Freie Fotograf*innen

Die wollen da nicht rein

Jeder Artikel braucht ein Foto. Gerade bei Online-Medien ist das zu einer Art Gesetz geworden. Alles muss bebildert werden. Jede Nachricht, jede Reportage, jedes Interview, jeder Kommentar.

Und dieses Gesetz gilt für alle. Soll heißen: Linke und liberale Medien müssen ihre Inhalte ebenso bebildern, wie rechte oder rechtsnahe Medien.

Was aber, wenn ich als Fotojournalist*in meine Motive in Publikationen entdecke, von deren politischer Haltung ich mich distanziere? Bilder von bundes- oder landespolitischen Themen, die mitunter kontextentfremdet oder gar hetzend auf rechten Medien erscheinen? Bilder wohlgemerkt, die von der Redaktion nicht geklaut, sondern rechtmäßig erworben wurden.

Mit genau dieser Problematik kämpft ein gutes Dutzend Berliner Fotojournalist*innen seit mehreren Jahren. Sie alle liefern ihre Bilder unter anderem an die Fotoagentur Imago Images. Und die wiederum verkauft diese Motive, wie für eine Bildagentur üblich, quer durch die Medienlandschaft. Die Fotograf*innen wissen beim Upload ihrer Motive nie, welches Foto letztlich wo erscheint.

„Teilweise rechtsextrem“

Als einer der größten Player am Markt zählt Imago dutzende Kunden. Von „T-Online“ und der „Berliner Zeitung“ über den MDR, Deutschlandfunk und „Spiegel“ bis hin zu „Stern“, „Zeit“, „Handelsblatt“ und „Tagesspiegel“. Auch Übermedien hat einige Artikel mit Fotos von Imago bebildert. Aber Imago beliefert auch die rechtskonservative „Junge Freiheit“, den AfD-nahen „Deutschland Kurier“, „Tichys Einblick“, „Preußische Allgemeine“, „Journalistenwatch“ oder das kürzlich vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz als teilweise rechtsextrem eingestufte Jugendportal „Fritzfeed“, das sich mittlerweile in „Flinkfeed“ umbenannt hat.

Und wer in solchen Medien namentlich als Fotograf auftaucht, kann in ziemliche Bedrängnis geraten. „Das ist nicht nur rufschädigend, sondern wirkt sich schlimmstenfalls direkt auf die fotojournalistische Arbeit aus“, sagt Rainer Steußloff, Vorstandsmitglied der Fotografenvereinigung Freelens. Fotograf*innen bauten sich mühevoll und über Jahre ein Vertrauensverhältnis zu bestimmten Szenen auf, um dort Bilder machen zu können:

„Wenn diese Bilder dann in demokratiefeindlichen Medien erscheinen, ist dieser Zugang, dieses Vertrauen zerstört.“

Übermedien hat mit zwei Berliner Fotojournalist*innen gesprochen, die auf ihren Abrechnungen immer wieder Honorarzahlungen von rechten oder rechtsnahen Publikationen entdecken. Sie haben darum gebeten, anonym zu bleiben.

Einer von ihnen ist seit mehr als zehn Jahren Fotojournalist und beliefert Imago seit fünf Jahren: „Ich habe die Agentur 2015 erstmals explizit darum gebeten, meine Fotos nicht an rechte Medien wie ‚Deutschland Kurier‘, ‚Tichys Einblick‘ und ‚Journalistenwatch‘ zu verkaufen.“ Alle Versuche, direkt mit Imago ins Gespräch zu kommen, blieben ohne Erfolg:

„Entweder wurde auf meine E-Mails und Anrufe gar nicht reagiert, oder man schob sich die Verantwortlichkeiten gegenseitig zu. Außerdem habe ich zu dieser Problematik, entgegen der mündlichen Zusage der Agentur, nie eine schriftliche Reaktion bekommen.“

Auch ein Kollege wandte sich an Imago. Mit dem gleichen Ausgang:

„Wenn eine Rückmeldung kam, dann hieß es sinngemäß, dass keine der von uns beanstandeten Redaktionen verboten sei, Imago alle seine Kunden beliefere und nicht die Pressefreiheit einschränken wolle.“

Im Frühjahr 2019 gingen die Fotograf*innen schließlich auf Freelens-Vorstandsmitglied Steußloff zu und baten den Verband, etwas zu unternehmen. Ähnliche Anfragen erreichten auch den Landesgeschäftsführer der Journalistengewerkschaft DJU in Ver.di in Berlin-Brandenburg Jörg Reichel: „Einige unserer Mitglieder haben ihre Fotos auf diesen Medien entdeckt und wollten wissen, ob es eine Möglichkeit gibt, mitzubestimmen, an wen ihre Bildwerke vermittelt werden.“

Nach Prüfung der Verträge, die die betroffenen Fotograf*innen mit der Agentur unterschrieben hatten, war klar: Imago handelt nicht rechtswidrig. Trotzdem kontaktierten Freelens und Ver.di Mitte August 2019 den Imago-Geschäftsführer Heiko Herzberger, um auf den Sachverhalt aufmerksam zu machen und um ein Gespräch zu bitten.

Das Schreiben listet konkret acht Verlage und Telemediendienste auf, an die besagte Imago-Fotograf*innen zukünftig keine Nutzungsrechte mehr lizensieren möchten: „Junge Freiheit“, „Deutschland Kurier“, „Arcadi Magazin“, „Tichys Einblick“, „Journalistenwatch“, „Compact-Magazin“, „Zuerst!“ und die „Preußische Allgemeine“.

Herzberger reagierte in Mails zunächst offen und daran interessiert, mögliche Ungereimtheiten aus der Welt zu schaffen. Doch Ver.di-Mann Reichel sagt, dass ihm bald klar geworden sei, dass „Imago zwar vordergründig eine Gesprächsbereitschaft signalisierte, aber nur unter der Bedingung, dass wir die Namen der jeweiligen Fotograf*innen nennen – und das kam und kommt für uns nicht infrage“. Schließlich gehe es Ver.di und Freelens nicht darum, einzelne Vertragsinhalte zu prüfen.

Kein Gespräch mit Imago

Daraufhin passierte laut Freelens und Ver.di: nichts. Nach einer mehrwöchigen Funkstille baten sie den Imago-Chef erneut um ein Gespräch. Mit demselben Ausgang: Imago würde gern direkt mit den Kooperationspartnern sprechen und man sehe sich als Agentur nicht dazu verpflichtet, Redaktionen, die nicht verboten sind, inhaltlich zu beurteilen.

Bis heute fanden keine richtigen Gespräche zwischen Imago und Freelens bzw. Ver.di statt. Auch mit Übermedien wollte Imago-Geschäftsführer Herzberger für diesen Artikel nicht sprechen. Der Bundesverband professioneller Bildanbieter e.V., die größte Interessenvertretung für deutsche Pressebildagenturen und Bildanbieter, bei der Imago Images Mitglied ist, ließ unsere Fragen ebenso unbeantwortet. Man wolle sich zu einzelnen Mitgliedsunternehmen nicht äußern.

Wie gesagt: Imago handelt nicht rechtswidrig. Aber: Muss man alles, was man darf? Zumal die Fotograf*innen berichten, dass es immer wieder passiere, dass ihre Fotos von bundes- oder landespolitischen Themen kontextentfremdet auf rechten Medien erschienen – und dort gar zur Hetze genutzt würden.

„Wir sehen Imago in der gesellschaftlichen Verantwortung, den Wunsch der Urheber*innen zu respektieren“, mahnt DJU-Landesgeschäftsführer Reichel. Außerdem wolle man das Bewusstsein in Fotoredaktionen schärfen, weil man mit Imago einen Geschäftspartner habe, „der nach unserer Auffassung mit den Gegnern des Grundgesetzes und damit der Pressefreiheit zusammenarbeitet“.

Mögliche „Entstellung seines Werks“

Dorothe Lanc, Fachanwältin für Medien und Urheberrecht, sieht sogar die Möglichkeit für die Betroffenen, eine Urheberrechtsverletzung geltend zu machen:

„Wenn die Fotograf*innen der Lizensierung ihrer Bilder an rechte Medien ausdrücklich widersprochen haben, könnte dies rechtlich als eine Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts der betroffenen Fotografierenden einzuordnen sein. Denn, in Anlehnung an hierzu von der Rechtsprechung entschiedene ähnliche Sachverhalte, kann die Wiedergabe eines urheberrechtlich geschützten Werkes in einem Kontext, in dem der Urheber sein Werk nicht sehen will, als Entstellung seines Werkes bewertet werden.“

Gegenüber Ver.di und Freelens argumentierte Imago, eine selektive Sperrung sei aufgrund der Vielzahl an registrierten Fotograf*innen, Kund*innen und Bildern technisch nicht möglich. Für Ver.di-Mann Reichel eine fadenscheinige Ausrede.

Und was machen die anderen Agenturen?

Übermedien hat sich bei den größten deutschen Bild- und Nachrichtenagenturen umgehört, wie sie mit derlei Anfragen ihrer Fotograf*innen umgehen.

„Für uns ist es selbstverständlich, dass wir den Wünschen der Fotograf*Innen nachkommen“, sagt Laif-Geschäftsführer Peter Bitzer, „ganz egal, ob diese Verwertungsbeschränkungen aus kommerziellen, ethischen oder anderen Gründen bestehen“. Außerdem behalte sich Laif vor, bestimmte Kunden nicht für seine Datenbank freizuschalten.

Margot Klingsporn, Geschäftsführerin der Agentur Focus, schildert ein ähnliches Bild: „Als Agentur sind wir zwar rechtlich dazu verpflichtet, alle Kunden zu beliefern, können aber die Auflagen einzelner Fotografen*innen berücksichtigen, indem wir deren Bilder im System als ‚nicht verfügbar für…‘ kennzeichnen. Dafür müssen wir allerdings einen schriftlichen Auftrag haben.“ Laut Klingsporn gibt es derzeit mehrere Fotograf*innen, die Focus solche Aufträge erteilt haben.

Die Visum Foto GmbH habe bislang noch von keinem seiner Kooperationpartner*innen die Weisung bekommen, einen kompletten Kunden zu sperren, sagt Agenturleiter Alfred Büllesbach. Doch die technischen Möglichkeiten gäbe es durchaus: „Wir können beispielsweise die high-res-Daten sperren, sodass der Kunde vor dem Download mit uns in Kontakt treten muss.“ Visum verstehe sich als Autorenagentur und „deswegen ist uns daran gelegen, die Interessen unserer Fotograf*innen zu vertreten. Wir leben schließlich von diesem Vertrauensverhältnis“, so Büllesbach.

Ein dpa-Sprecher versichert auf Anfrage ebenfalls, dass man bei der Tochterfirma Picture Alliance den Wünschen von Zuliefereragenturen und Fotograf*innen nachkomme, ihre Bilder an bestimmte Kunden nicht zu liefern.

Beim Evangelischen Pressedienst (epd) behalte man sich vor, Einzelentscheidungen zu treffen. „In der Vergangenheit haben wir auch schon Belieferungen an Medien abgelehnt, die nach unserer Einschätzung menschenfeindlichem Gedankengut den Boden bereiten“, sagt epd-Chefredakteur Karsten Frerichs. Die Möglichkeit, dass Fotograf*innen spezifische Kunden ausschließen, gebe es allerdings nicht.

Auch wer seine Bilder an Getty Images, Reuters oder Shutterstock liefert, hat kein Mitspracherecht.

Erheblicher Teil der Einnahmen von Imago

Nun steht es jedem Fotografen frei, seine Bilder an diese oder jene Agentur zu liefern. Die Fotograf*innen könnten die Zusammenarbeit mit Imago also schlicht beenden. Aber erstens löst das nicht Grundproblem. Und zweitens hat die 1997 gegründete Agentur inzwischen eine so starke Marktposition, dass man an Imago nur schwer vorbeikommt. Zumal es sich bei der Pressefotografie um einen Bereich der Medienbranche handelt, in dem die Einnahmen seit Jahren sinken.

„Bei aller Widersprüchlichkeit, ein erheblicher Teil meiner Einnahmen kommt von Imago“, sagt ein Berliner Fotojournalist.

Was also tun, wenn die Abkehr von Imago keine Option ist? Mehr als Schadensbegrenzung bleibt derzeit nicht. So schicken die betroffenen Fotograf*innen Motive von bestimmten Themen, beispielsweise Gedenkfeiern der Opfer von Hanau oder Bilder sogenannter Hygiene-Demos, gar nicht mehr oder nur noch zeitversetzt an Imago. Eine Lösung ist das nicht, denn so verhindern und verzögern sie auch den Kauf durch andere Abnehmer.

Den Berliner Fotograf*innen bleibt vorerst nur, weiter an Imago zu appellieren. Von dem wichtigen Vertrauensverhältnis zwischen Agentur und Fotograf*innen, das Visum-Geschäftsführer Büllesbach anspricht, ist im Fall der Berliner Fotojournalist*innen und Imago allerdings nicht mehr viel übrig.

Die Honorare, die sie über die Agentur nach wie vor von rechten Publikationen beziehen, spenden sie an Vereine wie Pro Asyl, Sea-Watch oder SOS Méditerranée. „Das ist zwar nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber so können wir mit dem Geld wenigstens noch etwas Gutes tun.“

4 Kommentare

  1. Ein schwieriges Thema, das kann ich mir gut vorstellen. Aber ist der Anspruch nicht etwas übersensibel oder gar überzogen?
    Auf der einen Seite braucht man den Schutz des geistigen Eigentums, um davon leben zu können (und das wird durch die Copyrightangabe mit der Namensangabe hergestellt) auf der anderen Seite gibt es die Käufer
    Ist das nicht so, als würde ein Götz Kubitschek ein Buch von Cem Özdemir kaufen, um es hinterher in „Compakt“ zu verreissen? Soll man dem Buchhändler sagen: verkaufe mein Buch, aber bitte nicht an „A“ und nicht an „B“?
    Die Bilder sind doch, so betrachtet, etwas wie Handelsware, die FotographInnen leben davon, ihre Ware zu verkaufen und die Agenturen sind die Marktstände dazu.
    Bilder und Sätze können beliebig aus dem Kontext gerissen werden oder in einen beliebigen Kontext gestellt werden. Das ist so, lässt sich nie verhindern, höchstens im Nachhinein kritisieren oder gar gerichtlich anfechten.
    Oder höchstens durch den Aufbau eines eigenen Vertriebskanals von Freien, die sich diese Standards auferlegen, oder?

  2. Das Problem liegt vieleicht eher daran wenn sich Plattformriesen zum alternativlosen Marktplayer entwicklen. Das Marktwirtschaftliche Mittel dem entgegen zu wirken wäre wohl in den sauren Apfel zu beißen sich einen anderen weniger rentablem aber dafür den eigenen Anforderungen entsprechenden Geschäftspartner zu suchen und damit eine Konkkurenz zu stärken. Denn die Schlussfolgerung Imago solle bestimmte Kunden boykottieren aber ich als Fotograf kann leider auf gar keinen Fall Imago boykottieren ist doch eine unlogische Denkweise?

  3. Das fällt schon deutlich in den Bereich Heuchelei. Einerseits das Geschäftsmodell/das Agieren eines Unternehmens moralisch verwerflich finden, andererseits aber doch nicht darauf verzichten wollen, damit Geld zu verdienen… im Fall der zwei Berliner Fotojournalist*innen „immer wieder“.

    „Die Fotograf*innen wissen beim Upload ihrer Motive nie, welches Foto letztlich wo erscheint.“

    –> Wenn man sichergehen möchte, dass meine Fotos nur da landen, wo man damit einverstanden ist: Nicht uploaden!

    „Sie alle liefern ihre Bilder unter anderem an die Fotoagentur Imago Images.“

    –> Das sollten Sie dann tunlichst unterlassen, wenn sie doch wissen, dass das Material u. U. nach rechts weiterverkauft wird.

  4. Ich musste beim Lesen an einen komplett anderen Fall denken, der mir schon vor ein paar Jahren zu Ohren gekommen ist. Genau genommen muss es um 2004 gewesen sein, denn da kam das Lied „Stellungnahme“ heraus. Es ging um die Lieder von Hannes Wader, die von rechten Liedermachern, er selbst spricht sogar von „Neo-Nazis“, damals schon gesungen wurden. Da ich mich nicht über diesen Teil der Liedermacherszene informiere erfuhr ich wie gesagt erst im Lied Stellungnahme (ebenfalls von Hannes Wader) davon und habe damals auch dem ganzen hinterher recherchiert. Mein Gedanke damals war, dass das davon kommt, wenn man die Lieder bei der GEMA registriert. Man verkauft seine Rechte eben auch an die Rechten.
    Jetzt sagt Hannes Wader selbst, dass die rechtliche Grundlage dagegen vorzugehen nicht gegeben wäre. Und da frage ich mich wie das im Falle von Imago wohl wäre. Also außer sich von solchen Diensten komplett abzuschotten.
    Könnte man vielleicht einen Künstlernamen wählen der für solche Medien unattraktiv wäre, wenn man ihn abbilden muss?

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