Trinken Fische Wasser? Wie entstehen die Farben des Regenbogens? Und warum kriegen Vögel keinen Schlag, wenn sie auf dem Stromkabel sitzen? Antworten auf solche Fragen gibt es jeden Morgen um 7.40 Uhr auf WDR2. Die Fragensteller heißen Timon, Ava-Lee oder Rufus. Sie sind zwischen vier und zehn Jahre alt, und neben ihrem Wissensdurst ist ihnen noch etwas gemein: Sie wenden sich vertrauensvoll an eine allwissende Instanz, die ihnen im Radio und im Fernsehen, auf dem Tablet und in Büchern die Welt erklärt. Sie fragen: die Maus.
Die Maus ist die Lieblingsfernsehfigur der Drei- bis 13-Jährigen in Deutschland (PDF). Fast alle kennen das aufrecht laufende, namenlose Nagetier aus der „Sendung mit der Maus“, die seit fast 50 Jahren vom WDR produziert wird und Woche für Woche Millionen von Zuschauerinnen und Zuschauern vor die Bildschirme lockt.
„Die Maus ist die führende Wissensmarke in Deutschland und zu einer echten Ikone geworden“, heißt es denn auch bei der WDR mediagroup. Die 100-prozentige Tochtergesellschaft des WDR kümmert sich um die kommerziellen Tätigkeiten des Senders. Die Maus gehört zu ihren wichtigsten Marken im Merchandising- und Lizenzgeschäft. Sie ziert Geschirr und Gummistiefel, Taschenlampen und T-Shirts, Rucksäcke, Radios und Regenschirme.
WDR erlöst 11,5 Millionen Euro mit Lizenzen und Merchandising
Wo liegen die Grenzen der Vermarktung von öffentlich-rechtlichem Kinderfernsehen? Laut WDR mediagroup hängt das von den lizenzierten Charakteren ab.
Bei der Maus scheint der Charakter viel herzugeben: Rund 300 Lizenzverträge hat die WDR mediagroup bislang allein für die Maus abgeschlossen.
Und allein an den Einnahmen durch Lizenzen und Merchandising dürfte es eigentlich nicht liegen, dass der WDR seine Maus, diesen gestaltgewordenen öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag, überhaupt für so viele Zwecke hergibt. Zwar teilt das Unternehmen mit Hinweis auf Geheimhaltungspflichten keine Umsätze aus den Handelslizenzen einzelner Kindermarken mit, doch der frisch im Bundesanzeiger veröffentlichte Jahresabschluss zum Geschäftsjahr 2019 offenbart Gesamterlöse von 11,5 Millionen Euro im Bereich Lizenzen und Merchandising.
Geld, das die zum Sparen gezwungene ARD-Landesanstalt sicher gut gebrauchen kann, aber im Vergleich mit den Einnahmen aus dem Runfunkbeitrag, die im vergangenen Jahr bei rund 1,2 Milliarden Euro lagen, ist das ein doch eher kleiner Betrag.
„Kartoffel-Flummis“ und „Hähnchen Tic Tac Toe“
Eine der Maus-Lizenznehmerinnen ist die Firma Bofrost. Seit rund drei Jahren sind die Maus und ihre Freunde, der blaue Elefant und die gelbe Ente, Markenbotschafter für Europas größten Direktvertrieb von Tiefkühlkost und Speiseeis.
Die Gerichte mit der Maus heißen „Bauernhof-Suppenspaß“, „Kartoffel-Flummis“, „Regenbogenreis“ oder „Hähnchen Tic Tac Toe“. Man könnte auch Nudelsuppe, Kartoffelklöße, Reispfanne und Hähnchenbrust sagen. Würstchen und ausgestanzte Röstis in Maus-, Elefanten- und Entenform gehören ebenfalls zum Sortiment.
Zudem kommen „Shaun das Schaf“-Fans bei Bofrost auf ihre Kosten, allerdings etwas kalorienreicher: Für sie hat der Lieferant Pizza Margherita, eine Schokosahnetorte mit Shaun-Gesicht und drei Eissorten (etwa „Shaun’s Fruchtwirbel“) dabei.
Im Katalog sind beide Produktlinien in die fröhlich-bunte Welt ihrer jeweiligen Werbefiguren eingebettet. Dazu informiert ein Stempel der „Initiative Kids für eine ausgewogene Ernährung“ über hohe Qualitätsstandards und „strenge Kriterien bei der Entwicklung“.
Das Schaf isst gerne Pizza
Warum macht die Maus Werbung für Würstchen mit Nutri-Score D (auf einer Skala von A bis E)? Fast könnte man in Versuchung geraten, diese Frage bei WDR2 einzureichen. Stattdessen geht ein kleiner Fragenkatalog über den Bofrost-Deal, das Lizenzgeschäft mit Kindermarken und die „Maus“-Lizenzen im besonders sensiblen Lebensmittelbereich an die WDR mediagroup.
Laut WDR mediagroup gibt es nur einige wenige Nahrungsmittel-Kooperationen der Maus. Im Fall von Shaun ist sie auch nicht die Markeninhaberin, sondern agiert lediglich als Agentur, also als Vermittlerin.
Genau diesen Unterschied betont eine Sprecherin der WDR mediagroup. Bei sämtlichen Maus-Food-Lizenzen habe man sich freiwillig „an die strengen Empfehlungen und Kennzeichnungspflichten der WHO gebunden“. Bestimmte Lebensmittel wie Eis, Süßwaren oder Schokolade seien – mit Ausnahme von Sonderanlässen wie Ostern oder Weihnachten – „entweder von Anfang an kategorisch ausgeschlossen“ oder an „strikte Grenzwerte bezüglich Fett, Salz, Zucker etc. gebunden“.
Bei Shaun hingegen sei die WDR mediagroup nur als Vermarktungsagentur tätig und handle nach den Vorgaben des Rechtegebers. Da das Schaf in der Serie gerne Pizza ist, erhält Bofrost die passende Lizenz.
„Mit gutem Gewissen genießen“
Die Autorin
Anna von Garmissen ist freie Medienjournalistin und beschäftigt sich vor allem mit Qualität, Vielfalt und digitalem Wandel in Medien und Kommunikation. Außerdem leitet sie Studienprojekte für den Verein ProQuote Medien und kümmert sich als Bildungsbeauftragte um das Seminarprogramm des nordrhein-westfälischen Journalisten-Verbands (DJV-NRW). Von 2007 bis 2015 war sie Chefredakteurin der Zeitschrift „journalist“. Sie lebt mit ihrer Familie im Münsterland.
Den Kunden dürften die lizenzrechtlichen Unterschiede egal sein. Sie kennen beide Figuren aus der gleichen öffentlich-rechtlichen Sendung. Zudem ist immer noch unklar, was an Wiener Würstchen, Chicken Nuggets und Pizza Margherita so gesund ist, wie es etwa die Pressemitteilung zum Start der Kooperation Ende 2017 nahelegte. „Ausgewogenes Essen leichtgemacht: Bofrost präsentiert Kindergerichte mit der Maus und Shaun das Schaf“, lautete damals die Überschrift. Und auf Facebook hieß es zum inszenierten „Einzug“ der Maus: „Damit große und kleine Mäuse mit gutem Gewissen genießen können.“
Auch Bofrost hat eine Anfrage von Übermedien erhalten: Wie ist das Fazit nach drei Jahren – haben die Kunden gut zugegriffen? Die vom Unternehmen beauftragte PR-Agentur gibt an, dass die Produkte „aufgrund des hohen Wiedererkennungswerts der Figuren“ in Kombination mit dem Qualitätsversprechen „sehr beliebt“ seien. Auf die Frage, warum das Unternehmen gerade mit diesen beiden Figuren aus dem öffentlich-rechtlichen Kinderfernsehen wirbt, verweist die zuständige Mitarbeiterin lediglich darauf, dass „Shaun das Schaf“ und „Die Sendung mit der Maus“ etablierte Formate seien, die „bei Kindern und ihren Eltern seit vielen Jahren eine hohe Beliebtheit haben“.
Auf den eigentlichen Markenkern der Maus, mit dem die WDR mediagroup in ihrem Infoblatt um Lizenzpartner wirbt, geht sie nicht ein. Der lautet: „Glaubwürdigkeit, Kompetenz, gehört zum WDR, Wertigkeit.“
Wie Werbung auf Kinder wirkt
„Wir sind unabhängig und couragiert und machen Wirtschaft transparent“, heißt eine Programmrichtlinie des WDR (PDF). Das Gleiche könnte man von der Maus sagen. In unzähligen Sachgeschichten nimmt ihre Redaktion die Abläufe in Unternehmen unter die Lupe und achtet peinlich genau darauf, in der Sendung eben keine Werbung zu machen. Passt es dann zum Charakter, Werbung für Tiefkühl-Fertiggerichte zu machen? Wie soll man das Timon, Ava-Lee oder Rufus erklären? „Klingt komisch, is aber so.“
Gerade jüngere Kinder – die gerne Würstchen, paniertes Fleisch und Rösti essen – vertrauen der cleveren Cartoonfigur fast grenzenlos. Und: Kinder nehmen Werbung anders wahr als Erwachsene. Dazu hat ausgerechnet die Redaktion der WDR-Sendung „Quarks“ Anfang dieses Jahres interessante wissenschaftliche Erkenntnisse zusammengetragen. Danach begreifen Kinder erst mit etwa sieben oder acht Jahren die Verkaufsabsicht hinter Werbung.
„Kernzielgruppe für Lizenzprodukte“ von der „Sendung mit der Maus“laut WDR mediagroup: „Kinder im Alter von 4 bis 6 Jahren (für die Maus-Spots) und im Alter von 6 bis 9 Jahren (für die Sachgeschichten) …“
14 Kommentare
ich kann den Text noch nicht komplett lesen, aber: Würstchen sind sogar gesund, wenn die Eltern darauf achten, dass die Kinder nicht zu viel davon essen.
Und: Meist können Kleinkinder gar keine ganze Wurst essen.
@ Civichief:
Am Thema vorbei – und das wegen nur 4 Euro im Monat (Übermedien-Abo)?
Mein Liebling ist ja Ferdi Fuchs.
Die haben das Marketing komplett gelöst vom Produkt.
Und das in Eigenentwicklung, ohne teuere Lizenz.
Da wird keine Wurst verkauft sondern dein nächstes großes Abenteuer!
Ich bin ja dafür, Schlachthöfe wieder in Wohngebiete zu verlegen, aus erzieherischen Gründen.
@ Civichief:
Welches ‚Würstchen‘ soll denn ‚gesund‘ sein – also tatsächlich im Wortsinne ‚gesund‘, sprich: Dem Organismus nützlich?
Mit ‚Würstchen‘ sind vermutlich die klassischen Bock- oder Wiener-Würstchen gemeint, also ein Gemenge aus Fleisch(neben)produkten, Zucker, (Nitritpökel-)Salz, Fett und Stabilisatoren.
Das kann(!) bei gelegentlichem Verzehr wenig gesundheitsschädlich sein, keinesfalls aber ‚gesund‘!
Der Satz hat einen Fehler:
Die Maus ist die Lieblingsfernsehfigur der Drei- bis 13-Jährigen in Deutschland.
Wie viele Deutsche braucht man um eine Glühbirne einzuschrauben?
Einen, wir sind effizient und haben keinen Humor.
Abgesehen von den Würstchen und dem Hähnchenformfleisch machen die Produkte doch gar keinen so schlechten Eindruck? Wer Kinder hat, die das naive Ich-esse-was-Mama-isst-Alter hinter sich gelassen haben, ist bestimmt dankbar, wenn es Mal Reispfanne gibt…
… Und was Shaun betrifft: Alles andere hätte mich enttäuscht. Wir reden hier über ein Schaf, dass einen Eisverkaufswagen kapert. :D
Glühbirnen werden nur noch mit led-lampen ersetzt.
@KS (#10):
Shauns Margherita sieht allerdings brutal fettig aus…
Der Punkt ist doch der: Warum braucht ein Sender, der Milliarden zur Verfügung hat, noch 10 Millionen oben drauf?? Abgesehen davon, dass das nur der Umsatz ist, da gehen ja auch Kosten ab, im Endeffekt ist der Erlös, der u.U. ins Programm investiert werden kann, nochmal deutlich geringer.
Würde der WDR darauf verzichten, mit der Vermarktung der Maus Geld zu verdienen und irgendwann dann mehr Gebührengelder abrufen, wäre das Geschrei genauso groß.
Ich bin mir übrigens sicher: Ginge es hier nicht um das böse, böse Fleisch, der Aufschrei wäre gänzlich ausgeblieben.
ich kann den Text noch nicht komplett lesen, aber: Würstchen sind sogar gesund, wenn die Eltern darauf achten, dass die Kinder nicht zu viel davon essen.
Und: Meist können Kleinkinder gar keine ganze Wurst essen.
@ Civichief:
Am Thema vorbei – und das wegen nur 4 Euro im Monat (Übermedien-Abo)?
Mein Liebling ist ja Ferdi Fuchs.
Die haben das Marketing komplett gelöst vom Produkt.
Und das in Eigenentwicklung, ohne teuere Lizenz.
Da wird keine Wurst verkauft sondern dein nächstes großes Abenteuer!
Ich bin ja dafür, Schlachthöfe wieder in Wohngebiete zu verlegen, aus erzieherischen Gründen.
@ Civichief:
Welches ‚Würstchen‘ soll denn ‚gesund‘ sein – also tatsächlich im Wortsinne ‚gesund‘, sprich: Dem Organismus nützlich?
Mit ‚Würstchen‘ sind vermutlich die klassischen Bock- oder Wiener-Würstchen gemeint, also ein Gemenge aus Fleisch(neben)produkten, Zucker, (Nitritpökel-)Salz, Fett und Stabilisatoren.
Das kann(!) bei gelegentlichem Verzehr wenig gesundheitsschädlich sein, keinesfalls aber ‚gesund‘!
Der Satz hat einen Fehler:
Hundertdreißig schreibt man so: „130“.
#scnr
@5:
https://www.br-online.de/jugend/izi/deutsch/presse/Pressemitteilungen/PM-2018/PM_Lieblingsfiguren_2018.pdf
Germans don’t do irony?
Germans iron.
Wie viele Deutsche braucht man um eine Glühbirne einzuschrauben?
Einen, wir sind effizient und haben keinen Humor.
Abgesehen von den Würstchen und dem Hähnchenformfleisch machen die Produkte doch gar keinen so schlechten Eindruck? Wer Kinder hat, die das naive Ich-esse-was-Mama-isst-Alter hinter sich gelassen haben, ist bestimmt dankbar, wenn es Mal Reispfanne gibt…
… Und was Shaun betrifft: Alles andere hätte mich enttäuscht. Wir reden hier über ein Schaf, dass einen Eisverkaufswagen kapert. :D
Glühbirnen werden nur noch mit led-lampen ersetzt.
@KS (#10):
Shauns Margherita sieht allerdings brutal fettig aus…
Der Punkt ist doch der: Warum braucht ein Sender, der Milliarden zur Verfügung hat, noch 10 Millionen oben drauf?? Abgesehen davon, dass das nur der Umsatz ist, da gehen ja auch Kosten ab, im Endeffekt ist der Erlös, der u.U. ins Programm investiert werden kann, nochmal deutlich geringer.
Würde der WDR darauf verzichten, mit der Vermarktung der Maus Geld zu verdienen und irgendwann dann mehr Gebührengelder abrufen, wäre das Geschrei genauso groß.
Ich bin mir übrigens sicher: Ginge es hier nicht um das böse, böse Fleisch, der Aufschrei wäre gänzlich ausgeblieben.