „Complacency“ – ist doch alles nicht so schlimm, die anderen sind auch nicht besser /größer/kleiner/schneller. Wenn man keinen Ehrgeiz mehr hat, bei den olympischen Spielen Gold zu holen, fällt man zurück. Und irgendwann sind die Differenzen zu den anderen nicht mehr klein. Und das darf man durchaus beängstigend finden. Dann ist nämlich bei der nächsten Krise nicht mehr soviel Geld da wie jetzt.

  9. Danke für diesen Kommentar. Ich denke, er ist nötig.
    Eine Kleinigkeit:
    „Langzeitwirkungen“ sind bei Impfungen so gut wie ausgeschlossen, weil die Gabe nicht über lange Zeiträume regelmäßig immer wieder erfolgt. Das wäre das Charakteristikum einer Langzeitwirkung, dass sich über einen Zeitraum, bspw. indem sich Allergien entwickeln oder Stoffe einlagern etc. eine ungewünschte Wirkung hinzukommt.
    Dass also jemand 2024 tot umfällt, weil er 2021 Astrazeneca bekommen hat, ist extrem unwahrscheinlich.

  10. Danke für den Kommentar. Es ist doch schön das unser Staat nicht unter der Pandemie zusammen gebrochen ist, bei all dem Desaster – den Desasters. Ich warte ja noch auf den Super- GAU. Oder ist er schon da, die AstraZeneca – Verimpfung ist in Deutschland gestoppt. Oder ist das schon das Mega – Desaster.
    Sorge macht mir hingegen, dass diese Rhetorik zur frühzeitigen Öffnungen führt.
    Zum Kommentar „ Was aber dennoch stimmt ist, dass Krisenmanagement weder vom Bund noch von den Ländern anscheinend noch beherrscht wird. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wir hätten ein schlimmeres Virus gehabt.“ – Hä? Also mir reicht die Intensität des Virus und der hat meinen Alltag mehr umgekrempelt als alles andere in den letzten fünfzig Jahren. Und trotzdem geht mein Leben weiter. Das Krisenmanagement scheint dann doch zu funktionieren – zumindest für mich.

  11. Merke, die Bazooka soll nur rausgeholt werden im Dauerkrampf gegen rechts und Regierungskritiker, die polemisch werden. Dazu muss natürlich sorgfältig vermieden werden, die Beschaffung von Masken und die chaotische Logistik der Impfzentren zum Thema zu machen. Weil bei beidem kein anderes Wort b l e i b t als Versagen. Letzeres hätte man straffer organisieren können, wiegelt der Autor durchschaubar ab. Deshalb fällt der Name Israel auch nicht, weit über 50 % gegen etwas über 7 sind halt kaum beschönigbar, wenn man auf die vergleichbare Infrastruktur schaut. Ende Mai in den USA und August bei uns sind keine signifikanten Unterschiede? Ausser halt in tausenden Toten gerechnet. Die Lachnummer Spahn wird auch nicht angesprochen. Es bleibt der Eindruck, dass heftige Kritik an der Regierung immer rechts wäre, was insofern stimmig ist, als dass von links die auch kaum mehr kommt. Auch Übermedien hat sich von 16 bleiernen Merkeljahren so weit anästhetisieren lassen, dass es nicht mehr sagen kann oder will, was ist. Afrika impft viel schlechter als wir, so das hilflos arrogante Schulterzucken des Autors. Dort ist eventuell logistisch einiges schlechter aufgestellt? Das simple Fazit, dass wir so impfen können wie Haupstadtflughafen bauen, soll unbedingt vermieden werden. Hat Merkel fein hingekriegt: Harte Kritik k a n n nur von rechts kommen, oder denen helfen und ist deshalb zu ignorieren oder zu vermeiden. Leider sterben halt Leute, die in Israel nicht sterben. Das Land gäbe es allerdings auch seit 1949 nicht mehr, wenn sie sich Merkels oder Spahns in wichtigen Positionen leisten würden. Wenigstens sollte dann aber hier ein Medienkritiker nicht den Job von Seibert machen. Auch das ein Versagen nämlich.

  12. Danke für diesen Artikel. Damit habe ich wieder ein paar Argumente gegen diese Dauerpanikmache(r).

    Dieses Überziehen der Wortwahl der JournalistInnen, die der Artikel thematisiert, entdecke ich allerdings zumehmend auch in den Handlungen der Politik: Das Impfen mit Astra-Zenecas Impfstoff wird gestoppt, weil bei sieben von 1,6 Mio. geimpften Personen in Deutschland ein Blutgerinsel festgestellt wurde. Offenbar ein ganz normaler Wert, unabhängig vom Impfstoff.
    Genauso habe ich keinerlei Verständnis für das Vorgehen gegen die steigenden Infektionszahlen: Die erste und einzige Idee aus der Bundespolitik ist es, die Schulen wieder zu schließen. Von den geöffneten Baumärkten und Friseursalons ist dagegen keine Rede. Merke: Die Schulbildung unserer Kinder sowie ein halbwegs geregeltes Familienleben scheint weniger wichtig zu sein als ein gepflegter Garten und eine schicke Frisur. Kurzsichtige Wahlkampfaktion halt, die gesellschaftlich kurz-, mittel- und langfristig schädlich ist. So verspielt man effektiv alles innerhalb eines Jahres aufgebaute Vertrauen.

  13. @12
    Wir sind uns ja alle einig, dass es viel zu kritisieren gibt. Die Sportmetapher als Vergleich finde ich gar nicht so schlecht in dem Sinne, dass es da auch nicht zielführend ist, wenn Trainer:innen nur in den derbsten Ausdrücken undifferenziert fluchen und auf die Besten zu zeigen anstatt sachlich die Fehler auszudifferenzieren und das Leistungsniveau ehrlich und fair zu analysieren. Und mal eins dürfen sie natürlich auch mal laut werden, aber immer nur laut bringt nichts außer Abstumpfung.
    „Staatsversagen“ ist dann wie die Sportphrase „Wir müssen aggressiver spielen“. Und Sportreporter passen ihre Analysen ja auch eher stark aus einer historischen Perspektive dem Ergebnis an, was für seriöse Journalisten eben auch nicht der Anspruch sein sollte.

  14. Was die Absetzung von AstraZeneca angeht, gibt es jedenfalls auf einmal eine ganz große Koalition! Von Mario Sixtus über „BILD“ und „Spiegel“ bis Wolfgang Kubicki.
    Einhellige Meinung: IMPFDEBAKEL.

  15. Vielen Dank für diesen Kommentar. Ich finde es frappierend, wie wir es immer wieder schaffen, uns durch unpassende Vergleichsobjekte selbst kleinzumachen. Wurde bei den Fallzahlen gerne auf Inseln wie Neuseeland, Australien, Taiwan oder Südkorea verwiesen, so sind jetzt auf einmal protektionistische Staaten wie USA, England oder Israel die großen Vorbilder. Wie wäre es statt dessen mal mit realistischen Vergleichsobjekten, also demokratische Staaten in der Mitte Europas, denen der Rest der Welt nicht komplett egal ist, also z. B. Frankreich, Belgien, Niederlande, Österreich, Schweiz, Italien, Polen. Dann wird das Staatsversagen und das Impfdesaster gleich viel kleiner.

  16. Wolfram Eilenberger erläutert in „Zeit der Zauberer“, was Walter Benjamin unter Kritik verstand. Nämlich Mitwirken am Kunstwerk. Das lässt sich, glaube ich, auf Journalismus übertragen. Kritik verändert Welt und Wahrnehmung, im Guten wie im Schlechten. Wer Kritik äußert, übernimmt Verantwortung.

  17. @16: Kann man Baumärkte und Schulen wirklich gleich bewerten? Im Baumarkt kann ich selbst entscheiden, ob ich hingehe, ich kann da auch einen großen Abstand halten. Die Präsenzpflicht allerdings zwingt eine große Anzahl von Menschen in enge Räume. Wenn auch nur eine Kohorte ihre Eltern und Lehrer ansteckt, ist das schon eine sehr sprunghafte Ausbreitung. Ich kann da keine Parallele zu Baumärkten feststellen.

    In meinem Umfeld (das die Maßnahmen der Regierung immer unterstützt hat) kommt das Wort Staatsversagen erst auf, seit die Maßnahmen mit gesundem Menschenverstand nicht mehr nachvollziehbar sind. Mit Tests kalkulieren, die nicht da sind, Öffnungen bei absehbar steigenden Zahlen, Inzidenzwerte ohne Sinn und Verstand nach oben schieben.
    Und wenn ich bedenke, dass wir schon mehrere Gelegenheiten verpasst haben, das Virus hier auf ein minimales Level zu bringen und stattdessen ewige Soft-Lockdowns veranstalten, bin ich schon der Meinung, dass der Staat versagt hat, uns vor dem zu schützen, was uns in den nächsten Wochen bevorsteht. Vorhersehbares Scheitern trotz Ansage.

  18. @21: Nein, Baumärkte und Schulen kann man kaum miteinander vergleichen. Das ist ja der Punkt: In die Baumärkte rennen die Leute, weil sie geöffnet haben. Gucken Sie sich die Schlangen vor den Eingängen und die vollen Parkplätze bei Gelegenheit mal an. Zum Baumarktbesuch gezwungen wird allerdings natürlich keiner.
    Bei den Schulen sieht das völlig anders aus (gesellschaftliche Aufgabe, Bildungsauftrag und arbeitende Eltern, Sie wissen schon).
    Und ja, die Besucher können sich in den Schulen UND Baumärkten anstecken. Dieses Risiko könnte man bei den Baumärkten allerdings ohne ernsthafte gesellschaftliche Konsequenzen vermeiden, bei den Schulen eben nicht.
    Und dennoch setzt die Politik klar gegenteilige Prioritäten.

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