Den ganzen Film können Sie noch bis 16.12.2020 in der ZDF-Mediathek sehen (ab 28:00). Und Hinweise zum Fall bitte an die Kripo Hürth unter 02233/520.
Fiktiver Polizist wirbt bei „Aktenzeichen XY“ für „Aktenzeichen XY“
Na, haben Sie auch am Mittwoch dieses superfreshe Ermittlerduo im ZDF gesehen? Karl Thiessen und Meike Strömmel. Okay, die Namen. Aber sonst, ja: beide ganz smart, beide attraktiv, und wie in jedem schlechten Krimi treffen sie sich schon mal zufällig am Kaffeeplörreautomaten und besprechen fix die neuesten Erkenntnisse. Zwischendurch tapert, wie immer in solchen Krimis, der Chef auf dem Weg zur Rente ins Büro der beiden, sagt irgendwas und geht wieder. Die Ermittler wirken dann, wie immer, ein klein wenig genervt.
Kurzum: Es ist alles wie in irgendeiner „Soko“ oder einem „Tatort“ mit dem Unterschied, dass es gar kein Krimi war, sondern ein Einspieler bei „Aktenzeichen XY… ungelöst“. Der Fall ist also real und die Ermittler gibt es wirklich, nur anders. Im Film werden sie von Rhon Diels und Laura Egger gespielt.
Fahndung in regionalen Medien: erfolglos
Es geht um eine Serie von Raubüberfallen, die die Polizei in Hürth (bei Köln) bisher nicht lösen konnte: Ein bewaffneter Mann überfällt zwischen 2016 und 2019 mehrere Supermärkte, immer nach demselben Muster. Erst in Remscheid, dann in Dortmund. Später auch in Bendorf, Kerpen, Duisburg und Bochum. Und da es gute Aufnahmen aus Überwachungskameras und Phantombilder gibt von dem Mann, wendet sich die Polizei irgendwann an die regionale Presse. Öffentlichkeitsfahndung. Medien zeigen daraufhin die Bilder.
„Dieser Fall sollte schnell geklärt sein“, sagt im „Aktenzeichen“-Film der alte Chef. Aber, typisch: Er täuscht sich. „Trotz intensiver Recherchearbeit“, heißt es im Off-Text des Films, „geraten die Ermittlungen aber bald ins Stocken.“
Das ist ärgerlich, macht allerdings nix, denn Ermittler Karl Thiessen hat eine Idee, und die präsentiert er – das kann man, glaube ich, so sagen – in einer der lustigsten Szenen, die je bei „Aktenzeichen XY… ungelöst“ gelaufen ist:
Sein Gesicht, als ihm Meike Strömmel sagt, dass er sich vor die Kamera stellen soll! Und wie er ihr dann sagt, dass sie „mit nach München“ kommen muss! „Ok, Deal.“ Ganz großes Kino – und kleine ZDF-Werbung in eigener Sache.
Anruf bei der Kripo Hürth
Dem Medienermittler stellen sich hier natürlich ein paar Fragen. Zum Beispiel, ob das wirklich so war: Hatte der echte Polizist aus Hürth die Idee, sich an die Redaktion von „Aktenzeichen XY“ zu wenden, weil das die „größte Chance“ ist – oder hat das ZDF sich das ausgedacht? Und was war mit der Kollegin? Der echte Polizist stand im Studio. Wo war Strömmel?
Probates Mittel: Zeugenbefragung. Anruf bei Bernd Michelfeit, dem Ermittler von der Kripo in Hürth. Seine Aussage: War alles nicht ganz so wie dargestellt. Tatsächlich sei hier das ZDF auf die Kripo zugekommen, nicht umgekehrt.
Das passiert öfter, dass die Redaktion auf Fälle aufmerksam wird und der Polizei anbietet, sie in die Sendung zu nehmen. Michelfeit und seine Kollegin nahmen das Angebot gerne an. Ihr erstes Mal „Aktenzeichen XY“.
Er habe das Drehbuch zum Einspieler bekommen, jedenfalls „grob skizziert“, sagt Michelfeit. Er habe dann geprüft, ob die Fakten stimmen. „Die Dramaturgie ist mir egal, da mische ich mich nicht ein.“ Wie das letztlich filmisch umgesetzt wird: nicht sein Beritt, das sei Aufgabe des ZDF, er habe eine andere. „Wenn das den Zuschauern so gefällt – für mich ist das nicht wichtig.“
Wichtig für ihn ist der Fahndungserfolg. Er finde den Film gelungen, „weil die Taten gut dargestellt sind“, sagt Michelfeit. Es habe inzwischen „eine Vielzahl an Hinweisen“ gegeben, die er nun abarbeite. Das heißt: zusammen mit seiner Kollegin, die es ebenfalls wirklich gibt, allerdings habe sie nicht blonde Haare wie die Schauspielerin im Film. Und die echte Strömmel war dann auch nicht „mit in München“, leider. Das habe wegen der Pandemie nicht geklappt.
Insgesamt ist Bernd Michelfeit ganz zufrieden, auch damit, wie Rhon Diels ihn (also: Karl Thiessen) spielt. Nur an einer Szene hat Michelfeit etwas auszusetzen: an der mit dem Kaffeeautomaten. Da fragt Meike Strömmel ihren Kollegen, ob er einen Kaffee möchte – aber Thiessen lehnt dankend ab.
„Das passt nicht“, sagt Michelfeit. Da hat die „Aktenzeichen“-Redaktion offenbar schlecht recherchiert: „Ich würde niemals einen Kaffee ablehnen!“
Der Autor
Boris Rosenkranz ist Gründer von Übermedien. Er hat an der Ruhr-Universität Bochum studiert, war „taz“-Redakteur und Volontär beim Norddeutschen Rundfunk. Anschließend arbeitete er dort für verschiedene Redaktionen, insbesondere für das Medienmagazin „Zapp“. Seit einigen Jahren ist er freier Autor des NDR-Satiremagazins „Extra 3“.
Ich finde den echten Karl ja hübscher als den Film-Karl.
Von daher wäre ich jetzt an einem Bild der echten Meike schon interessiert.